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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 10 -Jahrgang 1925
Lk 22 - „Petri Fall“Lk 22 - „Petri Fall“
Petrus war tief gefallen. Der Herr hatte ihn gewarnt. Wie treu ist der Herr in Seinen Warnungen an uns! Zweimal nannte Er seinen Namen: „Simon, Simon, siehe, der Satan hat euer begehret, euch zu sichten wie den Weizen.“ Aber Simon hatte kein Ohr für die Warnungen des Herrn. Er vertraute seinem eigenen Herzen. Er liebte den Herrn, und er hielt sich nicht für fähig, seinen Herrn zu verleugnen.
Sein Selbstvertrauen war das Geheimnis seines Falles. Und wie oft ist es so mit uns. Hätten die Worte des Herrn Eindruck auf Petrus gemacht, er wäre bewahrt geblieben. Aber indem er seinem eigenen Herzen vertraute, zitterte er nicht unter dem Worte des Herrn, und hier liegt der Anfang seines Falles. Er ist mit seinem eigenen Herzen, mit der Stärke seiner Liebe zum Herrn beschäftigt; statt daß die Warnung des Herrn ihn erschreckte und bitten ließ: „Herr, halte mich, laß mich nicht fallen, erlaube es dem Satan nicht, mich zu sichten“, führt er die Sprache des Selbstbewußtseins und des Selbstvertrauens: „Herr, mit Dir bin ich bereit, auch ins Gefängnis und in den Tod zu gehen“. Wie nahe sind wir dem Falle, wenn wir von uns voll sind und den Warnungen des Herrn und Seines Geistes in unserem Herzen kein Gehör schenken!
Petrus kannte nicht die Macht des Satans und die Unfähigkeit und Kraftlosigkeit des Fleisches, ihm widerstehen zu können. Und wie wenig sind wir uns unseres Nichts bewußt!
Es ist bemerkenswert, daß der Herr sagte, als Er ihn warnte, daß der Satan begehre, sie zu sichten wie den Weizen. Sie waren Weizen. Petrus war Weizen und nicht Spreu. Satan begehrt nicht Spreu ins Sieb zu legen, die Spreu ist ihm sicher, aber er will den Weizen verderben. Petrus war Weizen, köstlicher Weizen, bestimmt für Gottes Scheune. Aber der Herr ließ es zu, daß Petrus von dem Feinde ins Sieb gelegt wurde, nicht, damit er durch das Sieb falle, sondern daß er gereinigt werden möchte von der Spreu des Selbstvertrauens. Dieses mußte noch in ihm zerbrochen werden. Der Herr konnte Petrus nicht gebrauchen, solange Selbstvertrauen in Seinem Herzen war. Was sieht der Herr bei uns, das noch zerbrochen werden muß? Bei Hiob war es eigene Gerechtigkeit, die zerbrochen werden mußte. Der Weg war sehr schmerzlich, aber am Schlusse desselben legte er die Hand auf seinen Mund (vergl. Hiob 27,6 mit 39,34) und bekannte: „Seitdem mein Auge Dich gesehen, verabscheue ich mich.“ (Hiob 42,5.6). Halten wir noch in unserem Herzen etwas fest, was wir nicht fahren lassen wollen? Ist es Weltliebe, Fleischeslust, Eitelkeit, Unversöhnlichkeit, Rechthaberei, Habsucht, Härte, Zorn, Hader, Eifersucht, Eigenwille? Wenn solche Dinge in unserem Herzen noch Herberge haben, dann werden auch wir in das Sieb gelegt werden, damit diese Dinge in uns zerbrochen werden.
Wie viel hätte Petrus sich ersparen können. Und wie manche schmerzliche Erfahrung und manchen schweren Weg würden wir uns ersparen, wenn wir auf die Stimme des Herrn achteten. Noch einmal sagt der Herr, als sie nach Gethsemane kommen: „Betet, daß ihr nicht in Versuchung kommet.“ Aber es wird uns nicht gesagt, daß sie beteten, wohl aber, daß sie eingeschlafen waren. Wie oft finden wir den Herrn betend! Wie oft betest du und ich? Hier sehen wir so recht, was der Mensch ist! Er kann schlafen auf dem Berge der Verklärung, da, wo sich die Herrlichkeit des Herrn offenbart, und Er kann schlafen in Gethsemane, wo die Mächte der Finsternis ihre ganze Stärke offenbaren.
Dann naht sich Judas mit dem Kuß des Verrates. Als die Jünger sahen, was es werden würde, fragen sie den
Herrn, ob sie mit dem Schwerte dreinschlagen sollen. Petrus wartete nicht einmal die Antwort des Herrn ab; in fleischlicher Kraft zieht er das Schwert, und statt stille zu warten, schlägt er ungeheißen darein, und der Herr muß heilen, was Petrus verwundet hatte. Mit dem Schwerte dreinzufahren, zu schlagen und zu verwunden ist das Fleisch sofort bereit; es kann verletzen, aber nicht heilen. Der Herr hält Petri Arm zurück, das Schwert noch weiter zu gebrauchen, und rührt dann das Ohr des Verletzten an und heilt den Schaden, den Petrus gemacht hat. Welche Milde und Gnade sah Petrus bei seinem Herrn. Was mußte sein Herz empfinden, als er sah, daß der Herr heilte, was er zerschlagen hatte!
Aber alles dieses brachte ihn nicht zur Besinnung. Statt daß es ihn nahe zum Herrn trieb, lesen wir von nun an, daß er „von ferne“ folgte. (Lk 22,54). Dann finden wir ihn „in der Mitte“ der Feinde des Herrn sitzen. Da, wo er fern bleiben sollte, war er in der Mitte, und dem Herrn, dem er nahe sein sollte, dem folgte er von ferne. Wie schnell geht es abwärts, wenn wir einmal die abschüssige Bahn betreten haben! Wir sehen ihn dann an dem gleichen Feuer sitzen und „sich wärmen, an welchem die Feinde des Herrn sich wärmten. Er, der so ruhmredig mit Ihm sterben wollte, fand, in ihrer Mitte sitzend, nicht die Kraft, zu bekennen, daß er Ihn kenne, und so verleugnet er Ihn, nicht nur einmal, sondern auch zum zweiten Male und zum dritten Male. Wie furchtbar ist der Gedanke - er verleugnet den Herrn in dessen Seh- und Hörweite. Petrus hatte seinen Platz hinter Seinem Rücken genommen. Ohne Zweifel, er scheute Sein Auge. Aber der Herr wendet Sich um und Er blickt Petrus an. Kein Wort sagt der Herr zu ihm, aber dieser Blick redet mehr als Worte. Was war das für ein Blick? Meinst du, daß es ein Blick der tiefsten Verachtung war? Nein, wie Er ihn geliebt hatte, so liebte Er ihn bis ans Ende. Was muß das für ein Moment gewesen sein, als sich ihre Blicke begegneten! Wieviel Liebe muß aus Seinem Blick gesprochen haben! Sagte dieser Blick ihm nicht: „Petrus, Ich habe für dich gebetet?“
Jetzt schlug Petrus in sich. Er gedachte an das Wort des Herrn: „Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen“ und ging hinaus und weinte bitterlich. Haben wir nie verleugnet? Haben wir nie etwas erfahren von einem solchen Blick des Herrn, der uns tief ins Herz brannte? Ging es uns nicht wie Petrus? Dann können wir uns nicht mehr an den Feuern der Welt wärmen, wir müssen heraus aus ihrer Mitte. Wir lassen das Schwert beiseite, und wir werden wach zum Gebet. Die Feinde des Herrn wußten nichts von diesem Blick des Herrn, noch von dem, was in Petrus vorgegangen war. Die Welt mag unseren Fall sehen und darüber frohlocken, aber sie sieht nicht, wenn der Herr dem Gefallenen ins Herz blickt. Sie sieht nicht, wie bitterlich ein solcher über seine Sünde weint, sie sieht nichts von dem Schmerz, der Reue und Buße, aber Er sieht es. Und wie Er auf solche Reue antwortet, das sehen wir am Auferstehungsmorgen in der Begegnung, die der Herr ganz allein mit Petrus hatte, ehe Er Sich dem Jüngerkreise offenbarte (Vgl. Lk 24,34 und 1Kor 15,5)!. Über diese Begegnung hat Er den Schleier gezogen. Das, was dort zwischen beiden stattfand, blieb zwischen Ihm und Petrus allein.
Auf diesem schmerzlichen Wege mußte Petrus von seinem Selbstvertrauen gelöst, zerbrochen werden. Möchten wir uns von den Dingen, die Ihm entgegen sind, reinigen lassen durch das Wort Seines Mundes, damit sie nicht in uns zerbrochen werden müssen auf einem so schmerzlichen und den Herrn verunehrenden Wege wie bei Petrus. v. d. K.