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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 22 - Jahrgang 1937
1Kön 19,3-9 - Elia unter dem Ginsterstrauch1Kön 19,3-9 - Elia unter dem Ginsterstrauch
Die Hand Jehovas hatte Elia nach Jisreel geführt. Welch freudige Hoffnung mochte Elias Herz bewegen, als er vor Ahabs Wagen herlief! Und wie jäh wurden seine frohen Erwartungen zerstört! Dreieinhalb Jahre hatte er, ein einzelner Mann, für seinen Gott gestanden und gezeugt. Nun, nach dem herrlichen Siege auf Karmel glaubte er das Ziel erreicht und die Frucht seiner treuen Arbeit ernten zu können. Statt dessen trifft ihn der Racheschwur Isebels. Von dem ganzen Volke, das auf Karmel Jehova als Gott bekannt hatte, regte sich auch nicht einer für Ihn noch für Seinen Propheten!
Wir lesen: „Und als er das sah.“ (V. 3) Was sah er? Sah er Gottes Allmacht, Gottes Treue und Hilfe in den vergangenen Tagen? Nein, sein Auge sah nicht mehr den lebendigen Gott, er sah nur noch sich - das treulose Volk - die ihm nach dem Leben trachtende Isebel und den Zusammenbruch seiner ganzen Arbeit. In dem Augenblick, als er seinen Blick von dem lebendigen Gott abwandte, sah er Gefahren, die nicht da waren, als er auf Gott blickte.
Vor dem vermeinten Zusammenbruch seiner ganzen Arbeit stehend, hatte er nur einen Gedanken, soweit wie möglich fortzueilen und das Land Ahabs und Isebels zu verlassen. Er, der Mann, der gestern noch vor dem Könige stand und vierhundertfünfzig Baalspropheten dem Gericht überlieferte, flieht heute mutlos und verzagt, um sein Leben zu erhalten. Das ist so recht unser Bild, wenn Unglaube unser Herz erfüllt und wir Gottes Arm und Macht nicht mehr sehen und Seine Treue und Durchhilfe vergessen.
Dieser Tag in Elias Leben zeigt uns klar, was wir sind, wenn wir aufhören, den Herrn vor Augen zu haben, und nur uns selbst und die Umstände sehen. Aber diese Dinge hat der Herr zu unserer Ermahnung niederschreiben lassen, und wie gut, daß sie uns zur Belehrung gegeben sind! „Denn Er kennt unser Gebilde, ist eingedenk, daß wir Staub sind.“ (Ps 103,14) Und wer von unseren Lesern wüßte nicht etwas von Zeiten der Verzagtheit zu sagen? „Und Elia machte sich auf und ging fort um seines Lebens willen.“ Hatte Gott ihm solches geboten? Auf wessen Stimme hin ging er? Auch der Teufel redet zu uns; er versteht die Gestalt eines Engels des Lichtes anzunehmen und die Stimme des Guten Hirten nachzuahmen. Wandeln wir nicht im Lichte, in der Gemeinschaft des Herrn, so kann er uns leicht täuschen. Wie oft fragt man: „Warum soll ich dies oder jenes nicht tun?“ Ist es verboten? Warum sollte Elia nicht fliehen, wenn Gott es ihm durch kein Wort verboten hatte? Hätte Elia Gott gefragt, Gott hätte ihm sicher Antwort gegeben. Bis dahin ging er den Weg des Glaubens und wartete auf Gottes Führung. Jetzt sah er auf die Umstände. So war es auch bei Petrus. Nur solange als sein Auge auf den Herrn gerichtet war, konnte er auf den Wassern wandeln. O möchten wir Gnade haben, in niederdrückenden Umständen nur auf den Herrn zu blicken!
So kam Elia nach Beerseba, „das zu Juda gehört“. Das Land Israel lag hinter ihm, und dem Machtbereich der Isebel war er damit entronnen. Hier in Beerseba entläßt er seinen Diener. Er will ganz allein sein, so wie man es in Zeiten der Mißstimmung und des Unmutes gern ist. Allein geht er eine Tagereise weit in die Wüste und setzt sich dort unter einen Ginsterstrauch. Hier in der Öde ist er mit sich allein. Ein öder Platz allein mit dem Herrn wird zu einem köstlichen Platz, nicht aber ohne Ihn.
Hier in der Einsamkeit sammelt Elia sich zum Gebet. Wie ganz anders aber ist sein Gebet jetzt als früher. Früher galten seine Bitten der Ehre Jehovas und den Segnungen des Volkes Gottes, jetzt betrifft sein Gebet nur seine eigene Person. Von vier Gebeten Elias wissen wir. Er betete, daß es nicht regnen möge (Jak 5,17) - er betete, daß der Himmel wieder den Regen gebe (Jak 5,18) - er betete, daß Gott die Seele des Kindes der Witwe wieder zurückkehren lasse (1Kön 17,22) - und er betete um Feuer vom Himmel (1Kön 18,37.88). Hier haben wir sein fünftes Gebet. Und um was betete er jetzt? Er spricht: „Es ist genug, nimm nun, Jehova, meine Seele von mir.“ Und fügt hinzu: „Denn ich bin nicht besser als meine Väter.“
Wie widersprechend ist sein Gebet! Er flieht vor der Drohung Isebels, um sein Leben zu retten. Und außerhalb der Grenze ihres Landes legt er sich unter den Ginsterstrauch und bittet Gott, sein Leben von ihm zu nehmen. Ach, wie widersprechend sind wir doch oft in unserem Verhalten und in unserem Reden mit Gott! Möchten wir uns mehr selbst kennenlernen! Wieviel rücksichtsvoller würden wir dann oft anderen gegenüber sein, die zu verurteilen wir so schnell bereit sind!
Dieses Gebet spiegelt die völlige Mutlosigkeit und Verzagtheit Elias wieder. Noch länger zu leben, scheint ihm keinen Zweck mehr zu haben. Er sagt: „Es ist genug.“ Er will durch ein langes Leben nicht vor den Vätern ausgezeichnet sein: „Denn ich bin nicht besser als meine Väter.“ Waren solche Gedanken vielleicht früher in seinem Herzen aufgestiegen? Wie gern kommt der Feind und macht uns groß in unseren Augen und läßt uns höher von uns denken, als zu denken sich gebührt (Röm 12,3). Wir fangen an, uns geistlich höher als andere einzuschätzen. In Selbstwichtigkeit achten wir die geringscheinenden Dienste für uns zu klein und streben nach den größeren. Selbstbeschäftigung führt immer in die Schlinge des Feindes.
Alsdann legt Elia sich nieder zum Schlaf. Selbstbeschäftigung und Schlaf gehen oft zusammen. Stehen wir nicht mehr treu im Dienste des Herrn an dem uns angewiesenen Platze und angetan mit der Waffenrüstung, so werden wir gar bald schlafen.
Mit der Bitte: „Nimm nun, Jehova, meine Seele“ war Elia eingeschlafen. Gott sieht Seinen verzagten Knecht. Er hat die Worte gehört; Sein Herz ist voll Erbarmen. Wird Er seine Bitte erfüllen? Nein, Gott hat andere, größere und herrliche Pläne über Seinen Knecht. Er sollte nicht als ein Verzagter aus dieser Welt gehen. Er sollte nicht tot unter einem Ginsterstrauch gefunden werden. Sein Scheiden von hier sollte ganz anders sein. Er starb nicht und ist nie gestorben. Gottes Wagen standen schon für ihn bereit; sie warteten nur auf den Befehl seines Gottes, ihn in Ehre und Herrlichkeit gen Himmel zu führen.
Und nun laßt uns die Sorge unseres Gottes über Seinen Knecht sehen. Wie tröstend ist es, das Erbarmen des Herrn anzuschauen! „Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach:
,Stehe auf und iß.“ In den Tagen seines Wandelns im Glauben brachten Raben ihm Brot und Fleisch, und in Zarpath versorgte eine arme Witwe ihn mit Nahrung. Jetzt aber, in der Stunde seiner Verzagtheit, sandte Gott einen Engel vom Himmel, nicht um ihn zu strafen, sondern ihn zu speisen. Welch ein Gott ist unser Gott!
Geweckt von dem Engel, hört er die Worte: „Stehe auf, iß.“ Woher kam das Essen? Am Bache Krith war Wasser, und in Zarpath war Mehl und Öl; hier aber war nichts. Der Herr vermag das Geringste zu vermehren, aber auch aus dem Nichts alles erstehen zu lassen ist Ihm ein Kleines.
Elia erwacht und schaut sich um. „Und siehe, zu seinen Häupten lag ein Kuchen, auf heißen Steinen gebacken, und ein Krug Wasser.“ So sahen auch einst die Jünger ein Kohlenfeuer und Fisch darauf liegen und Brot; und sie hörten die Einladung des Herrn: „Kommt her, frühstücket!“ (Joh 21) Auch Elia stand auf, aß und trank und - legte sich wieder hin. Man möchte denken, daß es das Nächste für Elia gewesen wäre, dem Herrn für Seine Güte, Liebe und Treue zu danken. Aber wir lesen nichts davon. Er ist so des Lebens überdrüssig, daß kein Wort des Lobes über seine Lippen kommt. Was würden wir sagen, wenn jemand so mit uns handelte? Aber Gottes Gnade bleibt über Seinem Knecht. Er läßt ihn nicht.
Elia aß und trank und schläft weiter. So tun auch wir gar manches Mal. Gewohnheitsmäßig lesen wir das Wort, besuchen die Versammlung und schlafen weiter.
Zum anderen Male sendet Gott Seinen Engel, und Elia hört die gleichen Worte: „Stehe auf, iß“, aber mit der Hinzufügung: „Der Weg ist weit für dich.“ Ehe Gott ihn beauftragt, den weiten Weg zu gehen, stärkt Er ihn. Gar manchen Weg hatte Elia im Auftrag des Herrn gemacht. Waren nicht alle diese Wege, die er einst nach Krith, nach Zarpath, nach dem Karmel gemacht, zu weit für seine Kraft? Auch dieser Weg, den Elia jetzt vor sich hatte, war für ihn zu weit, aber nicht für seinen Gott, ihn dafür zu stärken. Und wie auch unser Weg durch diese Welt sein mag, die Kraft, die dafür nötig ist, reicht der Herr uns dar, wenn wir sie von Ihm uns schenken lassen. In der Kraft der Speise, die Gott ihm darreichte, vermochte er vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berge Horeb zu gehen. Der Herr kennt besser als wir den Weg und die Anforderungen, die an uns auf demselben gestellt werden. Und Seine Gnade stärkt uns. In dieser von Gott dargereichten Kraft erreichte Elia den Berg Horeb. Dort geht er in die Höhle, um daselbst zu verbleiben.
Diese vierzig Tage und vierzig Nächte waren für Elia ein neues Wunder der Allmacht Gottes, das zu seinem und auch zu unserem Herzen reden sollte. Diese vierzig Tage und vierzig Nächte lassen uns auch Vergleiche ziehen mit den vierzig Tagen und vierzig Nächten, die Mose, ohne zu essen und zu trinken, auf dem Berge zubrachte, ebenso mit den vierzig Tagen und vierzig Nächten des Herrn in der Wüste und mit den vierzig Jahren der Wüstenwanderung, als das Volk Gottes mit Manna gespeist wurde. „Gottes Brünnlein hat Wassers die Fülle.“ (Ps 65,10, Luth).
Alb. v. d. Kammer.