Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 10 -Jahrgang 1925
Der Gerechte wird aus Glauben leben
Heb 11,13.14 - „Der Gerechte aber wird aus Glauben leben“ (3)Heb 11,13.14 - „Der Gerechte aber wird aus Glauben leben“ (3)
Im 13. Verse unseres Kapitels finden wir, daß alle diese im Glauben gestorben sind. Selbst der Tod wird hier als ein Akt des Glaubens bezeichnet. Es heißt hier nicht „durch Glauben“, sondern „im Glauben“. Ihr Glaube umfaßte die fernen, unsichtbaren Dinge, und mit der Gewißheit des Besitzes dieser Dinge, die in unsichtbarer Ferne lagen, starben sie. Ihr Tod war nicht eine Bezahlung des „Tributes der Natur“, sondern in der Kraft des göttlichen Lebens, das sich selbst im Tode offenbarte. Es ist etwas Verschiedenes, eine Sache in der Ferne zu sehen oder von einer Sache überführt zu sein, und noch etwas anderes, eine Sache zu umfassen. Ein Umfassen ist, wie man eine Person mit seinen Armen umfaßt, so wie es der Vater bei dem verlorenen Sohne tat. So umfaßte Abraham die Verheißung, und das machte ihn zu einem Fremdling und Pilgrim. Wir sind nicht eher Fremdlinge und Pilgrime hienieden, als bis wir den Schatz in Ihm und Seiner Liebe umschlungen haben. Damit ist nicht gesagt, wenn wir „Fremdlinge und ohne Bürgerschaft auf der Erde“ sind, daß es unrecht ist, ein Haus zu haben oder in einer Stadt zu wohnen, sondern die Frage ist: „Welchen Platz haben die Dinge in unserem Herzen?“ Ich denke nicht daran, unnatürlich oder schwärmerisch zu sein. Aber bekennen wir in unseren Wegen und in unserem Wandel, daß wir Fremdlinge sind? Drückt unser Leben es deutlich aus, daß wir ein Vaterland suchen? Man kann oft, wenn man in ein Haus hineintritt, das Herz dessen erkennen, dem es gehört. Man sieht es in der Einrichtung der Kleidung und tausend anderen kleinen Dingen. Natürlich müssen wir irdische Dinge haben, aber sind unsere Herzen mit diesen Dingen verknüpft? Selbst sehr kleine Dinge haben Kraft, uns zu überwältigen und unsere Seelen aus der Gemeinschaft mit dem Herrn zu bringen. Ein Löffel, wie er auf den Tisch gelegt ist - wie die Stühle gestellt sind, solche kleinen Dinge haben Kraft, uns so zu erregen und zornig zu machen, daß der Mund unbedachte Worte redet. Als das Land es nicht ertrug, daß Abraham und Lot mit ihren Herden beieinander wohnen konnten, da stand Abraham der Vorrang zu, aber er gab ihn auf. Er sagte: „Laß doch kein Gezänk sein zwischen mir und dir und zwischen meinen Hirten und deinen Hirten!“ Die Dinge hatten keine Kraft über sein Herz, und er konnte sagen, ich will alles andere lieber, aber nur keinen Zank.
Es ist mir oft aufgefallen, wie der Tod für die Gläubigen der Jetztzeit etwas ganz anderes ist als für die Gläubigen des Alten Testamentes. „Diese alle sind im Glauben gestorben und haben die Verheißungen nicht empfangen.“ Sie hatten Verheißungen, und das war sicherlich etwas sehr Großes, aber wir besitzen noch mehr als Verheißungen - wir haben Besseres, als im Glauben jener Verheißungen zu sterben, so herrlich dieses auch war. Wir haben Christum Selbst, und alle Verheißungen sind Ja und Amen in Ihm (2Kor 1,20). Deshalb war auch der Tod für jene Gläubigen vor der Vollendung des Erlösungswerkes etwas ganz anderes als für uns. Sie fürchteten den Tod und suchten ihm, wenn möglich, zu entgehen. Und warum? Weil die Sünde damals noch nicht hinweggenommen war und der Tod noch einen Stachel hatte: „der Stachel des Todes ist die Sünde“.
Wie ganz anders jetzt! Der Tod ist für einen Gläubigen, wenn er wahrhaft im Glauben lebt, das Beste, was ihm zufallen kann, ausgenommen natürlich das Kommen des Herrn. Und doch findet man oft Gläubige, die bei dem Gedanken an den Tod sich entsetzen und erschrecken. Es ist traurig, wenn wir, die wir nicht nur Verheißungen, sondern Gottes geliebten Sohn haben, uns durch den Tod erschrecken lassen. Das beweist zweierlei: Erstens, daß das Resultat der Erlösung nicht vollkommen erfaßt ist, und zweitens, daß die Erkenntnis Christi und die Liebe zu Ihm gering sind. Wenn ich meinen Heiland wirklich liebe, so werde ich mich nicht darum sorgen, auf welchem Wege ich zu Ihm gehe, und wenn ich erfaßt habe, was die Erlösung ist und was sie für mich bewirkt hat, kann ich dann den Tod noch fürchten? Die Sünde ist abgetan - das Kreuz Christi hat nicht nur meine Sünden, sondern auch die Sünde hinweggenommen. Der Tod hat deshalb für den Gläubigen jetzt keinen Stachel mehr, ja der Apostel sagt noch mehr, er sagt, „der Tod ist unser“ (1Kor 3,22). Einst gehörten wir dem Tode, jetzt gehört der Tod uns. Er ist ein Teil unseres Besitzes, den wir von dem Herrn empfangen haben.
Laßt uns einmal denken, Gott gäbe uns die Macht, diesen unseren Besitz zu gebrauchen (und Er tut es, soweit es unsere Herzen betrifft), wie würden wir ihn gebrauchen? Ich glaube, die meisten von uns, wenn wir ehrlich wären, würden sagen: „Ich würde ihn überhaupt nicht gebrauchen.“ Aber ist das nicht betrübend? Zeigt das nicht, wie wenig Christus das Ziet unserer Herzen ist? Wenn ich mich innig sehne, bei Ihm zu sein, werde ich mich dann darum sorgen, wie ich zu Ihm komme? Manche sagen: „O, ich möchte gern bei Jesu sein, aber ich möchte nicht sterben, um zu Ihm zu kommen.“ Der Weg gefällt ihnen nicht. Gott hat uns den Tod gegeben - er ist unser (als ein Teil von dem, was uns in Christo gehört), nicht damit wir ihn gebrauchen sollen, wie wir wollen, sondern damit wir daran prüfen mögen, wie unsere Herzen zu dem Herrn stehen.
Angenommen, ich hätte 1000 Mark für meine Tochter auf die Bank gelegt; sie gehören ihr, aber ich hätte ihr nicht die Vollmacht gegeben, sie nach ihrem Willen zu gebrauchen, da sie töricht damit handeln und sich selbst schaden könnte. Weil ich wissen möchte, wie sie in bezug auf diesen Besitz zu mir steht, was sie tun würde, wenn sie darüber verfügen könnte, sage ich zu ihr: „Mein Kind, das Geld ist dein, was würdest du gern damit anfangen?“ Sofort kommt das Geheimnis aus dem Herzen meiner Tochter heraus. Wenn sie nur an sich selbst denkt, wird sie sagen: „Ich möchte gerne das und das“ - irgend etwas, das sie selbst erfreuen würde; wenn sie an mich denkt: „ich möchte gerne das und das, um dich damit zu erfreuen“ - indem sie nach ihrem Verständnis das wählt, was mir am besten gefallen würde. Das ist das Kind, das eines Vaters Herz erfreut.
Wenn wir nun zu wählen hätten, zu leben oder zu sterben, was würden wir tun? Paulus konnte sagen: „Ich habe Lust, abzuscheiden“ (Phil 1,23), aber während er sich danach sehnte, sagt er auch: „Das Leben ist für mich Christus“. Er würde größeren Lohn haben, wenn er noch länger hier unten dem Herrn diente, und so war Leben Gewinn für ihn, und doch fügte er hinzu: „Das Sterben ist Gewinn.“ Wenn wir von Herzen danach verlangen, bei Christus zu sein, werden wir nicht so viel daran denken, was unser Lohn dort sein wird; wohl weiß ich, daß Er Lohn geben wird, und ich werde diesen nicht gering schätzen, denn dieser Lohn wird uns dort eine besondere und ewige Freude sein, aber mein Verlangen ist nicht nach dem Lohne, sondern nach Ihm Selbst, um bei Ihm zu sein. Wünsche ich Gottes Herz zu erfreuen - „kostbar ist in den Augen des Herrn das Sterben Seiner Frommen“ (Ps 116,15) -, dann werde ich zu sterben wünschen, obschon natürlich ich nicht den Tod suche, sondern den Herrn Jesus.
Wie steht es heute mit uns? Haben wir heute nach Ihm ausgeschaut? Haben wir Ihn mit solchem Verlangen erwartet, daß wir gleichsam sagen können, wir wundern uns, daß Er nicht gekommen ist; wir schauten so sehnsüchtig nach Ihm aus und harrten Sein und sind bekümmert, daß Er noch nicht gekommen ist. Spricht unser Leben deutlich davon, daß wir den Herrn Jesus erwarten? Ach, sagst du, es macht mich so unruhig, immer in Erwartung zu sein. Durchaus nicht! Ich glaube, niemand wird so ruhig in all seinem Tun und in allen Lebensverhältnissen sein wie der, der wirklich mit dem Herzen Tag für Tag nach dem Herrn ausschaut. Wenn ich wirklich glaube, daß Er kommt, werde ich in jeder Sache das Verlangen haben, Sein Wohlgefallen zu finden in allem, was ich tun mag. Mein Wunsch wird sein, wenn ich Ihn erwarte, daß alles in Ordnung sei, wenn Er kommt.
In allen Dingen unseres Lebens sollte es zum Ausdruck kommen, daß wir ein anderes Vaterland suchen (V. 14). Der Unterschied zwischen uns und der Welt sollte überall deutlich hervortreten. Der Herr schenke uns diese Gnade, daß es so sein möchte!
W. - v. d. K.