Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 12 -Jahrgang 1927
Eph 2,19 ; Heb 11,13 ; 1Pet 2,11 - „Nicht mehr Fremdlinge und doch Fremdlinge“Eph 2,19 ; Heb 11,13 ; 1Pet 2,11 - „Nicht mehr Fremdlinge und doch Fremdlinge“
„Also seid ihr denn nicht mehr Fremdlinge und ohne Bürgerrecht, sondern ihr seid Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes.“ (Eph 2,19). „Und sie bekannten, daß sie Fremdlinge und ohne Bürgerschaft auf der Erde seien.“ (Heb 11,13). „Geliebte, ich ermahne euch als Fremdlinge und als die ihr ohne Bürgerrecht seid.“ (1. Petrus 2,11).
Wenn wir Epheser 2,19 mit Hebräer 11,13 und 1. Petrus 2,11 aufmerksam vergleichen, so finden wir einen kostbaren Gegensatz, der uns einen Ausblick eröffnet über unseren einstigen und jetzigen Zustand. Im 2. Kapitel des Epheserbriefes führt Gottes Geist uns diese beiden Zustände in wunderbarer Weise vor die Seele. Wie tief muß doch Paulus, dieser einst so stolze Pharisäer, die Verdorbenheit des gefallenen Menschen erkannt haben, daß Gott ihm diese Dinge offenbaren konnte. Die Verse 1-3 und 11-12 beschreiben in geradezu erschütternder Weise, was wir einst waren. Einen Gedanken möchte ich daraus besonders hervorheben.
Nach Vers 12 waren wir „Fremdlinge betreffs der Bündnisse der Verheißung“. Wir hatten keinen Anteil daran. Gott hatte Sie Israel gegeben, kostbare Verheißungen in der Form eines Bundes. Wir aber waren ohne Hoffnung und ohne Gott in der Welt. - Israel war nicht ohne Gott in der Welt; sie kannten Gott, der ihr Leben, ihr Verhalten, ihre Gottesdienste, ihr Erbe bestimmt hatte, aber wir, die Nationen, hatten weder Teil noch Los daran. - So entfremdet waren wir den Bürgerrechten des Volkes Gottes, daß wir wohl hier und da etwas von der Herrlichkeit der Kinder Gottes hörten, aber einen kostbaren Schatz sahen wir nicht darin. Achtlos gingen wir daran vorüber. So wie ein heimatloser, müder Wanderer die staubige Landstraße entlang pilgert, so gingen unsere Tage, so floß unser Leben dahin. Der Staub dieser Erde war unser Element. Wir waren Fremdlinge!
Aber der Apostel bleibt nicht bei diesem „Einst“. Er kennt auch ein „Jetzt“. Die Verse 4-10 und 13-22 reden in herrlicher Weise davon. In bezug auf unsere obigen Gedanken heißt es dann in Vers 19: „Also seid ihr denn nicht mehr Fremdlinge und ohne Bürgerrecht.“ Die Zeit unserer Fremdlingschaft ist vorüber. Wir sind keine heimatlosen Wanderer mehr. Wir haben Ihn, die Kostbarkeit (1Pet 2,7). In Ihm ist uns alles geschenkt. In Ihm haben wir, die Heimatlosen, die Fremdlinge, eine Heimat gefunden. Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes, so nennt uns Sein Wort. Welch eine Gnade ist uns zuteil geworden! Im Philipperbrief sagt der Apostel: „Unser Bürgertum ist im Himmel“ (Phil 3,20). Ja, das dürfen wir sagen. Nicht in Stolz, als hätten wir einen Verdienst daran, nein, in tiefer Ehrfurcht wollen wir dies kostbare Recht hinnehmen. Unser Herr und Heiland hat uns von den vielen Wohnungen im Vaterhause gesagt. Durch Sein Sterben und Auferstehen hat Er uns eine Stätte dort bereitet, und bald wird Er uns dahin aufnehmen. Dem Herrn sei Lob und Dank, daß wir nun keine Fremdlinge mehr sind! Unser wartet ein Heim, ein herrliches Heim. Das Vaterhaus steht uns offen. Kind Gottes, freue dich und frohlocke, Gott hat dir eine Heimat bereitet, so herrlich, so schön, daß keine menschliche Zunge sie beschreiben kann.
Im 21. Kapitel der Offenbarung lüftet Gott ein wenig den Schleier und läßt uns einen Blick tun in die Herrlichkeit, die Er für uns bereitet hat. Dank sei Ihm, daß wir dies kostbare Kapitel haben! Aber doch, wie arm ist unsere Vorstellungskraft, wie nichtig unsere Begriffswelt! Können wir dies fassen, was Gott uns hier sagt? Vielleicht das eine: Sie muß unbeschreiblich schön sein, diese herrliche Himmelsheimat. Und doch: „Nicht zur Stadt mit ihren goldenen Gassen
Geht des Herzens tiefste Sehnsucht hin.
Ewig möchte Ihn ich nur umfassen,
Dessen teures Eigentum ich bin.“
Und das schönste ist: Ihre (nämlich der himmlischen Stadt) Lampe ist das Lamm. Weil Jesus der Heimat erst den wahren Wert verleiht, darum gilt es auch jetzt schon: Nicht mehr Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes; denn Er ist gegenwärtig, mitten unter uns, und bei uns alle Tage.
Obwohl nun der Herr gemäß Seiner Verheißung mitten unter uns ist, erblickt Ihn doch nur unser Glaubensauge. Noch sind wir nicht zum Schauen gekommen. Zwischen Ihm und uns steht noch als letzte Scheidewand der Leib der Niedrigkeit. Erst wenn dies irdische Haus, diese Hütte, abgebrochen ist, werden wir im Vollsinn des Wortes Hausgenossen Gottes sein. Jetzt haben wir alles durch den Glauben.
Weil nun unser Glaube auf die ewigen Dinge gerichtet ist, ergibt sich hieraus unsere Stellung zu den zeitlichen Dingen. Die Glaubensmänner aus Heb 11 hatten diese Stellung erkannt und verwirklicht. Sie waren „Fremdlinge und ohne Bürgerrecht auf dieser Erde“. Auch der Apostel Petrus mahnt die Empfänger seines Briefes, Fremdlinge und ohne Bürgerrecht zu sein. Wahrlich, das ist eine ganz andere Fremdlingschaft als die vorhin betrachtete; aber sie ist durchaus folgerichtig. Sind wir wahrhaft zu Gott bekehrt und wahrhaft mit Seinem Geist getauft, ist Christus unser
Leben geworden, dann ist's uns bitterernst mit dem Wort: „Wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde; wenn mir gleich Leib und Seele verschmachten, so bist Du doch, Gott, allzeit meines Herzens Trost und mein Teil.“ (Ps 73,25 u. 26). Dann sind wir „nicht in einem ungleichen Joche mit Ungläubigen“, dann gehen wir „heraus aus ihrer Mitte“ und „sondern uns ab“ (2Kor 6,14-18). Dann sind uns die Freuden und Genüsse der Welt gleich einer Schale fauligen Wassers. Man mag sie nicht. Sie sind ja doch nur elende Surrogate der einen wahren Freude. „Ein jeder liebe, was er will,
Ich liebe Jesum, Ihn, mein Ziel.“ „Wie kommt es bloß, daß ihr so gar nichts mehr mitmacht?“ so fragt man uns oft. Folgenden Fall zur Erklärung. Unter den Angestellten einer Bank befanden sich einige Gläubige. Man veranstaltete einen sogenannten „Bunten Abend“. Diejenigen von den Gläubigen, die sich ihrer Fremdlingschaft bewußt waren und sie zur Ehre des Herrn verwirklichen wollten, machten natürlich nicht mit. Sofort Opposition bei den anderen, die sich in Spötteln, Witzeleien, oft genug auch in Gemeinheiten äußerte. Ja, woher kam es, daß diese Gotteskinder an einem so „interessanten Fest“ gar kein Gefallen fanden, daß sie sich weigerten, an Ägyptens Freudenmahl teilzunehmen? Es gibt nur eine Antwort: Für ein Kind Gottes, dem Seine unaussprechliche Gnade das Himmelsbürgerrecht geschenkt hat, geziemt es sich nicht, Dinge mitzumachen, durch welche der Fürst dieser Welt geehrt wird. Was würde man wohl von einem Deutschen halten, der im vom Feinde besetzten Gebiet entblößten Hauptes die Nationalhymne des Feindes mitsingen würde?
Geliebte im Herrn, wir sind Himmelsbürger und folglich Fremdlinge auf Erden. Möchten wir dies nie vergessen! Und sollten wir es je vergessen und uns in Lagen hineinbegeben, wo wir unseren Fremdlingscharakter verleugnen müßten, so haben wir nur den Schaden davon. Abraham hätte sich viel Herzeleid erspart, wenn er nicht auf den Rat Saras gehört hätte (1Mo 16,2). Laßt uns abstehen von aller Ungerechtigkeit (2Tim 2,19) und auch eingedenk sein des Wortes unseres Herrn und Heilandes: „Wer Mich verleugnet vor den Menschen, den will
Ich auch verleugnen vor Meinem himmlischen Vater.“ (Mt 10,33). „Draußen sind die Feigen“. (Off 21,8).
Sollte es uns je schwer fallen, als Fremdlinge zu wandeln, laßt uns an das bittere Leiden und Sterben unseres Heilandes gedenken. Das tat Er für dich und für mich. Teure Schwester und teurer Bruder, sollten wir da nicht diese Zeit für Ihn als Fremdlinge in Treue und Hingebung aushalten?
Spräch gleich das Fleisch voll Trauer: „Denk' dir das nicht so leicht;
Der Weg ist gar zu sauer,
Das Ziel wird nie erreicht!“
Dann will ich fröhlich preisen
Die Gnade, sie reicht aus,
Will Satan von mir weisen,
Die Gnade bringt nach Haus.
Eine doppelte Fremdlingschaft konnten wir kurz betrachten. Möge der Herr uns Gnade schenken, daß wir immer mehr die Liebe erkennen lernen, die uns arme, heimatlose Fremdlinge zu Mitbürgern der Heiligen und Hausgenossen Gottes gemacht hat! Möchte unser schwacher Dank sich in einem treuen, hingebungsvollen Leben äußern, darüber geschrieben steht:
Nicht mehr Fremdlinge, und doch Fremdlinge.
W. Hckst.