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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 11 -Jahrgang 1926
1Chr 4,9.10 - „Das Gebet Jabez“1Chr 4,9.10 - „Das Gebet Jabez“
Sehr wenig ist über Jabez in der Bibel gesagt, aber in diesem Wenigen ist viel, sehr viel enthalten. Ein kurzes Lebensbild von diesem frommen Sohn Judas ist uns gegeben in einer kurzen Stelle, welche ungefähr in der Mitte von vierhundert Versen liegt, die fast gänzlich mit Namen, Familien- und Geschlechtsregistern ausgefüllt sind.
Ich erinnere mich, daß ein Christ erzählte, als er nach seiner Bekehrung anfing, seine Bibel fortlaufend durchzulesen (wie es jeder junge Gläubige tun sollte), und als er dann bei 1. Chron. ankam, dachte: „Welchen Nutzen hat es, diese ersten neun Kapitel durchzulesen, da sie ja fast nur Namen und keine Nahrung für deine Seele enthalten?“ Aber er erinnerte sich daran, daß in Röm 15,4 geschrieben steht: „Alles, was zuvor geschrieben ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben“; er ließ sie nicht aus, sondern las weiter, bis er zu der Stelle von dem Segen Jabez kam. „Und“, sagte er, „ich bekam auch einen Segen - und was für einen Segen!“
Brüder, laßt uns unsere Bibel durchlesen, denn „alle Schrift ... ist nützlich“ (2Tim 3,16). Es mag nicht alles uns selbst betreffen, aber alles ist für uns geschrieben. Wir können nicht den geringsten Teil von unserem gottgegebenen „Erbteil“ entbehren. David hatte nur einige wenige Äcker im Vergleich zu dem uns gewordenen Erbteil, aber er schloß diese Rechtsurkunden in sein Herz und rief: „Deine Zeugnisse habe ich mir als Erbteil genommen auf ewig!“ (Ps 119,111). Können wir seine Worte nachsprechen? Das Erbteil seiner Zeugnisse ist uns jetzt zuteil geworden; aber haben wir es in Besitz genommen oder begnügen wir uns damit, hin und wieder kleine Besuche bei einigen Lieblingsstellen und -plätzen des Erbes zu machen?
Jabez hatte keine Bibel, kein göttlich-schriftliches Erbe, keine vollendeten Offenbarungen Gottes, wie wir sie haben. Er lebte in einer dunklen und bösen Zeit, und weil Dunkelheit ihn umgab, leuchtete um so heller sein persönlicher Glaube.
Aber Jabez war ein Mann des Gebetes! Darin lag das Geheimnis seinem Gelingens. Er hatte es mit Gott zu tun, der Quelle jeder Segnung, und er wurde gesegnet. Er nahm den niedrigsten Platz der Abhängigkeit vor Gott ein, und zur rechten Zeit erhöhte Gott ihn (1. Petrus 5,6). Jabez war geehrter als seine Brüder, stieg zu Ehren und Ruhm auf auf der Leiter des Gebetes.
Wir wollen kurz einige Hauptzüge von dem Gebet betrachten, welches diesen Mann für alle Zeiten auszeichnete. Um jeden dieser Punkte besser unserem Gedächtnis einzuprägen, wollen wir sie einzeln hervorheben.
Er betete ohne Furcht. „Jabez rief zu dem Gott Israels.“ Sein Gebet war nicht ein gedämpftes, furchtsames Murmeln. Er flehte frei zu Gott, so daß es nicht verborgen blieb, auf wen er sein Vertrauen setzte. Sein Gebet betraf sowohl das Walten Gottes wider das Übel als auch seine eigene Segnung. Es war ein Zeugnis - ein Zeugnis an alle, die es hörten, und Gott beachte es und ehrte ihn. (1Sam 2,30).
Auch jetzt gibt es zwar noch solche, die an den Straßenecken beten, um von den Menschen gesehen zu werden - Gott möge uns bewahren, nicht zu dieser Zahl zu gehören! -, und dennoch ist das Gebet oft ein klares Zeugnis für Gott gewesen.
Welch ein Zeugnis war das Gebet von Salomo (1Kön 8,22-53), von Asa (2Chr 14,11), von Josaphat (2Chr 20,6-12) und von Daniel (Dan 6,11)!
Denken wir weiter an die inhaltsvollen Zeugnisse der Gebete des Stephanus (Apg 7,60), des Epaphras (Kol 4,12) und der Gebete von Paulus und Silas in Apostelgeschichte 16,25!
Laßt uns diese Gebete einmal mit Ernst überdenken und auch beachten, wie sowohl die alttestamentlichen wie auch die neutestamentlichen Schreiber immer wieder und wieder auf ihre Knie gingen. Und wer von uns kann ermessen, wie diese Gebete, die in der Schrift erwähnt sind, für Gott gezeugt haben?
Und nun laßt uns zu unseren Tagen kommen! Was kann bewegender und eindrucksvoller sein, als wenn Kinder Gottes sich nicht scheuen, ihre Knie vor Gott zu beugen im Gebet; wenn ein Christ in einem öffentlichen Restaurant sein Haupt neigt in Gebet und Danksagung, ehe er seine Speise einnimmt; oder wenn ein junger Streiter des Kreuzes Christi an seinem Bette niederkniet in der Gegenwart seiner Schlafkameraden, ehe er sich zur Ruhe niederlegt?
Möchten wir uns hüten, daß wir uns nicht schämen oder fürchten, in der Stellung des Gebetes gesehen zu werden!
Solch eine Warnung ist durchaus nicht überflüssig.
Jabez betete im Glauben.
Wie „ein wahrer Israelit“ erhob er sich zur Höhe seiner Berufung! Gott war ihm nicht nur der Gott Abrahams, der Gott Isaaks oder der Gott Jakobs, sondern der Gott Israels. Israel - Streiter Gottes - war der neue Name, den Gott lange zuvor Jakob gegeben hatte; Gott zeigte damit an, was Er aus ihm machen wollte und machte. Und Jabez rief Israels Gott an, der aus Jakob - Israel gemacht hatte.
Finden wir nicht eine innere Ähnlichkeit bei Jabez - dem „Schmerzensreichen“ - mit seinem Vater Jakob - dem ringenden „Gottesstreiter“ -, der sich in seiner Schwachheit an Gott klammerte und wie ein „Streiter Gottes“ mit Gott und mit Menschen rang und obsiegte? Und beide, Jabez und Jakob erfuhren dann an sich das, was David in so köstlicher Weise zum Ausdruck bringt in Ps 113,7.8: „Der aus dem Staube emporhebt den Geringen, aus dem Kote erhöht den Armen, um ihn sitzen zu lassen bei den Edlen, bei den Edlen seines Volkes“.
Wir wenden uns jetzt nicht an den Gott Israels, denn wir kennen Ihn in einem höheren Charakter, wir beten zu Ihm als zu „dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus“. Der Glaube, wie schwach wir auch sein mögen, erkennt Ihn in diesem Titel an, und im Gebet bemessen wir den Reichtum Seiner Liebe und Segnung nicht nach dem, was wir sind oder was Gott zu uns ist, sondern nach dem, was Gott zu Ihm ist - zu Seinem
Sohne, den zu ehren Seine Freude für ewig ist. Möchten auch wir wie Jabez in einem solchen Glaubensumgange mit dem wunderbaren Gott gefunden werden, der in einer solchen herablassenden Weise sich zu uns in Seinem Sohne geoffenbart hat!
Ein anderer Zug des Gebets Jabez' war die Inbrunst.
Das erste, was uns von Jabez gesagt wird, ist sein Ruf zu Gott, ein Anruf tiefen Verlangens und heißen Sehnens nach dem Segen Gottes.
Wir lesen: „Das inbrünstige Gebet eines Gerechten vermag viel“ (Jak 5,16). So war es vor alters und so ist es noch. Solche Inbrunst braucht nicht viele Worte in sich zu schließen. Das Gebet von Jabez war sehr kurz. -
Wir hörten von einem einfachen Bruder, der in einer Gebetsversammlung aufstand und mit bebenden Lippen nur zwei Worte äußerte: „Herr Jesus!“ Aber alle, die dort waren, spürten die Inbrunst, mit der dieser Name angerufen wurde, und eine Kraft und ein Segen kam an diesem Abend über die Versammlung, den keiner sobald vergaß. Es war nicht das, was der Bruder sagte, sondern der inbrünstige Geist, in welchem er sprach und der jedes Herz zur Inbrunst zog.
Innigkeit im Gebet zeigt sich nicht im lauten Schreien oder in seelischen Erregungen und Äußerungen. Ein Seufzer (Röm 8,23-26) oder eine Träne (Ps 56,8) genügt oft, um Gottes Hand zu bewegen, auch wenn nur das Herz redet und keine Worte gesprochen werden. Der stumme bittende Blick eines Bettlers mag beredter sein als eine Bitte in vielen Worten. „Dennoch werde ich wieder hinschauen zu Deinem heiligen Tempel“, sagte der arme Jona (2,5), und er tat es und bekam Befreiung. „Ich ging durch eine Zeit großer Prüfungen und Drangsale, seitdem wir uns zuletzt sahen“, sagte ein teurer Mitpilger, „sie waren so schwer, daß ich selbst nicht zu beten fähig war; aber“, fügte er hinzu, „ich bin in mein Zimmer gegangen, dort kniete ich nieder, Worte fand ich nicht, ich blickte nur hin zu meinem Gott. Und o, ich kann dir nicht sagen, welch ein Friede und Segen da in mein Herz einzog. Es war, als ob meine Seele hinauf in die Atmosphäre des
Himmels gehoben würde, obgleich meine Lippen keine Worte fanden.“
Geliebte, laßt uns nicht träge sein im Gebet! Der Prophet klagte einst: „Und da war niemand, der Deinen Namen anrief, der sich aufmachte, Dich zu ergreifen“ (Jes 64,7). Ach, ist das nicht auch zuweilen unsere Klage? Möchten unsere Gebete inbrünstig im Geiste erfunden werden, ob sie im Verborgenen sind oder öffentlich, ob für uns selbst oder für andere!
Aber das Gebet Jabez' kann auch bildlich angesehen werden, indem wir einen geistlichen Sinn mit mit seinen Bitten verbinden. Er als ein irdischer Heiliger bat um irdische Segnungen, während unsere eigentlichen Segnungen himmlisch sind. (Eph 1,3).
Jabez bat, daß seine Grenzen erweitert werden möchten.
Bitten wir in geistlicher Hinsicht um Erweiterung unserer Grenzen der Liebe, des Verständnisses und der geistlichen Besitztümer? Sind nicht viele arm in ihrer Seele und zufrieden mit der einfachen Tatsache ihrer Errettung vom Verderben? Sollten wir nicht mehr im Glauben unseren Fuß auf himmlisches Gebiet setzen, um unseren Besitz in den Dingen Gottes zu erweitern, um zu suchen und zu entdecken, zu lernen und zu erforschen, uns anzueignen und uns zu erfreuen an den Dingen, die uns in Christo geschenkt sind?
Jabez betete, daß Gottes Hand mit ihm sein möge. Begehren und schätzen auch wir die göttliche Gegenwart über alles andere? O, wenn Gottes Hand mit uns ist, so fallen alle Hindernisse, der Feind wird geschlagen, und die Türen des Segens, die niemand schließen kann, öffnen sich uns, und wir erfahren die schützende und tragende Kraft Seiner Hand.
Jabez bat, daß er vor dem Übel bewahrt bleiben möge.
Besitzen wir jene Abhängigkeit des Geistes, wie wir sie so vollkommen in dem Herrn Jesus sehen, als Er hier war? „Bewahre mich, Gott, denn ich traue auf Dich.“ (Ps 16,1). Welch ein Leben würden wir leben, wenn ein solches Gebet die Gewohnheit unserer Seele wäre und wir den Weg mit dem tiefen Bewußtsein wandelten, daß nur Gott allein uns zu bewahren vermag vor all dem Bösen, welches uns umgibt!
Zum Schluß sei noch bemerkt, daß das Gebet Jabez' angenommen wurde. „Und Gott ließ kommen, was er erbeten hatte.“ Sein Name mochte „Jabez“, der „Schmerzensreiche“, sein, aber er betete, daß das Leid, welches in seinem Namen eingeschlossen lag, nicht sein Teil werden möchte. Wie bewegend sind seine Worte: „Daß Du mich doch bewahren wollest vor dem Übel, daß kein Schmerz mich trifft!“ Jakob in seinen Tagen, nach einer langen Zeit schmerzlicher Zucht, hörte auf, ein „Ringender“ zu sein, und Jabez in seinen Tagen, obgleich von Geburt an ein Schmerzensmann, hörte auf, der „Schmerzensreiche“ zu sein. Beide waren fähig, durch die Macht und Wirkung des Gebetes in den Stand der Segnungen Gottes einzugehen.
Geschwister! Gebet ist nicht ein Sondermittel für gewisse Leiden, sondern es ist das Erfassen Seiner Liebe und Seiner Macht im Glauben, in allen Umständen unseres Lebens. So machen wir das „Tränental“ um uns her zu einem „Quellenort“ des Trostes, wo Ströme des Segens von oben sich über uns ergießen (Ps 84,6). „Der Segen Jehovas, er macht reich, und Anstrengung neben ihm fügt nichts hinzu.“ (Spr 10,22). Solches war der Segens Jabez'; möchte uns ein solcher werden!
C. - v. d. K.