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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 13 - Jahrgang 1928
Jes 35,4 - „Saget zu denen, welche zaghaften Herzens sind: „Seid stark, fürchtet euch nicht!“Jes 35,4 - „Saget zu denen, welche zaghaften Herzens sind: „Seid stark, fürchtet euch nicht!“
Wir leben in Notzeiten; Menschen mit zerbrochenen Hoffnungen, gescheiterten Plänen usw. umgeben uns. Groß ist die Zahl der inneren und äußeren Nöte, die Menschen das Herz verzagt machen; denken wir nur an Sündennot, Krankheitsnot, Familiennot, Geschäftsnot, Schulnot des Kindes, Sterbensnot usw.
Wer wäre nicht schon auf seinem Wege verzagt geworden? „Seid stark!“ Stark sein heißt: unerschütterlichen Glauben an den lebendigen Gott haben, daß Er in Seiner Weisheit alle Dinge meines Lebens so ordnen und ausführen wird, daß es Seinem ewigen Ziele zum Wohle meiner Seele dienen muß.
Wir wollen nicht außer uns geraten, wenn etwas nicht „glatt“ geht, nicht verzweifeln, wenn die Lasten uns niederdrücken wollen, sondern stark im Glauben, getrost Gott, dem Vater, alles anheimstellen und - dann stille an die Arbeit gehen, die uns am nächsten liegt.
Verzagtheit ist der Zustand, in welchem man aus Ungeduld den Mut sinken läßt und aufgibt, dem zu glauben, was Gott verheißen hat - und in welchem man im geistlichen Kampfe unterliegt und dem Feinde die Stellung einräumt. Wohl dürfen wir nach 2Kor 4,8 (Luth). bange sein, aber es steht uns nicht zu, zu verzagen.
Wer sein Vertrauen wegwirft, kann im Kampfe wider die Anläufe des Satans kein Überwinder sein und fällt unter das Gericht Gottes, weil aller Unglaube eine Beleidigung Gottes ist. Ein Bild für die Verzagtheit ist die pflichtvergessene Schildwache, welche ihren Posten verläßt, statt auszuharren, bis die Ablösung kommt. Darum wollen wir uns von dem Herrn völliges Vertrauen zu Seiner Weisheit, Macht, Güte und Barmherzigkeit schenken lassen und alle unsere Wege im Leben und im Sterben Ihm völlig anvertrauen.
Ein Resultat des Starkseins in dem Herrn ist die Vertraulichkeit und Freudigkeit, Ihn zu rühmen als den, der Seine Verheißungen auch hält. Stark sein heißt, sein Leben getrost in Gottes Bewahrung geben und alles Lebensvermögen in Gottes Verwaltung stellen.
Haben wir nicht Grund, im Glauben stark zu sein? Mußten wir nicht immer in stillen Stunden erkennen und bekennen, daß im Hintergrunde aller Ereignisse unseres Lebens stets die unwandelbare Treue unseres Gottes stand? (2Tim 4,17.18). In Ihm haben wir die Errettung von dieser Welt und die wunderbare Bewahrung für Sein himmlisches Reich mit seinem ewigen Heil. In den vielen Erbärmlichkeiten des täglichen Lebens darfst du dich darauf verlassen, daß selbst alle Hemmungen und dunklen Zusammenhänge dieser bösen Welt in Seinen Händen zu Segnungen werden.
Sei stark! - Kann ich denn das, wenn ich herausgenommen worden bin aus meinem behaglichen Leben und geschäftigen Treiben - heraugenommen aus meiner Lebensaufgabe, aus Glück und Freude? ganz gewiß! Denn Sein Ziel ist ja, uns nahe in Seine Gemeinschaft zu führen und unsere Seele genesen zu lassen. Gehe doch einmal zu Ihm hin und frage in Demut deinen Gott, warum Er dich „besonders genommen“. Manche rätselhafte Schicksalsführung wird dir in Seinem Lichte klar werden. In solchen Lebensführungen sei gewiß und bedenke ernstlich: jetzt will mein Herr mit mir reden, will mit meiner Seele allein sein, weil sie in der Alltäglichkeit Schaden genommen hat. Er weiß, wie leicht die Welt uns umgarnt und betört, darum will Er uns nicht untergehen lassen.
Gewiß, es ist eine furchtvolle, ernste Zeit, wenn der große Gott keinen anderen Weg mit uns gehen will als den des Zerbrechens. Schon daß Er Leiden, Hemmnisse, Schwierigkeiten sendet, ist ein Beweis, daß Er uns nicht verwirft, sondern an uns arbeiten will. Gott hat Seine Ziele mit uns. Nicht vernichten will Er, sondern erziehen zu einem Leben der Heiligung, nicht zerschlagen will Er, sondern neue Segnungen aufbauen, die wir zerstört haben.
Wundern wir uns deshalb nicht, wenn Belastungsproben kommen, um unsere Treue zu prüfen, unseren Charakter zu ergründen, und wenn das Läuterungsfeuer alle Schlacken an uns verzehrt. Der große Gott will Ewigkeitswerte in uns schaffen, darum die Entbehrungen und Entsagungen in unserem Leben und darum der oft so eigenartige Lauf des Lebens, in welchem so wenig gelingt und der so völlig uns zu Boden drückt. Gott duldet keine Mittelmäßigkeit. Gottes Wirken in underem Leben bringt ans Licht, was in uns ist - entfaltet die schlummernden Kräfte der inneren Welt, daß wir streben lernen nach dem Leben, wo wir wirklich selig sind. Bei Gott gibt es nur ein Ziel: daß wir in Wahrheit im Wollen und Erleben es aussprechen: Rein - und ganz Dein!
Stark sein heißt, Gott glauben, Gott vertrauen, bedingungslos ohne Wenn und Aber nichts anderes wollen, als was Er will. Von Natur lieben wir nichts mehr als unser eigenes Ich. „Mein Wille geschehe“ ist oft der Wunsch von der Jugend bis ins hohe Alter. Wir ahnen nicht, daß dieses der kreuzunglückliche Weg zur Verzagtheit ist. Wir müssen erst los von uns selber, los von dem Wahn, daß wir das Leben meistern, das Gebäude unseres Glückes selbst bauen müssen. Ehe unser tiefster Lebenswille nicht erlöst ist, unser Ich vom Thron gestoßen, wird unser arglistiges und trotziges Herz uns nur tiefunglücklich machen, bis ich im Glauben Gott über meinen Willen herrschen lasse.
Stark sein heißt, froh geworden sein, daß an Stelle unseres kleinen unsicheren Willens der fest, klare, ruhige Gotteswille eingetreten ist.
Stark sein heißt, Gott die Leitung unseres Lebens überlassen, damit Seine Kraft die Ohnmacht unseres Strebens aufhebe, da Sein Friede doch höher ist als alle unsere Vernunft.
Stark sein bedeutet, dem eigenen Herzen Schweigen gebieten, wenn es in den Tränennächten unseres Lebens an Gott irre werden will.
Stark ist nur der, der in der Glaubens-Erkenntnis wandelt, daß der Herr ihm nicht alle Lebensrätsel lösen wird und muß, nicht das Lebensdunkel lichten will und soll, daß der Herr ihm aber soviel Spannkraft für seine kindlich vertrauende Seele zu geben verheißen hat, daß er für das Ausmaß jedes Tages auf Ihn hoffen und warten kann in Geduld.
Wer stark und freudig in seinem Gott ist, der kennt den Felsengrund unter seinen Füßen - kennt die helfende, hebende Kraft seines Gottes und das höhere Ziel seines Lebens. Er legt an seines Gottes Walten einen anderen Maßstab an als an sein eigenes Tun. Er läßt sich sein
Vertrauen auf Gottes Gnade nicht verkümmern, mag kommen und gehen, was kommen und gehen mag.
Paulus sagt an einer Stelle so schlicht und doch so überwältigend: „Ich weiß, wem ich geglaubt habe.“ (2Tim 1,12). Wissen wir das, dann mißbrauchen wir nicht mehr das Leben zum Klagen und Murren, sondern gebrauchen es in seiner besten Anwendung: Gott zu preisen. Wenn wir in dem Leben des Glaubens wachsen, dann erhebt sich der Geist des Lobes zu inbrünstigem Dank für alles. So war es bei jenem Manne, in dessen Testament man die Worte fand: „Ich danke meinem Gott für alles, besonders für die Leiden der letzten Jahre“. So wird es auch mit uns sein, wenn wir wissen, daß Gottes Gerechtigkeit schließlich doch jede dunkle Wolke siegreich durchbricht und daß Seine Liebe Ziel und Zweck alles Geschehens bestimmt. Wer die Quelle aller Kraft und Freude in Christo Jesu gefunden hat, der blickt zwischen Särgen und Sorgen, Einsamkeiten und Tränen zu dem empor, der die Zügel der Welt in Seiner Hand hat und in dessen Liebesarme nur wir fallen können, der ein Gott des Lebens ist und nicht des Todes.
Sind wir stark, so wissen wir jederzeit und überall den Herrn bei uns und treten an die Aufgaben jedes Tages heran mit dem stillen Flehen um Seinen Beistand. Unser ganzes Verhalten trägt dann den Stempel des Geborgenseins in der Gnade des Herrn . Tiefer Friede durchhaucht unser Denken und Wollen: „Uns ist wohl in dem Herrn “. Dann geht’s alle Tage besser nach der Weise: „Der Loblieder mehr und weniger der Seufzer“. Man merkt es dem Starken ab: erst still - dann stärker.
Der Herr fordert von uns nicht mehr, als Er uns gegeben hat; Er bemißt unsere Last nach dem Maße unserer Tragkraft. Was auch an uns herantritt, jedes ist eine Mahnung und eine Aufgabe von unserem Gott. Gottes Vorsehung erstreckt sich weiter als nur auf den Schutz des Leibes.Er läßt uns oft scheinbar sinken, führt in Not, in Gefahr, schickt schweres Leid, und doch dürfen wir am Ende die nimmermüde Treue unseres Gottes rühmen. Dunkle Wege führen bei unserem Gott zu leuchtenden Zielen. Für uns gibt es keinen blinden Zufall, kein launisches Schicksal, alles kommt aus der treuen Hand unseres himmlischen Vaters, der Sein Werk nicht verderben, sondern ein Meisterwek zu Seiner Verherrlichung daraus gestalten will.
Seid stark! - Der Herr , der die Vergangenheit meisterte, sollte Er vor der Zukunft die Waffen strecken müssen?Unsere Sorgen, Schwierigkeiten und Nöte sind Seine Hilfsmittel, um uns nahe bei sich zu haben. Diese Dinge erhalten unsere Seele im Gleichgewicht und geben unserem Lebensschiff den nötigen Ballast und Halt, damit die Wogen uns nicht umwerfen.
Sei getrost! - Ermuntere dich selbst zum Lobe Gottes. Lobe den Herrn , o meine Seele! Gehe in dein Haus und zu den Deinen und erzähle, wie gut Gott, dein Herr , ist, daß Er dich nie enttäuscht hat. Er war dir Bewahrung in schwerem Leid - Errettung aus großer Not - Trost in Tränen - Aufrichtung in Zeiten tiefster Trübsal - Sieg in hartem Kampf. Alles war Er dir. Alle Verwicklungen waren letzten Endes nichts anderes als Entwicklungen göttlicher Segensgedanken. Wir wurden geheiligt und geläutert, herausgenommen aus allem Niedrigen und lernten die Gnade begreifen, welche vor Grundlegung der Welt für uns einen Weg ewigen Heiles ersann.
Seid stark! - Mit gefalteten Händen, mit gebeugten Knien, mit geduldigem Herzen und mit immer neuer Glaubenskraft dringen wir durch das Mesech-Land und schauen unverwandt auf den Herrn , bis wir eingehen in Sein himmlisches Reich. „Werfet nun eure Zuversicht nicht weg, die eine große Belohnung hat.“ (Heb 10,35). Unser natürliches Auge mag nichts weiter sehen als körperliche Leiden, seelische Not, innere Anfechtungen, äußere Hemmungen, in die Tiefe ziehende Bleigewichte, offenes Leid, verschwiegenen Jammer, Wolken über unserer Seele. Das Glaubensauge aber sieht nur Gnadenabsichten Gottes, Liebe und Weisheit Gottes, die das beste mit uns vorhat.
Den zaghaften Herzen sollen wir sagen: „Seid stark, fürchtet euch nicht! Blicket nicht auf die Vergangenheit mit eurem entschwundenen Glück, nicht auf die Gegenwart mit ihren drückenden Sorgen, schauet voll Vertrauen auf den Herrn und auf die herrliche Zukunft!“ Du hast noch einen Weg, noch eine Arbeit, noch ein Ziel vor dir. Ob dein Weg nach Seinem unerforschlichen Rat durch Sonnenbrand und Wüstensand führt, das darf dich nicht kümmern, dies ist Gottes Sache. Unser Gott, der Gott der Kraft und Wahrheit, der Liebe und Treue, der Gnade und Weisheit, ruft uns zu: „Seid stark, fürchtet euch nicht!“
Ach mach‘ aus uns, was Dir gefällt -
Uns in Dein Bild verkläre!
Gib Kräfte der zukünft’gen Welt -
Dein Wollen in uns mehre!
Und gib uns stets ein still‘ Vertrau’n
Zu Deinen Wunderwegen,
Bis droben wir einst werden schau’n
Den wunderbaren Segen.
E. v. d. K., H.