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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 6 -Jahrgang 1918/19
1Mo 32 - „Überwinder“1Mo 32 - „Überwinder“
Ein Sieger und Überwinder möchte jedes aufrichtige Kind Gottes sein. Aber wie können wir es werden? Sicher nicht durch eigene Kraft. Es kann nur in der Kraft eines anderen sein. Und ehe uns diese zuteil wird, müssen wir unsere eigene gänzliche Kraftlosigkeit erkannt haben.
In der Geschichte Jakobs lernen wir, wie Gott ihn erst zerbrechen mußte, ehe Er von ihm als Überwinder reden konnte. Jakob schätzte die Verheißungen Gottes; er war kein Gottloser wie Esau; jedoch er schätzte den Segen Gottes, weil Er ihm etwas einbrachte, aber nicht, weil es Gottes Segen war. - Abraham wurde herausgerufen aus seiner Familie und Heimat, um sich von Gott segnen zu lassen: „Ich will dich segnen.“ Das Vertrauen auf Gottes Segen bewahrte ihn, seine Augen nicht wie Lot nach der bewässerten Ebene des Jordans zu richten, und machte ihn zum Überwinder, indem er sich weigerte, einen Faden oder Schuhriemen von dem Könige Sodoms zu nehmen. Er wollte nicht von dem Könige Sodoms, sondern von Gott gesegnet sein. Seine Augen sahen nach der Stadt, welche Grundlagen hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist. (Heb 11,10).
Jakob war immer am Plänemachen für sich selbst. Infolge seines Betruges mußte er in Furcht vor Esau aus dem Lande fliehen, in welchem Abraham und Isaak als Fremdlinge wohnten. Nur mit einem Stabe überschritt er den Jordan. Durch Mühe und Arbeit, mit Geschick und List wurde er Besitzer zweier Herden. Und wieder ist er in Furcht, denn Esau zieht ihm entgegen. In seiner Not schreit er zu Gott um Errettung. Obgleich er das Heerlager Gottes zu Machanaim gesehen hatte - die Engel, die er auch in Bethel sah -, fehlt ihm doch das Vertrauen auf Gottes Kraft. Seine Wege sind deshalb auch noch die gleichen; er ist wieder dabei, Pläne zu machen, wie er den am besten besänftigen und versöhnen kann, den er „seinen Herrn Esau“ nennt. Herde auf Herde von Vieh, Kamelen und Eseln sendet er als ein Geschenk für seinen Herrn Esau, und zuletzt führt er seine Weiber und Kinder über die Furt des Jabbok, und nur er allein, der Mann, um den er am meisten sorgte, ist noch zurück.
Jakob, der Überlister,3 ist, wie er denkt, allein. Aber Einer wacht über ihm und sieht alle seine Wege. Und dieser Eine hatte gehört, was Jakob gebetet, daß er zu gering sei all der Gütigkeiten und Treue (V. 10). Er kann nicht Jakobs Wege unterstützen, Er ringt mit ihm bis zum Anbruch des Morgens. Gott bemüht Sich und ringt mit ihm, denn Er will ihn segnen, aber Jakob gibt nicht nach. Das war eine schwere Nacht! Das ungebrochene Fleisch verteidigt sich, es will sich nicht überwinden lassen. Gott rang nicht mit Jakob, weil Er wider ihn war, sondern um das in ihm niederzubrechen, was ihn hinderte, im Glauben an Gottes Segen und Kraft zu wandeln. Von beidem hatte Jakob kein wahres Bewußtsein, weder von seinem ungebrochenem Fleisch noch von Gottes Segen und Kraft. Aber in Seinem Erbarmen stritt Gott, nicht mit ihm „in der Größe Seiner“ Kraft (Hiob 23,6), sondern rang mit ihm als ein Mann.
Ein wunderbarer Kampf, der auch uns viel Schmerz Wie entspricht nun Gott der Bitte Jakobs, der sich an Ihn klammert, um von Ihm gesegnet zu werden? In einer sehr einfachen Weise: Er macht ihn frei und los von sich selbst. Ich kann nicht sagen, inwieweit Jakob das alles erfaßte; aber abgesehen von dem vollen und wahren Erfassen gibt es Momente, in welchen wir es so mit Gott zu tun haben, daß sie uns unvergeßlich sind, und in denen wir anfangen zu lernen, daß das Geheimnis des Segens nicht in uns, sondern in Ihm liegt.
Gott tat das, was nur Er allein tun kann. Er stellte ihn auf eine ganz neue Grundlage. Er führt ihn hinweg von dem alten Boden der Natur und hin zu dem neuen Grund der Gemeinschaft mit Gott. Und wie geschieht das? Gott fragt, was ist dein Name? Er ist Jakob: der Überlister. Sein Name offenbart sein Wesen, das, was er von Natur ist. Gott gibt ihm einen neuen Namen in Verbindung mit Sich. Nicht Jakob soll hinfort dein Name sein, sondern „Israel“. Der niedergebrochene Mann, gelähmt an der Kraft des Fleisches, ist ein Kämpfer Gottes. Israel ist hinfort sein Name, denn er hatte mit Gott und Menschen gerungen und obgesiegt. Er besitzt jetzt das Geheimnis des Sieges, denn er hat gelernt, daß seine Kraft in der Kraft eines anderen besteht.
Ein anderer wichtiger Punkt tritt vor uns. Jakob empfing einen neuen Namen von Gott, aber er selbst kennt noch nicht den Namen Dessen, der mit ihm rang. Wohl weiß er, daß der Mann, der mit ihm rang, Gott war, denn er sagt, ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen, und mein Leben (Seele) ist gerettet worden. Obgleich er von dem Boden dessen, was er von Natur war, weggenommen ist, so hat er doch nicht die Offenbarung des Namens Gottes empfangen. Soweit hatte er Ihn kennen gelernt, daß der Gott, der ihn in seiner natürlichen Kraft niederbrach, der Gott ist, der ihn segnet. Aber Seinen Namen zu kennen, heißt, Ihn Selbst kennen in Seinem Wesen, wer und was Er ist.
In jener Stunde konnte Gott noch nicht Seinen Namen mit Jakob verbinden. Es gab noch viel bei ihm und in seinem Hause zu ordnen. Und es ist nicht bedeutungslos, daß Gott während der Lebenszeit Jakobs nicht der Gott Jakobs genannt wird. Jakob stieg nicht hinauf zur Höhe der Gedanken Gottes, und deshalb konnte er sich in Sichem (1. Mose 33,17-20) niederlassen und damit zufriedenstellen, das Feld durch Kauf zu seinem eigenen gemacht zu haben.
Der Name des Altars: „Gott, der Gott Israels“, zeigt, daß er das Bewußtsein seines neuen Namens hatte. Aber zu dem neuen Namen gehört auch ein neuer Platz. Sichem ist nicht Bethel. Sichem mochte gekauft und zum Hause Israels gemacht werden, Bethel aber war das Haus Gottes und die Pforte des Himmels.
Gottes Weg für uns ist sehr einfach, wenn wir bereit sind, ihn zu gehen. Er sprach zu Jakob, „mache dich auf und ziehe hinauf nach Bethel und wohne daselbst und mache daselbst einen Altar dem Gott, der dir erschienen ist, als du flohest vor deinem Bruder Esau.“ (1. Mose 35,1). Er leitet Jakob von der Verbindung Sichems hinweg. Wieviel verborgener Götzendienst war dort getrieben worden! Aber Bethel ist Gottes, und nicht Jakobs Platz. Die Bedeckungen der Welt können dorthin nicht mitgenommen werden (s. V. 2). Dort erst kann Gott seiner Bitte entsprechen und ihm Seinen Namen offenbaren: „Ich bin Gott der Allmächtige“ (1. Mose 35,9-11). Die Erfüllung aller ihm gegebenen Verheißungen waren mit diesem Namen verbunden. Und in diesem Namen fand der Glaube seinen Ruhepunkt.
Nachdem Gott ihm Seinen Namen geoffenbart hat, fängt Er an, Jakob zu lösen. Debora, Rebekkas Amme, war gestorben. „Damit war schon ein Band seiner alten Geschichte gelöst, und das geschah nicht ohne Tränen. Sie begruben sie unter der „Eiche des Weinens“. So war es auch bei den Jüngern, als sie eine Offenbarung Seines Namens empfingen. Nachdem der Herr gefragt hatte: „Wer sagt ihr, daß Ich sei?“ und Petrus antwortete: „Der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,15), fing Jesus an, ihnen zu sagen, daß der Weg für Ihn und für Seine Jünger durch Leiden und Tod gehe und das Leben in dieser Welt verloren werden müsse, um ein besseres zu finden. Aber Sterben ist keine leichte Sache. Das erfuhr auch Jakob: Seine geliebte Rahel starb; dann wurde ihm Joseph verkauft nach Ägypten; dann kam die Hungersnot, und sie hatten kein Brot. Simeon wird in Ägypten zurückgehalten, und schließlich muß er auch Benjamin ziehen lassen. „Ihr habt mich der Kinder beraubt“, ist die Klage Jakobs, dem alles genommen wurde. Zuletzt lehnt er sich auf seinen Stab, gleichsam mit ihm den Jordan zu überschreiten.
In dieser Stunde seiner größten Schwachheit bringt er die köstlichste Frucht: seine Seele ist beschäftigt mit Gottes Plänen. Er segnet die Söhne Josephs mit den zukünftigen Dingen der Güte Gottes. Entleert von allem, redet er zu Joseph von dem Segen, den Gott der Allmächtige ihm zu Bethel gegeben, und beansprucht die Söhne Josephs als seine eigenen. Sein Name (Israel) soll auch ihnen gehören. Kurz vor Ephrath (Fruchtbarkeit) hatte er Rahel begraben. Er hatte nicht mehr daran gedacht, Rahels Sohn wiederzusehen. Jetzt legt er seine rechte Hand auf Ephraim (fruchtbar) und schaut die Erfüllung des Segens Gottes von Bethel her vollendet in dem, auf welchem seine Rechte ruht.
Aus Jakobs Geschichte können wir lernen, was es heißt, ein Sieger, ein Überwinder zu sein. Nichts aus uns und der eigenen Kraft befähigt uns, in Gottes Gedanken einzugehen. Das alles muß erst lahmgelegt werden, wenn wir Überwinder werden wollen. Der kleinen Kraft gibt der Herr eine geöffnete Tür, die zur Gemeinschaft mit Ihm führt. Und ein neuer Name kennzeichnet unsere Verbindung mit Ihm. - Simon, Sohn Jonas, war der Name, in welchem ihn die Welt kannte. Petrus war der Name, den Christus ihm gab und in welchem Er ihn kannte. Was die Überwinder in Philadelphia kennzeichnete, war, daß sie eine kleine Kraft hatten und den Namen Christi nicht verleugneten. Dies hatte Petrus getan, als er sich in seiner eigenen Kraft gürtete. Es mußte Petrus tief durch die Seele gehen, als der Herr ihn dreimal mit seinem alten Namen (Joh 21) nannte, nicht mit dem, den Er ihm gegeben hatte. Wenn es so ist, dann stimmt etwas nicht bei uns.
Wie groß ist Seine Gnade, die sich mit uns beschäftigt und dahin bringen will, uns an die Kraft eines anderen zu klammern. Er, der uns durch und durch kennt, öffnet uns das Geheimnis der Verbindung mit Ihm Selbst. Auf dem Wege nach Ephrath (Fruchtbarkeit) finden wir das Grab Rahels. Da, wo die Natur das Liebste verliert, wird das Kostbarste gewonnen.
Der Herr schenke uns das rechte Bewußtsein unseres eigenen Nichts, damit wir in der Kraft des Glaubens in Gottes Gedanken eingehen, während wir durch diese Welt pilgern.
3 Jakob bedeutet Fersenhalter, Überlister. bereitet. Zuletzt berührt Er das Gelenk der Hüfte Jakobs und verrenkt es, so daß das widerstreitende Fleisch lahmgelegt wird. Niedergebrochen kann er nichts weiter tun, als sich an die Kraft klammern, die ihn niederbrach. Hier liegt das Geheimnis des Sieges. Jetzt ist er nicht mehr der für seine eigene Wohlfahrt plänemachende Überlister, jetzt kommt der ernste Ruf aus seiner Seele, daß Gott ihn segnen möge. „Ich lasse Dich nicht los, Du habest mich denn gesegnet.↩︎