Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 19 - Jahrgang 1934
1Kön 19,4 Phil 1,23 - Zwei Männer, die sterben wollten1Kön 19,4 Phil 1,23 - Zwei Männer, die sterben wollten
Elias unter dem Ginsterstrauch: „Es ist genug; nimm nun, Jehova, meine Seele, denn ich bin nicht besser als meine Väter.“ Paulus im Gefängnis in Rom: „Ich habe Lust, abzuscheiden und bei Christo zu sein, denn es ist weit besser.“ Wieviel Gleiches hatten diese beiden auserwählten Rüstzeuge Gottes - wie große Taten waren durch beide geschehen, beide waren scheinbar gescheitert, beide hatten Lust zu sterben, - aber welch ein Unterschied zwischen beiden! Ein Unterschied so groß wie der zwischen Gesetz und Gnade, zwischen Fleisch und Geist, zwischen Adam und Christus.
Was für ein Mann war Elias! Was für eine Gestalt voller Kraft und Mut! Vom ersten Tage an, als er wie ein Meteor plötzlich in der Nacht des götzendienerischen Volkes Israel auftaucht, so unvermittelt wie Melchisedek auftrat, und sofort seine Vollmacht aufweist: „So wahr Jehova lebt, vor dessen Angesicht ich stehe, es soll diese Jahre weder Tau noch Regen kommen, es sei denn auf mein Wort!“ Und nicht minder machtvoll sein Auftreten am Karmel, nun vor dem ganzen Volke, als er den Abgefallenen zuruft: „Wie lange hinket ihr auf beiden Seiten?“ Und Gott bekennt Sich zu Seinem Knecht, und das ganze Volk liegt auf dem Angesicht vor der Offenbarung des allmächtigen Gottes: „Jehova, Er ist Gott, Jehova, Er ist Gott!“ Dann erfolgt das Gericht über die Baalspfaffen, und auf das Gebet des Mannes Gottes ist der Himmel schwarz von Wolken und Wind und kommt der gewaltige Regen. Was für Kraft, Kraft, Kraft in diesem Manne! Wenn er jetzt im feurigen Wagen gen Himmel gefahren wäre, es würde uns schwer werden, das Wort des Jakobus zu glauben - das ihn doch unseren Herzen so nahe bringt -, daß Elias ein Mensch war wie wir und von gleichen Gemütsbewegungen wie wir.
Aber in Sichem, in der Königsburg, da kommt der Zusammenbruch. Am Widerstande eines Weibes wird das ganze Gotteswerk vom Karmel zuschanden. Sie Herrscht über Ahab, und Ahab Herrscht über das Volk. Alles war vergebens - Baal siegt doch! Da bricht der starke Mann zusammen. „Da er das sah“, da flieht er um seines Lebens willen. Muß man nicht an Petrus denken, den Felsenmann, der auf den Wogen ging, bis er „die Wellen und den Wind sah“ - und der in jener Nacht, da der Herr verraten war, weglief und der auch vor einem Weibe zuschanden wurde? „Was ist der Mensch, daß Du sein gedenkest?“
Ach, das Gesetz hat nichts zur Vollkommenheit gebracht, - auch nicht Elias, den mit Moses größten Repräsentanten des Gesetzes - des Alten Bundes. Dem Gesetz war es unmöglich, „weil es durch das Fleisch kraftlos war“. Auch bei Moses, durch den Gott das Gesetz gab. Wem hat das Herz nicht geschmerzt, wenn er las, wie Moses vom Berg Nebo das ganze verheißene Land liegen sah, von Dan bis Beerseba, das den Vätern zugesagte Land, und er darf nicht hinein! Vierzig Jahre der Wüstenreise liegen hinter Israel, „reich an Beschwerden, reicher an Schuld, aber am reichsten an göttlicher Huld“ nun ist das Ziel erreicht - aber das Land, da Milch und Honig fließt, ihm bleibt es verschlossen. Das Gesetz hat nichts zur Vollkommenheit gebracht. Gewiß, er ist nicht zu kurz gekommen, er starb, wie die Rabbinen überliefern, „am Kusse Gottes“, und niemand weiß sein Grab bis auf diesen Tag. Auch Elias kam nicht zu kurz, - vom Ginsterstrauch ging es zum Berge des Gesetzes, für das er so geeifert hatte, und dort wird ihm etwas von der Liebe offenbart, die des Gesetzes Erfüllung ist.
Aber „Was dem Gesetz unmöglich war, da es durch das Fleisch kraftlos war, das tat Gott, indem Er Seinen eigenen Sohn ... sandte.“ Kein vom Weibe Geborener vermochte in die Vollkommenheit einzugehen, ehe Er nicht die Erlösung vollbracht hatte. Und deshalb finden wir beide, Moses und Elias, auf dem Berge der Verklärung, - und was sie mit dem Herrn besprachen, das war der Ausgang, den der Herr in Jerusalem erfüllen sollte, den Exodus, wie das Wort im Urtext lautet, das gleiche Wort, das für den Auszug aus Ägypten gebraucht wird. Die beiden Repräsentanten des Gesetzes erschienen in Herrlichkeit, sie teilten das Staunen und die Anbetung der unsichtbaren Welt über den wunderbaren Ratschluß Gottes, der die Erlösung bringen sollte, - Dinge, in welche Engel hineinzuschauen begehrten. War es ein Wunder, daß die „Menge der himmlischen Heerscharen“ aus der Welt ewigen Lichts hervorbrachen, als das Wort Fleisch ward, und daß sie in diese dunkle Welt hinein den Lobpreis schallen ließen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden, an den Menschen ein Wohlgefallen.“ Es wäre erstaunlich gewesen, wenn es nicht geschehen wäre. Aber der Herr nimmt Sich nicht der Engel an, sondern des Samens Abrahams nimmt Er Sich an. Die Zeit war dem Verschwinden nahe, da selbst Männer wie Moses und Elias nicht zur Vollkommenheit gelangen konnten.
Welch eine andere Welt, nachdem der Ausgang in Jerusalem vollendet ist, - der Herzog des Lebens ist hindurchgegangen durch den Jordan des Todes und „führet jeden, der da glaubt, mit Ihm die gleiche Bahn“, hinein, durch den eigenen Tod hinein in das Land, da Milch und Honig fließt, aus der Wüste der alten adamitischen Natur hinein in das verheißene Land der neuen Kreatur in Christo. Welch ein Gottesgarten! In dieser Welt lebt Paulus, und deshalb will er auch sterben, „um bei Christo zu sein, welches auch viel besser wäre“ - aber nur aus Herzensfreude, nicht aus Verzweiflung. Auch er schien damals gescheitert zu sein. Gewaltige Taten hatte der Herr durch ihn getan. Überall brannten die Feuer des Glaubens, die er entzündet hatte, und nun, da er mitten in der Arbeit stand, da die neuentstandenen Gemeinden seiner so dringend bedurften - da läßt es Gott zu, daß sein auserwähltes Werkzeug beiseite gestellt - daß Paulus ins Gefängnis geworfen wird. Was wird aus dem Werk Gottes? Aber Paulus liegt nicht unter dem Ginsterstrauch - er liegt vor seinem Gott wie im Anfang, da er in Philippi mit zergeißeltem Rücken im hintersten Gefängnis mit den Füßen im Stock um Mitternacht Gott lobpries und lobsang. Und deshalb ist auch kein Brief so voll von Freude wie dieser Brief an die Philipper, etwa sechzehnmal ist hier von Freude und Sichfreuen die Rede. Durch ein Opfer auf immerdar vollkommen gemacht! Was kann uns da trennen von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserem Herrn? In dieser Liebe ruhen - das ist das Land von Milch und Honig, von dem David etwas wußte, als er auf der Flucht vor seinem Sohne Absalom in der Wüste Juda lagerte und im Heiligen Geiste singen konnte: „Wie von Mark und Fett wird gesättigt meine Seele, wenn ich Deiner gedenke auf meinem Lager, über Dich sinne ich in den Nachtwachen!“ Das sind die grünen Auen, auf denen der gute Hirte Seine Schafe lagert, die stillen Wasser, zu denen Er sie leitet. Da singt man vom Sieg in den Hütten der Gerechten. „Wer ist es, der die Welt überwindet, wenn nicht der, der da glaubt, daß Jesus der Sohn Gottes ist?“ Paulus lebte gern, denn er durfte dem Herrn dienen, Paulus starb gern, denn der Tod war der Diener, der dem heimkehrenden Gotteskinde die Tür öffnete zum Lichtersaal seines Vaters im Himmel, „darum wir leben oder sterben, wir sind des Herrn“ - o unbegrenzte Freude!
So ihr dieses wisset, selig seid ihr, so ihr es tut! Wenn wir in noch so fein verschleiertem Geiste des Gesetzes wirken, so ist der Zorn Gottes unser Teil. Aber glückselig, wenn wir praktisch ruhen von unseren Werken! Es gibt nur einen Weg des Wachstums: „Wir alle aber, mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauend, werden verwandelt in das nämliche Bild von einer Herrlichkeit zu der andern, als durch den Herrn, den Geist.“ Geht es uns nicht manchmal so, daß wir Vermehrung der Erkenntnis über strittige oder schwierige Schriftstellen für Wachstum halten? Aber Paulus sagt: „Wenn jemand sich dünkt, er erkenne etwas, der hat noch nicht erkannt, wie er erkennen soll; wenn aber jemand Gott liebt, der ist von Gott erkannt.“ Wenn wir die reine Himmelsluft der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserem Herrn, unsere Herzen durchwehen lassen, - dann sind wir aus dem Gebiet des Gesetzes in das der Gnade, aus der Wüste in das Land, da Milch und Honig fließt, hinübergegangen - „und es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden, wir wissen aber, daß, wenn es offenbar werden wird, wir Ihm gleich sein werden, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist.“ Halleluja! „Wohl uns des feinen Herren!“
E. L.