Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 12 -Jahrgang 1927
Die Inspiration der Schrift und die ErrettungDie Inspiration der Schrift und die Errettung
Wie in unseren Tagen Christen über die Inspiration (göttliche Eingebung) der Schrift urteilen, können wir aus nachstehendem Satze ersehen: „Christus ist der einzige Name, der den Menschen gegeben ist, durch welchen sie errettet werden können; an Ihn glauben ist die Grundlage des Heils, Ihm folgen der höchste Zweck des christlichen Lebens. Dagegen mag die vielumstrittene Frage der Inspiration der Schrift wohl an sich Bedeutung haben, ist aber doch nur von untergeordneter Art und sollte die Christen weder beunruhigen noch gar untereinander spalten; jedenfalls ist diese Frage ganz unabhängig von derjenigen der Errettung.“
So urteilt eine erhebliche Anzahl Christen, so predigen und schreiben sie. Die Seelen hören zu und lassen sich leicht überzeugen, ohne zu ahnen, daß sie statt des „Evangeliums des Christus“ „ein anderes Evangelium“ annehmen, welches dem ersten ebenso entgegengesetzt ist, wie die Dunkelheit der Nacht dem Licht der Sonne. (Siehe Gal 1,6-8).
Ein solches Urteil wird manchem sehr hart erscheinen, denn die Schrift selbst erklärt ausdrücklich, daß der Mensch nur gerettet wird allein durch den Glauben an Jesum Christum. (Gal 2,16).
Wo lesen wir denn - wird man sagen -, daß man an die Inspiration der Schrift glauben muß?
In der Tat lesen wir nicht, daß wir verpflichtet sind, an die Inspiration zu glauben, um errettet zu werden. Kein Mensch wird jemals gerettet werden allein durch den Glauben an die Inspiration der Schrift. Wir werden indessen sehen, daß gerade das biblische Zeugnis der Errettung durch den Glauben an Jesum Christum mit der göttlichen Eingebung (Inspiration) der Heiligen Schrift aufs engste verbunden ist. Und warum? Weil Glauben an den Herrn Jesus Glauben an eine Person heißt, von der allein die Schrift spricht.
Unter allen anderen Büchern finden wir, daß die einen nichts über den Herrn sagen, und die anderen reden von Ihm nur nach dem, was die Schrift von Ihm bezeugt; und zwar nehmen sie entweder das an, was die Schrift sagt oder weisen es mit entsprechender Auslegung nach ihrem Belieben ab.
Wenn sich nun das Zeugnis der Schrift über den Herrn als nicht fehlerlos herausstellt, welchen Wert hat dann der Glaube an Seinen Namen? Könnte er irgend jemand vom ewigen Verderben erretten?
Gott sei gepriesen, das Zeugnis der Schrift ist die genaue Wahrheit; wäre sie es nicht, so hätte der Herr Selbst Sich getäuscht, als Er zu den Juden sagte: „Sie sind es (die Schriften), die von Mir zeugen“. (Joh 5,39). Durch dieses Wort bestätigt Er Sein volles Vertrauen auf die Schrift, durch die es Gott gefallen hat, uns Ihn zu offenbaren. Was kann der Mensch also besseres tun, als sich diesem untrüglichen Führer anzuvertrauen, um durch ihn dann dem Sohne Gottes zu begegnen? „Denn also hat Gott die Welt geliebt, daß Er Seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren gebe, sondern ewiges Leben habe.“ (Joh 3,16). - In diesem Worte haben wir das ganze Evangelium, darin sind wir einig. Genügt dieses Evangelium nicht, um den Sünder zu erretten?
Ganz gewiß. Stellen wir uns jetzt aber einmal einen Augenblick vor, Gott hätte Seinen wunderbaren Erlösungsplan ersonnen und ausgeführt und keinen Menschen - Prophet oder Apostel - getrieben, darüber auch nur ein einziges Wort niederzuschreiben! Was wüßten wir dann heute vom Heiland? Nichts, durchaus nichts; von allen Weltweisen, die Zeitgenossen des „Propheten von Nazareth“ waren, ist es keinem einzigen eingefallen, uns auch nur irgend einen Bericht, der von Ihm spräche, zu hinterlassen. Ihre „große“ Intelligenz war mit anderen Fragen beschäftigt, die für die Menschen ihrer Zeit weit interessanter und aktueller waren.
Hätte Gott uns nicht Sein Wort gegeben, so würde die moderne Theologie ihre Aufgabe wesentlich leichter finden. Das mißliche, unangenehme Problem der Inspiration existierte nicht für sie: aber ich frage nun, was bliebe dann der heilsverlangenden Seele? Wohin sollte sie sich wenden? Zu welcher Quelle sollte sie gehen, um ihren Durst zu stillen? Ach, sie sähe sich in den tiefsten Jammer versenkt. Christus ohne Hilfe der Schrift ist ihr ebenso unerreichbar wie unsichtbar; wie sollte man Ihn betrachten, Sein Fleisch essen, Sein Blut trinken? (Joh 6,40.53). Welchen Mittels sollte Sich der Heilige Geist bedienen, um zwischen dem Herrn und uns jene lebendige Verbindung zu vermitteln, die uns zur Wiedergeburt führt? Ist es nicht das geschriebene Wort, durch das die Seele sich dem göttlichen Liebeswerben erschließt?
Man wird uns zustimmen, jawohl, Gott hat uns die Heilige Schrift gegeben, aber man fügt sofort hinzu, Er hat sie aber nicht vor Irrtümern geschützt, die die menschliche Schwachheit hineingebracht hat.
Wenn das der Fall wäre, welchen praktischen Wert hätte dann der Glaube an den Herrn Jesus Christus? Wir haben das Angebot der Gnade Gottes in Seinem geliebten Sohne nur durch das Zeugnis der heiligen Schriftsteller; haben diese sich geirrt, sei es auch nur im Geringsten, dann sind alle Gläubigen irregeführt!
Es bedarf keiner großen Überlegung, um zu verstehen, daß mit einer solchen Behauptung Tür und Tor für jede mögliche Unsicherheit und für die bedenklichsten Zweifel geöffnet sind! ... Das ist ein fruchtbarer Boden für das Eindringen verderblicher Irrlehren; und die, welche sich dazu bekennen, sind unfähig, „das Geheimnis des Glaubens in reinem Gewissen zu bewahren“. (1Tim 3,9).
Ein einziges Beispiel als Beweis des Gesagten! Es bezieht sich auf die grundlegende Lehre der Sühnung. Diese ist in der Schrift in so klarer Weise niedergelegt, daß kein denkender Leser Zweifel an ihrem Wesen hegen kann. „Ohne Blutvergießen ist keine Vergebung.“ (Heb 9,22). Diese Erklärung zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Schrift, vom 1. Buche Mose bis zur Offenbarung. Immer wieder finden wir den unaussprechlichen Wert des kostbaren Blutes des geschlachteten Lammes betont, das der Gegenstand allen Lobpreises der Erlösten in Ewigkeit ist!
In unseren Tagen redet man nun zwar vom Glauben an den gekreuzigten Herrn Jesus Christus; gleichzeitig aber weisen viele offen die Lehre von der Sühnung zurück, da sie weder mit ihrer menschlichen Vernunft noch mit der Liebe des himmlischen Vaters in Einklang zu bringen sei. Vor kurzem noch hat einer der eifrigsten Verteidiger dieser Auffassung erklärt: „Sowohl das Alte Testament wie die Evangelien sprechen von der Errettung nur als von einem bedingungslosen Geschenk, ohne Sühne ... Paulus predigt allerdings die Sühnung als einen dem Pharisäertum geläufigen Begriff ..., aber was kann denn das stellvertretende Leiden noch zu der Reue hinzutun, die doch die alleinige Sühne ist, welche Gott in Wahrheit fordert?“
Der Verfasser dieser Worte beruft sich auf das Alte Testament und auf die Evangelien für seine ungeheuerlichen Behauptungen, d. h. also, auf zwei Teile der Offenbarung, welche völlig genügen, um seine irreführenden Sätze gründlich zu zerstören. Das Alte Testament weissagt „von den Leiden, die auf Christum kommen sollten“ (jeder kann sich davon leicht überzeugen durch das Lesen des Kap. Jes 53), und die Evangelien zeigen uns, daß alles erfüllt ist. Der Herr Selbst gibt uns bei der Einsetzung des Abendmahles eine ganz unzweideutige Ankündigung von Seinem Leiden und Sterben. Mt 26,28: „Denn dieses ist Mein Blut, das des Neuen Bundes, welches für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“.
Ferner bemerken wir, daß derselbe Verfasser von einer „geschenkweisen Errettung“ und von „Buße“ redet. Beide sind an ihrem Platze und in richtigem Sinne wichtige Wahrheiten von höchster Bedeutung; stellt man sie jedoch in Gegensatz zur Lehre von der Sühnung und Versöhnung, so werden sie zur Unterstützung einer trügerischen Behauptung gemißbraucht. „Der Glaube an Christus“ ist zugleich „der Glaube an Sein Blut“ (Röm 3,25ff).; wenn das nicht aufrecht erhalten wird, so wird der unschätzbare Wert des Blutes Christi verachtet, der Ernst der Sünde abgeschwächt und der Mensch in seinen eigenen Augen erhoben und ihm geschmeichelt, sich selbst erretten zu können, da seine Buße ja ein Verdienst zu seinen Gunsten sei.
Und die Quelle alles Übels? Sie liegt in dem Aufgeben des Glaubens an die Inspiration der Schrift. In dem Augenblick, wo man das reine Licht dieser Lampe durch den trüben Schein menschlicher Weisheit ersetzen will, geht der Weg ins Ungewisse, und wir laufen Gefahr, daß unser Boot in der Nacht an einer der zahlreichen versteckten Klippen zerschellt.
Haben wir also übertrieben, wenn wir behaupten, daß zwischen dem „Glauben an Christus“ und dem „Glauben an die Inspiration der Schriften“ ein so inniges Band besteht, daß wir beide verlieren, wenn wir den einen beibehalten und den anderen gering achten wollen?! Der erste ohne den zweiten ist nicht mehr der Glaube an den geoffenbarten Christus, „welcher Selbst unsere Sünden an
Seinem Leibe auf dem Holz getragen hat“ (1Pet 2,24), der einzige Glaube, der retten kann; das ist vielmehr der Glaube an einen eingebildeten Christus, das ist Leichtgläubigkeit ... und Unglaube.
Wir erinnern zum Schluß an ein Zeugnis des auferstandenen Herrn, als Er die Emmaus-Jünger ermahnte: „Also steht geschrieben; und also mußte der Christus leiden und am dritten Tage auferstehen aus den Toten, und in Seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden gepredigt werden allen Nationen ...“ (Lk 24,46.47). Diesem Zeugnis wollen wir das des Apostels Paulus hinzufügen (Zwar für pharisäisch gehalten, aber sehr viel näher den Worten des Meisters als die Behauptungen der modernen Theologen!)!. „... Denn ich habe euch zuerst überliefert, was ich auch empfangen habe, daß Christus gestorben ist für unsere Sünden, nach den Schriften; und daß Er begraben wurde, und daß Er auferweckt worden ist am dritten Tage, nach den Schriften ...“ (1Kor 15,3.4).
Befleißigen wir uns, den Schriften dieselbe Bedeutung beizulegen, wie es der Herr und Seine Apostel getan haben, so werden wir befähigt sein, „das Geheimnis des Glaubens in reinem Gewissen“ zu bewahren.
Ch. A. (A. v. W).