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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 15 - Jahrgang 1930
Die verschiedenen Berichte in den Evangelien über die Auferstehung des Herrn (3).Die verschiedenen Berichte in den Evangelien über die Auferstehung des Herrn (3).
Daß Lukas das Erscheinen des Herrn inmitten der Jüngerschar am ersten Wochentagabend anders ausmalt als Johannes (Lk 24,36-49 = Joh 20,19-23), insonderheit, daß Er ihnen sagt: „betastet Mich“, findet seine einfache Erklärung darin, daß er nicht das Hervorheben eines besonderen Gedankens im Auge hat wie Matthäus in Bezug auf die Weiber und Johannes in Bezug auf Maria Magdalena einer- und Thomas andererseits. Er will „die Zuverlässigkeit der Dinge zu erkennen geben, in denen Theophilus unterrichtet worden ist“, Kap. 1,4: Trifft da die anschauliche Schilderung in den Abschnitten 24,13-35 und 36-49 und in dem letzteren besonders das in den Versen 37-43 Gemalte nicht den Nagel auf den Kopf?
Johannes 21 soll von einem Schüler des Johannes geschrieben, die Verse 24 und 25 ein Zusatz von fremder Hand sein? Und das spricht jemand, der sich gläubig nennt, nach? Warum soll das so sein? Weil die Darstellung aus dem Rahmen der ersten zwanzig Kapitel herausfällt und scheinbar eher in den Rahmen eines der drei synoptischen Evangelien passen könnte? Ja eben, weil dem so ist, würde ein Glied fehlen, wenn dies Kapitel nicht da und nicht so wäre, wie es ist. Die erste Offenbarung Jesu an die Jünger nach Seiner Auferstehung, hier in Johannes 20,19-23, zeigt Ihn in der Mitte der Brüder, der Christen, um sie als himmlische Familie in die Gemeinschaft und in den Dienst zu setzen. In der zweiten, 24-29, stellt Er den Thomas zurecht, den Repräsentanten Israels im Überrest, wie es bekehrt und wiederbelebt wird. Das dritte Mal, 21,1-14, gibt Er das Unterpfand des zukünftigen Dienstes Israels und der Frucht, die es für Gott tragen wird, wenn durch Seinen Missionsdienst die Nationen zum Dienste und zur Anbetung Jehovas werden gebracht werden, wie so viele Stellen in den Propheten es bezeugen (z. B. Jes 60,5-7; 66,18.19). Dies des näheren zu erläutern würde eine längere Abhandlung erfordern. Wie verständlich, daß wir in diesem dritten Fall die Jünger wieder da sehen, wo sie anfangs gerufen worden waren: in Galiläa, am See Tiberias, als Fischer. Das gab Jesu die Gelegenheit, alles so herbeizuführen, wie es vorbildlich dem Zweck entsprechend war, den die Begegnung haben sollte.
Das Verfahren mit Petrus zu seiner völligen Wiederherstellung ist eine Sache für sich. Daß Jesus ihm aufträgt, Seine (israelitischen) Lämmlein und Schafe zu weiden und zu hüten, gehört nicht zur Aussendung aller, von der 20,21 die Rede ist. Es ist eine persönliche Sache zwischen dem Herrn und Petrus wie das Belehnen mit den Schlüsseln des Reiches der Himmel. (Mt 16,19)
Daß Johannes sich 21,24 in der dritten Person einführt, ist kein Grund, diesen und den letzten Vers einem anderen zuzuschreiben; er hat sich vorher schon mehrmals in der dritten Person eingeführt. - Von anderen Stimmen werde eine vernommen, aus: „Illustrierte Prachtbibel von Otto Delitzsch, Religionslehrer an der Städt. Realschule zu Leipzig 1862“: „... Andere (wie J. P. Lange) erblicken in diesem Kapitel einen planmäßigen Epilog des Evangeliums, wie Kap. 1,1-18 den Prolog enthalte. Auch hat es nicht an solchen gefehlt, die gemeint haben, daß dieses 21. Kapitel später von fremder Hand hinzugefügt sei. Allein die Schreibweise dieses Abschnittes ist so eigentümlich johanneisch, die Erzählungen sind so genau und geben so sehr den Augenzeugen kund, daß jene Zweifel als unhaltbar erscheinen.“ „24.25. Manche haben diese beiden Verse, einige wenigstens die Worte: „Und wir wissen, daß Sein Zeugnis wahrhaftig ist“ für einen von den Christen in Ephesus ausgegangenen Zusatz gehalten. Indessen entspricht die ganze Art und Weise dieser Worte der Eigentümlichkeit des Evangelisten, wie dies namentlich aus der Vergleichung mit Kap. 19,35 sich ergibt“.
Den eingangs erwähnten „Logien“ („eine“ Logie = Spruchsammlung gibt's nicht!“) ist noch ein Wort zu widmen. Der Korrespondent ist der Meinung, daß „- nach seinen Unterlagen -“ „Matthäus und Lukas um etwa 80-90 n. Chr. entstanden seien; daß von Matthäus eine Spruchsammlung (logie) von Reden des Herrn bestand, die später zu einem völligen Evangelium erweitert wurden.“
Hierzu ist zu sagen, daß diese Unterlagen schlimme Unterlagen sind, von denen ein Gläubiger nicht in zustimmendem Sinne reden sollte. Woraus soll denn ersichtlich sein, daß es aus einer Spruchsammlung erweitert worden sei? Das ist nur eine Erfindung ungläubiger Theologen, die folgerichtig die Vollendung zum mindesten auf die angegebene Zeit hinausschieben muß, um dann erst noch als recht gnädiges Zugeständnis zu gelten, daß es nicht später gewesen sei. Und das Buch trägt doch den Stempel der Echtheit an der Stirne! „... Unzweifelhaft ist (nach Mt 27,8; 28,15), daß das Evangelium vor Jerusalems Zerstörung geschrieben war“ stellt der obengenannte Otto Delitzsch fest. Braucht man noch mehr Zeugnis als diese beiden Stellen? Denn „bis heutigentags“ hat nur geschichtlichen Sinn, solange Jerusalem bestand.
Dem Eingeweihten ist bekannt, daß die ungläubigen Kritiker vielfach das Einfachste übersehen und daß sie in ihrer vermeintlichen Weisheit zu Narren werden. Der einfache Gläubige sollte sich hüten, nachzureden, was die Herren sagen. Er sollte z. B. „Logien“ ruhig den Gelehrten überlassen! Die Herren machen nämlich da einen Schnitzer. Aus Apg 7,38; Röm 3,1.2; Heb 5,12 und 1Pet 4,11 geht hervor, daß „lógia“ 10) Mehrzahl von „lógion“ 10) „auf die ganze Sammlung der heiligen Bücher, die Israel anvertraut war, hingeht und Weissagung und Geschichte einschließt“ (Urquhart), also „göttliche Orakel“ bedeutet. Daß dies die Bedeutung auch im klassischen Griechisch ist, kann in jedem griechischen Wörterbuch nachgeschlagen werden, z. B. in Benselers Schulwörterbuch: „to (das) lógion: die Weissagung, das Orakel, der Orakelspruch, Spruch.“ Daß das Wort auch bei den apostolischen Vätern und bei jüdischen Schriftstellern diesen Sinn hat, kann nachgelesen werden z. B. bei Urquhart 11 und Tischendorf. 12 Wenn also ein Kirchenvater, Papias, von den Logien des Matthäus spricht, so „können das keine anderen gewesen sein als die göttlichen Orakel, die durch ihn der Kirche gegeben waren. Mit anderen Worten, es war das Evangelium Matthäus“ (Urquhart). Nun machen die Herren Gelehrten einfach gewöhnliche Aussprüche daraus, indem sie es mit dem Wort logoi = Worte, Mehrzahl von logos = Wort, verwechseln. Das geht daraus hervor, daß sie abwechselnd „Aussprüche unseres Herrn “ und „Herrenworte“ für ein und denselben Begriff gebrauchen. Heute wie vor Jahrzehnten. Vor mir liegt ein Band von 362 Seiten aus dem Jahre 1926, in welchem einmal ums andere diese Worte und Begriffe vorkommen. „... daß die Grundlage, auf der ‚Markus‘ arbeitet, aus einer Reihe von Lehranekdoten, Wundernovellen, Logien bestand, die ...“ „Das Logion von der Aufnahme des Kindes auf Grund meines Namens ...“ „Es ist ein völlig begreiflicher Vorgang, wie im Gottesdienst der Christen die Herrenworte und damit die Evangelien, welche diese Herrenworte enthalten, allmählich neben das Alte Testament als heilige Vorlesungstexte treten und so der Keimansatz des Neuen Testamentes entsteht.“ -
Über solche und ähnliche Unterlagen sollte jemand „nachdenken und nachforschen“, der bekennt: „alle Evangelien sind unter der Leitung und Eingabe des Heiligen Geistes geschrieben“?? „Werdet rechtschaffen nüchtern ... denn etliche sind in Unwissenheit ...“ (1Kor 15,34) ist da ein Wort am Platze! Gibt es doch auch Gelehrte, die, ohne die göttliche Inspiration der neutestamentlichen Schriften anzuerkennen, edler und ehrfurchtsvoller von den Schreibern und Adressaten oder Empfängern denken. Hier einige Sätze von einem von ihnen (Hermann Freiherr von Soden): „Heilige Schriften besaßen die Christen von Anfang an in den Büchern des Alten Testamentes. Exemplare davon sich zu schaffen, mußte das Bemühen jeder Christengemeinde sein. Sie waren nicht ganz billig, dazu heilige Urkunden mit inspiriertem Text. An ihnen lernten sie Schriften achtsam behandeln und auch den Buchstaben heilig halten ... Ein Evangelium ersetzte die mündliche Verkündigung derer, die allein Jesus persönlich gekannt und gehört hatten, ja, es bot in gesicherter Form die Worte des Herrn der Gemeinde selbst. Es ist undenkbar, daß man an dem Wortlaut, in dem ihre Verfasser diese Schriften als ausgereifte Frucht der Gemeinde darboten, sich willkürlich Änderungen erlaubte ... daß die Paulusbriefe originell und jedes Wort in ihnen abgewogen, daß sie und nicht minder jedes der uns erhaltenen Evangelien in seiner ausgeprägten Eigenart Kunstwerke waren, drängt sich jedem eingehenden Studium derselben auf. Die ganz individuellen Briefe lockten nicht zu Änderungen, sondern wehrten sie ab ... Es ist selbstverständlich, daß der Apostel [Paulus] ein Exemplar der von ihm ausgesandten Briefe für sich behielt und sich so in seinem Besitz seine Briefe ansammelten ... Daß der Verfasser des Matthäusevangeliums, das als Lehrbuch geschrieben ist, für seine Benutzung und Vervielfältigung selbst besorgt war, liegt in der Konsequenz der großen Mühe, die er an die Abfassung seines Werkes verwandte. Und daß er damit Erfolg hatte, das bezeugt fast jede nach ihm entstandene urchristliche Schrift.“
Noch eins. Stellen wir doch einmal den einen Auftrag in seiner vierfachen Gestalt nach der in jedem Evangelium besonders hervorstechenden Eigenschaft vor uns hin.
Matth: Alle Nationen sollen zur Unterwerfung unter die Oberhoheit des Königs aufgefordert werden.
Mark.: Das Evangelium der Errettung aus Glauben soll der ganzen Schöpfung gepredigt werden.
Luk.: Buße und Sündenvergebung auf Grund des Namens des Christus muß allen Nationen gepredigt werden.
Joh.: Friede ist durch die Jünger der Welt zu bringen mit Sündenvergebung jedem, der sich dieser Verkündigung erschließt.
Und in den Jüngern kommt der Christus Selber, Frieden verkündigend: „Und Er kam und verkündigte Frieden, euch, den Fernen (Nationen), und Frieden den Nahen (Jerusalem und den Juden: Lk 24,47)“: Eph 2,17. - Ist diese Unterscheidung nach dem Charakter eines jeden Evangeliums nicht erhabener, bewunderungswürdiger, lieblicher, als wenn alles in eins zusammengeworfen wäre?
Wie armselig, ja verächtlich nimmt sich hiergegen die Kritik- und Zweifelsucht aus, die in ihrer Blindheit das Einfachste nicht sieht, sich aber selber Gespenster vor die Augen gaukelt! „Enthülle meine Augen, und ich werde Wunder anschauen aus Deinem Gesetze.“ (Ps 119,18)
F. Kpp.
10 Mit betontem ó; dagegen «eine logía» mit betontem i ist eine Sammlung im Sinne von Kollekte: 1Kor 16.1↩︎
11 Urquhart: „Die neueren Entdeckungen und die Bibel.“ Band 5, Seite 310.↩︎
12 Const. Tischendorf: „Wann wurden unsere Evangelien verfaßt? “ 1866. Zweiter unveränderter Abdruck 1880, Seite 103.↩︎