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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 11 -Jahrgang 1926
1Tim 4,12 - Timotheus - 1.Teil1Tim 4,12 - Timotheus - 1.Teil
Wenn wir lesen, was die Schrift uns von Timotheus berichtet, dann sehen wir, wieviel ein junger Mann im Werke des Herrn tun kann, ja, was Paulus alles von einem jungen Manne erwartete. Timotheus war jung, so jung, daß Paulus sich veranlaßt sah, zu ermahnen: „Niemand verachte deine Jugend!“ (1Tim 4,12).
An Timotheus können wir somit sehen, was junge Leute, wenn sie ein ungeteiltes Herz für den Herrn haben, in Seinem Werke tun können. Junge Leute, ob männlich oder weiblich, alle können dem Herrn nützlich und brauchbar sein. Die Aufgaben, zu denen die Männer und zu denen die Weiber berufen sind, sind zwar verschieden, aber alle können Gefäße sein, die dem Hausherrn nützlich und zu jedem guten Werke bereitet sind.
Welch großes Vertrauen brachte Paulus diesem jungen Manne entgegen! Können wir nicht in diesem Stücke etwas von Paulus lernen? Wenn wir junge Leute sehen, die im Glauben und mit hingebendem Herzen vor dem Herrn stehen und wandeln, so sollten wir nicht leicht über sie hinwegsehen, als ob sie nicht fähig seien, von dem Herrn gebraucht zu werden. Sollte es heute keine Timotheusse mehr geben?
Allerdings, solche jungen Männer tragen auch die Kennzeichen des Timotheus an sich. Das Vertrauen, das Paulus dem Timotheus schenkte, war nicht blindes Vertrauen. Nicht am Tage seiner Bekehrung machte Paulus ihn zum Mitgenossen der Arbeit am Evangelium. Eine Zeit der Entwicklung war auch für Timotheus nötig. Erst bei seinem zweiten Besuch in Derbe und Lystra, als er ein gutes Zeugnis von den Brüdern über ihn fand, lesen wir, daß Paulus ihn für den Dienst mit sich nahm. Es ist nicht ohne Bedeutung, daß der Geist Gottes, ehe Er uns sagt, daß Paulus ihn mit in die Arbeit nahm, uns mitteilt, daß er ein gutes Zeugnis von den Brüdern in Lystra und Ikonium hatte. Das gute Zeugnis war die Vorbedingung für das Werk des Dienstes.
Aber noch anderes finden wir bei Timotheus, woran wir junge Männer erkennen, die der Herr für Seinen Dienst gebraucht. Wohl war Timotheus jung, aber voll Interesse für das Werk des Herrn. Oft finden wir die Jugend gleichgültig in bezug auf das Wohl der Gemeinde. Timotheus weinte, als er den Verfall im Hause Gottes sah; Paulus gedachte seiner Tränen (2Tim 1,4). - Sodann war Timotheus kein unwissender junger Mann; Paulus erinnert ihn, daß er von ihm gelernt hatte, und ermahnt ihn, daß er andere lehren solle (2Tim 2,2; 3,14; 4,2; 1Tim 4,13). Solange jemand nicht selbst gelernt hat und unwissend in den Dingen Gottes und Seiner Gemeinde ist, ist er nicht fähig, andere zu lehren. - Und weiter war Timotheus kein unentschiedener Mann in seiner Stellungnahme für den Herrn und dessen Wort; er trat den fremden Lehren und den ungesunden Worten entgegen (1Tim 1,3; 4,6). - Aber noch mehr können wir an dem jungen Timotheus sehen; er war kein Mann des Selbstvertrauens. Wohl war er nicht unwissend noch wankend und schwankend, aber er drängte sich nicht in den Vordergrund. Welche Bescheidenheit mußte ihm eigen sein, daß der Apostel, wie schon gesagt, zu schreiben nötig fand, daß nicht jemand ihn seiner Jugend wegen verachte (1Tim 4,12; 1Kor 16,11), oder wenn er den Korinthern schrieb, darauf zu sehen, „daß er ohne Furcht bei ihnen sei“ (1Kor 16,10). Das zeigt uns, daß er kein junger Mann mit einem großen Mund war, kein junger Mann, der in Selbstvertrauen und in Selbstbewußtsein sich in den Vordergrund stellte, aber er war ein junger Mann, der nicht das Seinige und nichts für sich selbst suchte, sondern für die Heiligen besorgt war und das suchte, „was Jesu Christi ist“ (Phil 2,20.21).
Wie leuchtend ist das Vorbild dieses jungen Mannes für so viele, die den Herrn wohl als ihren Heiland kennen, aber noch nicht sich selbst und ihr eigenes Ich hingegeben haben, und die noch nicht entschieden in der Nachfolge und Treue zum Herrn wandeln. Wie manche jungen Leute stehen sorglos, nachlässig und unwissend dem Worte des Herrn gegenüber. Wie ganz anders war dieser junge Mann Timotheus! - Diese Kennzeichen, die Timotheus trug, sind die Kennzeichen, die heute jene jungen Männer tragen, die der Herr gebraucht, und wo diese Kennzeichen gefunden werden, da gilt allen das Wort: „Niemand verachte deine Jugend!“
Laßt uns nun auf das Haus blicken, aus welchem Timotheus hervorging. Seine Mutter war eine Jüdin, und sein Vater war ein Grieche. Er hatte das Vorrecht, eine gläubige Mutter zu haben, und nicht allein eine gläubige Mutter, sondern auch eine weise Mutter, die ihn von früher Jugend auf in den heiligen Schriften unterwies. O, daß alle Mütter weise sein möchten, von Timotheus' Mutter zu lernen, ihre Kinder in den heiligen Schriften zu unterweisen! Frage dich, Mutter, welche Unterweisung gibst du deinem Kinde? Wieviel hat Gott doch den Müttern anvertraut! Timotheus' Mutter, Eunike, stammte bereits aus einer Familie des Glaubens, auch ihre Mutter, die Großmutter Lois, war gläubig, und sicher erzog sie ihre Tochter so, wie diese später ihren Sohn erzog (2Tim 1,5). Timotheus trat dann in die Glaubensspuren seiner Voreltern. Das, was die Mütter ihren Kindern sind, das trägt oft Früchte für das ganze Leben des Kindes und für noch spätere Generationen.
Die Mutter und die Großmutter hatten noch nicht die Schriften des Neuen, sondern nur die des Alten Testamentes, aber ihr Glaube vertraute auf die den Vätern gegebenen Verheißungen, und als dann das Evangelium der Gnade Gottes in Christo verkündigt wurde, erfaßte der Glaube diese Botschaft. Wie glücklich mußten die Mutter und Großmutter sein, als ihr junger Sohn Timotheus nicht nur gläubig wurde, sondern auch mit ganzem Herzen dem Herrn diente! Sie waren Juden, und im Glauben handelten sie nach dem Gebot Jehovas: „Diese Worte, die Ich dir heute gebiete, sollen auf deinem Herzen sein; und du sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzest und wenn du auf dem Wege gehst und wenn du dich niederlegst und wenn du aufstehst.“ (5Mo 6,6.7). Gott segnete ihre Treue, und sie hatten die Freude, ihr geliebtes Kind in der Furcht des Herrn wandeln zu sehen. Tut Gott heute nicht noch das Gleiche? Gott sei Dank, viele Tausende könnten Zeugnis ablegen, durch die Unterweisung der Eltern den Weg zum Herrn gefunden zu haben; Unterweisungen, die ihnen nicht nur bei Verfehlungen und nur mit den Lippen zuteil wurden, sondern Unterweisungen, zu denen ihnen das Leben der Eltern den Anschauungsunterricht gab. Sie sahen den Glauben, die Treue, die Sanftmut und Demut, das Fernstehen von der Welt in dem Leben der Eltern, und solche Unterweisungen drücken sich mit unauslöschlicher Kraft in das Herz des Kindes ein.
Wohl sehen wir zuweilen auch das traurige Bild, daß Kinder gläubiger Eltern nicht in der Furcht des Herrn wandeln, und wir müssen lernen, daß Glauben nicht auf die Nachkommenschaft vererbt noch den Kindern anerzogen werden kann. Aber andererseits liegt auch eine ernste Mahnung für die Eltern darin, ihr Leben und ihre Erziehung zu prüfen und Weisheit dafür vom Herrn zu erbitten. Gott ist ein Hörer des Gebetes. Eltern, deren größte Sorge die Errettung ihrer Kinder ist und die ihre Kinder nicht in oberflächlicher Gewohnheit, sondern aus vollem Herzen vor den Thron der Gnade tragen, aus deren Fülle des Herzens wird auch der Mund in rechter Weise zu reden wissen. Aber ist es nicht oft so, daß Eltern nur bei Verfehlungen den Kindern mit dem Worte des Herrn kommen und im übrigen die Unterweisung ihrer Kinder anderen überlassen, sei es der Sonntagsschule oder dem Worte in der Versammlung? Der Herr zeigt uns aber, daß das Elternhaus die Stätte der Erziehung der Kinder für den Herrn ist. Nichts liegt mir ferner als der Gedanke, daß Sonntagsschule oder Versammlung nicht Segensstätten für die Kinder seien, aber weder die Sonntagsschule noch die Versammlung entbinden die Eltern von ihrer Verantwortlichkeit, ihre Kinder in der Zucht und Ermahnung zum Herrn zu erziehen. Das Elternhaus ist die Erziehungsstätte für die Kinder. Die Schrift sagt: „Ihr Väter, reizet eure Kinder nicht zum Zorn, sondern ziehet sie auf in der Zucht und Ermahnung zum Herrn.“ (Eph 6,4). Warum geht diesen Worten die Ermahnung voran: „Reizet eure Kinder nicht zum Zorn“? Der Vater ist die Autorität des Hauses (die Mutter ist in dem „ Vater“ mit eingeschlossen); die Väter sollen in dem Gebrauche ihrer Autorität den Kindern gegenüber weise sein, damit ihre Autorität nicht eine Last und ein Seufzen bei den Kindern wird. Die Inhaber der Autorität sind leicht rauh und gewalttätig, und der Herr kennt diese Gefahr. Sie sollen sich bewußt sein, daß auch sie selbst unter der Autorität des Herrn stehen und so ihre Kinder im Herrn erziehen. Bei aller Zucht soll die Liebe und Sorge, nicht aber der Zorn sichtbar sein, damit nicht Zorn ins Kindesherz gesät werde.
Die entgegengesetzte Gefahr ist wieder ein „dem Kinde alles Erlauben“: Mit diesem fällt jedes Aufziehen in der Zucht und Ermahnung des Herrn hin. Haben wir nicht gesehen, daß gläubige Eltern ihren Kindern die Dinge der Welt, wie z. B. Tanz, Theater usw., erlaubten, an denen sie doch selbst nicht teilnahmen?! Wie paßt dieses zu einem solchen Worte: „Ziehet sie auf in der Zucht und Ermahnung zum Herrn!“? Können solche Dinge mit der Zucht und Ermahnung des Herrn verbunden werden? Wie viele Eltern haben mit Herzeleid später erkennen müssen, daß diese Dinge, die sie einst ihren Kindern erlaubten, für den Feind die Kette wurde, mit der er ihre Kinder in der Welt festhielt. Und welch ein trauriges Beispiel finden wir hierfür in Eli, der seinen Kindern nicht wehrte, als sie übel in den Augen des Herrn taten. Er verlor seine Kinder, und wie viele Eltern haben ihre Kinder verloren, weil sie ihnen in ihrer Jugend nicht wehrten, die Wege der Welt zu wandeln. Wie ganz anders war es bei Abraham! Gott sah, daß er seinen Kindern befahl, den Weg Jehovas zu bewahren und Gerechtigkeit und Recht zu tun (1Mo 18,19); und Josua stand für sein Haus und bekannte: „Ich aber und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen“. Eunike brachte ihr Kind Timotheus gleich den Müttern in Mk 10,13.16 früh zum Herrn. Die Jünger hielten es für unpassend, die Kindlein so früh zum Herrn zu bringen, aber der Herr rechtfertigte diese Mütter und sagte: „Lasset die Kindlein zu Mir kommen“. Sein Segen ruhte auf diesen Kindern, die Ihm frühe gebracht wurden, und Sein Segen ruhte auf dem Hause der Eunike und auf ihrem Sohne Timotheus.
Vielleicht sind unter den Lesern solche, die auch eine „Eunike“ zur Mutter hatten, die sie in frühester Jugend in den Schriften und in den Dingen des Herrn unterwies. Dann lerne auch von Timotheus den gesegneten Weg des Dienstes. Lerne, wozu der Herr dich gebrauchen will, wenn du Ihm dein Herz ungeteilt gibst! Gefahren waren für Timotheus, Gefahren sind auch für dich. Paulus aber sagte ihm: „O Mensch Gottes, fliehe diese Dinge (die Dinge, die ihn an der Gottseligkeit hinderten); strebe nach Gerechtigkeit, Gottseligkeit, Glauben, Liebe, Ausharren, Sanftmut des Geistes. Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, zu welchem du berufen worden bist und bekannt hast das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen.“ (1Tim 6,11.12).
Und andererseits wie feierlich ernst redet Timotheus zu solchen, die gläubige Eltern, gläubige Mütter hatten und die nicht zum Herrn kamen und nicht Gebrauch machten von der Erlösung, die Christus am Kreuze für Sünder vollbrachte. Sie wurden von liebenden Eltern, betenden Müttern mit der Liebe und Gnade Gottes und dem Evangelium des Heils bekanntgemacht, aber sie gingen daran vorbei. Viel ist solchen gegeben, und viel wird von ihnen gefordert werden. v. d. K.