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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 20 - Jahrgang 1935
Röm 12,21 - Ein beherzigenswerter Rat (6)Röm 12,21 - Ein beherzigenswerter Rat (6)
(Fortsetzung). „Laß dich nicht von dem Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit dem Guten!“ (Röm 12,21)
Nachdem wir in der vorigen Lieferung von Gott beschäftigt wurden mit der köstlichen Geschichte, d. h. letzten Lebensgeschichte des Stephanus (Apg 7), in der wir so ein ganz besonders eindrückliches Bild obigen Wortes vor uns haben, möchte ich nun noch ein paar alttestamentliche Beispiele nennen, ehe wir dann zu dem Hauptdarsteller dieses Wortes im Neuen Testament kommen und danach (wenn Er will und wir leben)! zu dem Herrn oder zu Gott Selbst.
Unter den alttestamentlichen Bildern gedenken wir zunächst des Mose mit der Mirjam in 4Mo 12! Über diese Geschichte habe ich unter anderem Gesichtspunkt in der Reihe der „Wie kam es?“-Beispiele im letzten (19). Jahrbuch einiges sagen dürfen, natürlich besonders die Mirjam Betreffendes (Vgl. Jahrb. 19, Seite 157/158)!. Darum möchte ich mich auch kurz fassen, wenngleich jetzt diese ernste Begebenheit unter ganz anderem Gesichtswinkel gesehen werden will: unter dem des Mose! Nur wenige Worte über die Vorgeschichte! Mose hatte in seiner einzigartigen Führerschaft es für gut befunden, ein kuschitisches Weib zu nehmen. Vielleicht hat man diese immerhin besondere Tatsache ähnlich zu werten wie die zeichenartigen Heiraten einiger Propheten (vgl. Hosea 1 und 3 und siehe zu Frg. 2 ds. Js.)!. Seine Geschwister verstanden sein Tun nicht nur nicht - daß auch Aaron nicht, ist für diesen, den Hohepriester, doch tief beschämend! -, sondern sie erlaubten sich, gegen ihn zu murren und sich gegen ihn aufzulehnen, was sicher, da sie doch mit zu den Führern gehörten, böse Folgen gehabt hätte, wenn Jehova nicht sofort eingegriffen hätte. Jehova? Nicht Mose? Wehrte er selber sich nicht gegen dies unverständige, lieblose und böse Verhalten derer, die ihn besser kennen und ihm treuer folgen sollten? Nein, er wehrte sich nicht! Vielmehr heißt es, wohl mit ganz absichtlicher Betonung hier: „... Und Jehova hörte es. Der Mann Mose aber war sehr sanftmütig, mehr als alle Menschen ...“ V. 3. Nein, er schalt nicht wieder, er strafte die Widerspenstigen nicht, er klagte sie auch nicht an (hierin viel größer als Elia, der leider [doch haben wir kein Recht, ihn zu kritisieren!] - das Volk anklagte und dafür gebeugt ward! 1Kön 19,10-14ff). Mose blieb still, er überwand hier wirklich das Böse mit dem Guten - das Murren mit Sanftmut und Stille, sicher „übergab er sich Dem, der recht richtet“ (1Pet 2,23) -, und damit macht jeder Mensch stets die besten Erfahrungen, glauben wir es nur! - Das ist wahrlich ein herrliches Verhalten: Sanftmut der Anklage entgegenzusetzen! Der Herr schenke uns hierüber Licht und Gnade zum entsprechenden Verhalten!
Aber Gott greift ein! Er ließ die ungerechte Anklage nicht auf sich beruhen, Er tritt ein für seinen schnöde angetasteten treuen Knecht, der sich nicht selber rechtfertigte, sondern stille sein und bleiben konnte! - Was für ein ernstes Strafgericht kam über die Geschwister, sonderlich über die ältere Schwester - war sie wohl neidisch gewesen?! - Aber ehe das Gericht sie trifft, muß sie des Herrn Lob über Mose und sein Verhältnis zu Ihm, Jehova, hören. Wie mag sie sich da schon geschämt haben! Gewiß, sie war eine große, eine tapfere, eine gesegnete Frau (gewesen), aber hier war sie nicht mehr auf der geistlichen Höhe von einst, und hier mußte sie einsehen, daß sie (wie Aaron) ihrem geistlich weit größeren Bruder „nicht das Wasser reichen“ konnte! Ich finde es übrigens gewaltig, daß sie - ohne zu wissen, was ihrer wartete, erst diese ernste Anklagerede Jehovas hören mußte! Ja, kein Mensch wird dereinst verurteilt, ohne zu wissen, warum?! „Der große, weiße Thron“ wird alles enthüllen (Off 20,11-15), ehe das Gericht eintritt, ein Gericht aber ohne Heilung und Rückgängigmachung wie hier! -
Mirjam ward aussätzig, und zwar sofort in solchem Maße, daß V. 12 als Klage Aarons berechtigt ist! Ja, Gott ist heilig, und, Brüder, Schwestern, vergessen wir nie, keinen einzigen Tag: „Auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer!“ (Heb 12,29) Sind wir nicht manchmal in Gefahr, es z. B. mit dem Gehorsam oder mit der praktischen Heiligung nicht gar so genau zu nehmen, so als wenn wir vorstehendes Wort vergessen hätten?! Laßt uns uns davor bewahren lassen! Denke: „Auch unser Gott ...!“
Und der Mann Mose? Kein Triumph bei ihm! Wie hätte dem auch sein können bei ihm, dem Manne Gottes?!
Triumph über den Fall eines Gegners ist sicher kein Zeichen von Geistlichkeit! Glaube es, Mose blieb in der inneren Gegenwart des HErrn, um sofort zur Verfügung sein zu können, wenn es an ihn käme, und um keine Fehlbitte zu tun! Und es kam schnell an ihn, schnell wurde er vor die Probe gestellt, ob er auch ein zweites Mal (vgl. David mit Saul, 2. Lief.)! das Böse mit dem Guten überwinden würde; und er tat es in geradezu vollkommenem Maße. Jeder hätte es verstanden, wenn er gleichsam in Führerschaft V. 14 gesagt hätte, aber das tat nicht er, sondern Jehova als Richter, wohl als begnadigender, aber auch erziehender Richter! Nein, Mose war sofort bereit, auf Aarons Beugung hin für Mirjam zu beten, ja zu schreien zum Herrn. Und siehe, ein Mose, ein treuer Mann, „mit dem der Herr von Mund zu Mund redet, der das Bild Jehovas schaut“ (V. 8), tut wirklich keine Fehlbitte, sobald er das Böse bei anderen mit dem gottgeschenkten Guten bei sich überwindet! Sein Gebet bleibt nicht unbeantwortet wie so viele Gebete von Gläubigen unserer Tage, die keinen ungetrübten Himmel über sich haben, mit ihrem Gott nicht in Ordnung sind. Zum erhörlichen Beten gehört ein Verhalten nach 1Joh 3,21.22!
So überwand Mose in einem? nein, zwei typischen Fällen vorbildlich das Böse mit dem Guten. Es sind nicht die einzigen Fälle in seinem Leben, aber es sind so bemerkenswerte und ausdrückliche, daß wir gut daran tun, den Herrn zu bitten, uns diese Gesinnung zu lehren, die eine alttestamentliche Vorschattung auf Christus Jesus gibt und die in ihrem Ernst und in ihrer Lieblichkeit tief zu unseren Herren redet, zu uns, die wir so leicht in das Gegenteilige fallen, womit wir freilich dem Herrn keine Ehre machen und auch keine Freude. Wahrlich, oft müßten wir vielleicht bekennen in „gottgemäßer Betrübnis“ (2Kor 7,10): „Unser ist die Beschämung des Angesichts“ (Dan 9,8). Das aber wäre ein großer Segen für uns!
Und nun noch einige Worte über einen der größten Dulder des Alten Testaments, dem ein ganzes und sehr langes Buch gewidmet ist: Hiob! Freilich, wollte ich auch nur ein wenig ausführlich auf seine vom Satan angezettelte Leidensgeschichte eingehen, es wäre kein Raum dazu vorhanden, aber ich glaube auch nicht, daß es nötig ist. Wir haben alle - alle Leser dieser Zeilen?? - das Buch Hiob (sicher) schon durchgelesen (hoffentlich öfter als nur einmal)!, haben die bis auf einige Goldkörner hier und da schier unerträglich banalen, oberflächlichen Anklagereden der 3 ersteren Freunde - deren eigentliche Freundschaft mit dem Verhalten von 2,11-13 erschöpft zu sein scheint - auf uns einstürmen lassen, wobei wir wohl restlos mit Hiob fühlten, haben aber ebenso seine oft vermessenen Worte gehört und ernstlich betrauert, da sie ein so überwältigendes Bild ebenso von der Nichtigkeit des Gott gegenübertretenden Menschen wie von der Torheit seiner Selbstbespiegelung geben - ich sage, wir haben das alles so oft gelesen, daß ein näheres Eingehen sich darauf erübrigt. Ungleich besser wäre es schon, die kostbaren Reden Elihus und vor allem die von Jehova selbst zu betrachten, aber auch dazu fehlt der Raum. Ich bitte nur, daß man das Buch Hiob wieder und wieder lesen möchte (und zwar empfehle ich am meisten, es kursorisch, in möglichst einem Zuge, höchstens in zwei Absätzen, an einem bis zwei Tagen durchzulesen, weil man dann einen unübertrefflichen Überblick hat), damit man einen möglichst umfassenden Gesamteindruck gewinne und nicht zu sehr sich in Einzelheiten verliere - d. h. in solche Einzelheiten, die gar nicht wert sind, daß man sich in sie vertiefe!
Nun, der Riesenkampf geht zu Ende, Jehova bleibt restlos Sieger, Hiob gegenüber nicht etwa nur - das wäre ja selbstverständlich! -, sondern vor allem so, daß der Dulder Hiob völlig und auf allen Seiten überwunden, gebeugt (39,34.35), aber auch überzeugt, gedemütigt und darum auch zu einer ungeahnten inneren geistlichen Höhe erhoben, geläutert vor den tief erschütternden Miterlebenden steht (42,1-6), so daß er, der sich vorher wohl von dem Bösen (in sich) überwinden und hinreißen ließ zu törichten Reden, nun das Böse überwindet, das ihm von jenen Freunden zugefügt und angetan ist, mit dem Guten einer treuen Fürbitte. Sie bedurften derselben sehr - übrigens, wer bedürfte nicht der Fürbitte?! -, denn sie hatten nach Gottes (und nach unserem) Urteil nicht geziemend von Jehova-Gott geredet, und wenn Hiob jetzt nicht für sie eingetreten wäre, wer weiß, was aus diesen „leidigen Tröstern“, diesen armseligen Vertretern einer religiösen Schwätzerei, diesen schier gewohnheitsmäßig „Bösesgräbern“ (Spr 16,17), diesen ihr eigenes schlimmes Herz nicht kennenden Selbstgerechten noch geworden wäre, wo sie geendet hätten! Aber ein gottgebeugter, durch Gnade gedemütigter Hiob (vgl. Ps 119,67)! weiß zu bitten! Wer könnte wohl besser, erhörlicher beten als einer, der die Gnade, das göttliche Erbarmen, das „innige Mitgefühl“ des Herrn (Jak 5,11) so erfahren hat wie Hiob?! Fürbitte für Feinde oder doch falsche oder unbewahrte Freunde - das ist ein wirkliches Überwinden des Bösen mit dem Guten! Das lehre auch uns, HErr, unser Gott, wir brauchen dieses so sehr! -Ja, Hiob kann uns viel lehren, Negatives und Positives, aber seine Fürbitte am Schluß seiner Leidensgeschichte - denn nun ward sein Leiden beendet, nun kam er auch zu neuer äußerer, ungeahnter Höhe hinauf (V. 10) - seine Fürbitte ist etwas ungemein Köstliches. Sind wir Beter, Geliebte? Sind wir Fürbitter? Überwinden wir das Böse um uns herum mit dem Guten treuester Fürbitte? Der Herr schenke es uns aus der kostbaren Belehrung durch den vom Feinde schwer geprüften, von Gott dem Herrn treulich gedemütigten und überwundenen und dadurch zum Überwinder gewordenen Hiob, der uns eine so deutliche Darstellung unserer Titelstelle Röm 12,21 gibt!
Zum Schluß noch eine liebliche Begebenheit aus der Tätigkeit des Elisa, des Mannes der Gnade (Elias der Prophet des Gerichts)!. Die betreffende Geschichte steht in 2Kön 6 und ereignete sich während der Kämpfe Samarias und des Königs von Samaria (Joram) mit den Syrern. Im Verlauf dieses Krieges geschah es, daß die Syrer in Elisa, dem Propheten, den erkennen mußten, durch den ihnen fortgesetzt der Sieg unmöglich gemacht wurde (V. 8-12)!. Daraufhin wollte ihr König den Propheten unschädlich gemacht wissen (V. 13). Der dann folgende Verlauf des Versuches, mit großer Heeresmacht den Elisa gefangen zu nehmen, zeigt uns die einzigartige Stellung der Kraft des Propheten in seiner unvergleichlichen Gemeinschaft mit Jehova, der auf seine Bitte nicht nur dem bestürzten Knecht Elisas die Augen öffnete, damit er die himmlischen Streiterscharen sehen kann, sondern Der auch die Syrer mit Blindheit schlägt, so daß sie ihn, den sie suchten, nicht finden konnten. Dann erbietet er selber sich, sie zu führen „zu dem Mann, den sie suchten“, nämlich zu ihm hin, dessen Wohnsitz ja Samaria war (V. 19). Als sie nun da angekommen sind, werden ihnen wiederum auf das Gebet Elisas hin die Augen geöffnet, und sie sehen sich mitten in Samaria, also in Feindesland (V. 20). Die Frage des Königs von Israel, sehr gut nach Menge: „Mein Vater, soll ich sie ohne Gnade niederhauen lassen?“ zeigt dieses Mannes Herz, aber auch seine Machtlosigkeit in Anwesenheit des Propheten! (V. 21) Dessen Antwort aber offenbart ihn wirklich als den Mann der Gnade, als der er sich so oft schon gezeigt hatte. Er fragt den König: „Würdest du denn solche niederhauen lassen, die du mit deinen Waffen gefangen genommen hättest?“ - Hoffentlich nicht! Jedenfalls, ein Elisa hat nichts von der Gesinnung eines ungöttlichen Königs Joram, der wohl nur allzugerne bereit gewesen wäre, Böses mit Bösem zu vergelten und sich vom Bösen seines Herzens überwinden zu lassen, so daß er gar Kriegsgefangene niedergemacht hätte. So aber muß der König sich fügen und belehren lassen, daß in diesem Falle erst recht keine Erlaubnis für ihn bestünde, die auf so merkwürdige Weise kriegsgefangen Gewordenen zu erschlagen. Im Gegenteil: Das Böse muß man überwinden durch das Gute! „Setze ihnen Speise und Trank vor, daß sie essen und trinken und dann zu ihrem Herrn ziehen!“ Was, das und das? Das war aber eine Zumutung, eine doppelte ()!, an den König von Israel! Dennoch - so groß war die Autorität des Propheten, daß ein König seinen Rat unbedingt und in überwältigender Weise befolgt, und die Frucht seines (gehorsamen)! Tuns war: „Die Streifscharen der Syrer kamen hinfort nicht mehr in das Land Israel!“ (V. 23)
Das war Anschauungsunterricht gemäß Röm 12,21! So ward das Böse überwunden mit dem Guten, und gleich in zweifachem Sinne, einmal bezüglich der Feinde des Volkes Gottes und dann im Herzen des Königs, der diese Lehre gewiß nicht vergaß. Und vergessen wir sie? Redet sie nicht zu unserem Herzen? Können wir uns nicht auch ausmalen, welche innere Wirkung in den Herzen der Feinde erzielt wird bei solcher Handlungsweise zu ihrer Erquickung? Ist das nicht ein rechtes Speisen und Tränken der Feinde und ein „Sammeln feuriger Kohlen auf ihr Haupt“? Ist somit das Ganze nicht geradezu eine köstliche Illustration von Röm. 12,20.21? Wieviel mehr könnten wir manchmal erreichen, wenn wir öfter mit solcher Gesinnung erfüllt wären, statt mit der des Echos: „Wie es in den Wald hineinschallt, so schallt's wieder heraus!“ Elisa, der Prophet der Gnade, lehrt uns, im rechten Augenblick Gnade walten zu lassen, er lehrt uns gleichsam ein Handeln, nicht nur Reden nach Spr 25,15b (Elb. u. Menge). Wie oft machen wir es anders und verderben soviel, wo eine Anlehnung an diese Gesinnung Elisas, ja überhaupt eine „Gesinnung, wie sie in Christo Jesu war“ (Phil 2,5), Wunderdinge erreichen würde! Genug! Aber laßt uns dem nachdenken und uns Gnade schenken lassen, besser zu lernen: „... sondern überwinde das Böse mit dem Guten!“ - Dank sei unserem Gott für Sein reiches, lebendiges Wort!
(Fortsetzung folgt, s. G. w).
F. K.