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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 6 -Jahrgang 1918/19
Gal 5,22 - Gedanken über den Text
Gal 5,22 - „Gedanken über den Text“ (3)Gal 5,22 - „Gedanken über den Text“ (3)
Noch einmal möchte ich das kostbare Schriftwort betrachten, das da lautet: „Die Frucht des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Gütigkeit (Gutheit), Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit (Selbstbeherrschung)“, und ich füge heute V. 23 an: „Wider dergleichen gibt es kein Gesetz.“
Das letzte Mal habe ich zu zeigen versucht, wie in uns
Wiedergeborenen diese „Frucht“ als Ganzes vorhanden ist, und daß sie in ihrer Fülle eine vollkommene Darstellung dessen ist, in dem die Frucht des Geistes hienieden zu sehen ist: des Sohnes Gottes in Seiner Menschheit.
Es handelt sich, wie ich nachwies, bei uns nicht um die Hervorbringung einzelner „Früchte“ des Geistes, wovon die Schrift nirgends redet, sondern um eine immer völligere Darstellung der ganzen ungeteilten Frucht des Geistes, deren einzelne Merkmale, Teile, Stücke bald mehr, bald minder augenfällig sein mögen, die aber alle insgesamt in uns vorhanden sind, in uns, die wir durch den Geist das Leben haben (V. 25). Wir können auch nur durch Ihn in diesem neuen fruchtbringenden Leben wandeln (Joh 12,24; 15,5.8.16 u. a)., und je treuer wir sind in der Abhängigkeit von Ihm: im Vertrauen auf Ihn wie im Gehorsam gegen Seine Stimme, desto mehr Frucht des Geistes tragen wir in unserem praktischen Wandel. Da heißt's vorsichtig sein, um den Geist nicht zu betrüben (Eph 4,30), und wenn es geschah, uns gleich wiederherstellen zu lassen nach 1Joh 1,9, da heißt‘s aber vor allem auch, täglich und reichlich durch das Anschauen der Herrlichkeit des Herrn Selbst uns in Sein Bild verwandeln zu lassen, was allein der Geist tut, was ja auch in Hinsicht auf uns Sein vornehmstes Geschäfte ist. (2Kor 3,18; vgl. Joh 16,13-15).
Aber - und das ist der Grund, weswegen ich heute V. 23 anfügte! - es handelt sich um ein organisches geistliches Wachstum bei uns, das von innen heraus mittels des Geistes geschieht, nicht etwa um ein gesetzliches Herausarbeiten des Bildes Christi in und an uns, das wir zu tun hätten. Das zu betonen halte ich deshalb für so sehr wichtig, weil unter den Gläubigen je und dann Strömungen sich breitmachen, die das Gesetz in irgend einer Form und mit irgendwelchen Folgerungen und Forderungen, nur nicht geistlicher Art, dem Wiedergeborenen auferlegen.
Gegen alle solche gesetzlichen Bestrebungen, wes Inhalts sie auch immer seien - ob es sich nun um das Beobachten von Tagen, Festen, auch des Sabbats, oder das Verbot gewisser Speise oder das Tragen bestimmter Kleidung oder was auch immer dreht, was als Beweis wahren Christentums hingestellt wird seitens der Gesetzesmenschen -, gegen alles Derartige steht der Galaterbrief im schärfsten Gegensatz. Er zeigt uns, wie und warum das Gesetz nur dem Menschen im Fleisch gegeben ist - und zwar als „unser Erzieher (,Zuchtmeister') auf Christus hin“ (3,24) -, wie ferner nach Christi Tod und Auferstehung das Gesetz weder in seinen alttestamentlichen Satzungen noch in irgendwelchen neuen Forderungen von Gläubigen heute, seien es scheinbar noch so erkenntnisreiche Brüder und Schwestern - mögen sie sich hüten vor dem Urteil der Schrift, z. B. Gal 2,4; 5,7-10! -, irgend eine Berechtigung habe. Er beweist, daß die an Christus Glaubenden vielmehr dem Gesetz gestorben sind, und zwar durch das den Tod des Übertreters fordernde Gesetz selbst (2,19-21) - eine Forderung, die der Herr stellvertretend für uns erfüllte in Seinem Tode am Fluchholz (3,11-14). Nun lebt der Gläubige in Freiheit von der Forderung des Gesetzes, er ist „für die Freiheit freigemacht“ (5,1).
Diese Freiheit nun wurde damals, als der Brief gerade deshalb geschrieben werden mußte, sowie auch heute, von vielen, die das Recht und die Herrlichkeit derselben nicht erkannt haben oder nicht erkennen wollen - da dann der Selbstruhm des Fleisches hinfällt! -, als bedenklich und gefährlich angesehen, die in ihr Lebenden wurden und werden verdächtigt, sie zu mißbrauchen, und darum werden Versuche gemacht, sie hier und da in die Joche menschlicher Gesetzessorderungen einzuspannen - Versuche, die bei den Schwachen der Herde naturgemäß am ehesten Erfolg haben. Und so entstehen dann solche Karikaturen von Christentum, wo Dinge wie Handarbeit-Machen, Musizieren usw., aber auch weit ernstere, z. B. die eheliche Gemeinschaft oder gar das Heiraten, das Essen und Trinken (vgl. 1Tim 4,2.3)!. u. a., unter die be- und verurteilende Prüfung solcher unfreien, vielmehr selbst gesetzlich gebundenen und darum andere bindenden Gläubigen gestellt werden. Es sind das Gläubige, die den Galaterbrief noch nie verstanden und die Haushaltung des Gesetzes und Fleisches noch nicht von der der Gnade und des Geistes zu unterscheiden gelernt haben. Wie ernst und traurig ist dies! Es spielt heute leider eine große Rolle unter dem Volke Gottes.
Angesichts nun der von Paulus verkündigten (Geistes-)Freiheit vom Gesetz wird und wurde damals den Gläubigen vorgeworfen, sie lebten nicht nach dem im Alten Testament geoffenbarten Willen Gottes, sie wandelten vielmehr leichtfertig und oberflächlich. Gegen diesen Vorwurf wendet sich Paulus im fünften Kapitel von V. 13 ab und zeigt in diesem Zusammenhange, welch hoher Unterschied zwischen den auch ohne Gesetz offenbaren „Werken des Fleisches“ (5,19-21), die unter der Beurteilung des Gesetzes liegen (1Tim 1,8-10), und der herrlichen „Frucht des Geistes“ besteht, wider die es kein Gesetz gibt, weder in beurteilender oder gar strafender noch auch anerkennender Anwendung. Das Leben des Gotteskindes, das neue Leben (aus Gott) untersteht in keiner Hinsicht dem Gesetz. Wenn der Gläubige wirklich „vom Geist geleitet“ wird (V. 18)!., dann kann sein Leben natürlich nicht im Gegensatz zum Wesen des alttestamentlichen Gesetzes stehen, aber nicht das ist die Hauptsache - vielmehr ist das Gesetz gar nicht als Maßstab anzulegen! (V. 18) -, sondern daß sein Leben eine Darstellung Dessen ist, der hienieden „des Gesetzes Erfüllung, Vollendung“ war: Christi Jesu Selbst - kurz, daß „die Frucht des Geistes“ in immer vollkommenerem Maße in Erscheinung tritt, durch den Geist Selbst hervorgebracht in uns, die wir das Fleisch gekreuzigt haben, und darum von diesem und dem dieses beherrschenden Gesetz nicht mehr regiert werden (V. 24). Damit ist der Leichtfertigkeit aber auch der Boden entzogen - ja, die Freiheit des Geistes ist keine Leichtfertigkeit, sondern eine erhabene Gebundenheit an den Herrn und Seine Stimme4, aber nicht, weil das Gesetz Gottes oder eines Menschen es sagt, sondern weil der Geist uns so und nicht anders leitet und weil nur, wenn wir uns leiten lassen und Ihm in Verbindung mit dem Worte Gottes gehorsam sind, die herrliche „Frucht des Geistes“ hervorstrahlt, zu Seiner Ehre.
Darauf nun noch im einzelnen einzugehen führt zu weit. Hier genüge zum Schluß der Hinweis, daß uns in dem ersten Stück der Frucht des Geistes, der Liebe, der wunderbare neue Weg des Geistgezeugten und durch den Geist Wandelnden gezeigt ist. Der alttestamentliche Gesetzesweg forderte die Liebe - das Wesen des rechtverstandenen Gesetzes ist ja überhaupt die Liebe, vgl. u. a. Gal 5,13; Röm 13,10! -, ohne die Fähigkeit zu geben, sie auszuüben.
Wenn wir von den alttestamentlichen Glaubensmenschen absehen, die von Jehova in besonderer Weise begabt und befähigt waren, so gab es keinen Menschen, so treu und untadelig er auch im Gesetz wandelte, der echte Liebe, noch dazu um ihrer selbst willen, betätigt hätte. Wir sehen das klar z. B. in Lk 10,25ff.; Lk 18,18ff. u. a. oder auch an Pauli Leben vor seiner Damaskusstunde. Welch ein Gegensatz dazu unser Wort Gal 5,22! Da ist Liebe vorhanden, nicht weil sie da sein soll („Du sollst lieben“ usw.! 3. Mose 19,18; 5. Mose 6,5 usw)., sondern weil der Geist, die Quelle des neuen Lebens, des Lebens aus Gott, der „die Liebe“ ist, sie hervorbringt, und nicht nur sie, sondern mit ihr in untrennbarem Ganzen alle die kostbaren Tugenden Christi (vgl. 1. Petrus 2,9 u. 2. Petrus 1,3ff. oder 1Kor 13 u. a)., die unserem Leben einen Inhalt, einen Zweck, eine Schönheit verleihen, die unter der Fleisches- und Gesetzeshaushaltung stets unmöglich war (vgl. Röm 8)!..
Wie kostbar, sich nicht anstrengen zu müssen, um zu lieben usw. oder sanftmütig, treu zu sein oder etwa Selbstbeherrschung zu üben, nicht diese Dinge, diese ganze ungeteilte liebliche Frucht, in sich selbst hervorbringen zu müssen, sondern zu wissen, zu erfahren: Er bringt sie hervor! Er machte allein, Er, der das neue Leben pflanzte - Er bringt auch Wachstum und Vollendung hervor -, Er, der Geist, dessen vornehmste Tätigkeit ist, Christus zu verherrlichen und uns in Sein Bild zu verwandeln zur Ehre Gottes des Vaters! Gepriesen sei Sein Name und der unseres herrlichen Herrn Jesus!
So möge durch Gnade auch in und an uns, die wir dies lesen, mehr und mehr sichtbar werden von Ihm Selber, heller und strahlender Sein Bild hervorleuchten - mögen wir Darstellungen sein von Ihm, dem „Wort des Lebens“ (Phil 2,16), und als angezündet von Ihm, dem „Licht der Welt“ (Joh 8,12), selbst insgesamt das „Licht der Welt“ bilden - (Mt 5,14-16) als solche, in welchen offenbar wird nach Gal 5,22: „Die Frucht des Geistes!“
F. K. (z. Zt. b. Mil).
4 Vgl. z. B. Joh 10,27; 14,20ff.; Röm 13 u. 14; 1Kor 6,12 u. 10,23.24.31 u. a. Darüber, so der Herr will, ein andermal! F. K.↩︎