Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 6 -Jahrgang 1918/19
Esra 7-8 - „Esras Reise“Esra 7-8 - „Esras Reise“
Ich möchte auf einige Züge in der Geschichte der kleinen Schar jener hinweisen, die aus dem Lande ihrer Gefangenschaft in das ihnen von Gott gegebene Land zurückkehrten, von welchem sie um der Sünde ihrer Väter willen durch das Gericht Gottes vertrieben waren.
Die Geschichte finden wir in Esra 8. Die Bildung oder Sammlung der kleinen Schar wird uns in Esra 7 berichtet. Sie fand ihren Ursprung in dem Glauben und der Hingabe Esras, mit dem die Hand Jehovas, seines Gottes, war. Gott gab ihnen eine geöffnete Tür. Er bewegte das Herz des Königs Artasastas, daß dieser ihm all sein Begehr gab und er auszog als ein Gesandter des Königs (V. 14). Den königlichen Auftrag finden wir in den Versen
12-26. V. 27 ist ein Lobpreis Jehovas, und in V. 28 sehen wir Esra so gestärkt durch die Beweise, daß Jehovas Hand zum Guten über ihm war, daß er Häupter aus Israel sammelt, um mit ihm hinaufzuziehen nach Jerusalem. Die Namen dieser sind uns in Kap. 8 aufgezeichnet. Der Sammelplatz und die Zubereitung für die Reise findet am Strome Ahawa statt.
Esra ist sich der Größe und Tragweite des Unternehmens voll bewußt. Eine lange Reise liegt vor ihm. Feinde umlauern ihn überall am Wege. Sie führten kleine Kinder und all ihre Habe mit sich, und mehr als alles andere waren sie Hüter eines Schatzes von Silber und Gold und kostbaren Gefäßen für das Haus Gottes. Für eine solche Reise, mit so vielen Gefahren verbunden, bedurften sie eines sicheren und starken Schutzes. Die Frage war nun, sollten sie sich dem Arme des Fleisches (den Soldaten des Königs) oder der Hilfe des lebendigen Gottes anvertrauen?
Esra wählt das letztere. Er ruft ein Fasten am Flusse Ahawa aus. Dort beugen und demütigen sie sich vor ihrem Gott und bitten Ihn um einen geebneten Weg. Er hatte dem König gegenüber seinen Gott gerühmt und ihm bezeugt: „Die Hand unseres Gottes ist über allen, die Ihn suchen, zum Guten. Aber Seine Macht und Sein Zorn sind über allen, die Ihn verlassen.“ In diesen Worten hatte er dem König die Erklärung gegeben, warum Jerusalem verwüstet war. Sein Volk hatte Gott verlassen, und deshalb war Sein Zorn über sie gekommen. Aber jetzt suchten sie Ihn, und nun war die Hand ihres Gottes über ihnen zum Guten. Nach einem solchen Zeugnis vor dem Könige schämte er sich, Reiter zu erbitten, die sie gegen den Feind auf dem Wege schützen sollten. Er fühlt, daß es eine praktische Verleugnung seines Zeugnisses sein würde. Und er schämt sich, den Ruhm Jehovas durch die Annahme solcher Hilfe des Fleisches zu entkräften.
So begannen sie ihre Reise. Sie richteten ihre Augen auf Jehova, von dem ihre Hilfe kam. Wie hell leuchtet ihr Glaube! Da sind keine Zeichen und Wunder, wie vor alters, als Israel Ägypten verließ, keine Wolkensäule, kein tägliches Manna, kein geschlagener Fels, keine Bundeslade zog vor ihnen her. - Nichts von dieser früheren Herrlichkeit war bei ihnen zu sehetn, aber sie wußten, die unsichtbare Hand ihres Gottes war mit ihnen. Sie erwarteten auch nicht, daß jene erste Herrlichkeit wieder hergestellt wurde. Sie waren nur ein kleiner Überrest, voll Schmerz über ihre Vergangenheit, aber neubelebt durch Gottes Gnade. Er hatte die Neubelebung gewirkt, die Tür für sie geöffnet, und ihr Glaube ging den Weg. Sie schauen nicht auf das Sichtbare, sondern auf Ihn, den Unsichtbaren. Und so vollenden sie die Reise, die sie mit Fasten und Gebet begannen. Sie währte vier Monate, aber nie zweifelte der Glaube an der glücklichen Erreichung des Zieles. In der Ermahnung: „Seid wachsam und bewahret es, bis ihr's darwäget ... in die Zellen des Hauses Jehovas“ lag das unerschütterliche Vertrauen, daß die Reise sicher vollendet werden würde. Und als Jerusalem erreicht und das anvertraute Gold richtig gewogen eingebracht war, brachten sie Gott ihre Brandopfer da.
Wer oder wie viele von uns gleichen diesen auf ihrer Reise ins verheißene Land? Die Reise der Kinder Gottes durch die Wüste wird uns in verschiedener Weise in der Schrift gezeichnet. Denken wir an Rebekka in 1. Mose 24. Auch sie reist nach demselben Lande. Sie zieht dem Bräutigam entgegen. Ihre Reise gilt ihm, den ihre Seele liebt. Aber sie muß die Reise machen. Eine andere Reise ist die von Ägypten nach dem Lande. An diese erinnert der Apostel die Korinther, als er ihnen sagt: „Ich will nicht, daß ihr unkundig seid“ (1Kor 10,1), daß diese Dinge für sie als Vorbilder zur Ermahnung niedergeschrieben sind (V. 11), Ach, manche haben zu dem Blute des Lammes Zuflucht genommen, aber sie haben die Reise aus Ägypten nach dem Lande kaum angefangen. Andere wieder, die hinausgingen, kehrten mit ihren Herzen nach den Dingen Ägyptens zurück und erreichten nicht das Ziel. Wieder andere blieben kurz vor Kanaan stehen, diesseits des Jordans, und gingen nicht hinein. Alle solche gilt es zu ermutigen, sich nicht vom Feinde hindern zu lassen, sondern im Blick auf die starke Hand, die uns schirmt, den Weg im Glauben zu wandeln. Hier in Esra haben wir die Reise des kleinen Überrestes, der die von Gott gegebene und geöffnete Tür benutzt, aus der Gefangenschaft Babels herausgeht, zurückkehrt und die anvertrauten Schätze zum Tempel Gottes bringt.
Ich habe die Reise jener Schar mit Serubbabel (Esra 1 u. 2) nicht berührt. Im großen ganzen trägt sie dieselben Charakterzüge. Ein wichtiger Unterschied ist aber zu bemerken. Die erste Schar fand nur Trümmer und erwartete nichts anderes am Ziel ihrer Reise zu finden. Die zweite Schar unter Esra fand am Ziel ihrer Reise schon eine Schar, die durch Gottes Gnade das Haus baute und den Altar aufgerichtet hatte (Kap. 3,3), mit der sie, als sie ankamen, vereint waren. Beide Scharen führten kostbare Dinge mit sich, Schätze für Gottes Haus und Herrlichkeit, auf welche der Feind am Wege lauerte, um sie zu rauben. Wie feierlich wurden ihnen diese Schätze dargewogen und anvertraut (Esra 8,24-27). Mit welchem Ernst wurden sie dafür verantwortlich gemacht. Wie feierlich wird ihnen gesagt, daß sie und auch die Geräte Jehovas heilig seien. Wie wird ihnen eingeschärft, wachsam zu sein und das Anvertraute zu bewahren, daß der Feind ihnen nichts davon raube, und es voll und ganz nach Jerusalem zu bringen (V. 28-30). Für einen solchen Weg und für solche Aufgaben konnten sie menschliche Hilfsmittel nicht gebrauchen.
Im Glauben treten sie ihre Reise an. Kampf und Mühe bleiben ihnen nicht erspart. Der Feind tritt an sie heran, sowohl in der offenen Gestalt als Feind wie auch in der hinterlistigen Gestalt als „Lauernder am Wege“ - aber, wie köstlich ist ihr Bericht: „Die Hand unseres Gottes war über uns und Er errettete uns von der Hand des ‚Feindes‘ und des am Wege ‚Lauernden‘“ (V. 31).
So erreichen sie das Ziel: „Und wir kamen nach Jerusalem und blieben daselbst ‚drei‘ Tage.“ Glückliche Schar! Am „vierten“ Tage wird das anvertraute Gut gewogen, und es wird gefunden „nach der Zahl und dem Gewicht“ so, wie es ihnen zugewogen, ihnen anvertraut war (V. 34 mit V. 26 u. 27). Selige Knechte!
Alles dieses erinnert uns an Off 3. Auch dort finden wir eine Schar, vor welcher der Herr eine geöffnete Tür gegeben hat, die niemand schließen kann. Und heute gilt es auch für uns, zurückzukehren zu dem, was Gott Seinem Volke gegeben hat, und durch die geöffnete Tür aus Babel hinauszugehen. Kostbare Schätze sind auch uns anvertraut worden: Mittel und Gaben und vor allem Sein Wort und „Sein Name“. Dieses, was Gott in meine und deine Hand gewogen hat, wird an einem Tage wieder gewogen, und es wird geprüft werden, ob wir das anvertraute Gut bewahrt haben. „Halte fest, was du hast, auf daß niemand deine Krone nehme“ (Off 3,11), so ruft der Herr denen zu, die nur eine kleine Kraft haben. Wir leben nicht in den Tagen großer Dinge. Das Wort, welches der Herr an Serubbabel richtete: „Nicht durch Macht und nicht durch Kraft, sondern durch Meinen Geist“, gilt auch heute für uns (Sach 4,6). „Bewahre das schöne anvertraute Gut durch den Heiligen Geist, der in uns wohnt“ (2Tim 1,14).
Auch wir sind auf der Reise nach Jerusalem droben, von Feinden umstellt, und von dem Lauernden am Wege, der uns die anvertrauten Schätze rauben möchte. Laßt uns wachsam sein, daß wir nichts davon durch die Tücke des
Feindes verlieren. Welcher Art auch die uns anvertrauten Schätze sein mögen, möchten wir, wenn wir dort ankommen, nichts davon verloren haben. Mit welcher Freude beendeten sie ihre Reise, und wie konnten sie mit glücklichen Herzen ihrem Gott Opfer lieblichen Geruches darbringen.
Laßt uns die geöffnete Tür benutzen und aus Babel herausgehen und den Weg des Glaubens nach der Wahrheil in Treue wandeln! Dem Überwinder winkt ein herrlicher Lohn; möchten wir solche sein, die ihre Krone nicht verlieren! „Ihr seid Jehova heilig, und die Geräte sind heilig ... Seid wachsam und bewahret es, bis ihr es darwäget“ (Esra 8,28.29).