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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 10 -Jahrgang 1925
Joh 19,41 - „Und in dem Garten ein Grab“
Irrende Jünger und des Herrn Treue
Joh 21 - „Irrende Jünger und des Herrn Treue“ (1)Joh 21 - „Irrende Jünger und des Herrn Treue“ (1)
Unser Abschnitt beginnt mit: „Nach diesem offenbarte sich Jesus“. Nach diesem! Wonach? Nach allem, was bisher geschehen war. Er hatte Marias Tränen getrocknet, den bekümmerten Weibern die Furcht genommen, den betrübten Petrus getröstet; den niedergeschlagenen Emmaus-Jüngern hatte Er das Verständnis geöffnet und das Herz brennend gemacht; den verzagten Jüngern brachte Er den Gruß des Friedens; Er zeigte ihnen Seine Hände und Füße, den untrüglichen Beweis, daß Er für sie gestorben und das Werk der Erlösung vollendet sei; den ungläubigen Thomas ließ Er den Finger in Seine Hände und in Seine Seite legen. War das alles nicht genug? War noch mehr nötig? Ach, Er kannte Seine Jünger und ihr irrendes Herz, und in Seiner sorgenden Liebe wacht Er über sie.
Der Herr hatte Seinen Jüngern sagen lassen, daß sie nach Galiläa gehen sollten, daselbst würden sie Ihn sehen (Mt 28,10). Eine kleine Jüngerschar, sieben an Zahl, hatte sich hier am See von Tiberias gesammelt. Sicher erwarteten sie hier den Herrn zu sehen, aber der Herr läßt sie warten. Dieser See war die Stätte ihrer früheren Tätigkeit. Hier hatten sie ihre Fischerei betrieben, und von hier hatte der Herr sie hinweggerufen und berufen, Menschenfischer für Ihn zu werden. Nun standen sie hier an dem Platze ihrer alten Beschäftigung und warteten nach der ihnen gewordenen Botschaft auf das Erscheinen ihres auferstandenen Herrn. -
Ebenso ist es mit uns. Auf dem Platze unserer irdischen Beschäftigung warten auch wir auf das Erscheinen unseres verherrlichten Herrn. Wir wissen nicht, wie lange sie dort warteten, aber das Warten auf den Herrn stellte sie auf die Probe, wie dieses auch uns prüft.
Petrus spricht: „Ich gehe hin fischen“. Die Worte unseres Mundes sind die Offenbarungen der Gedanken unseres Herzens. Diese Worte aus Petri Mund lassen uns etwas ahnen von dem Gedankengewoge in seiner Seele. Er will wieder zu dem zurückkehren, wovon der Herr ihn hinweggerufen hatte. Hier hatte er früher gefischt. Sollte er nicht wieder damit anfangen? Alte Gewohnheiten, wie verfänglich sind sie! Was muß durch seine Seele gegangen sein, daß er zu einem solchen Entschluß kam! Ob er sich sagte: „Für dich ist es doch nicht mehr möglich, jemals wieder als Menschenfischer arbeiten zu können; wenn der Herr dir auch (woran ihm kein Zweifel war) alles vergeben hat, so scheidest du nach einem solchen Falle doch für diesen Dienst auf immer aus?“
Wenn du, lieber Leser, einen solchen Fall getan hättest oder du einen anderen hättest einen solchen Fall tun sehen, meinst du nicht, daß solche Gedanken durch dein Herz gegangen wären? Und mit Recht! Es wäre noch viel trauriger gewesen, wenn Petrus, nachdem er die Vergebung des Herrn für seinen Fall empfangen, sich ohne weiteres wieder in den Dienst der Schafe und Lämmer der Herde Christi gestellt hätte, als ob mit der Vergebung auch gleichzeitig die Wiedereinstellung in die Arbeit verbunden sei. Ein solches Verhalten hätte nur gezeigt, wie oberflächlich er seine Sünde behandelt und wie leicht er über seinen Fall gedacht hätte. Aber Petri Reue war tief und von „bitterlichen“ Tränen begleitet. So selbstverständlich und recht solche Gedanken des Zurücktretens als eine Frucht der Buße am Platze sein mochten, so fehlte Petrus jedoch hier in dem Stande der Abhängigkeit von dem Herrn durch die eigene Wahl seines Weges. Er wartete nicht auf die führende Hand seines Herrn, er ging und tat nach den Überlegungen seines eigenen Herzens.
Wie oft gleichen wir doch dem Petrus! Wir handeln nach unseren Überlegungen und fangen wieder an, zu gehen und zu tun, so wie wir taten vor unserer Berufung. Es war sein eigener Wille, mit dem er jetzt an sein Werk ging. Der Herr hatte ihm ein anderes Werk anvertraut, aber er kehrt zu dem zurück, was er aufgegeben hatte. Welch ein trauriges Bild! Und doch, wie oft sehen wir es in unseren Tagen! Möchte der Herr den Leser und Schreiber dieses davor bewahren!
Diese inneren und äußeren Vorgänge waren dem Auge des Herrn nicht verborgen. Er sah einerseits die heilsame Wirkung des tiefen Falles in Petri Seele, andererseits aber auch sein Irren, einen Weg nach eigener Überlegung zu betreten, und Seine Treue tritt dazwischen.
Gar vieles können wir hieraus lernen. Das natürliche Bewußtsein in dem Herzen des Petrus, nach dem Fall für die Arbeit des Herrn unbrauchbar zu sein, finden wir von dem Herrn bestätigt, indem Er ihm nicht sogleich und ohne weiteres die Sorge für Seine Heide anvertraut. Der Fall war vergeben, und kein Schatten lag dieserhalb auf dem Gewissen des Petrus, noch stand ein solcher zwischen ihm und dem Herrn. Aber so offenkundig sein Fall war, so offenkundig berührte der Herr auch die Wurzel seines Falles vor allen Jüngern durch die Fragen nach seiner Liebe. Der Herr konnte Petrus diese zweite Betrübnis nicht ersparen, aber sie wurde mit dem Anvertrauen der Schafe und Lämmer des Herrn verbunden und mit reicher Gnade beantwortet. Wie dankbar mußte Petrus später für diese ihm in Gegenwart der Jünger gestellten schmerzlichen Fragen, aber auch für das ihm vor allen Jüngern geschenkte Vertrauen des Herrn gewesen sein.
Doch laßt uns zu dem Gange der Ereignisse zurückkehren! -
Kaum hatte er seinen Entschluß geäußert, da sprechen die anderen zu ihm: „Auch wir gehen mit dir“. Welch eine Wirkung hatte sein Entschluß! Wie leicht ist es für unser Herz, zu den Wegen des Fleisches und zu alten Beziehungen zurückzukehren. Auch nicht einer war unter diesen sieben, der zum Ausharren und Warten auf den Herrn ermutigte, nicht einer, der daran dachte, daß der Herr sie von dieser Arbeit weggenommen und sie ohne ein Wort vom Herrn auch kein Recht hatten, dahin zurückzukehren.
Petri Entschluß, Wort und Weg beeinflußten sie so, daß sie sofort bereit waren, den Weg mit ihm zu gehen. Sind wir uns bewußt, welche Einflüsse wir durch unsere Worte und Taten, durch unser Benehmen und Verhalten auf andere ausüben? Jeder übt einen Einfluß aus, der eine mehr, der andere weniger. Dies ist etwas sehr Ernstes. Möchte der Herr uns Gnade geben, daß wir acht haben auf uns und über uns wachsam sind, daß die Einflüsse, die von uns ausgehen, anderen zum Segen dienen und nicht zum Unsegen! Wenn wir im Geiste wandeln, dann werden andere durch unseren Wandel zum Guten beeinflußt werden. Wandeln wir nach dem Fleische, so werden wir andere sicher zu ihrem Schaden beeinflussen. Wir werden von anderen gesehen und gehört. Die Wirkungen unserer Worte mögen noch leichterer Art sein, aber von dem, was wir tun und lassen, gehen sicher tiefe und nachhaltige Einflüsse und Wirkungen aus auf die, die uns sehen und beobachten. Das eine Wort: „Ich gehe hin fischen“ beeinflußte die anderen sechs Jünger so, daß sie sagten: „Auch wir gehen mit dir“. Sie sagten sich, wenn Petrus es tut, so können wir es auch tun. Ist es nicht so? Man sieht diesen Bruder, jene
Schwester etwas tun, und sofort sind andere da, die da sagen: „So können wir es auch tun“.
Und, ach, wie verderbt ist doch das Menschenherz! (Jer 17,9). Einflüsse, die uns von dem Herrn und Seinem Worte abziehen, finden viel williger Aufnahme in unseren Herzen als solche, die uns zu dem Herrn hinziehen. Als Johannes der Täufer an einem Tage bewundernd seinen Blick auf den Herrn richtete und aus seinem Herzen der Ruf herauskam: „Siehe, das Lamm Gottes“, da finden wir zwei Jünger, die durch dieses Wort beeinflußt werden, dem Herrn Jesus nachzuwandeln. Hier finden wir, daß auf das Wort der Überlegung Petri: „Ich gehe hin fischen“ dreimal so viele beeinflußt wurden, den Weg des eigenen Willens zu gehen. O, möchten wir Gnade haben, dem Herrn so nahe zu sein, daß von unserem Reden, Tun und Lassen Einflüsse und Wirkungen ausgehen, die andere zu dem Herrn hinziehen!
Kaum waren diese Worte gesprochen, da sehen wir diese kleine Schar von sieben auch schon in das Schiff steigen und in die „Nacht“ hinausfahren. Die Schrift sagt: „Und in jener Nacht fingen sie nichts“. Es war die Nacht des menschlichen Willens, die Nacht der Tätigkeit des Menschen im Fleische, die Nacht der Arbeit ohne Jesus, die mühevolle Nacht der vergeblichen Arbeit.
Wollen wir uns wundern, daß sie in dieser „Nachtarbeit“ nichts fingen? Auf eigenen Wegen abseits vom Herrn fangen wir nichts. Irdische Dinge, Schlamm und Unrat mögen unsere Netze heraufbringen, aber nichts, was für den Herrn ist. Was sich in solcher „Nachtarbeit“ in unseren Netzen verfängt, das haben wir nötig, „am Tage“ wieder aus unseren Netzen herauszuwaschen, wie wir dieses bei den Jüngern in Lk 5 sehen. Nach jener Nacht, in der sie nichts gefangen hatten, fand der Herr sie beim Waschen ihrer Netze (Lk 5,2). Er veranlaßte sie dann, auf die Höhe zu fahren und das Netz auf Sein Wort auszuwerfen. (Lk 5,5).
Die Jünger hier, in unserem Schriftabschnitt, konnten ihre Berufung aufgeben, aber der Herr konnte Seine Berufung, zu der Er sie berufen hatte, nicht aufgeben. Sein Auge ist auf sie gerichtet. Er wußte um ihre Mutlosigkeit, Er kannte ihr irrendes Herz, Er sah ihre Mühe, ihr leeres
Netz. Er, der am Kreuz für ihre Sünden starb, steht am Ufer mit der Sorge Seiner Liebe, um ihrer Not zu begegnen und sie von ihrem Abwege zurückzuführen.
Wir lesen im ersten Vers über diese Seine Begegnung mit dieser kleinen Schar: „Er offenbarte Sich aber also“. Was liegt in diesem kleinen „aber also“. Der Geist Gottes will uns damit die Weise zeigen, wie Er Sich den irrenden Jüngern offenbarte. Es ist so gesegnet für uns, die Weise des Herrn anzuschauen und von Ihm zu lernen, wie Er es machte, um Seine schwachen Jünger wieder auf den rechten Weg zu führen. Wie vieles haben wir doch nach dieser Seite hin von dem Herrn zu lernen.
Die Jünger wußten noch nichts von dieser Seiner Sorge und Seiner Liebe um sie. So ging die Nacht zu Ende, das erste Frühlicht des „Morgens“ brach an. Es sollte nicht bloß der Anbruch eines Morgens in der Natur sein, sondern „ein Morgen“, der die „Nacht“ ihrer Verzagtheit und ihres eigenen Wirkens beenden sollte. Er stand am Ufer, Er, dessen Herrlichkeit den Glanz der Morgensonne übertraf. Das Licht Seiner Liebe wollte einen neuen Morgen in der Dunkelheit ihres Herzens anbrechen lassen. Haben wir nicht auch schon nach Stunden der Dunkelheit den Anbruch eines solchen Morgens erlebt, an dem die Stimme des Herrn unser Ohr fand?
Als der Morgen anbrach, stand Jesus am Ufer. Das brachte die Wendung. Wir lesen nicht, wie lange Er dort schon gestanden und sie beobachtet hatte. Wir wissen oft nicht, wie lange der Herr schon Sein Auge auf uns gerichtet hat, aber wir wissen, daß Seine Liebe die Seinigen nicht lassen kann.
Die Jünger wußten nicht, daß es Jesus sei. Jedes einzelne dieser Worte zeigt uns unser Bild. Warum wußten sie nicht, daß es Jesus sei? Sie waren so mit ihrer selbstgewählten Arbeit beschäftigt und noch von Dunkelheit umgeben, daß sie Ihn nicht erkannten. Ist es nicht so!? Wenn wir mit Seinem Willen nicht in Übereinstimmung sind, dann sind unsere Augen durch die eigenen Überlegungen so verdunkelt, daß wir Ihn nicht erkennen. Wie klar war das Wort des Herrn für sie gewesen, nach Galiläa zu gehen, dort sollten sie Ihn sehen. Aber dieses Ihn-Sehen war mit Warten für sie verbunden. Hier lernen wir wieder, wie das Abweichen von Seinem Worte und Seinem Willen geistliche Dunkelheit und Blindheit über uns bringt. Wie leicht werden doch unsere Augen trübe! Elis Augen wurden trübe (1Sam 3,2); Petrus spricht von Augen, die blind und kurzsichtig sind (2Pet 1,9), Simson verlor seine Augen (Ri 16,21), und der König von Babel löschte das Augenlicht des Königs Zedekia aus (Jer 52,11). Welche Warnungen liegen in all diesen Beispielen für uns und welche Summe von Unterweisung würden wir finden, wenn wir nur über diese vier Beispiele einmal nachdenken würden.
Die Treue des Herrn wacht über Seine irrenden Jünger. Er will sie segnen. Aber Er kann sie nicht ohne weiteres segnen. Er muß sie erst ihren verkehrten Weg erkennen lassen und sie zum Bekenntnis ihrer eigenen und fruchtleeren Arbeit bringen.
Er fragt: „Habt ihr etwas zu essen?“ Diese eine Frage nötigt sie zum Bekenntnis ihrer vergeblichen Arbeit. Sie antworten mit einem kurzen: „Nein“. Sie hatten für Ihn nichts, und sie hatten auch nichts für sich selbst. Sie fügen ihrem „Nein“ nichts hinzu. Man fühlt förmlich diesem kurzen „Nein“ den Mißmut ab, den Unmut, nach der mühevollen Arbeit einer Nacht mit „nein“ antworten zu müssen. Hat der Herr nicht auch dies kurze „Nein“ uns zur Belehrung niederschreiben lassen? Wenn auf Pfaden abseits vom Herrn durch eine solche Frage unser Herz auf unseren Weg gerichtet wird, wie unmutig, wie kalt abweisend und verschlossen sind dann auch oft unsere Worte, und solche Worte offenbaren dann den Zustand unseres Herzens.
Auf ihr „Nein“ ruft Er ihnen zu: „Werfet das Netz auf der rechten Seite des Schiffes aus, und ihr werdet finden“. Es ist so, als ob Er sagen will: „Die Arbeit, von der ich Frucht haben will, muß auf mein Wort hin begonnen und getan werden. Zur „rechten“ Seite des Schiffes mußte das Netz ausgeworfen werden, dann sollten sie die Fische finden, die sie Ihm bringen sollten, und als sie es so machten, dann vermochten sie das Netz vor der Menge der Fische nicht mehr zu ziehen. Wie nahe waren ihnen die Fische, wie nahe lag der Segen! Aber das Netz mußte auf Sein Wort hin ausgeworfen werden und zu der von Ihm bestimmten Zeit (am frühen Morgen) und an dem von Ihm bestimmten Platz (zur rechten Seite). Wie oft vergessen wir doch dieses und wie nötig haben wir es, immer wieder daran erinnert zu werden, daß wir ganz von Ihm abhängig sind und daß Er bestimmen muß, wann und wo wir das Netz auswerfen sollen, und daß diese Arbeit nicht durch unsere Kraft vollführt werden kann und daß es nicht eine Arbeit für uns ist, sondern wir nur durch Ihn und für Ihn zu arbeiten berufen sind.
(Fortsetzung folgt s. G. w).