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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 18 - Jahrgang 1933
Heb 12,18-24 - Sinai und Zion (2)Heb 12,18-24 - Sinai und Zion (2)
Sinai war der Berg des Gesetzes - der Forderungen des heiligen Gottes -, den der Mensch im Fleische berühren konnte. Im Gegensatz zu Sinai steht Zion, der Berg der Gnade. Der Berg Sinai war umhegt, denn er brachte jedem, der ihn betastete, den sicheren Tod. Der Berg Zion ist nicht umhegt, er bringt Verlorenen Gnade und Rettung.
Ein „Berg“ wird in der Schrift oft als das Sinnbild großer Macht und Kraft gebraucht. Als „Berg“ ist Zion das Sinnbild der Kraft der unumschränkten Gnade Gottes auf Grund des vollendeten Werkes Christi. Ihm gegenüber erinnert uns der „Berg“ des Gesetzes an das Wort: „Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft der Sünde aber das Gesetz.“ (1Kor 15,56)
Zion war eine Burg der Jebusiter, die auf einem der Berge Jerusalems erbaut war - eine Felsenfeste, die für so uneinnehmbar gehalten wurde, daß, als David mit seinen Männern wider die Jebusiter in den Streit zog, diese sich in ihrer Feste so sicher fühlten, daß sie höhnend zu David sagten: „Du wirst nicht hier hereinkommen, sondern die Blinden und die Lahmen werden dich wegtreiben.“ Gott aber gab sie in Davids Hand, und er nahm die Burg ein und wohnte in derselben und nannte sie: „Stadt Davids“. (2Sam 5,6.7; 1Chr 11,4-9)
Um zu verstehen, daß Zion das Symbol der freien Gnade Gottes ist, müssen wir auf die Geschichte Israels vor der Zeit Zions zurückgehen.
Israel hatte am Berge Sinai gelobt: „Alles, was Jehova geredet hat, wollen wir tun.“ Aber es hatte völlig versagt und durch seine Untreue und Sünde alles verloren. Die Lade des Bundes - die Wohnung Jehovas, die einst drei Tagereisen vor ihnen herzog, um ihnen einen Ruheort zu erkunden, bei deren Aufbruch Moses sprach: „Stehe auf, Jehova, daß Deine Feinde sich zerstreuen, und Deine Hasser vor Dir fliehen!“ und der, wenn die Lade ruhte, sprach: „Kehre wieder, Jehova, zu den Myriaden der Tausende Israels!“ (4Mo 10,33.36) - diese Lade, die sie einst durch den Jordanstrom hindurch und zum Siege über Jericho
- 242 führte, war nicht mehr in der Mitte Israels. Die Philister hatten sie weggenommen und sie in das Haus ihres Gottes Dagon gestellt. Die Nachricht der furchtbaren Tatsache, daß mit der Lade des Bundes Jehova Israel verlassen hatte, führte Elis Tod herbei; und sterbend nannte das Weib Pinehas' ihren Knaben bei der Geburt „Jkabod“, indem sie sprach: „Die Herrlichkeit ist von Israel gewichen!“ (1Sam 4)
Und in Wahrheit hatte Gott, ergrimmt über den Götzendienst Israels, Sein Volk verlassen. Hierauf bezieht sich das Wort des bedeutungsvollen 78. Psalmes, V. 59ff.: „Gott hörte es und ergrimmte, und Er verachtete Israel sehr. Und Er verließ die Wohnung zu Silo, das Zelt, welches Er unter den Menschen aufgeschlagen hatte. Und Er gab in die Gefangenschaft Seine Kraft und Seine Herrlichkeit in die Hand des Bedrängers.“
Als das Volk das Land Kanaan in Besitz nahm, stand die Lade - die Wohnung Jehovas - in Silo, einem Orte im Stamme Ephraim. Ephraim nahm unter den Stämmen Israels den bevorzugten Platz eines Erstgeborenen ein. (Jer 31,9; 1Chr 5,1.2) Hier in Silo in Ephraim befand sich die Lade bis zu dem Tage, da die Söhne Elis sie in den Streit wider die Philister trugen und sie von diesen geraubt und in die Gefangenschaft der Philister geführt wurde. Gott ließ dieses zu; Er gab in die Gefangenschaft Seine Kraft und Seine Herrlichkeit in die Hand des Bedrängers, und Sein Volk gab Er dem Schwerte preis; das Zelt Josephs verwarf Er, und den Stamm Ephraim erwählte Er nicht. (Ps 78,61ff). Damit unterbrach Gott jede Verbindung mit Seinem Volke, Er gab Sinai als Grundlage des Segens für den Menschen auf.
Nun, da jede Hoffnung für Israel dahin war und es alles verloren hatte, nun trat Gottes Gnade ins Mittel. Wohl verwarf und erwählte Er nicht den Stamm Ephraim, nicht den Berg Sinai, nicht den Menschen im Fleische, sondern wählte nach der Liebe Seines Herzens und der Unumschränktheit Seiner Gnade einen anderen Stamm und einen anderen Berg und einen anderen Menschen. Wir lesen V. 68ff.: „Er erwählte den Stamm Juda, den Berg Zion, den Er geliebt hat ... und Er erwählte David, Seinen Knecht“, und durch Seinen Gesalbten führt Er die Lade nach Zion, der Stadt Davids, zurück.
Es braucht nicht gesagt zu werden, daß sowohl David als auch die Bundeslade mit dem Gnadenstuhl Vorbilder von Christus sind, beide finden wir vereint in Zion. Dreißig Jahre war David, als er gesalbt wurde und die Regierung antrat, in Übereinstimmung mit der Zahl der Jahre, da der Herr als Mensch hier auf der Erde mit Heiligem Geiste gesalbt wurde. Und so wie der Herr nach Seiner Salbung anfing, das Werk, das der Vater Ihm gegeben, zu erfüllen, so begann auch David nach seiner Salbung, den Vorsatz Gottes auszuführen. Er nahm Zion ein und machte es zur Stadt seines Namens. In Abhängigkeit von Ihm bittet er Jehova, Seine Wohnung in Zion einzunehmen: „Stehe auf, Jehova, zu Deiner Ruhe, Du und die Lade Deiner Stärke!“ Und Jehova bestätigt ihm: „Jehova hat Zion erwählt, hat es begehrt zu Seiner Wohnstätte: Dies (Zion) ist Meine Ruhe immerdar; hier (in Zion) will Ich wohnen, denn Ich habe es begehrt.“ (Ps 132,8.13.14)
Und an dem Tage, als die Lade in Zion einzog und ihre Wohnstätte dort eingenommen hatte, sangen sie zum ersten Male den Lobpreis Seiner Gnade - den in Ps 136 dann immer wiederkehrenden Refrain: „Seine Güte währt ewiglich.“ (1Chr 16,34)
Alles das, was wir im Vorbilde sehen, kommt in Vollkommenheit in Christo zum Ausdruck.
Mit der Kreuzigung Christi fand der Mensch und die Welt ihr Ende und Gericht. Aber wie im Vorbilde Gott einst die Lade zurückbrachte, so brachte Gott aus den Toten den großen Hirten der Schafe zurück (Heb 13,20). Und „Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, wegen Seiner vielen Liebe, womit Er uns geliebt hat, als wir in den Vergehungen tot waren, hat uns mit dem Christus lebendig gemacht.“ (Eph 2,4.5) Hier sehen wir in dem auferstandenen Christus den Berg Zion - die Macht der Gnade. In Ihm, dem Auferstandenen, findet Gottes Ratschluß und jede Verheißung ihr Ja und Amen.
So wie die Verantwortung des Menschen einst mit dem Berge Sinai verbunden war, so ist die Gnade Gottes in ihrer Unumschränktheit mit Zion verbunden. Der Berg Zion, nicht der natürliche Berg wie Sinai, der betastet werden konnte, sondern der Berg Zion im geistlichen Sinne, ist nach dem gänzlichen Verlorensein des Menschen der Ausgangspunkt Seiner Gnade in Rettung und Segen geworden. Deshalb konnte den Hebräern gesagt werden, daß sie zum Berge Zion gekommen seien.
Die Ehebrecherin in Joh 8 läßt uns im Bilde Sinai und Zion sehen - das Gesetz und die Gnade: In den Schriftgelehrten und Pharisäern umgab sie das Feuer Sinais. Die Gegenwart des Herrn aber, dessen Finger einst das Gesetz schrieb, überführte jeden von seiner Sünde und Verdammnis. Das Weib aber fand nun ihre Rettung und Sicherheit bei Dem, der Sich zum zweiten Male niederbeugte und dessen Finger wiederum schrieb, aber jetzt nicht auf dem Boden der Verantwortung, sondern auf dem Boden der Gnade. Dies arme Weib war vom Sinai zum Berge Zion gekommen.
A. v. d. K.