Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 6 -Jahrgang 1918/19
2Kor 8,9 - „Seine Armut“2Kor 8,9 - „Seine Armut“
Einige Gedanken nur möchte ich an dieses Wort anknüpfen, die der Heilige Geist uns gegenwärtig wichtig machen wolle!
Wann war unser teurer Herr Jesus als Mensch am ärmsten? Etwa da, wo Er in der Krippe lag in Bethlehems Stall, weil in der Herberge kein Raum war für Ihn, den Messias? Nein, denn da hatte Er eine liebende, irdische Mutter und Männer kamen zu Ihm, um Ihm zu huldigen; sie kamen von fern her in dem gottgewirkten Glauben, daß Er der verheißene König sei trotz Seiner Armut (Mt 2). - Oder war Er am ärmsten, als Ihm, der nie Geld bei Sich trug, die Steuermünze nicht zu Händen war? Nein, denn Er, „durch den alle Dinge sind“, wußte, daß in dem Maule des ersten Fisches, den Petrus fangen würde, das Geldstück lag, dessen Er bedurfte, um „kein Ärgernis zu geben“ (Mt 17,24-27). - Oder zeigte sich Seine selbsterniedrigende Armut am tiefsten in Seinem Wort: „Die Füchse haben Höhlen, und die Vögel des Himmels haben Nester, aber der Sohn des Menschen hat nicht, da Er Sein Haupt hinlege“? Nein, auch darin nicht, denn, wenn Er in Judäa weilte, hatte Er doch wenigstens ein Haus, wo Er gern gesehen war und wo Er rastete mit denen, die den Weg der Verwerfung mit Ihm teilten: das Haus in Bethanien, wo Er mit Lazarus, Maria und Martha herzlichste, geistige Gemeinschaft pflegte (s. z. B. Mt 21,17 u. a). - Oder sieht man Ihn in Gethsemane am ärmsten, als Er „in ringendem Kampfe“ war und alle, auf deren Mitgefühl Er rechnete, einschliefen und Ihn allein ließen? Nein, auch da hatte Er jemanden, war ihm doch ein Engel erschienen, der Ihn stärkte (Lk 22,43).
Wir mögen noch viele Beispiele suchen und finden, welche die Armut, die Entäußerung des Herrn zeigen, und unser Herz wird sich in Anbetung beugen über Seine Liebe, die in Seinem Leidenweg hienieden in die Erscheinung trat, obwohl Er auf demselben nicht litt als Stellvertreter für unsere Sünde, sondern um Seiner Gerechtigkeit willen. Doch der Armut Höhepunkt finden wir nicht in diesen Beispielen, wenn auch sie schon dazu beitragen, uns „reich“ zu machen, nämlich an Erkenntnis Seiner Selbst und darausfolgender Liebe zu Ihm.
Aber es gibt einen Platz, da sehen wir den geliebten Herrn in einer Armut, so umfassend, so ergreifend, so wirksam aber auch, daß von da aus unser Reichtum in hellstem Licht erstrahlt, ja wahrlich, daß wir bekennen dürfen: dort liegen die Quellen unseres Heils, unseres Lebens, unserer ewigen
Errettung mit allem, was sie in sich schließt; und wir rühmen selig: „alle meine Quellen sind in Dir“ (Ps 87,7). Wo ist dieser Platz unserer ewigen Segnung? Es ist das Kreuz, das Fluchholz, der Ort des „Todes des Herrn“.
Und zwar sind es die drei Stunden der Finsternis von der 6. bis zur 9. Stunde, wo wir die größte Armut unseres Herrn schauen. Der ergreifende Ruf aus Jesu Munde, in seiner ganzen Tiefe uns stets unfaßbar, und doch verständlich als in wahrer Seelenqual und bitterstem Leid ausgestoßen: „Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen?“ (Mt 27,45ff). - der ist es, der uns zeigt, wie arm der Herr wurde um unsertwillen, auf daß wir durch Seine Armut reich würden. Das ist die größte Armut: von Gott verlassen sein! Ein Mensch ohne Gott und ohne Hoffnung, wie von Natur jeder Sünder (Eph 2,12), zeigt uns größte irdische Armut, aber von Seinem Gott, mit dem der Herr als Menschensohn stets in innigster Verbindung gelebt, verlassen zu sein, das ist noch unendlich mehr als die n10atürliche Gottverlassenheit des Menschen im Fleisch. Welch ein Opfer des Sohnes! Warum denn mußte Er von Gott verlassen sein in jenen Stunden der Angst, die uns Ps 22 so ganz besonders schildert? Weil Gott Sein heilig Angesicht verhüllen mußte vor der Sünde, zu der der Heiland Sich machen ließ (2Kor 5,21) und die in Seinem Leide auf dem Fluchholz verurteilt wurde, als Er ward „ein Fluch für uns“, da „verflucht ist jeder, der am Holze hängt“ (Gal 3,13, vergl. 5. Mose 21,23). Welch wunderbares Geheimnis: Er ein Fluch für uns, Er zur Sünde gemacht für uns, und darum von dem heiligen Gott, den Er dennoch Seinen Gott nennen darf, verlassen! „Laß nie mir kommen aus dem Sinn, wieviel es Dich gekostet, daß ich erlöset bin!“ - Dort sehen wir „Seine Armut“!
Anbetungswürdiger Heiland, nicht allein kamst Du auf diese arme Erde und lebtest unter uns, nicht allein starbst Du für unsere Sünden, an unserer Statt, sondern Du warst drei Stunden von Gott verlassen um unserer Sünde willen - wahrlich, Du wurdest arm, unendlich arm um unseretwillen, und wie reich hast Du uns gemacht! Aber unser größter Reichtum bist Du Selbst, Du Gestorbener und Auferstandener, Du Sohn Gottes, unser Heiland und Herr, der uns zum Vater gebracht hat - gepriesen seist Du in Ewigkeit! „Wir lieben, denn Er hat uns zuerst - und wie! - geliebt.“ (1Joh 4,19).
F. K.
10 Hier möchte ich einen weitverbreiteten Irrtum berichtigen: Jesus war nicht vom Vater verlassen - Er blieb immer „der Sohn, der in des Vaters Schoß ist“ (Joh 1,18) -, aber als „Sohn des Menschen“ war Er verlassen von Gott, von Seinem Gott! F. K.↩︎
Erstellt: 28.03.2024 19:58, bearbeitet: 09.09.2024 20:45
Quelle: www.clv.de