verschiedene Autoren
Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 18 - Jahrgang 1933
Hag 2,23 - Der SiegelringHag 2,23 - Der Siegelring
„An jenem Tage, spricht Jehova der Heerscharen, werde Ich dich nehmen - werde dich wie einen Siegelring machen.“ (Hagg. 2,23)
Wir sind geneigt, die Bücher der sogenannten kleinen Propheten zu vernachlässigen, als ob man kaum erwarten könnte, in ihnen verborgene geistliche Schätze zu finden. Sicher ist das nur zu unserem eigenen Nachteil, denn diese Bücher sind uns von Gott geschenkt, und die göttliche Belehrung darin ist von dem Heiligen Geist inspiriert; denn schrieb nicht Paulus dem jungen Timotheus: „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nütze zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, auf daß der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werke völlig geschickt.“? (2Tim 3. 16.17)
Das Buch des Propheten Haggai ist ja nur ein kurzes, aus zwei Kapiteln bestehendes Werk; und obwohl die Zeit der Weissagung sich nur über einige Monate erstreckt, enthält es doch so viel gute geistliche Nahrung auch für unsere Tage, daß man sich nur darüber verwundern und daran erfreuen kann. -
Es war die Zeit nach der babylonischen Gefangenschaft; eine kleine, nur aus einigen tausend Seelen bestehenden Schar hatte den Rückweg nach Jerusalem angetreten, den Altar wieder an seiner Stelle aufgerichtet und den Grund zum Tempelbau gelegt. Es gelang aber dem Feinde, die begonnene Arbeit zum Stillstand zu bringen, und so entmutigt war dieser schwache Überrest, daß er sagte: „Die Zeit ist nicht gekommen, die Zeit, daß das Haus Jehovas gebaut werde.“ (Hagg. 1,2) Das war aber eine menschliche Ausrede, sich zu entschuldigen, die Arbeit aus Mutlosigkeit eingestellt zu haben. Nun kam die Botschaft Gottes durch die Propheten Haggai und Sacharja. „Und Jehova erweckte den Geist Serubbabels, des Sohnes Schealtiels, des Landpflegers von Juda, und den Geist Josuas, des Sohnes Jozadaks, des Hohenpriesters, und den Geist des ganzen Überrestes des Volkes; und sie kamen und arbeiteten am Hause Jehovas der Heerscharen, ihres Gottes.“ (Hagg. 1,14)
Alles war schwach und gering. Und in den Augen derer, die den früheren, vom König Salomo errichteten, herrlichen Tempel gesehen hatten, war es „wie nichts“ (Hagg. 2,3); denn ihr Bau geschah in „Drangsal der Zeiten“ (Dan 9,25) Aber der Herr ließ es an Anregung und Aufmunterung nicht fehlen. Wiederholt gab Er Seine Verheißung, mit dem Volke zu sein, und ermahnte sie, stark zu sein, d. h. stark zu sein im Glauben und im Gottvertrauen. Und das ist etwas ganz anderes, als wenn man sich einbildet, in der eigenen Kraft oder vermöge der eigenen Fähigkeit etwas ausrichten zu können. Von diesem Starksein im Herrn wußte Paulus viel. Er schrieb den Korinthern: „Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und in vielem Zittern.“ (1Kor 2,3) Aber weil er sich seiner eigenen Hilflosigkeit wohl bewußt war, stützte er sich im Glauben auf den Herrn, der in der Nacht zu ihm sagte: „Fürchte dich nicht ...; denn Ich bin mit dir“ usw (Apg 18,9.10). Und so war er freimütig in seinem Gotte, das Evangelium Gottes „zu reden unter großem Kampfe“ (1Thes 2,2). Alle Knechte des Herrn wissen wenigstens etwas von solchen Seelenübungen, sie fühlen ihre eigene Unfähigkeit, ihr völliges Unvermögen, und trotzdem gehen sie vorwärts in den Kampf; nicht als ob es eine verlorene Hoffnung oder eine hoffnungslose Aufgabe wäre, nein, nicht das, denn alles ist ja die Sache ihres siegreichen Herrn. Vielleicht schlug das Herz Serubbabels, des Landpflegers, ein wenig schneller aus Angst, als er sich wieder an die Arbeit begab und die Kelle in der Hand hielt, vielleicht waren die Hände geneigt zu erschlaffen und die Knie zu erlahmen (Heb 12,12), doch stark in seinem Gott arbeitete er weiter, denn er glaubte, daß der Herr Seine herrliche, trostreiche Verheißung, mit ihm zu sein, halten würde.
Und nun kommt für Serubbabel die Verheißung einer schönen Belohnung an jenem Tage; diese Vergeltung, dieser Preis oder diese Auszeichnung klingt zuerst ein wenig sonderbar, als ob sie nicht viel wert wäre, sie lautete: „Ich werde dich nehmen, und werde dich wie einen Siegelring machen; denn Ich habe dich erwählt, spricht Jehova der Heerscharen.“ Sicher wußte Serubbabel diese in Aussicht gestellte Anerkennung zu schätzen, und das sollte ihm als eine wunderbare Aufmunterung in Stunden der bangen Sorgen dienen.
Das Wort sagt nicht, daß der Herr den Serubbabel zu einem Siegelring machen würde, das hätte keinen Sinn, sondern, daß er ihn wie einen Siegelring machen würde. Jeder orientalische Monarch trug an seiner Hand einen kostbaren Siegelring als Zeichen seiner Macht, und damit stempelte er die königlichen Erlässe; er legte ihn niemals ab, damit niemand auf unbefugte Weise irgendeine Verordnung ergehen ließe und sie mit dem Siegelring des Königs stempele, als ob die Macht des Königs dahinter wäre. Der Machthaber gab genau Acht auf seinen Siegelring, er trug ihn Tag und Nacht. Dieser Ring wurde aus gediegenem Gold verfertigt, und das Siegel war aus einem kostbaren Diamant oder irgendeinem anderen wertvollen Edelstein, und auf diesem Stein wurde das königliche Wappen eingestochen. In der Beschreibung des wunderbaren Gewandes des Hohenpriesters Aaron lesen wir öfters von „Siegelstecherei“.
Es ist wunderbar, zu bemerken, daß der mächtige Pharao, der Selbstherrscher Ägyptens, seinen Siegelring sogar von seinen Händen herunterstreifte und ihn dem Joseph gab (1Mo 41,42) Vorbildlich bedeutet das wohl, daß die ganze Macht Gottes unserem teuren Herrn Jesus Christus übergeben ist, denn Er Selbst sagte: „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. Gehet nun hin und machet alle Nationen zu Jüngern.“ (Mt 28,18.19). In dieser Begebenheit erblicken wir etwas von der Bedeutung eines Siegelringes.
Wir wissen auch, daß der auf die Öffnung der Löwengruben gelegte Stein mit dem Siegelringe des Darius und dem Siegelringe seiner Gewaltigen versiegelt wurde (Dan 6,18), damit ja kein Mensch dem Propheten Daniel zu Hilfe eilen möchte; also konnte seine Rettung von den Klauen der Löwen nur von Gott sein.
Wir bemerken wieder, wie äußerst wichtig der Siegelring an der Hand eines Königs war nach dem Ausspruch Gottes über den gefallenen König Konja in Jer 22,24: „Wenn auch Konja ... ein Siegelring wäre an Meiner rechten Hand, so würde Ich dich doch von dannen wegreißen.“
Ja, jeder Herrscher hält seinen Siegelring fest. Der Siegelring ist einer seiner kostbarsten Schätze, der in sich selbst kostbar, wertvoll genug ist und hinter welchem die ganze Macht des Königs steht. Nun, an jenem Tage, sagte Jehova der Herrscharen, sollte sein Knecht Serubbabel wie ein Siegelring gemacht werden. War das nicht eine wunderbare Aufmunterung für ihn in den „Tagen kleiner Dinge“ (Sach 4,10), in den Zeiten, als die dunklen Wolken sich zusammenzogen und unübersteigbare Berge von Schwierigkeiten auf dem Wege emporragten? Dieser Serubbabel war kein Moses, Josua oder David; er zog nicht aus, dem Feinde entgegen an der Spitze einer großen, gutgerüsteten Armee von tapferen Helden; nein, er war nur in einer verwüsteten und mit Feuer verbrannten Stadt, und dort, von Feinden umringt, sollte er das Senkblei ergreifen und das Haus Gottes gründen und zur Vollendung führen.
Wir leben nun in ähnlichen Zeiten am Ende dieses Zeitalters; es ist wieder die Zeit kleiner Dinge, unser Bauen ist schwach und mangelhaft; oft ist das arme Herz so zaghaft und mutlos. Gern möchten wir die Frische und die Kraft der apostolischen Tage wieder erleben, aber alles ist nur gering und schwach, und von der großen Namenchristenheit werden wir verachtet und verfolgt. Aber hier gilt auch die Ermunterung des Herrn, daß, wenn auch keine großen Wunder geschehen, Er doch Seine treuen Knechte, deren Seufzer so oft emporsteigen, wie einen Siegelring machen will; das bedeutet, daß sie sein wertvollster Besitz sein werden, den Er niemals preisgibt; denn niemand vermag einen Siegelring des allmächtigen Gottes von Seiner Hand zu reißen!
Wir wiederholen noch einmal die besonderen Kennzeichen eines Siegelringes: Der Machthaber schätzt seinen Siegelring sehr hoch; er läßt ihn niemals los; er schenkt ihm den Ehrenplatz an seiner rechten Hand; er verwendet ihn zu einem wichtigen Dienste. - Gebe der Herr, daß die Verheißung, die Er Serubbabel gab, auch an uns ihre Erfüllung finden möge!
F. Btch.