Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 16 - Jahrgang 1931
3Mo 23,26-32 - Die Feste Jehovas - Der Versöhnungstag (8)3Mo 23,26-32 - Die Feste Jehovas - Der Versöhnungstag (8)
Der Versöhnungstag.
Erster Teil.
Das nächste in der Reihenfolge der Feste ist der Tag der Versöhnung, es mußte am zehnten Tage des siebenten Monats gefeiert werden.
Der siebte Monat.
Um die Bedeutung dieses Tages zu verstehen, müssen wir zum Anfang des Jahres zurückkehren und uns wieder das, was bereits über den zehnten Tag des ersten Monats gesagt wurde, ins Gedächtnis zurückrufen. Zunächst erinnern wir uns daran, daß dieser erste Monat zuvor der siebente Monat war und daß, als das Passah eingesetzt wurde, dieser siebente Monat zum ersten gemacht wurde. Gott löschte damit (wie wir früher betrachtet haben, s. S. 8) gewissermaßen aus dem Kalender Israels die bereits vergangenen sechs Monate des Jahres aus und begann in Verbindung mit der Erlösung durch das Blut des Passahlammes einen neuen Anfang.
Von der Schöpfung an gebrauchte Gott die Zahl sechs, um damit die Zeit des Wirkens und der Arbeit zu bezeichnen, während die Zahl sieben die Ruhe ausdrückte, die das Ergebnis eines vollendeten Werkes war.
Weiter sahen wir (in Verbindung mit dem ausersehenen Lamme, s. S. 25), daß die Zahl zehn ein Symbol ist von der menschlichen Verantwortlichkeit, Gottes Forderungen in vollkommenem Gehorsam zu entsprechen. In den beiden Zahlen zehn und sieben (dem „zehnten“ Tage des „siebenten“ Monats) wird uns somit ein zweifacher Hinweis gegeben: 1. auf die Prüfung des menschlichen Wirkens in der vergangenen Zeit der sechs Monate nach dem Maßstabe der göttlichen Heiligkeit und 2. ein Hinweis auf die Ruhe Gottes, die das Resultat der Freude Gottes über ein vollkommenes Werk ist.
Die göttliche Prüfung aber erwies alles Wirken der Menschen als völlig verdorben und unbrauchbar. Mit der Auserwählung des Lammes bestimmte Gott, daß hinfort der siebente Monat der erste des Jahres sein solle, und löschte damit jede Spur von den vergangenen sechs Monaten völlig aus.
Dieser erste Monat wurde somit wieder der Anfang eines zweiten Zeitraumes von sechs Monaten, der aber nun mit dem Passahlamm verbunden war. Diese sechs Monate führen uns wiederum zum siebenten Monat und zum zehnten Tage desselben. - Wenn wir die obigen Gedanken über die Zahlen sechs, sieben und zehn festhalten, so werden wir verstehen, daß dieser siebente Monat uns eine Ruhe enthüllt, die das Resultat eines Werkes der vergangenen sechs Monate war. Und der zehnte Tag dieses Monates zeigt uns abermals die göttliche Prüfung jenes Werkes und die Einführung einer Ruhe, die sich auf dasselbe gründen konnte. Gerade dieses ist es, was uns in Verbindung mit dem bedeutungsvollen Feste des zehnten Tages des siebenten Monats, des großen Versöhnungstages, vor Augen geführt wird. „Was Jesus anfing ... zu tun.“
Als der geliebte Arzt seinem Freunde Theophilus das Buch, welches wir als die Apostelgeschichte kennen, schrieb, bezog er sich auf das dritte der vier Evangelien, welches er früher an denselben Freund (Lk 1,1-4) gerichtet hatte, indem er schreibt: „Den ersten Bericht habe ich verfaßt, o Theophilus, von allem, was Jesus anfing, sowohl zu tun als auch zu lehren, bis zu dem Tage, an welchem Er aufgenommen wurde, nachdem Er den Aposteln, die Er Sich auserwählt, durch den Heiligen Geist Befehl gegeben hatte.“ (Apg 1,1.2) Wenn er in diesen Worten von allem, was der Herr Jesus bis zu Seiner Himmelfahrt tat und lehrte, als nur von dem Anfang Seines Tuns und Lehrens spricht, so können wir daraus entnehmen, daß alles weitere in dem Werk der Gnade Gottes bis auf den gegenwärtigen Tag die Fortsetzung desselben Werkes ist.22
Die Auserwählung des Lammes am zehnten Tage des ersten Monats - die Verwahrung desselben bis zum vierzehnten Tage - die Schlachtung des Lammes am gleichen Tage - das Weben der Erstlingsgarbe am Tage nach dem darauf folgenden Sabbat - alles dieses stimmt nach den Evangelien überein mit dem, „was Jesus anfing, sowohl zu tun als auch zu lehren“.
In dem Fest der Pfingsten und dem ganzen darauf folgenden Zeitraum bis zum Ende des sechsten Monats erkennen wir diese Fortführung Seines Werkes bis auf den gegenwärtigen Tag. Mit dem Eintritt des siebenten Monats verkünden die Posaunen uns des Herrn Freude in dem Hinaufversammeln der kostbaren Frucht Seiner Arbeit zu Sich in das Haus Seines Vaters. Am zehnten Tage dieses Monats war jedes Werk der vergangenen sechs Monate geprüft und die ewige Sabbatruhe angebrochen.
Versöhnung, Beugung, Ruhe.
Bei einem sorgfältigen Lesen von 3Mo 23,26-32, wo wir die Vorschriften, die an dem Versöhnungstage zu beobachten waren, finden, treten uns in ganz besonderer Weise drei Dinge entgegen: 1. Sühnung, 2. Kasteiung - die Beugung unserer Seele, 3. Ruhe.
Im 16. Kapitel des 3. Buches Mose, welches die Einzelheiten, die an diesem Tage zu beobachten waren, enthält, finden wir dieselben drei Dinge (V. 29-31). Dieser Tag brachte die Vollkommenheit der Sühnung in einer Weise ans Licht wie nie zuvor. Diese Enthüllung der versöhnenden Gnade bewirkt eine demütige, tiefe und wahre Beugung der Seele, die zur gleichen Zeit mit dem vollen und glücklichen Eingang in Gottes Ruhe verbunden ist.
Wie bei dem Feste der Posaunen, so haben wir auch hier eine zweifache Erfüllung des Vorbildes: Zuerst in bezug auf die Gemeinde und hernach in bezug auf Israel. In Beziehung zur Gemeinde scheint der ganze Vorgang auf den Richterstuhl Christi hinzuweisen. Es ist kaum nötig, zu bemerken, daß der „Richterstuhl“ Christi ein ausgedehnter Begriff ist und daß wir in demselben sowohl den „Thron der Herrlichkeit“ in Mt 25 als auch den „großen, weißen Thron“ in Off 20 zu unterscheiden haben. Vor den Richterstuhl in 2Kor 5,10 sehen wir die Gläubigen gestellt, und von diesen wird nicht gesagt, daß sie vor dem Richterstuhl Christi „gerichtet“ werden, sondern daß sie „offenbar“ werden, „auf daß jeder empfange, was er in dem Leibe getan, nach dem er gehandelt hat, es sei Gutes oder Böses“. Alles was sie getan, alle ihre Werke werden dort von Ihm geprüft, und jeder empfängt den Lohn nach seinen Werken23. In Mt 25 dagegen werden alle Nationen, die bei der Erscheinung des Herrn Jesus auf Erden leben, vor Ihm versammelt, und Er wird sie vor Aufrichtung Seinem tausendjährigen Reiches von einander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet, und Er wird die einen zu Seiner Rechten und die anderen zu Seiner Linken stellen. In Off 20 handelt es sich nur um die toten Gottlosen, die während Seiner tausendjährigen Regierung auf Erden noch in ihren Gräbern bleiben und dann gerichtet werden. Laßt uns nun noch auf einige Punkte des großen Versöhnungstages (nach 3Mo 16) eingehen und mit dem vergleichen, was das Neue Testament über den „Richterstuhl“ Christi sagt!
Im Allerheiligsten.
Wenden wir uns nun zum 16. Kapitel des dritten Buches Mose, so sehen wir, daß nach der Vermessenheit und Sünde Nadabs und Abihus (die durch ein plötzliches und ernstes Gericht bestraft wurden) Gott anordnete, daß Aaron und seine Söhne hinfort nicht mehr zu aller Zeit in das Heiligtum innerhalb des Vorhanges hineingehen sollten. Nur am zehnten Tage des siebenten Monats sollte Aaron (und später seine Nachfolger im Hohenpriesterstande) durch den Vorhang in die unmittelbare Gegenwart Jehovas gehen (Siehe Vers 29ff).. Ferner mußte Aarons Eintritt ins Allerheiligste an diesem Tage unter Beobachtung wichtiger und bedeutungsvoller Vorschriften geschehen, durch welche wieder die drei besonderen Charakterzüge des Festes: Versöhnung, Beugung und Ruhe stark zum Ausdruck kommen.
Die besonderen Opfer an diesem Tage bestanden zunächst in einem jungen Farren zum Sündopfer und einem Widder zum Brandopfer für Aaron selbst, sodann für die Kinder Israel in zwei Ziegenböcken zum Sündopfer und einem Widder zum Brandopfer. Aaron mußte zuerst den Farren, das Sündopfer, schlachten, der für ihn selbst war. Dann hatte er eine Pfanne voll Feuerkohlen von dem Altar und seine beiden Hände voll wohlriechenden, kleingestoßenen Räucherwerkes zu nehmen und mit diesem und etwas von dem Blute des Farren innerhalb des Vorhanges zu gehen und das Blut siebenmal vor den Gnadenstuhl zu sprengen.
Eine zweifache Sühnung.
Es werden also zwei verschiedene Gedanken vor uns gestellt. Der Farren, das Sündopfer, diente zur Sühnung
(V. 11), aber dessen Blut war nicht das einzige, was Aaron mit ins Allerheiligste zu nehmen hatte. Wie wir bereits sahen, mußte er auch eine Pfanne voll Feuerkohlen und kleingestoßenes Räucherwerk mit sich nehmen. Eine besondere Bedeutung liegt in dem kleingestoßenen Räucherwerk. Das Räucherwerk bestand aus duftenden Harzen und brannte seiner Beschaffenheit nach langsam mit einem leichten Rauch. Aber wenn es klein zu Pulver gestoßen war und in diesem Zustande auf glühende Kohlen gelegt wurde, so stieg eine dicke Wolke wohlriechenden Rauches empor. Hierauf wird im 13. Vers verwiesen: „Und er lege das Räucherwerk auf das Feuer vor Jehova, damit die Wolke des Räucherwerkes den Deckel bedecke, der auf dem Zeugnis ist, und er nicht sterbe.“
Das hebräische Wort für Versöhnung bedeutet buchstäblich „Bedeckung“. In dem Blut und der Wolke finden wir zwei Hinweise auf die wunderbare Bedeckung, in welcher wir Gott nahe gebracht worden sind. Das Blut bezeugt, daß die Strafe der Sünde völlig getragen ist, das Räucherwerk spricht von dem Wohlgeruch der unermeßlichen Vollkommenheit Christi. Unsere Sünde ist bedeckt durch das eine und unsere Person durch das andere. In bezug auf Aaron war es nötig, daß alles dieses zuerst für ihn selbst geschehen mußte. Er hatte das Blut zuerst für sich selbst und dann für die Verirrungen seines Volkes darzubringen (Heb 9,7). Erst nachdem er für sich selbst geopfert hatte, wurde er das wahre Vorbild von Christo als dem Hohenpriester Seines Volkes. Dann, wenn sein eigenes Anrecht, in der Gegenwart der Herrlichkeit Gottes zu stehen, völlig erwiesen war, konnte er aus der Stiftshütte hervorkommen, um für sein Volk einzutreten. Nachdem er „den Bock des Sündopfers, der für das Volk ist“, geschlachtet hatte, ging er zum zweiten Male innerhalb des Vorhanges und tat wie zuvor. (3Mo 16,15)
Der Sündenbock.
Aber dies war nicht alles, was er für das Volk zu tun hatte. Wir wissen, daß Aaron von der Gemeinde der Kinder Israel zwei Ziegenböcke für ein Sündopfer nehmen sollte (V. 5) und daß er über diese Lose werfen mußte; das eine Los war für Jehova und das andere für Asasel („Abwendung“ oder „der davongeht“). Der Bock, auf welchen das Los für Jehova gefallen war, wurde als Sündopfer geschlachtet und sein Blut innerhalb des Vorhanges vor den Gnadenstuhl gesprengt. Alsdann wird uns gesagt, was mit dem zweiten Bock getan werden sollte: „Und Aaron lege seine beiden Hände auf den Kopf des lebendigen Bockes und bekenne auf ihn alle Ungerechtigkeiten der Kinder Israel und alle ihre Übertretungen nach allen ihren Sünden, und er lege sie auf den Kopf des Bockes und schicke ihn durch einen bereitstehenden Mann fort in die Wüste, damit der Bock alle ihre Ungerechtigkeiten auf sich trage in ein ödes Land, und er schicke den Bock fort in die Wüste.“ (V. 21.22)
In Verbindung mit dem ersten Bock sehen wir, dass den Forderungen der Heiligkeit Gottes voll und ganz durch das Sühnungsblut Christi entsprochen ist. Der Gerechtigkeit des Thrones Gottes ist Genüge geschehen und ein Weg zu Seinem Throne geöffnet. So sehen wir in dem ersten Bock das, was Gottes Seite, und im zweiten Bock das, was unserer Seite entspricht. Alle Ungerechtigkeiten, alle Übertretungen, alle Sünden des Volkes wurden in Gegenwart desselben auf den Kopf des Sündenbockes gelegt und dieser dann in die Wüste getrieben, um nie wieder gesehen zu werden. Diese zwei Böcke sind zwei Darstellungen von einer großen Wahrheit und müssen deshalb auch immer verbunden miteinander betrachtet werden. Den Forderungen Gottes ist entsprochen, und das Gewissen des Volkes Gottes ist für immer gereinigt.
Fortsetzung folgt, s. G. w.
22 Dieses wird uns auch durch Markus bestätigt, welcher
uns berichtet, daß der Herr, nachdem Er Sich zur Rechten Gottes gesetzt
hat, von der Herrlichkeit aus mitwirkte und das Wort der Jünger
bestätigte durch die darauf folgenden Zeichen. (Mk 16,19.20).
A. v. d. K.↩︎
23 Wer über den „Richterstuhl Christi“ Ausführliches lesen möchte, der findet solches in dem kleinen Heft „Der Richterstuhl Christi“ von Alb. v. d. K., Preis 20 Pf. u. Porto.↩︎