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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 19 - Jahrgang 1934
Wie kam es? (8)Wie kam es? (8)
(Fortsetzung).
Viele Personen und Typen der Heiligen Schrift haben wir schon an unserem geistigen Auge vorbeiziehen sehen, die uns alle mehr oder weniger erschütternde Beweise dafür geben, daß man z. B. die Wahrheit von 1Kor 10,12: „Wer da stehe, der sehe wohl zu, daß er nicht falle“, nicht ohne Schaden übersieht. Gläubige und Ungläubige zeigten uns im Verlaufe der bisher erschienenen Lieferungen 1-7, daß es nur zu leicht möglich ist, hohe Vorrechte zu mißachten, kostbare Ermahnungen mit Füßen zu treten, ergreifende Schriftzeugnisse zu verwerfen - daß aber der heilige und gerechte Gott Seiner nicht spotten läßt, so daß solche Verkehrten oder auch nur solche oberflächlichen oder unvorsichtigen Menschen eben nicht das ihnen von Gott gesteckte Ziel erreichen, wobei sie uns ein Beispiel hinterlassen, wie wir es nicht machen sollten noch dürfen. Daß wir diese Mahnungen doch ernst nähmen!
Nachdem ich in der vorigen Lieferung über Gehasi, Felix, Bileam (kurz), Mirjam (und Aaron kurz) geschrieben habe, beschäftigen wir uns diesmal zuerst mit Petrus! Freilich nicht zu ausführlich, denn über ihn ist in den „Handr.“ so oft schon eingehend geschrieben, z. B. in Aufsätzen von Br. A. v. d. K., wie in Jahrbuch 10, S. 15ff., daß ich mich hier auf weniges beschränken kann.
Simon Petrus wird ständig vor uns stehen als ein warnendes Beispiel dafür, daß geschwelltes Selbstbewußtsein die Ursache zu tiefschmerzlichem Fall sein muß (Lk 22,33 usw). Die Unkenntnis über uns selbst, über die Unverbesserlichkeit und Verdorbenheit unseres Herzens, wie es von Natur ist, wird stets wieder und wieder uns betören, wenn wir nicht wachsam sind, und zumal, wenn wir gleichsam in Gethsemane schlafen. Wie ernst die Frage an uns: „Simon, schläfst du?“ (Mk 14,37) Wie wichtig sollte für uns doch das Handeln nach des Herrn Wort in Gethsemane sein: „Wachet und betet, auf daß ihr nicht in Versuchung kommet!“ (Mt 26,41; Mk 14,38; vgl. Lk 22,40.46)! Wachen wir, beten wir? Wachen und beten wir? Du? Ich? Heute, morgen, und dann auch noch länger? Es sind so einfache, aber so ernste Gewissensfragen, und wieviel hängt oft für die allernächste Stunde von solchem wachenden Beten ab! Wir sehen es bei Petrus, er wachte nicht - drum betete er nicht - er schlief!! Nicht daß wir ihn tadelten - nein, wir tadeln uns!
Und aus diesen kleinen Zügen im Zustand des Simon Petrus heraus möchte ich mit der Frage: „Wie kam es?“ etwas anderes betonen als nur sein Selbstbewußtsein als Grund für seinen tiefen Fall der Verleugnung seines teuren Herrn! Es ist die Leichtfertigkeit! Ich glaube, man dürfte so sagen: Die letzte, tiefste Ursache bei ihm war sein Selbstbewußtsein und das Nichtkennen seines trügerischen Herzens, aber der Grund zu dem Zukurzkommen war seine Leichtfertigkeit! Und wo Ursache und Grund feststehen, da ist eine äußere Veranlassung nicht weit; und die war z. B. gegeben, als der Herr so schmachvoll gefangengenommen wurde. Einen feurigen, mutigen (ja, wenn's nicht auf Mutigsein ankam)! Petrus mußte die Art und Weise der Gefangennahme des Herrn schwer erregen - das ist nur zu verständlich! -, und so wartet er auf seine Frage (denn daß er sie stellte, geht aus der Vergleichung der Stellen Mt 26,50ff.; Mk 14,47; Lk 22,49ff.; Joh 18,10f. hervor mit ziemlicher Sicherheit): „Herr, sollen wir mit dem Schwerte dreinschlagen?“ die Antwort gar nicht ab, sondern schlägt drauflos, und der Herr muß die Wirkung seiner Leichtfertigkeit wieder heilen (Lk 22,51), wie Er denn ja in Lukas als der Priester Gottes vor uns steht, d. h. als der, der es durch seine priesterliche Tätigkeit ist. Und vor allem war es Leichtfertigkeit, die den Simon Petrus dahin brachte, daß er sich - trotz der Warnungen seines Herrn - niedersetzte mit an das Kohlenfeuer, das die Knechte, weil es kalt war, im Hofe angezündet hatten (Mt 26,58.69-75; Mk 14,54.66-72; Lk 22,54-62; Joh 18,15-18.25-27). „Armer, aber gewarnter Petrus, du mußt deine Leichtfertigkeit noch einmal schwer büßen!“ - „Ach, ich will doch nur das Ende sehen.“ (Mt 26,58) - „Petrus, du wirst es nicht zu sehen bekommen, denn deine Augen werden verschleiert sein von den Tränen der Reue, die du über dich selbst und über dein leichtfertiges und trauriges Verhalten weinen wirst!“ Ja, so hätte man mit ihm reden können! So könnte man manchmal vielleicht zu und mit uns reden, wenn wir so leichtfertig die Gesellschaft loser, ungläubiger, ungeistlicher Menschen aufsuchen - nicht, wenn Gott uns in unserem Berufe täglich mit solchen zusammenbringt, dann haben wir da unsere Aufgaben! -, und wie oft geschieht dies gerade nach kostbaren Stunden der Gemeinschaff in der Gemeinde, daß Gläubige gleichsam, wie wenn sie nun „genug“ hätten, hinterher gleich mit Ungläubigen zusammenzukommen suchen, nicht um diese göttlich zu beeinflussen, sondern um, wenn sie es auch nicht denken, durch ihr geistloses Geschwätz sich beeinflussen zu lassen - und dann ist Verleugnung des Herrn nicht weit! - „Wachet und betet!“
Es ließe sich sehr viel über die Verleugnungsgeschichte selber sagen, aber das will ich nicht tun, es ist ja auch nicht mein Thema! Nein, ich wollte besprechen: „Wie kam es“, daß Simon Petrus diesen tiefen Fall tat? Wir sahen Ursache, Grund und Veranlassung, und wir - schämen uns! O mögen wir alle Gegenmittel gegen die Leichtfertigkeit und jedes Spielen mit der Sünde gebrauchen, um dem Herrn nicht solche Schande, aber auch solchen Kummer zu bereiten! Später bei der Pfingstpredigt und an der „schönen Tür“ des Tempels und z. B. Apg 10 usw. sehen wir keine Leichtfertigkeit mehr bei Petrus, dem Apostel, aber in seiner Geschichte vor dem Kreuz erblicken wir sie nur zu oft, und wir prüfen uns selbst und sagen uns „auf den Kopf“ zu: Da und da, da warst du, d. h. da war ich selber schuld - nicht die Verhältnisse und Umstände, nie sind sie stärker als der Herr!! -, daß ich zu kurz kam im Bekennen des Herrn: Ich bediente mich der Leichtfertigkeit, wie einmal mit Absicht gesagt sein möchte in bewußter negativer Anführung von 2Kor 1,17. Paulus war nicht leichtfertig! Und Er sowohl wie Petrus (letzterer in 1Pet 4,7)! betonte später so oft die Nüchternheit und das Besonnensein (Die Tim.- und Titusbriefe)!. Der Herr gebe uns Gnade, diese - nun doch etwas länger gewordenen Ausführungen an der Schrift zu prüfen und dann anzuwenden auf Herz und Leben; wir werden dann bessere Erfahrungen machen in solchen Umständen, und manche böse Lage werden wir geistlich vermeiden lernen (vgl. 1Kor 15,33 und Ps 1,1)!, während der Herr uns - wenn wir treu sind und treu geworden sind im Kleinen dieses Gebietes! - dann auch bei anderen Gelegenheiten zum Zeugnis gebrauchen wird, und freudig und voll Kraft und Mut werden wir es ablegen, und Er wird's segnen! - Leichtfertigkeit - ein schlimmer Feind der Gläubigen! „Wachet und betet!“ „Wie kam es?“ - Wieviel hat die Geschichte des Petrus uns doch zu sagen - wenn wir uns sagen lassen wollen! Ja, Petrus, wie kam es? O ganz genau würde Petrus uns auf diese Frage antworten können; und er hat es auch gewissermaßen mit dem 1. Kap. in seinem 2. Briefe getan.
Genug von dieser „Wie kam es“-Frage! Und nun noch schauen wir ein wenig auf Festus und Agrippa in Apostelgeschichte 26, doch gehört zu der mir aus Raummangel nicht möglichen Kernzeichnung dieser beiden auch Kap. 25! Man lese nur Vers 1-12 und Vers 13-22 (V. 18.19)! und Vers 23-27 genau durch, man wird zum mindesten finden, daß sowohl Festus wie Agrippa „sympathische“ Menschen sind, nicht so (vgl. vorige Lief)., wie Felix es nur zu sein scheint! Aber beide gehen doch am Evangelium, das ihnen ganz nahetritt, vorüber. Beide hätten sich bekehren können, der Römer gar wohl nach der Rede des Paulus (vgl. Apg 10)! und der Jude? Er glaubte den Propheten! Paulus sagt: „Ich weiß, daß du glaubst!“ (26,27), und sicher stimmt es. Agrippa war ein Mann, dem die Verheißungen des Alten Testaments nicht nur nicht unbekannt waren, sondern der sie glaubte und der in dem „nicht in einem Winkel“ Geschehenen von Golgatha usw. sicher die Erfüllung kannte. Wunderbar! Ja, und doch griff er nicht zu? Doch ließ er sich - beinahe wohl, aber nicht ganz - „überreden, ein Christ zu werden“? Traurig! Dieser beiden Menschen Geschick könnte einen zu Tränen rühren. Wie leicht hätten sie es haben können! Und solcher gibt es zu allen Zeiten und in allen Völkern viele! -
Der eine, der Festus, hält Paulus, als er von der Auferstehung redet, für verrückt (V. 24), und dabei war er doch tief ergriffen! Der andere? Vielleicht hätte er sich noch überreden lassen, wenn Bernice, seine Schwester, nicht dabei gewesen wäre, sie, zu der er unerlaubte Beziehungen unterhalten haben soll! Ja, „die Sünde ist der Leute Verderben“, hier haben wir wohl den wahren Grund seines sich nicht Überredenlassens, wie so tausend- und abertausendfach der tiefste Grund für ein sich nicht Findenlassen die Sünde - und oft die gleiche! - ist. Beide, Festus und Agrippa (mit Bernice), nahe und doch so fern! Letzterer sogar ganz nahe, vor der Pforte, und doch, ach, ganz fern! Hätten sie statt über Paulus über sich selbst zu Gericht gesessen (V. 30-32), dann wäre das Ende für alle (auch Bernice)! ein anderes gewesen, aber so: der eine, der Gefangene, ein ewig glücklicher Mensch (V. 29), größer als alle, die anderen arme in ihren Sünden, ihrer Bequemlichkeit, Genußsucht, Menschenfurcht und in ihrem Stolz (der Römer)! usw. gebundene Leute, die am Heil vorbeigleiten! „Wie kam es?“ Beide, - ja, alle drei, wenngleich die Juden voll viel größerer Verantwortung, gewürdigt, den Paulus zu hören, gingen des Heiles verlustig, weil sie sich nicht beugen wollten. Und das wiederum, weil die Sünde sie festhielt.
Hat uns dies auch etwas zu sagen? Doch, wenn auch zunächst nur für unseren Dienst an den Menschen, daß wir doch ja nie den tiefen Urgrund aller Weigerung übersehen möchten: die Sünde!
Wir werden den Menschen am besten helfen, wenn wir bei allen Weigerungen, auch den „wissenschaftlichen“ Ablehnungen, und zur Zeit bei denen, die durch gewisse zum Heidentum führen wollende Vorträge neuerer Unglaubensrichtungen beeinflußt sind, immer auf die große Frage der Sünde hinweisen. Und je mehr die Sünde als Tatsache geleugnet wird, desto ernster müssen wir sie brandmarken bei solchen, denen wir zu dienen haben, aber auch desto entschiedener und auch herzlicher müssen und dürfen wir das Heil in Christo bezeugen, solange es Tag ist. -
Daneben aber legt diese Geschichte auch uns die Frage vor, ob wir solche glücklichen Leute sind wie der gefangene Paulus, ob wir so von der Sünde geschiedene, freie, nicht durch des etwas, wie jene Menschen, Gebundene sind, daß auch wir mit reinem Gewissen (Apg 24,16) den Menschen offen und freimütig bezeugen können, was Paulus aussprach: „Ich wollte zu Gott, daß ... alle, die mich heute hören, solche würden, wie auch ich bin!“ (26,29) Gepriesen sei der Herr, daß wir es sein dürfen! „Wie kam es?“
F. K.
(Fortsetzung folgt, s. G. w).