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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 6 -Jahrgang 1918/19
Lk 22 Joh 21 - „Petrus Selbstbewusstsein und Buße“Lk 22 Joh 21 - „Petrus Selbstbewusstsein und Buße“
Der Herr sah bei Petrus das eine, aber auch das andere. Er wußte, was in PetrusHerz war, und Er betete für ihn. Wie berührt es unser Herz, wenn jemand uns sagt: „Ich habe für dich gebetet!“ Hier sagt es der Herr zu Petrus. Dies hätte sein Herz und Gewissen berühren müssen. Er wußte, daß der Herr ihn durch und durch kannte. Diese Erfahrung hatte er in der ersten Stunde gemacht, als er mit dem Herrn in Berührung kam. Ein Blick vom Herrn, und Er hatte ihm gesagt, was er sei und was er sein werde: „Du bist“ Simon ... „du wirst“ Kephas ... (Joh 1,42). Wie hätte es deshalb Petrus berühren müssen, als der Herr sagte: „Satan hat euer begehrt ..., Ich habe für dich gebetet“; aber er war so voll Selbstvertrauen und unwissend über das, was die Schrift „Fleisch“ nennt, daß diese Warnung achtlos an ihm vorüberging und er dem Herrn antworten konnte: „Wenn sich alle an Dir ärgern werden, ich werde mich niemals ärgern“; „wenn ich mit Dir sterben müßte, werde ich Dich nicht verleugnen“ (Mt 26,33-35). Wir brauchen keinen Augenblick daran zu zweifeln, daß er dies wirklich so meinte, aber er kannte weder sich noch die Macht des Satans und die völlige Verdorbenheit und Kraftlosigkeit des Fleisches, so daß ihm das Verständnis für des Herrn Wort: „Wachet und betet, auf daß ihr nicht in Versuchung kommet; der Geist zwar ist willig, das Fleisch aber schwach“ (Mt 26,41) gänzlich fehlte.
Der Herr sah die Gefahr. Seine Liebe trug Sorge um Petrus, als dieser keine Gefahr sah. Er betete, als Petrus nicht betete. Und der Herr kennt auch uns. Er kennt die Gefahren. Er sieht auch unsere Sorglosigkeit und unser „Vertrauen auf Fleisch“, und Er betet für uns. Berührt Seine Liebe und Sorge um uns nicht unser Herz? Wohin wäre es mit uns gekommen, und wo wären wir, wenn es nicht auch für uns wahr wäre: „Ich habe für dich gebetet.“
Petrus sah nichts, aber der Herr sah den Satan, der Seine Jünger begehrte zu sichten wie den Weizen. Er begehrte, das, was Weizen - Gotteswerk - war, herauszusichten, damit nur Spreu - das Fleisch - verbliebe. Gott erlaubt manchmal dem Satan sein Tun. Wir sehen dies z. B. bei Hiob (Hiob 1 und 2), bei Paulus (2Kor 12,7-10) u. a. m., aber Er erlaubt es nicht, damit Satan seinen Vorsatz erreiche, sondern um die Seinigen zuzubereiten für Seinen Segen und Sich zu verherrlichen; so mußte auch die Sichtung des Petrus dazu dienen, die Spreu von dem Weizen zu scheiden. Der Herr erlaubte es, daß Satan ihn in das Sieb warf, damit seinem Selbstbewußtsein das Rückgrat gebrochen werde und er lerne, was er mit seinem zwar den Herrn liebenden, aber sich selbst vertrauenden Herzen fähig sei zu vollführen, um so zu der Selbsterkenntnis zu gelangen, daß in ihm keine Kraft sei. Deshalb kommen auch wir in das Sieb, um los von uns zu kommen. Wie lange dauert es doch oft mit uns, bis wir uns fahren lassen „und nicht mehr auf Fleisch vertrauen“ (Phil 3,3), und bis unser Selbstbewußtsein zerbrochen ist.
Den schmerzlichen Weg, den Petrus in seinem Selbstvertrauen bis zur Buße zu machen hatte, kennen wir alle. Es war ein Weg der Schrecken und voll Herzeleid, und so gestaltet sich auch unser Weg, bis wir, über unser Selbstbewußtsein und unsere Selbstwichtigkeit in Buße zusammengebrochen, uns an des Herrn Gnade und Kraft klammern.
Einst, als Petrus den „starken Wind“ sah, „fürchtete er sich“ und er schrie: „HErr rette mich!“ Jetzt warnte ihn der Herr vor dem Satan - dem „starken (Geist) Wind“ -, aber Petrus „fürchtete sich nicht“, und kein Ruf: „HErr, rette mich!“ kam über seine Lippen. Er meinte, in seiner großen Liebe zum Herrn und der aufrichtigen Gesinnung seines Herzens, der Versuchung standhalten und solche Sache nicht tun zu können. Es ging ihm wie Hasael, der zu dem über ihn weinenden Elisa sagte: „Was ist dein Knecht - der Hund -, daß er diese große Sache tun sollte?“ (2Kön 8,13). So finden wir ihn denn in der Stunde, da der Herr in ringendem Kampfe stand, schlafend. Noch einmal wendet der Herr Sich persönlich an ihn: „ Simon, schläfst du? Vermochtest du nicht eine Stunde zu wachen? Wachet und betet usw.“ (Mk 14,37); aber Petrus vernimmt nichts mehr von der Stimme seines Herrn. Er schlägt mit dem Schwerte drein - er flieht - er folgt von ferne - er sitzt bei den Feinden seines Herrn und wärmt sich an ihrem Feuer, das alles sind Stufen auf dem Wege zur Verleugnung bis zum Fluch und Schwur.
Wenn wir meinen zu stehen und aufhören, uns vor dem Fallen zu fürchten, dann sind wir nahe dem Fall. Da, wo wir meinen, stark zu sein, da ist unser schwächster Punkt; da greift der Feind uns an! Mose war der sanftmütigste Mann, aber in der Stunde der Versuchung verlor er seine Sanftmut und heiligte nicht Jehova und verlor den Eingang ins Land (4. Mos. 20,10.11; Ps 106,32.33; 5Mo 32,51). Abraham, der Mann des Glaubens, fiel in einer Stunde der Versuchung im Glauben - der unerschrockene Elia floh vor einem Weibe. Der geduldige Hiob fehlte in der Geduld, und Johannes, der Jünger der Liebe, wollte Feuer vom Himmel auf die Samariter fallen lassen. Wie köstlich ist es, den Blick immer wieder auf den Herrn richten zu können als den Vollkommenen. Wie groß, wie herrlich ist Er! Möchten wir Ihn recht anschauen und Ihm ähnlich sein! Petrus vergaß nicht jene Stunde, in der er ohne Furcht in eigener Kraft wandelte, und aus eigener trauriger Erfahrung heraus schrieb er später in seinem Briefe: „Wandelt die Zeit eurer Fremdlingschaft in Furcht.“ (1Pet 1,17).
Der Herr sagte zu Petrus, daß Er für ihn gebetet habe, „auf daß sein Glaube nicht aufhöre“ - und so geschah es. Er fiel, er fiel tief - schrecklich tief -, aber sein Glaube hörte in dieser dunkelsten Stunde nicht auf. Der letzte Blick des verleugneten Herrn, den sein Auge auffing, war kein Blick der Verachtung. Dieser Blick redete zu ihm von Seiner Liebe und hielt seinen Glauben aufrecht. Und wenn sein Glaube untergehen wollte in der Nacht des Grabes Jesu - am Auferstehungsmorgen wurde er wieder aufgerichtet durch Engelmund, der seinen Namen nannte für die Ausrichtung der frohen Botschaft (Mk 16,7). Geschah dieses nicht auch auf das Gebet des Herrn hin, „auf daß dein Glaube nicht aufhöre?“
Und war seine Buße nicht auch eine Folge jener Fürbitte des Herrn? Tiefe Reue und Schmerz erfaßte nach Jesu Blick sein Herz. Er sah sein abscheuliches Verhalten in dem Lichte der Liebe des Herrn Jesus. Es trieb ihn fort von der Stätte der Verleugnung. Er mußte allein sein - allein sich ausweinen vor seinem Gott. Wie erbärmlich, wie verdorben erkannte er sich nun! Jetzt verglich er sich nicht mehr mit seinen Mitjüngern. Jetzt stand nur seine Sünde, seine ganze Verdorbenheit vor seinem Auge. Seine Seele war nur mit der eigenen Schuld beschäftigt, aber nicht mehr mit anderer, wenngleich auch sie gefehlt hatten. Dies ist auch ein Kennzeichen, ob wahre Reue und Buße ein Herz bewegt. Wo wahre Reue ist, da ist kein Beschäftigten mit der Schuld anderer.
Wenn Gottes Geist das Auge über Sünde öffnet, so richtet Er nicht zugleich den Blick auf die Fehler anderer. Ach, wie oft findet man ein Haschen nach mildernden Umständen, nur um das eigene Benehmen und die eigene Schuld nicht in der ganzen Blöße sichtbar werden zu lassen. Wie traurig ist es, wenn Bekenntnisse der Schuld mit entschuldigenden Hinweisen umhüllt werden. Da kommt der Geist Gottes nicht zu Seinem Recht, und das Werk ist kein vollkommenes. Kann von einer wahren, geistgewirkten Reue und Buße geredet werden, selbst bei äußerem Gebrochensein, wenn Anklagen und Hinweise auf Fehler und Sünden anderer damit Hand im Hand gehen und man bemüht ist, die Schuld möglichst von seinen Schultern auf die Schultern anderer zu wälzen? War Petrus, als er hinausging und weinte, auch mit den Verfehlungen seiner Mitjünger beschäftigt? Fand er eine Entschuldigung für sich in dem Fliehen aller, in dem Verrate des Judas? Entschuldigte er seinen Fall durch die Gewalt der Finsternis in jenen Stunden? Nichts von dem allen! Seine Sünde stand vor seiner Seele und ließ ihn bitterlich weinen. Wie wenig ist wahre Buße und Selbstgericht heute unter Kindern Gottes gekannt!
Auch bei seiner Wiederherstellung in Joh 21 sehen wir, wie fern es Petrus lag, mit anderen beschäftigt zu sein. Seine Antworten auf die Fragen des Herrn offenbaren uns etwas von dem, was in seiner Seele geschehen war. Er antwortet nicht: „Ich weiß, daß ich Dich lieb habe“, Er sagt: „Du, Herr, weißt, daß ich Dich lieb habe.“ Er, der einst so kühn von sich zum Herrn geredet hatte, er bekennt jetzt vor allen Jüngern, daß Liebe zu Ihm nur allein Sein allsehendes Auge finden könne. Das stand fest in seiner Seele: „Ein Mensch kann nach dem, was vorgefallen, Liebe zum Herrn bei mir nicht finden.“ So völlig war er herabgestiegen von der Höhe seines Selbstbewußtseins, daß er auch nicht mehr seinem eigenen Herzen vertraute, um von seiner Liebe zu reden. Indem er sagt: „Du, Herr, weißt ...“, sagt er gleichsam: „HErr, Du siehst mein Herz, Du weißt, wie weit wahre Liebe zu Dir dort wohnt.“ Welch ein Selbstgericht mußte in PetrusHerz gewirkt haben, um solchen Stand vor dem Herrn und vor den Brüdern einzunehmen!
Aber dies war der Augenblick, den der Herr in Lk 22,32 angedeutet hatte, als er sagte: „Bist du einst zurückgekehrt, so stärke deine Brüder“. Jetzt kann der Herr ihn zum Dienst für Seine Schafe gebrauchen. Den Petrus, der von sich selbst voll war, muß Er Wege der Demütigung gehen lassen - aber den im Selbstgericht stehenden Petrus, der kein Vertrauen mehr zu sich hat, den kann Er für Seine Schafe gebrauchen. Solche sind es, und nur solche, die Seine Schafe weiden können. Wie kann der Herr uns das Weiden Seiner Schafe anvertrauen, wenn wir noch nicht fertig mit uns sind und uns noch auf der Höhe der eigenen Kraft und Wichtigkeit bewegen?
Wie das Verhalten der Jünger auch zu Petrus nach seinem tiefen Fall sein mochte, er empfand keinen Mangel an Liebe. Wer im Selbstgericht wandelt, klagt nicht über das Fehlen der Liebe. Als Petrus so im Kreise seiner Brüder vor dem Herrn stand, mußte er sich nicht als den Geringsten erkennen und alle anderen höher achten als sich selbst? (Phil 2,3). Und wenn unser Wandel im Lichte Gottes ist, wird es nicht auch bei uns so sein? Ein einfältiges Auge wird das Wirken der Gnade Gottes mehr in anderen sehen als in sich selbst. Wenn wir anfangen zu klagen über den Mangel an Liebe anderer zu uns, so ist sicher in unserem Herzen oder in unserer Liebe etwas nicht in Ordnung. Sind wir in dem Genusse Seiner Liebe, sitzen wir an der Quelle der Liebe Gottes, wie können wir dann über Mangel an Liebe klagen! Wer aus dieser Quelle Seiner Liebe trinkt, wird nicht nur reich gesättigt, von dem werden auch Ströme der Liebe fließen. Halten wir uns aber bei der Leere und Kälte des menschlichen Herzens, auch unseres eigenen, auf, so werden wir selbst bald leer und kalt sein.
Dieser Weg Petrusvon der Höhe seines Selbstbewusstseins zur Buße bis zur Bergung in Jesu Gnade, Liebe und Kraft ist uns zur Belehrung gegeben. Wenn wir nicht willig sind, auf die Stimme Seines Geistes zu hören und aus PetrusErfahrungen zu lernen, so geht der Herr diesen Weg auch heute noch mit uns. Er hat uns zu lieb, um uns in unserem Selbstbewußtsein, in unserer eigenen Kraft und Wichtigkeit dahingehen zu lassen. Er will uns von uns weg zur Quelle Seiner Liebe und Kraft führen. Er möchte Sein Ziel bei uns auf dem sanften Wege Seiner Güte und nicht auf dem schmerzlichen Wege Seiner Zucht erreichen. Der Herr schenke uns ein verständiges Herz, Seine Liebe und Seine Wege mit uns besser zu verstehen! v. d. K.