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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 23 - Jahrgang 1938
2Kön 4,1-7 – Hinter verschlossener Tür2Kön 4,1-7 – Hinter verschlossener Tür
Die in 2Kön 4,1-7 mitgeteilte Begebenheit enthüllt uns, was einst hinter der verschlossenen Tür eines Witwenstübchens geschah. Der Mann der Witwe hatte zu den Söhnen der Propheten gehört und war gottesfürchtig gewesen; aber als er gestorben war, kam einer, dem er Geld schuldete, und wollte seine Söhne als Sklaven wegführen. Da wandte sich die Witwe in ihrer Not an Elisa und klagte ihm ihr Leid.
Was sich nun vor unseren Augen abspielt, ist eigentlich eine Kette wunderbarer Dinge. Zuerst kommt eine wunderbare Frage. „Was soll ich für dich tun? Sage mir, was du im Hause hast!“ fragt der Prophet die Witwe. So können nur Menschen fragen, denen Gott etwas für andere anvertraut hat. Hat Gott dir Vermögen anvertraut, um armen Geschwistern zu helfen, - so hilf! Glaube es Du besitzest es auch für andere! „Den Reichen in dem gegenwärtigen Zeitlauf gebiete, nicht hochmütig zu sein, noch auf die Ungewissheit des Reichtums Hoffnung zu setzen, sondern auf Gott, der uns alles reichlich darreicht zum Genuß; Gutes zu tun, reich zu sein in guten Werken, freigebig zu sein, mitteilsam, indem sie sich selbst eine gute Grundlage auf die Zukunft sammeln, auf daß sie das wirkliche Leben ergreifen.“ (1Tim 6,17). Besitzt jemand Macht, so hat er sie nicht für sich empfangen, sondern um mit ihr für Gott und Sein Reich zu wirken. Hast du irgendeine geistliche Gabe, so hast du sie für andere empfangen. „Je nachdem ein jeder eine Gnadengabe empfangen hat, dienet einander damit als gute Verwalter der mancherlei Gnade Gottes.“ (1Pet 4,10). O daß wir doch nichts brach liegen ließen, was uns der Herr anvertraut hat! Laßt uns gut haushalten mit allem, was wir von Gott haben.
Auf die Frage des Propheten gibt die Frau eine Antwort, die zunächst nicht wunderbar erscheint und die doch wunderbar ist, weil sie die Grundlage zu Gottes Wunderwirken abgibt. Die arme Witwe hat nach ihrer Aussage gar nichts im Hause - „als nur einen Krug Öl“11. Öl ist zweifellos ein Sinnbild geistlicher Kraft. Öl war noch etwas im Hause vorhanden, aber nicht viel. Wie sollte sie damit den SchuldHerrn befriedigen? Und diesem Unvermögen entspricht auch der innere Zustand des armen Weibes. Mit ihrer geistlichen Kraft ist es beinahe zu Ende. Ihr Blick ist auf die Umstände gerichtet. Schauen wir aber auf die Umstände, so muß Verzagtheit die Folge sein, die bis zu völliger Mutlosigkeit gehen kann. Betrachten wir dagegen die vom Herrn empfangenen Gaben, versuchen wir einmal, sie zu zählen, so werden wir gewißlich, mögen ihrer auch nur wenige sein, zum Singen und Jubeln gelangen.
Die Antwort der Witwe quittiert der Prophet mit einem wunderbaren Rat. „Gehe hin, erbitte dir Gefäße von draußen, von allen deinen Nachbarn, leere Gefäße, nimm nicht wenige; und gehe hinein und schließe die Tür hinter dir und hinter deinen Söhnen zu, und gieße in alle diese Gefäße; und was voll ist, setze beiseite!“ (Vers 3 und 4). Ein solcher Rat wird dem natürlichen Menschen nicht wunderbar, sondern töricht erscheinen, niemals aber einem gläubigen. Denn Elisa gab ihn im Namen Gottes. Auch das Weib fand an ihm nichts Törichtes und Unmögliches; denn sie war ein gläubiges Weib. Sie wußte, daß dieser Rat von Gott kam, noch mehr, sie wußte, daß Sein Befehl und Sein Gebot zugleich Seine Hilfe ist!
Und nun vollzieht sich die wunderbare Handlung. „Und sie ging (nachdem sie sich von den Nachbarn die leeren Gefäße geliehen hatte) von ihm (Elisa) weg und schloß die Tür hinten sich und hinter ihren Söhnen zu; diese reichten ihr, und sie goß ein. Und es geschah, als die Gefäße voll waren, da sprach sie zu ihrem Sohne: Reiche mir noch ein Gefäß! Aber er sprach zu ihr: Es ist kein Gefäß mehr da. Und das Öl stand.“ (Vers 5 und 6). Der Glaube nimmt das Wort Gottes nicht „als Menschenwort auf, sondern, wie es wahrhaftig ist, als Gottes Wort, das auch in uns, den Glaubenden, wirkt“ (1Thes 2,13). Das Wort, das die Witwe aus dem Munde des Elisa empfangen hatte, war kein Menschen-, sondern ein Gotteswort gewesen. Deshalb nahm sie es auch als solches auf und verfuhr dementsprechend.
Der Glaube handelt wunderbar. Die Welt findet sein Tun seltsam; und dennoch gewinnt er den Sieg. Aber Glaube ist es, der zu solchem Handeln nötig ist, nicht Begeisterung. Diese wäre beim Leihen der Gefäße gewißlich verschwunden.
Dann schloß die Witwe hinter sich und ihren Söhnen die Tür zu. Hier handelte sie mit Gott allein, auch in Gegenwart ihrer Söhne. Sie handelte im Glauben, in Ruhe und Sicherheit. Ruhe und Sicherheit sind die bezeichnendsten Merkmale der Glaubenshandlungen. Und wer im Glauben an Gott und hinter verschlossenen Türen handelt, wer den Lärm der Straße nicht zwischen seinen Gott und sich treten läßt, der wird selber ein anderer. Er füllt seine
Gefäße mit Heiligem Geist. Wir müssen nicht zu unseren Nachbarn gehen, um Gefäße zu leihen; denn wir besitzen schon unsere Gefäße. Es sind vor allem unser Herz, unser Sinn, unser Verstand, unser Gedächtnis, unser Leib. In unseren Herzen ist der Heilige Geist. Wir empfingen Ihn bei unserer Bekehrung (Eph 1,13). Er wohnt in uns, und wenn wir uns Ihm unterwerfen, werden wir selbst wunderbare Gefäße werden, erfüllt mit dem Heiligen Geist. Und wenn dann unser Herz erfüllt ist, so werden auch alle die anderen Gefäße erfüllt werden: Unser Sinn wird erfüllt sein, unser Verstand wird von Ihm beherrscht werden, unser Gedächtnis wird es verspüren, denn wir werden es freudig „anfüllen“ mit dem Worte Gottes. Wir werden unsere Leiber auf Gottes Altar legen als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Schlachtopfer (Röm 12,1). So wird unser Leben angepaßt und verwandelt werden nach dem Willen Gottes, Ihm zur Ehre und den Menschen zum Segen.
Weiterhin zeigt unsere Geschichte, daß wir auch gefüllt werden können mit einem wunderbaren Reichtum, der sich nie erschöpft. „Aus Seiner Fülle haben wir empfangen.“ (Joh 1,16). Bei Gott ist kein Mangel, kein kärglich bemessener Segen. Betrachten wir dieses Weib! Es war so viel Öl vorhanden, daß sie fortwährend eingießen konnte. Das Öl wäre immerfort geflossen, wenn sie noch mehr leere Gefäße gehabt hätte. Vom Öl gab es kein „abgemessenes Maß“; aber es war Mangel an leeren Gefäßen. Auch bei uns ist oft Mangel an ausgeleerten Gefäßen; sonst würde der Geist Gottes sie alle erfüllen.
Wo es an Arbeit hinter verschlossenen Türen mangelt, da macht sich auch geistliche Dürre, Erschöpfung und Ermüdung geltend. Kein Wunder, daß wir dann in einem solchen Zustand auch unsere „Gläubiger“ nicht befriedigen können. Unsere Gläubiger (Schuldherren) sind Gott, die Gemeinde Gottes und die Völker; und weil diese so verschiedene Gläubiger sind, darum haben wir auch so wunderbare Schulden. Gott schulden wir - uns selbst, der Gemeinde - Bruder- und Schwesternliebe, den Völkern - das Evangelium. Jenes Weib bezahlte den Gläubiger; wir werden niemals unsere „Schulden“ bezahlen. Nie werden wir sagen können: „Genug! Ihr habt weiter keine Ansprüche mehr an uns zu stellen.“ Gott gegenüber werden wir immer Schuldner sein. Einander zu lieben, werden wir immer schuldig sein (Röm 13,8), und der Welt werden wir - welch ein großes Vorrecht - immer das Evangelium schulden. Und wenn wir hinter verschlossener Tür unsere Gefäße füllen, so werden wir auch wirklich in unserem Sinn so verändert werden, daß wir vor Gott wohlgefällig wandeln und der Gemeinde wie der Welt zum Segen gereichen können. So werden wir wenigstens „teilweise“ unsere Schulden bezahlen.
Gefüllte Gefäße hinter verschlossener Tür sind aber dann auch ein Zeichen dafür, daß wir selbst keinen Hunger mehr zu haben brauchen; denn wir haben Nahrung genug. Der Geist Gottes leitet uns immer auf neue grüne Auen und öffnet uns den unerschöpflichen Reichtum des himmlischen Mannas. Dies sammeln wir ein in unsere Vorratskammer, das Gedächtnis. Gesegnete Gemeinde, wo dienende Brüder das Wort Gottes aus dem Gedächtnis anführen können, wo sie imstande sind, im Verlauf der Rede das zu sagen, „was geschrieben steht“.
Der Herr war stets ein gefülltes Gefäß. Bei Ihm waren die Quellen lebendigen Wassers. Er Selbst war das Brot des Lebens. Er konnte stets rufen: „Wenn jemand dürstet, so komme er zu Mir und trinke“ (Joh 7,37), und: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu Mir kommt, wird nicht hungern, und wer an Mich glaubt, wird nimmermehr dürsten.“ (Joh 6,35). „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens!“ (Joh 6,68). Ja, Du hast sie, denn Du bist ihr Quell und ihr Ursprung.
Diese Wahrheit gilt noch heute und bleibt in alle Ewigkeit. O daß wir täglich zu Ihm kommen möchten - hinter verschlossener Tür! Und daß wir aus dem Gefäße, das uns immer zur Verfügung steht, alle unsere leeren, ausgeleerten Gefäße füllen wollten! Ja, laßt sie uns ausleeren von allem Fleischlichen und Weltlichen, damit alles von Ihm hereinströme - alles Himmlische und Ewige!
F. J. Kresina.
11 Oder eine Salbung Öl, d. h. soviel als hinreicht, um sich zu salben.↩︎