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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 18 - Jahrgang 1933
Heb 12,1-3 - Der vor uns liegende WettlaufHeb 12,1-3 - Der vor uns liegende Wettlauf
Nachdem der Apostel im 11. Kapitel des Hebräerbriefes uns eine so große Wolke von Zeugen vorgeführt hat, die, so schwach sie auch in sich selbst sein mochten, den Wettlauf in treuem Ausharren vollendeten, ermahnt er uns, den auch vor uns liegenden Wettlauf mit Ausharren zu laufen. So sehr diese Treuen, deren Auge auf den Unsichtbaren so gerichtet war, als sähen sie Ihn, uns auch ermutigen mögen, in dem Laufe auszuharren, die Kraft zum Ausharren empfangen wir nur, wenn unser Glaubensblick auf Jesus ruht, der den Lauf ohne Fehl vollendet und Sich zur Rechten des Thrones Gottes gesetzt hat.
Hier wie überhaupt im Hebräerbrief finden wir des öfteren den Namen des Herrn allein ohne jede Beifügung. Wenn wir Seinen Namen ohne jeden Titel finden, so tritt in besonderer Weise Seine Menschheit vor unser Auge. Jesus ist Sein Name, den Er als Mensch empfing, mit dem Er hienieden genannt und in dem Er gekannt wurde. Achtmal finden wir im Hebräerbrief Seinen Namen ohne Titel (Heb 2,9; 3,1; 6,20; 7,22; 10,19; 12,2; 12,24; 13,12). Solche Stellen weisen uns auf die Menschheit des Herrn hin, die zu beachten in dem Anschauen Seiner hochgelobten Person wichtig ist.
Der Weg unseres Glaubenslebens wird in der Schrift wiederholt mit einem Wettlauf verglichen. Ein Wettlauf erfordert Hingabe, Ausharren, Entschiedenheit, ein ganzes Herz. Wenn unser Glaubensweg in der Schrift mit einem Wettlauf verglichen ist, so doch nicht in der Weise, als ob nur einer von den Vielen das Ziel erlangen könne. Alle können es erreichen, und Belohnung winkt jedem, und niemand braucht leer auszugehen. Das Ende des Wettlaufes ist die Herrlichkeit, und das Ziel ist Christus. Und nicht nur ist Christus unser Ziel, Er ist auch die treibende Kraft im Lauf, weil Ihm unser Herz gehört.
Es ist wie in den Tagen Davids. Als er verworfen und seines Thrones von seinem eigenen Sohn Absalom beraubt wurde, setzten die Getreuen des Königs ihr Leben für ihn ein. Als dann Jehova David Recht verschaffte und ihm den Sieg über die Empörer gab, liefen zwei Männer die in dem Kampf gestanden hatten, zu David, um ihm die Botschaft des Sieges zu überbringen. Beide liefen einem Ziele zu, und doch war ein großer Unterschied in ihrem Lauf; der eine wird uns nicht mit Namen genannt, er war ein Kuschit, der andere war Achimaaz, der Sohn Zadoks. Der Kuschit trat den Lauf an, weil er dazu ausersehen und beauftragt wurde. Der andere, Achimaaz, lief, weil sein Herz ihn zu David trieb. Er hatte schon einmal in Gemeinschaft mit einem anderen (2Sam 17,15-22) David eine Botschaft überbracht, und zwar die traurige von dem Verrat seines Sohnes Absalom, und nun, da Jehova David Recht verschafft hatte, brannte sein Herz, ihm als ein Zeuge seines Sieges entgegenzueilen und ihn mit der frohen Botschaft zu begrüßen. So liefen beide Männer einem gleichen Ziele zu, der eine lief dem Auftrag gemäß, wie es ihm vorgeschrieben war, der andere lief mit dem brennenden Herzen. Achimaaz überwand die Mühen und Beschwerden des Laufes um der vor ihm liegenden Freude willen, vor David als ein Zeuge seines Sieges zu stehen. Der Kuschit mochte seinen Lauf früher angetreten und einen Vorsprung haben, aber den Lauf des Mannes, der mit dem Herzen der Liebe lief, konnte er nicht überholen. Laßt auch uns mit einer solchen Hingabe den Wettlauf laufen, um nicht überholt zu werden! Sein Auge sieht uns. Er liest unser Herz. Er weiß, ob wir in der Liebe zu Ihm in der Rennbahn laufen oder ob wir nur laufen, weil es der uns vorgeschriebene Weg ist.
Paulus vergaß alles, was dahinten war, und streckte sich aus nach dem, was vorne ist. Das Ziel anschauend, jagte er hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christo Jesu (Phil 3,14). Er lief nicht wie aufs Ungewisse, kämpfte nicht wie einer, der in die Luft schlägt; da gilt es aber oft, den Leib zu zerschlagen und ihn in Knechtschaft zu führen (1Kor 9,26.27). Sind wir bereit, gleich der Wolke von Zeugen, Hab und Gut und alles daranzugeben und wie Mose die Schmach Christi für größeren Reichtum zu halten als die Schätze Ägyptens, indem unser Auge die Belohnung sieht?
Unsere Schriftstelle ermahnt uns, jede Bürde und die leicht umstrickende Sünde abzulegen. Der Wettlauf ist zu ernst und der Preis zu kostbar, um noch Bürden mitzunehmen. Unter Bürden dürfen wir nicht die mühevollen Arbeiten und Pflichten des Lebens verstehen; Bürden sind nicht Dinge, die uns von Gott zu tun auferlegt worden sind; Bürden sind Dinge, die wir selbst auf uns genommen haben und die uns Hemmnisse in dem Nachjagen des himmlischen Zieles sind. Solche Bürden mögen an und für sich nichts Böses sein, aber sie halten uns in dem Wettlauf und dem Nachjagen des himmlischen Zieles auf. So wenig wie jemand im irdischen Wettlauf einen Rucksack auf seine Schultern nimmt, so wenig können auch wir Bürden auf uns nehmen, wenn wir das Ziel, Christus zu erreichen und Seinem Bilde gleichförmig zu werden, erlangen wollen. Und wieviel sind der Bürden, die Kinder Gottes sich oftmals aufgeladen haben! Zu Bürden können uns werden: Sport, Politik, Kunst, Musik, Photographie, Sammlungen usw., auch Rang und Würden; alles Dinge, die an sich nicht böse sind, aber die, wenn sie unser Herz einnehmen, uns aufhalten und hindern in dem Nachjagen des größten und herrlichsten aller Ziele.
Und nicht nur jede Bürde, auch die leicht umstrickende Sünde muß abgelegt werden. Bürden und Sünden gehen gar oft Hand in Hand. Die Schrift spricht hier von der „leicht umstrickenden Sünde“. Wer von uns hat nicht schon erfahren, wie leicht Sünde uns umstricken und zum Wettlauf unfähig machen kann?! Wie gut, daß eine Hand über uns waltet, die uns hält, und daß wir einen Sachwalter bei dem Vater haben! Und wohl uns, wenn wir durch Sein Verwenden für uns zur Buße und zum Selbstgericht geführt und von den Stricken der Sünde befreit werden! Wie ernst ist das Wort des Herrn, wenn Er uns in bezug auf die Dinge, die uns ein Fallstrick sind, sagt: „Wenn aber dein rechtes Auge dich ärgert, so reiß es aus und wirf es von dir.“ Und wenn sie uns wären wie die rechte (das ist die wichtigste) Hand, der Herr fordert Entschiedenheit und Selbstgericht: „Haue sie ab und wirf sie von dir.“ (Mt 5,29.30) Die Verstümmelung mag uns wie ein großer Verlust erscheinen, in Wirklichkeit aber ist sie nur Gewinn. „Laßt auch uns ... ablegen“, sagt der Apostel im Blick auf die „Wolke von Zeugen“. Und was legten diese treuen Zeugen ab! Und sie waren Menschen von gleichen Gemütsbewegungen wie wir. Wenn du eine Last hättest, legtest du sie nicht gern ab? Warum wird es manchen Kindern Gottes so schwer, Bürden und sogar Sünden abzulegen? Ist es nicht, weil solche Bürden gar nicht als Last empfunden, vielmehr noch geschätzt werden? Manche mögen zeitweise ihre Last als ein Hindernis in ihrem Laufe fühlen, aber sie sind daran so gebunden und so festgehalten wie der Fisch am Angelhaken. Möchte der Herr Gnade geben, daß all die Dinge, die uns ein Hindernis in dem Wettlaufe sind, nicht mehr Genuß seien, sondern als unerträgliche Last angesehen werden!
Schau hin auf Jesum, Er vollführte den Glaubenslauf von Anfang bis Ende, Er achtete der Schande nicht, und für die vor Ihm liegende Freude erduldete Er das Kreuz. Und liegt keine Freude vor uns? Was war das für eine Freude, die Seine Seele so erfüllte, daß Er Golgatha dafür erduldete? Höre Seine Antwort: „Dein Wohlgefallen zu tun, Mein Gott, ist Meine Lust.“ (Ps 40,8) Wenn auch in einem schwachen Maße - haben wir nicht etwa auch etwas von dieser Freude und Lust in unserem Herzen genossen, wenn wir Sein Wohlgefallen taten?
Er hat das Ziel erreicht, Er thront schon zur Rechten Gottes; wir sind noch in der Rennbahn, aber bald ist auch das Ziel von uns erreicht, und wir sind dort oben, wohin Er für uns als Vorläufer bereits eingegangen ist. In Ihm sehen und haben wir schon die Erfüllung aller Verheißungen. Daß Er dort ist, ist so gut, als wären wir schon dort, denn wir sind ein Teil von Ihm. Im Glauben erfreuen wir uns dessen und gehen durch diese Welt der Schmach, der Leiden und des Widerspruches, und damit wir nicht ermüden und ermatten, werden wir noch einmal aufgefordert, Ihn zu betrachten, der so großen Widerspruch von Sündern gegen Sich erduldet hat. Und wenn Er, der Heilige und Gerechte, so großen Widerspruch erdulden mußte, wieviel mehr werden wir Widerspruch finden! Sie wunderten sich über die Worte der Gnade, die aus Seinem Munde hervorgingen, aber ihr Stolz konnte es nicht verwinden, daß Er ihr Lehrer sein sollte, und in dem Widerspruch ihres Herzens sagten sie: „Ist dieser nicht der Sohn Josephs?“ Und von Wut erfüllt, wollten sie Ihn vom Rand des Berges hinabstoßen (Lk 4,14-30). Als Er einen armen Besessenen, Blinden und Stummen heilte, dann widersprach man Ihm und sagte, daß Er den Beelzebub habe (Mt 12). Und als Er Sich der Zöllner und Sünder annahm und mit ihnen aß, dann widersprachen sie und nannten Ihn einen Fresser und Weinsäufer (Mt 11,19). Und als Er den Kranken heilte, der 38 Jahre am Teiche Bethesda auf Genesung wartete, dann widersprachen sie und nannten Ihn einen Menschen, der den Sabbat breche (Joh 5,18; 9,16). Und noch, als sie Ihn bereits in ihre Gewalt gebracht hatten und Er ihnen bezeugte, daß sie Ihn würden kommen sehen auf Wolken des Himmels, da widersprachen sie Ihm und beschuldigten Ihn der Lästerung (Mt 26,64.65). Ja, laßt uns Ihn betrachten, der so großen Widerspruch von Sündern gegen Sich erduldet hat, damit wir nicht müde werden und in unseren Seelen ermatten!
A. v. d. K.