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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 21 - Jahrgang 1936
Als Unbekannte und (doch) Wohlbekannte
2Kor 6,9a - Als Unbekannte und (doch) Wohlbekannte (2)2Kor 6,9a - Als Unbekannte und (doch) Wohlbekannte (2)
In der ersten Lieferung besprach ich einleitend das Wort so, wie es im Zusammenhang zu verstehen ist, und dann wandte ich es im besonderen Sinne auf solche Personen der Heiligen Schrift an, die zu den Unbekannteren zählen. Dann habe ich als ersten in dieser Reihe Baruk genannt, den Schreiber des Propheten Jeremia. - Eine weitere Überleitung will ich mir sparen und nun sogleich, wie schon angekündigt, übergehen auf einen Mann im Neuen Testament, der m. E. mit unter unser Thema fällt:
Tertius.
Von ihm handelt, wie es übrigens im N. T. oft der Fall ist, nur ein einziger kleiner Vers: Röm 16,22! Nun sind freilich in diesem köstlichen Grußkapitel viele nur ganz kurz genannt, ohne daß ich sie alle unter unserem Thema besprechen könnte, aber Tertius scheint mir in gewisser Hinsicht zu verdienen, daß man ein liebendes Wort über ihn sagt, wird er doch, glaube ich, leicht verkannt, während die übrigen vielen Namen dieses Kapitels im Gegenteil fast stets rühmlich ausgezeichnet werden, nämlich von Paulus selbst, und das enthebt sie ohne weiteres des Übersehenwerdens; Tertius aber, der sich selbst nennt und sich so vor dem Vergessenwerden schützen zu wollen scheint, könnte gerade deswegen leicht dem Nichtbeachtetwerden verfallen! (Spr 27,2)!
Aber ich glaube, man täte ihm Unrecht, wenn man ihn des Selbstruhms ziehe. Und wenn man etwa meint, er hätte doch warten können, bis Paulus, dessen Schreiber er doch war (wie Baruk des Jeremia)!, auch ihn genannt haben würde unter den Grüßenden, dann sei darauf geantwortet, daß er vielleicht dem Apostel gesagt habe: „bestelle auch von mir einen Gruß!“ und dieser habe ihm überlassen, selbst seinen Gruß anzufügen. Und als Paulus dann den ganzen Brief noch einmal durchgelesen habe, da habe er den irgendwo eingeschobenen Vers des Tertius gleichsam unterstrichen, und es sei ihm nicht in den Sinn gekommen, seinen treuen Schreiber zu beschämen, indem er den kurzen Satz noch gekürzt habe, nein, vielmehr habe er denselben sozusagen geheiligt und ihm einen besonderen Ehrenplatz angewiesen in seinem eigenen Brief - zwischen Timotheus, seinem Mitarbeiter, nebst seinen Verwandten, und dem Gajus, dem Hauswirt der Gemeinde! Da steht nun der kleine Satz für alle Zeiten in dem großen, gewaltigen, rangersten Briefe des Paulus an die Römer, denen der - darf ich sagen - „kleine“ Tertius - „der Dritte“ (Christus der Erste in allen Dingen, Kol 1,17, danach Paulus, und als Dritter Tertius)! sonst hienieden stets unbekannt geblieben wäre, und uns auch. „Unbekannt und doch wohlbekannt“, gepriesen sei Gott! „Aber, lieber Tertius, ist es nicht ein wenig kühn gesagt: „Ich, Tertius, der ich diesen Brief geschrieben habe“? Das ist doch gar nicht so, Paulus hat ihn doch geschrieben, und hätte er dich nicht gewürdigt, sein Schreiber zu sein, so hätte manch anderer, der schreiben konnte, den Dienst mit Freuden getan!“ - „Ja“, antwortet da der treue demütige (ja, demütige)! Mann, „ich wollte doch so gern all den teuren Geschwistern einen Gruß sagen, mir war das Herz so voll, nachdem ich diesen wunderbaren Brief diktiert bekommen hatte, und als mein geliebter väterlicher Freund so viele Personen nannte, da wagte ich zu hoffen, er würde mich fragen: ‚Soll ich auch von dir grüßen, Tertius?‘ - und dann flüsterte ich ganz leise: ‚auch von mir grüße, bitte!‘ und dann sagte er gütig zu mir: ‚o das tue nur selber, und schreibe gleich dazu, wer du bist - Gott, der Herr, weiß es und ich weiß es auch, da sollen's alle wissen, was du mir gewesen bist!‘ Seht, und so kam es, daß ich so schrieb unter seinen Augen und sozusagen mit seinen eigenen Worten. Hätte ich sonst je geschrieben, ‚ich, Tertius - ich, der Dritte‘? Ich bin doch garnichts - aber doch, ich bin gewürdigt worden, dafür danke ich dem Herrn in Ewigkeit, solchen Brief schreiben, nur schreiben, nein, nicht denken, nur niederschreiben zu dürfen, von nun an werden mich, auch mich (wie einst Maria [Lk 1,48]), glücklich schätzen alle, die seine Worte, ja Gottes Worte, aber in meinen Schriftzügen, lesen werden! Ich glücklicher, dreimal glücklicher Tertius, so ein kleines Nichts, aber doch eine überglückliche Schreiberseele, ja, ‚ich, Tertius, der ich diesen Brief niedergeschrieben habe, grüße euch im Herrn!‘ “
Verstehen wir dies kleine „Gespräch“, deuten wir's recht? Ach, ich denke mich so lebhaft hinein in die Seele dieses treuen Mannes (2Tim 2,2)!, daß ich nicht besser als in dieser Weise sagen konnte, was mich bewegt bei dem Satz, der beginnt mit „Ich, Tertius ...“
Siehe, unser Tertius stand, wenn schon Baruk in dem des Jeremia, so er erst recht in dem Schatten des Größeren. Aber er wurde auch gebildet durch seinen großen Meister, er bekam etwas von dessen Gesinnung, der Gesinnung des Kleinen, des Demütigen, was ja „Paulus“ heißt. Paulus sagte (später) auch einmal: „Ich, Paulus ...“ (Philem. V. 19). Und unser geliebter Herr Jesus neigt Sich am Schlusse der Schrift zu uns Niedrigen herab - Er, „der die Niedrigen tröstet“ (vgl. 2Kor 7,6) - mit Seinem köstlichen „Ich, Jesus ...“ (Off 22,16) Wie wunderbar ist doch die Schrift! Preis sei dem Herrn! „Ich, Tertius ...“ Ja, kommt auf einen Schreiber nicht auch viel an? Heute bei der Maschinenschrift kommt die Eigenart des Schreibers nicht mehr zur Geltung, aber dereinst, als das Schreiben eine seltene Kunst war, da kam auf die Deutlichkeit viel an, also auf die Treue im Draufhorchen, was gesagt wurde, da mußten die späteren Abschreiber genau wissen, um was es sich handelte in so manch schwierigen Partien - also immer war's die Treue des Schreibers, die nötig war. Wehe, wenn der Schreiber unaufmerksam oder eitel war! Wenn auch der Brief nochmals durchgelesen ward vom Verfasser, so konnte doch eine Ungenauigkeit sehr schädlich sein; denn man bedenke doch: Beim Diktieren war der Verfasser („heilige Männer Gottes haben geredet, getrieben vom Heiligen Geist“, 2Pet 1,21) von Gott inspiriert, beim Durchlesen aber mußte er sich ganz genau alles vergegenwärtigen, natürlich auch unter Inspiration des Geistes, was er geschrieben, Ungenauigkeiten aber mußten zur Folge haben, daß der ganze Zusammenhang neu untersucht werden mußte. Welcher Abschreiber aber hätte sich später so hineindenken können? Wie gut, daß unser Gott gewacht hat darüber, sonst hätten wir nicht solche genauen Texte. Tertius, welch treues Vorbild bist du uns doch! Wir wollen dir in der Treue und in der Demut nacheifern, dir, der du ein Nachfolger Pauli gewesen bist. Demütig und treu!
Er mußte auch immer bereit sein, „in Bereitschaft stehen“ (Mk 3,9; vgl. „Handr.“ Bd. 10, S. 243f.)!, durfte keinen eigenen Willen geltend machen, mußte wiederum darin „demütig und treu“ sein, abhängig und gehorsam! Ein schöner Dienst, aber ein schwerer Dienst! Doch wir zehren davon und danken Gott dafür, unserem Gott, der auch dem Tertius ein Vergelter sein wird.
Tertius grüßt uns im Herrn. Wir danken ihm heute für diesen Gruß! Aber noch mehr: Tertius wird wohl gewußt haben, warum er, der des Schreibens Kundige, den Satz so setzte, denn man kann ihn nach dem griechischen Grundtext ebensogut so lesen: „Ich, Tertius, der ich diesen Brief im Herrn (nieder)geschrieben habe, grüße euch!“ Vielleicht will er uns beides sagen: „Habt keine Sorge, wenn auch Paulus den Brief nicht persönlich niederschrieb, sondern „ich, Tertius“, - er ist von mir im Herrn geschrieben, in heiliger ernster Verbindung mit dem Herrn unter Seinem Beistand, ja, Er führte mir bei des Paulus Diktat die Feder ... es ist alles echt in heiliger Treue und Gesinnung im Herrn; so wie ich euch grüße, weil nur der Herr das Band ist, durch das wir - sonst uns unbekannt - uns nun wohlbekannt sind, so darf ich euch auch versichern, daß es nur der Herr ist, in dessen Kraft ich diesen Brief des Paulus zu Papier brachte! „Im Herrn - Er das Band, Er die Kraft, Er unsere Freude, Er der Urgrund, ohne den der Brief nicht wäre, was er sein soll für die Gemeinde, ohne den aber auch mein Gruß euch nichts bedeutete!“ „Im Herrn!“
Seht, meine geliebten Leser, das ist Tertius, der bescheidene, stille, demütige, treue Schreiber des Paulus, der Schreiber Gottes, Knecht Jesu Christi und Diener der Gemeinde des Herrn!
Noch manches ließe sich sagen, aber dies genügt, um uns zu sagen: „Gehe hin und tue desgleichen!“ Vieles lehrt Tertius uns, mich - dich auch? Ich hoffe es, Er, der Unbekannte und doch Gott Wohlbekannte, lehre uns, was es ist um ein verborgenes Leben im Herrn, ein Leben nicht hochgerühmter Werke, aber ein Leben der stillen, treuen Niedrigkeit im Dienst für den Herrn und für die Seinen! „Im Herrn!“ „Ich Tertius, der ich diesen Brief (nieder)geschrieben habe, grüße euch im Herrn!“
Dank, Dank für diesen Gruß, ist uns derselbe doch das, was Grüße stets sein sollten: ein Segenswunsch für unser Leben, für unser Zeugnis, für unseren Dienst - „im Herrn“!
Gepriesen sei unser Herr Jesus Christus in Ewigkeit, Amen!
(Forts. folgt, s. G. w.)!
F. K.