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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 11 -Jahrgang 1926
Gal 5,22 - „...Treue, Sanftmut...“Gal 5,22 - „...Treue, Sanftmut...“
Diese beiden Stücke der herrlichen, unteilbaren „Frucht des Geistes“20, wie sie uns durch Paulus in Gal 5,22 gezeigt wird, gehören natürlich auch mit den übrigen Stücken unauflöslich zusammen, aber, daß sie gerade nebeneinander gestellt werden, hat uns sicher etwas zu sagen - wie auch dieses, daß das Wort: „Treue“ eingerahmt ist durch „Gütigkeit“ und „Sanftmut“!
Beschäftigen wir uns hier nunmehr mit der Zusammenstellung „Treue, Sanftmut“! Der Herr gebe uns Gnade zu lebendigem, praktischem Verständnis!
Fragen wir uns zunächst, warum wohl Gottes Wort diese beiden Stücke so eng aneinander rückt! Selbstverständlich scheinen sie nicht zusammenzugehören. Ist nicht vielmehr in ihnen etwas Gegensätzliches? Kann man sich nicht sehr gut einen sehr treuen Menschen vorstellen, der von Sanftmut wenig weiß, oder einen sanftmütigen, bei dem es in puncto „Treue“ hapert? Um ein Beispiel zu gebrauchen: Da ist ein Bruder, der über die göttlichen Grundsatz der Absonderung belehrt ist und der nun in aller Treue dem Worte der Wahrheit in allen erkannten Teilen unbedingt gehorsam sein will; er hat die biblische Wahrheit der Gläubigentaufe erkannt und zögert auch in diesem Stück nicht, gehorsam zu sein; die Trennung von den schriftwidrigen religiösen Systemen, Landeskirchen oder Freikirchen steht mit all ihren Folgen vor seinem Auge, aber er ist treu dem, was er erkannt hat, und handelt demgemäß. Und tut er etwa nicht recht? Freilich, denn der Herr sucht und erwartet von den Seinen Treue, wie unter vielen Stellen Ps 101,6 sagt: „Meine Augen werden gerichtet sein auf die Treuen im Lande, damit sie bei Mir wohnen ...“ (vgl. Jer 5,3a und 2Chr 16,9; Lk 16,10ff.; 1Kor 4,2; 2Tim 2,2 usw). Wohl dem, der treu und gehorsam ist! Dieses Stück der Geistesfrucht ist unentbehrlich! Aber - aber die anderen sind es nicht weniger! Da kommt der treue Bruder eines Tages mit einem lieben Gotteskinde zusammen, das durch andere geistliche Erziehung gegangen ist, vielleicht auch geistliche Krankheiten hinter sich hat, indem es geradezu durch „verfälschte Milch“ (vgl. 1. Petrus 2,2) lange Zeit hindurch genährt ist, und statt nun „in Sanftmut“ letzteren „zurechtzuweisen“ (2Tim 2,25; sogar „die Widersacher in Sanftmut!“) fährt ersterer auf seinen armen Bruder, seine erkenntnisschwache Schwester los und sucht ihn oder sie mit Worten, die nicht durch „die Sanftmut des Christus“ gelehrt sind (2Kor 10,1), von seiner verkehrten Stellung - und hat er nicht recht? ja - aber! - zu überzeugen und seine sicher törichten Einwände zu übertäuben, statt sie in Sanftmut zu widerlegen mit dem Worte der Wahrheit. Statt in Sanftmut zu dienen - „streitet“ er, was das Wort verbietet! (2Tim 2,24). Deine Treue in allen Ehren, Bruder, Schwester!, und sie soll und darf in nichts leiden noch zu kurz kommen, und du darfst nicht auf Kosten der
Wahrheit und Treue sanftmütig sein wollen - aber denke daran, wie oft und eindringlich die Schrift die Sanftmut betont, und vergiß nicht, daß du, ebensogut wie du die Treue als Stück der Geistesfrucht mit dem Geist bekommen hast und auswirken darfst und sollst, so auch geistliche Fähigkeit zur Gültigkeit und Sanftmut bekamst! Der Herr erwartet von dir, daß du „aus dem guten Wandel deine Werke in Sanftmut der Weisheit“ zeigest (Jak 3,13) und daß du deinen irrenden Bruder „im Geiste der Sanftmut“ zurechtbringst (Gal 6,1). Auch zu jeglicher Verantwortung gehört die Sanftmut! (1. Petrus 3,15). Beachte auch 1Kor 4,21; Eph 4,2; 1Tim 6,11.12; Tit 3,2.3!
Aber auch das Umgekehrte ist leicht möglich! Da ist einer, dem die geistliche Sanftmut aus Augen, Blick und jedem Verhalten leuchtet. Es ist etwas Wunderbares um solch Sanftmütige, gelinde Christen! (Vgl. z. B. Spr 16,32; 15,1; 25,15 usw). Wie erquickend ist es, mit ihnen umzugehen, welche Ruhe und Stille geht oft von ihnen aus, wie schweigen in ihrer Gegenwart selbst harte, hämische, verleumderische und zornmütige Zungen! Aber gibt es für diese Sanftmütigen keine Gefahr? O wohl! Wenn sie schon nicht leicht der Gefahr erliegen, ihre Worte nicht zu hüten, so doch gelegentlich der, daß sie mit nicht am Platze befindlicher Sanftmut untreu wandelnde Gläubige entschuldigen und dadurch selber untreu werden! Ja, es gibt eine „Sanftmut“, die weiß von sich, wie sanftmütig sie ist, und die „macht“ alles mit Sanftmut, sie gerät nie in innere Erregung, wenn das Wort der Wahrheit mißachtet wird, kann nie den Vorwurf geistlicher Schroffheit ertragen, die doch gelegentlich so berechtigt sein kann (vgl. Mt 23,13-39 u. a)., bleibt stets gleichmäßig sanftmütig jeder Untreue der Schrift gegenüber, legt größtes Gewicht auf ihre angebliche Heiligung in Bewahrung der Zunge, aber keine oder wenig Bedeutung hat ihr die Treue im Gehorsam gegen das ganze Wort Gottes! Es mag sein, daß sie nicht echt, nicht geistgewirkt, vielmehr Karikatur ist; diese Art „Sanftmut“, aber auch echte geistliche Sanftmut kann ungeistlich-einseitig werden und die persönliche Treue vernachlässigen!
Das sind zwei Beispiele aus dem Leben. Laßt uns diese wie jene Klippe zu vermeiden suchen in Abhängigkeit vom Herrn! Wie wunderbar ist das Leben solcher Gläubigen, bei denen am rechten Platz Gütigkeit und Sanftmut, am rechten Platz aber auch Treue in geistlicher Entschiedenheit, Treue im Gehorsam und im täglichen Glaubenskampf sich finden! Von solchen geht ein reicher Segen aus.
Wir haben köstliche Beispiele in der Heiligen Schrift von Menschen, bei denen Treue und Sanftmut nebeneinander gefunden werden, ohne daß ein Stück auf Kosten des anderen zu kurz kommt. Eines der bemerkenswertesten Beispiele liefert uns Mose in 4. Mose 12. In diesem Kapitel steht Vers 3 eine Anerkennung, wie sie keiner sonst bekommen hat: „der Mann Mose aber war sehr sanftmütig, mehr als alle Menschen, die auf dem Erdboden waren“ - und in dem gleichen Kapitel steht Vers 7.8 das auch im Neuen Testament teilweise zitierte Wort (Heb 3,2.5): „Er ist treu in Meinem ganzen Hause; mit ihm rede Ich von Mund zu Mund ... und das Bild Jehovas schaut er“. Es würde hier zu weit führen, wollten wir das Kapitel besprechen, aber laßt es uns lesen und uns belehren lassen, wie Sanftmut und Treue jede zu ihrem Recht kommt in dem Leben dieses Mannes, und sogar bei einer Gelegenheit, wo das eine Stück leicht hätte verletzt werden können.
Die Tatsache dieser beiden Worte, wenn auch nicht diese selber, sehen wir auch in dem Leben des Paulus (und bei anderen) oftmals in hellstem Licht erstrahlen, so in der Abschiedsrede zu Milet in Apg 20,17-35 oder in dem oben schon angeführten ganzen Kap. 10 in 2. Kor. oder in dem Zusammenhang des ganzen gewaltig ernsten und doch „im Geiste der Sanftmut“ geschriebenen Galaterbriefes. Wie lieblich auch kommen beide Dinge zu ihrem Recht im Philemonbrief! Und dann in den Johannesbriefen! usw.
Doch nicht nur bei Knechten Gottes sehen wir solche geistlich abgemessenen Eigenschaften, wie sie bei biblisch „Geistlichen“ sich zur rechten Zeit, am rechten Ort finden müssen, sondern vor allem bei Ihm, unserem herrlichen Herrn und Heiland, unserem großen Vorbild Selbst! Ihn laßt uns betrachten, dann werden wir durch den Geist hineinverwandelt in Sein Bild (2Kor 3,18).
Nur ein paar Hinweise zu unserem Thema im Blick auf Ihn, der „sanftmütig und von Herzen demütig war“ (Mt 11,29), und der ebenso zu aller Zeit treu im Kleinsten war, ob es sich nun um das Aufsammeln der Brocken (Joh 6,12; im Joh.-Evang.!)! handelt oder um die Entrichtung der üblichen Steuerdoppeldrachme (Mt 17,24-27) oder um Seine Taufe durch Johannes, um „alle Gerechtigkeit zu erfüllen“ (Mt 3,15) oder um was auch immer - Er war treu und Er ist treu, wie Heb 3,1ff. (vgl. 2Tim 2,13)! uns sagt! Wie unsagbar wunderbar und vollkommen kamen bei Ihm Treue und Sanftmut zu ihrem Rechte in ungezählten Beispielen! So, um nur einiges zu nennen, in Lk 22,32 und 61 mit 47-51: Treue dem sich rühmenden und irrenden Petrus gegenüber, Sanftmut sogar gegen den Feind! oder in Mt 21: „Sanftmütig“ kommt der König nach „Zion“ (V. 5), und dann in voller Treue gegen „Sein Haus“ (vgl. Heb 3,2)!, reinigte Er den Tempel, zugleich aber wieder in hingebender Gütigkeit und Sanftmut bereit zu heilen und zu segnen! (V. 12ff). Welch liebliche Beispiele! Wie treu war Er schon als Knabe in Seines Vaters Hause, und wie sanftmütig war Er wieder den irdischen Eltern untertan! (Lk 2,41-52). Und so ließe sich noch vieles finden; genug davon! Aber Er sagt: „Lernet von Mir!“ (Mt 11,29). Wieviel Anschauungsstoff gibt Er uns, und wie gern würde uns der Geist, der stets nur Ihn verherrlicht (Joh 16,14), hineinverwandeln in Sein Bild, wenn wir Ihn mehr betrachteten! „Betrachtet Jesum!“ (Heb 3,1). „... Treue, Sanftmut ...“ - welch liebliche Stücke der köstlichen „Frucht des Geistes“! O, daß wir mehr verwirklichten davon zur Ehre Dessen, dessen Geist uns gegeben ist! Die Kraft ist da: Der Geist Selber! Paulus sagt: „Wenn wir durch den Geist das Leben haben, so laßt uns auch durch den Geist wandeln“, und „wandelt im Geist, und ihr werdet die Lust des Fleisches nicht vollbringen“ (Gal 5,25.16). Durch den Geist, „der in uns wohnt“ (2Tim 1,14), werden wir befähigt, in diesen Dingen, ja, der ganzen Frucht des Geistes gemäß, die so recht das Wesen, die Gesinnung Christi Jesu darstellt, zu wandeln. Laßt uns „aus Seiner Fülle
Gnade um Gnade“ dazu nehmen! (Joh 1,16). Es ist genügend da für uns, wenn wir bereit sind, uns füllen zu lassen! „Laßt uns Gnade haben, durch welche wir Gott wohlgefällig dienen mögen!“ (Heb 12,28). Seine Verherrlichung sei unser Ziel!
Der Herr aber segne Sein Wort an unser aller Herzen, daß wir mehr zu „Tätern“ desselben werden möchten! (Jak 1,22).
F. K.
20 Vergleiche dazu den Aufsatz des Verfassers „Gedanken über Gal 5,22“ in Jahrbuch 6, S. 37, 69, 92! Die Schrift redet nicht von „Früchten des Geistes“! das müssen wir beachten! „Die Frucht des Geistes“ ist ein unteilbares Ganzes! - F. K.↩︎