Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 14 - Jahrgang 1929
Zehn Gesichtspunkte über die Apostelgeschichte
Zehn Gesichtspunkte über die Apostelgeschichte (3)Zehn Gesichtspunkte über die Apostelgeschichte (3)
Als Punkt A 5 nannte ich „Die Geschichte der Zeugenschaft Jesu (vgl. Kap. 1,8)“. Dies ist der letzte der von mir sogenannten „äußeren“ Gesichtspunkte über das Buch der Apostelgeschichte. Ich sagte schon zu Anfang des Aufsatzes, daß sich die äußeren und inneren Gesichtspunkte nicht immer streng voneinander scheiden ließen. Das wird man besonders bei Punkt A 4 gemerkt haben. Dennoch ist es mir eine Tatsache von besonderem Wert, daß es äußere Gesichtspunkte gibt, die gleichsam leicht in die Augen fallen, wenn man das Wort aufmerksam liest, und innere, die gewissermaßen den eigentlichen Zweck des betr. Buches betonen und die erst auf Grund der ersteren, der äußeren, richtig gewürdigt werden. (Man vgl. z B. hierzu einmal Punkt B 3 oder 5 in der „Einteilung“, dann wird man eher verstehen, was ich meine)!
Zurück zu A 5!
Die Apostelgeschichte als die Geschichte der Zeugenschaft Jesu! Als Grundstelle war angeführt Kap. 1,8: „Ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch gekommen ist; und ihr werdet Meine Zeugen sein, sowohl in Jerusalem als auch in Judäa und Samaria und bis an das Ende der Erde.“ Kostbares Wort! - Um nun aber die Geschichte dieser Zeugenschaft in der Apostelgeschichte sehen zu können, müssen wir uns zunächst fragen, was ein Zeuge ist. Ich habe über diesen Gegenstand im Jahrb. 12, S. 34-46 mich eingehend ausgesprochen in dem Aufsatz „Sieben Kennzeichen eines ,Dieners und Zeugen' des Herrn nach Apg 26,14-18“. Da dieses aber nicht jedem Leser zur Hand sein dürfte, so muß ich einiges wiederholend ausführen, und noch etwas Neues hinzufügen.
Ich schrieb damals: „Was ist ein Zeuge? - In der gerichtlichen Öffentlichkeit gibts Zeugen. Vielleicht war einer der Leser schon einmal ‚Zeuge‘! Was hattest du denn zu bezeugen? Dinge, die du dir einbildetest? Dinge, die man dir vortäuschte um Vorteils willen? Dinge, die man oder du selber sich zurechtlegte? Dinge, die gefolgert werden konnten? oder was? - Nichts von alledem! Nein, du hattest einfach zu bezeugen, was du gesehen und gehört hattest. Du hattest einfach erfahrene Tatsachen zu berichten, keine Märchen. Keine Folgerungen, keine Einbildungen, keine Träumereien - sondern Tatsachen, und dann war das Zeugnis, deine Zeugenschaft in jener Sache beendet. Tatsachen, nackt wie sie waren, zu bezeugen, ist nicht immer leicht, manche haben deshalb solche Furcht vor gerichtlicher Zeugenschaft, weil sie sich selbst nicht sicher sind und weil sie leicht ins Phantasieren geraten. Das ist auch eine sehr ernste Gefahr für die Zeugen Christi, daß sie mehr sagen als sie wirklich wissen, d. h. erkannt haben; daß sie übertreiben, daß sie, ‚nachdem sie anderen gepredigt haben, selbst verwerflich werden‘ (1Kor 9,27), d. h. daß ihr Zeugnis des Mundes sich nicht deckt mit dem ihres Wandels usw.“
Soweit meine damaligen Ausführungen. Dazu aber noch eines, was oben nur andeutungsweise gesagt ist: Das „Zeugesein“ ist oft nicht leicht - nein, aber warum vor allem nicht? Weil ein „Zeuge“, auch vor Gericht, im allgemeinen dann aufzutreten hat, wenn irgendetwas nicht so ist, wie es sein sollte, wenn irgend eine Lücke, ein Schade, eine Ungehörigkeit und dgl. eingetreten ist, die durch den „Zeugen“ aufgedeckt oder geklärt wird, damit sie in Ordnung kommt (ich rede nur in ganz allgemeinen, grundsätzlichen Worten; irgendein gerichtliches Beispiel würde es deutlicher machen, aber ich erspare es uns in der Hoffnung, richtig verstanden zu werden). Somit hat ein Zeuge den oft nicht beneidenswerten Dienst, mit bis dahin vorhandenen bestehenden Zuständen sich auseinanderzusetzen bezw. gegen sie anzugehen, sie zu verurteilen (durch sein Zeugnis), ja geradezu zu geißeln; in der betr. Hinsicht „gegen den Strom zu schwimmen“! Er hat für die Wahrheit einzutreten, koste es, was es wolle - und es kann viel kosten, es kann ihn in der Öffentlichkeit bei ganz armseligen Dingen dieses Zeitlaufs schon ein gut Teil Ehre und Ansehen bei Menschen kosten! Und das ist wahrlich oft nicht so leicht. Hier zeigt sich schon in irdischen Angelegenheiten manches Menschen Mut oder auch Feigheit! Für die Wahrheit einzutreten um der Wahrheit willen - gegen jede Art von Lüge, Bosheit, Betrug, Unreinheit usw. gegenan zu gehen, sie zu enthüllen, zu entlarven und die Wahrheit auf den Leuchter zu stellen -, das ist insonderheit der Zeugenschaft Jesu Christi würdig, und das bringt dem „treuen Zeugen“ Feinde und Widersacher in der sichtbaren und unsichtbaren Welt. Dem „treuen Zeugen“! Das war und ist in erster Linie unser teurer Herr selber! Das ist Sein Name in Off 3,14! So nannte Er sich: „Der treue und wahrhaftige Zeuge“ in dem Sendschreiben an die Gemeinde Laodicea, in der so sehr viel Scheinwesen war (und ist). Er ist und bleibt stets solch ein Zeuge. Sein Leben hienieden offenbarte solche Zeugenschaft, und die Feindschaft gegen Ihn war die ganz natürliche Folge davon. Und was Ihn traf, traf auch die Seinen, die in Treue zeugten (vgl. Joh 15,16-27)!, und wird sie immer treffen, solange der „gegenwärtige böse Zeitlauf“ besteht, den der große Widersacher beherrscht, und der deshalb das Bild schrecklichster Unordnung und Sünde trägt, wodurch das Zeugnis gegenan immer neu hervorgerufen und durch „Seine Zeugen“ ausgerichtet wird; denn „gleichwie Er ist, sind wir in dieser Welt!“ (1Joh 4,[14.]17)
Also ein Zeuge bezeugt, was er aus Erfahrung als Wahrheit kennt und weiß (vgl. 1Joh 1,1-4; so kam das Zeugnis auch auf uns heute)!, und zwar tut er das nicht da, wo's selbstverständlich und darum unnötig wäre, sondern in dem Charakter des heiligen „Gegenan“ gerade da, wo man das Zeugnis lieber ablehnt als annimmt und wo's etwas kostet, es auszurichten.
In diesem Sinne laßt uns in Kürze die Geschichte der Zeugenschaft Jesu in dem kostbaren Buch der Apostelgeschichte sehen und in einigen Beispielen betrachten!
Der vielleicht größte oder gewaltigste Gegenstand des Zeugnisses war die „Auferstehung Jesu“. Auf diesen Punkt komme ich unter B 1 ja näher zu sprechen, hier nur die
Feststellung der Tatsache in Verbindung mit dem Zeugnis (vgl. 1,22). Durch das ganze Buch zieht sich diese Bezeugung, und überall unter den beiden Seiten der Zeugenschaft: „Was wir gesehen haben, bezeugen wir, und je mehr es bekämpft wird, desto treuer tun wir es.“ Gegenan! Man kann diesen Doppelcharakter des „Zeugeseins“ kaum irgendwo besser beobachten als in puncto „Auferstehung“ (vgl. z. B. in bunter Folge: 2,39ff.; 3,14.15; 4,2! 4,10.33; 5,29-33; 7! 10,39-43 usw.; ferner 25,19! 26,8.22.23).
Doch nicht nur die Auferstehung hatten sie zu bezeugen, sondern alles, was „diesen Jesus“ (1,11; 2,32.36 [6,14]) betraf, und alles, was sie „gesehen und gehört“ hatten, „die großen Taten Gottes“ (2,11). Was für eine gewaltige Bezeugung ist doch die Rede des Petrus in Kap. 2, und wieder in dem Doppelsinn des Zeugens: Sie hatten's erlebt und wußten, was es bedeuten sollte, und das Zeugnis war nötig, da durch die Sünde des Volkes (V. 23)! alles in Unordnung geraten war. Gegen diese Unordnung machten sie Front mit dem herzerschütternden Bußruf V. 38, der begründet war darin, daß „dieser Jesus, den sie gekreuzigt hatten, von Gott zum Herrn und Christus gemacht“ war (V. 36). Es war ein „verkehrtes Geschlecht“, von dem die Hörer sich retten lassen sollten. Wir bewundern die Macht, die der Heilige Geist damals über alle, auch über die geheimen Gegner, hatte, sodaß es damals noch nicht gleich zur offenen Feindschaft kam. Aber konnte diese lange ruhen? Nimmermehr - der Feind hat damals wie zu allen Zeiten nur zeitweise ruhen müssen, aber er benutzte die unfreiwillige Ruhe, um zu umso kräftigeren Schlägen auszuholen, wenn seine Stunde gekommen sein würde. Und die kam! Gott ließ ihm freie Hand, mußte sich dadurch doch umsomehr erweisen, wie mächtig das Zeugnis der Treuen sein würde. Noch ehe wir hören, welchen Segen das zweite große Zeugnis der Apostel (3,12-26) hervorrief (4,4), erreichte der Satan sein erstes Ziel, indem die treuen Zeugen Petrus und Johannes „in Gewahrsam gebracht wurden bis an den Morgen“ (4,1-3). Und wenn sie auch zunächst nichts Entscheidendes gegen die offenkundige Tatsache der Heilung des Lahmen tun konnten und somit die zwei freimütigen Zeugen aus dem Synedrium gehen lassen mußten (V. 13-15), so sahen die Gegner doch ein: So geht das nicht weiter! Darum Schluß mit diesem Zeugnis! Verbieten wir ihnen den Mund! (V. 16-18) Und was nützte das? Es brachte das Gegenteil hervor, und indem den Gegnern dies angekündigt wurde durch die unerschrocken Zeugen (V. 19.20), wurde ihre Wut nur aufs neue gereizt, und der Feind sorgte im Geheimen dafür, daß sie auch nicht nachließ, wenn man auch zunächst aus Besorgnis wegen des Volkes noch keinen Weg fand, das Zeugnis zu unterbinden (V. 21). Dann lesen wir für uns und unser Herz und zur Stärkung unseres eigenen Zeugnisses V. 23-31, und wir sehen: Der geistliche Krieg ist erklärt, das Zeugnis hat seine Schuldigkeit getan und tut sie weiter, die Brücken sind abgebrochen, und Gott antwortet dem Glauben und der Treue mit der Gabe umso größerer Freimütigkeit, in der die Zeugen in Zukunft nach außenhin auftraten. Kostbare Früchte werden gezeitigt, und das Werk wird nach außen und dann auch nach innen gefestigt und in Treue weitergeführt - so schmerzlich auch der innere Einbruch des Feindes gefühlt wird (Kap. 5,1-11); es muß auch dieses dazu dienen, daß das Zeugnis von der Wahrheit wächst und damit auch die Feindschaft gegen dasselbe (V. 11-16).
In wesentlich strengerer Weise als beim ersten Ansturm gegen sie wird ihnen nunmehr der Prozeß gemacht (17.18), aber mit ihrer vom Feind genährten Macht scheint auch die Macht dessen, den die treuen Zeugen verkünden, zugunsten der gefangenen Seinen zu wachsen (V. 19-25). Dann folgt die neue Gerichtsverhandlung vor dem Synedrium; jetzt werden sie wohl endlich zum Schweigen gebracht werden können?! (V. 28). Kein Gedanke! Das ist ein anderer Petrus als der, der vor einigen Monaten „anfing sich zu verfluchen und zu schwören: Ich kenne diesen Menschen nicht, von welchem ihr redet“ (Mk 14,71). Das sind andere Apostel als die, die damals alle flohen: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen! Der Gott unserer Väter hat Jesum auferweckt, den ihr ermordet habt, indem ihr Ihn an ein Holz hängtet. Diesen hat Gott durch Seine Rechte zum Führer und Heiland erhöht, um Israel Buße und Vergebung der Sünden zu geben. Und wir sind Zeugen von diesen Dingen, aber auch der Heilige Geist, welchen Gott denen gegeben hat, die Ihm gehorchen!“ (V. 29-32).
Was für Worte, was für Zeugenmut, was für Freude im Herrn , was für ein Gegenangehen! Geschwister, möchten wir lernen davon und wagen, den Herrn zu bezeugen vor Freund und Feind - selbst wenn es dahin kommt, daß man uns schlägt um Seinetwillen wie jene nach V. 40! Was nützte dies?! V. 41 und 42 zeigen die gesegneten Folgen jener Leiden: „... voll Freude, daß sie gewürdigt worden waren, für den Namen Schmach zu leiden ... und jeden Tag ... hörten sie nicht auf, zu lehren und Jesum als den Christus zu verkündigen“. - Und wir? Und wir?! Und wir! (2Tim 1,8 u. a).
Ich habe im vorstehenden die ersten köstlichen Beispiele des Zeugnisses in seinem doppelten Charakter (Bezeugen, was man gesehen hat, und Gegenangehen) ein wenig genauer durchgeführt. Wir haben nicht den Platz, in dieser Weise fortzufahren, es tut auch nicht nötig; jeder treue Schriftforscher kann an Hand dieser Winke die ganze Apostelgeschichte so durchgehen (auch das Leben des Paulus, z. B. Kap. 24 u. 26)! Ich habe nur noch auf eines kurz hinzuweisen, und das ist auf den Umfang des geschichtlichen Zeugnisses. - Der Herr Jesus hatte sie „Seine Zeugen“ genannt in 1,8 „sowohl in Jerusalem als auch in ganz Judäa und Samaria und bis an das Ende der Erde“. Auch dieses läßt sich an Hand der Apostelgeschichte feststellen. (Ich berührte dies schon bei Punkt A 4). Bis Kap. 7 handelt es sich ausschließlich um das Zeugnis in Jerusalem, aber nach der Steinigung des treuen Zeugen Stephanus kam Judäa an die Reihe, dann aber auch Samaria (8,1)!, und gemäß 9,31 finden wir schon einen beträchtlichen Umfang des Zeugnisses, das sich geographisch damals über „ganz Judäa“ (also mit Jerusalem), „Galiläa und Samaria“ erstreckte. Wie schön ist das, was in jenem Vers über den geistlichen Zustand der Gemeinde gesagt ist. Möchte ein solcher auch heute mehr gefunden werden! - Aber nun „das Ende der Erde“? „Das Ende der Erde“ ist nicht in jüdischen Händen - damals nicht und heute nicht -, darum beginnt gleichsam das Ende der Erde da, wo Jerusalem, Judäa und Samaria aufhörten! Und das finden wir in Kap. 10! Hier der Anfang des Zeugnisses an die Nationen! Und wenn hier in diesem Kapitel auch mehr der erstere Charakter des Zeugeseins im Vordergrund steht und das „Gegenangehen“ kaum zu spüren ist, weil solch große Bereitwilligkeit im Hören ist (V. 33)! wie kaum im Anfang des Zeugnisses vor den Juden, so war dies doch nur eine kurze Ruhepause, hatte doch Petrus schon gleich nach dieser herrlichen Evangeliumsreise nach Cäsarea in den eigenen Mitzeugen, geistlich schwächeren Brüdern in Judäa (11,2 „stritten“)!, Gegner, die erst nach und nach beruhigt wurden über die neuerliche Ausbreitung des Zeugnisses - und kam doch auch gar bald der Feind von außen her in äußerst verstärktem Maße zu seinem angemaßten und boshaft behaupteten Recht, indem mit Kap. 12 die bis dahin vielleicht schwerste Verfolgung einsetzte, der Jakobus der Ältere zum Opfer fiel, während Petrus aus dem Gefängnis befreit werden mußte. Aber das Zeugnis ging unaufhaltsam vorwärts: „Das Wort Gottes aber wuchs und mehrte sich“ (12,24). Und in dem gottgegebenen Heidenapostel Paulus, der dann später der geschichtliche Mittelpunkt der ganzen Apostelgeschichte wurde - nach dem 15. Kap (genauer 15,7). wird Petrus nicht mehr genannt! - fand sich der Mann, der „das Ende der Erde“ zu seinem Missionsgebiet machte, weiter und weitergehend bis in das ferne Europa, wo auch wir dereinst die glücklichen Nutznießer werden sollten jenes Dienstes, der nicht am Meere (16,9ff). und nicht vor den in damaliger Zeit (ohne Kompaß usw.)! außerordentlich großen Gefahren einer Winterreise (Kap. 27 und 28) Halt machen durfte. Dank und Preis sei Gott!
Ich bin am Schluß meiner diesmaligen Darlegungen, die, wie ich zum Herrn hoffe, ein wenig mit dazu beitragen werden oder möchten, daß auch wir, die wir „am Ende der Erde“ erreicht sind von der unergründlichen Gnade in Christo Jesu, treuer werden in unserem Bezeugen dessen, was wir bei Ihm, unserem teuren Herrn und in der Gemeinschaft des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes erlebt haben - auf Grund des untrüglichen Wortes Gottes! Ja, der Herr schenke uns Gnade, treuere Zeugen zu werden auch dann, wenn wir, was heute so not tut wie irgendwann, in unserem Zeugnis von Ihm hier und da gegenan gehen müssen - dann aber auch mehr oder weniger ernste Folgen dieses Redens und Handelns zu gewärtigen haben! Jedoch es bleibt: „Ihr werdet Kraft empfangen ... und ihr werdet Meine Zeugen sein!“
Gelobt sei Sein ewig herrlicher Name!
F. K.
(Fortsetzung folgt, s. G. w).