Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
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Handreichungen Band 17 - Jahrgang 1932
1Sam 20,18 - Ein Mann, der vermisst wurde1Sam 20,18 - Ein Mann, der vermisst wurde
„Und Jonathan sprach zu ihm: Morgen ist Neumond; und man wird dich vermissen, denn dein Sitz wird leer bleiben.“ (1Sam 20,18)
Wir wollen auf diese Worte Jonathans nicht in dem Sinne eingehen, wie wir sie hier im Zusammenhang finden, sondern wir möchten eine freie Nutzanwendung von ihnen machen, um uns zu ermuntern, die Zeit, die der Herr uns hienieden gelassen hat, zu Seiner Verherrlichung und zum Segen sowohl der Gläubigen wie auch der Verlorenen zu benutzen. Unlängst wurde in unserem Herzen der Gedanke besonders stark wachgerufen, daß wir bald heimgerufen werden könnten. Viele unserer Freunde wurden in der letzten Zeit hinweggenommen, und zwar nicht gerade die alten, sondern gar manche, die kaum die Mitte des Lebens überschritten hatten. Ein teurer Bruder schreibt in bezug auf den Heimgang dieser unserer gemeinsamen Freunde: „Nun rücken wir in die ersten Reihen, und wenn der Herr noch nicht kommt, so wird auch eines Tages der Tod als Bote vom Herrn zu uns kommen.“ Wie wahr ist dies! Da erhebt sich die Frage, wenn dieses geschieht, wird es dann von uns heißen: „Man wird dich vermissen“?
Manche wurden nicht vermißt.
Nicht alle Gläubige, die in die Herrlichkeit eingehen, werden vermißt werden. Wir lesen von einem König, der über Gottes Volk regierte: „Und sein Volk machte ihm keinen Brand, gleich dem Brande seiner Väter ... und er ging hin, ohne vermißt zu werden.“ (2Chr 21,19.20) Um Joram wurden keine Tränen geweint, keine lieblichen Düfte der verbrannten Gewürze erfüllten über ihn die Luft. Sein vergangenes Leben verhinderte dieses. Es wäre nicht mit seinem Leben übereinstimmend gewesen. Ganz anders dagegen war es bei Josia der Fall. „Und Jeremia stimmte ein Klagelied über Josia an. Und alle Sänger und Sängerinnen haben in ihren Klageliedern von Josia geredet bis auf den heutigen Tag.“ (2Chr 35,25) Der Inhalt ihrer Klagelieder wird uns hier nicht mitgeteilt, aber wir können uns vorstellen, in welch zarten Weisen sie ihren Verlust besangen und beklagten, den sie durch Josias Tod erlitten hatten.
Es war mein und anderer Vorrecht, beim Heimgang eines geliebten Bruders an seinem Begräbnis teilzunehmen. Als seine kostbare Hülle in die Erde gebettet wurde, bot sich mir ein Anblick, der mich tief bewegte: Da weinten starke Männer. Warum? Sie hatten einen wahren Hirten und Lehrer verloren, einen, der um ihre Seelen Sorge getragen hatte. Da erhob sich in mir die Frage: Wenn der Herr mich hinwegnehmen sollte, ob man mich auch vermissen würde? Welchen Wert haben die Menge der Blumen auf Sarg und Grab oder ein Stein aus Granit oder Marmor, verglichen mit solchen Zeichen der Liebe und des Verlustes?
Männer und Frauen werden vermißt.
Josia wurde vermißt und ebenso auch Stephanus. Sein Dienst für die Witwen (Apg 6) trug ihm die Liebe des Volkes Gottes ein. Als er dann sein Leben um Jesu willen darlegte, da stellten sie eine große Klage über ihn an (Apg 8,2). Tabitha wurde vermißt (Apg 9,36ff).. Manche arme Witwe empfing durch ihren liebevollen Dienst Hilfe, die Winterkälte zu ertragen. Als sie um ihre entseelte Hülle standen, bezeugten ihre Tränen, wie sehr Tabitha vermißt wurde. Tabitha, Stephanus und Josia gewannen durch ihren Dienst das Herz des Volkes Gottes.
Eine alte Dame in D. machte es mit zu ihrer Gewohnheit, die kleinen Vögel draußen zu füttern. Im Winter haben die Vögel, besonders wenn Schnee die Erde bedeckt, eine sehr kärgliche Ernährung. Welch ein Anblick war es, wenn die Vögel des Morgens in langen Reihen auf dem Zaune saßen und warteten, daß die Tür sich öffnen möge, denn sie waren gewohnt, um diese Zeit gefüttert zu werden. Eines Morgens saßen sie wieder wie immer in vollen Reihen wartend, aber ihre Wohltäterin erschien nicht. Ein Fremder öffnete die Tür, und zu ihrer tiefsten Enttäuschung war es nicht ihre Freundin, und kein Futter wurde mehr für sie hingestreut. Sie war gegangen, sie wurde von den kleinen Vögeln, aber auch von vielen anderen vermißt.
Wirst du vermißt werden?
Werden die Kinder Gottes einst Worte der Liebe und der Ermunterung aus deinem Munde vermissen? Werden die Evangelisten und die Brüder, die dem Herrn am Worte dienen, deine praktische Gemeinschaft vermissen? Werden jene, die mit den Widerwärtigkeiten des Lebens zu kämpfen haben, deinen liebevollen Beistand vermissen? Du kannst versichert sein, daß kein wohlriechender Brand deshalb um deinetwillen aufsteigen wird, weil du ein tüchtiger Geschäftsmann warst oder ein gutes Vermögen erworben hast, auch deshalb nicht, wenn du, da du es nicht länger behalten konntest, es nun am Schluß deines Lebens vielleicht dem Herrn hingabest, so gut dieses auch sein mag. Die Witwen weinten über die Liebestaten, die Tabitha während ihres Lebens getan hatte. O daß alle diejenigen, die Verwalter vom Herrn anvertrauter Mittel und Gaben sind, daran denken möchten, daß des Herrn Lob: „Wohl, du guter und treuer Knecht“ (Mt 25,21) für Taten sein wird, die in dem Leibe getan sind. (2Kor 5,10) Wird man dich vermissen? Die Barnabasse - die die Gotteskinder miteinander verbanden - werden vermißt werden. Die Epaphrasse - die in ihren Gebeten für die Heiligen ringen - werden vermißt werden. Die Gajusse - Menschen mit weitem, liebendem Herzen und gastfreien Häusern - werden vermißt werden. Die Timotheusse - die da weinen über den zerrissenen Zustand der Gemeinde Gottes und die den Gläubigen in den Tagen der Dunkelheit und Weltförmigkeit Vorbilder sind - werden vermißt werden.
Einige werden nicht vermißt werden.
Solche jedoch, die gleich Diotrephes die ersten sein wollen, die herrschen und zerstören - wenn sie scheiden, werden nicht vermißt werden. Dieser Art Diotrephes-Menschen mag es gelingen, sich an einen Platz zu drängen und über solche zu herrschen, die um des Friedens willen bereit sind, sich unterzuordnen. Aber zu einem ist diese Diotrephes-Art nicht fähig, nämlich bei ihrem Weggange vermißt zu werden oder eine Träne des Schmerzes über den Verlust ihrer Tätigkeit Gläubigen zu entlocken. „Und Jonathan sprach zu David: Morgen ist Neumond; und man wird dich vermissen, denn dein Sitz wird leer bleiben.“ Wohl mag ein anderer deinen Platz im Beruf, in der Werkstatt, in der Gemeinde einnehmen, aber wirst du trotzdem vermißt werden? Wir bitten zum Herrn , daß die Alten und die Jungen, die Brüder und die Schwestern, diese Frage in ihrem Herzen und Gewissen recht erwägen mögen.
W. J. M.
Erstellt: 13.05.2024 22:00, bearbeitet: 29.10.2024 17:13
Quelle: www.clv.de