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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 11 -Jahrgang 1926
Gal 4,4 - „Geboren von einem Weibe, geboren unter Gesetz“
Gal 4,4 - „Geboren von einem Weibe, geboren unter Gesetz“ (1)Gal 4,4 - „Geboren von einem Weibe, geboren unter Gesetz“ (1)
„Gott sandte Seinen Sohn“ - herrliche Tatsache, über die nachzusinnen wir nie müde werden sollten, ebenso wie wir nie aufhören sollten, uns dessen zu freuen und darüber anzubeten, daß wir gerade der Segnungen „der Fülle der Zeit“ teilhaftig geworden sind! Wie unsagbar viel haben wir doch den Heiligen des Alten Bundes voraus! Der Hebräerbrief betont besonders diese „besseren“ Dinge, deren wir vor jenen gewürdigt sind. Aber davon ist jetzt nicht zu reden.
Zwei besondere Ausdrücke gebraucht der Heilige Geist in unserer obigen Stelle in bezug auf Seinen Sohn, den Gott gesandt hat: „Geboren von einem Weibe, geboren unter Gesetz“. Haben wir alle, geliebte Leser, diese Ausdrücke schon eingehend beachtet, oder sind sie uns, die wir sie ja ungezählte Male gehört oder gelesen haben, als Selbstverständlichkeiten erschienen, ohne uns weiter zu bewegen?
Nun wohl, gebe der Herr Gnade, daß sie uns einmal lebendig werden! „Geboren von einem Weibe“ - ja, ist denn das keine Selbstverständlichkeit? Auf welch andere Weise hätte der Herr, sollte und wollte Er Mensch sein wie wir, „in Seiner Gestalt als Mensch erfunden“ (Phil 2,8), denn hienieden erscheinen können? - Selbstverständlichkeit? Ja, Bruder und Schwester, so groß das Wunder jeder einzelnen Menschwerdung an sich auch ist, für uns ist es selbstverständlich, daß wir so und nicht anders in die Welt eintreten: geboren von einem Weibe! Aber - wenn es für den Herrn auch „selbstverständlich“ gewesen wäre, warum betont es denn der Heilige Geist durch des Apostels Feder? Muß man Selbstverständlichkeiten besonders betonen? Würde eine Geburtsanzeige nicht höchst merkwürdig klingen: „Ich zeige hiermit an, daß ich ein Söhnchen bekommen habe, geboren von einem Weibe“?! Ja, Selbstverständlichkeiten zu betonen klingt mehr als abgeschmackt. Gerade darum ist dieser Ausdruck der Schrift keine Selbstverständlichkeit! Es ist vielmehr ein Wunder, ein Geheimnis ohnegleichen, daß der Sohn Gottes, der ewige Sohn, der Eingeborene Sohn, der Schöpfer aller Dinge, als Er in Seine Schöpfung eintrat, es nicht anders tat als du und ich, als Säugling im Mutterschoße! (Vgl. Ps 22,9). Ein „Säugling“ so heißt‘s wörtlich in der Engel-Ankündigung in Lk 2,12! War das nicht für die Engel, die selber nicht so in's Leben gekommen waren, auch ein anbetungswürdiges Geheimnis?! Und für uns sollte es eine Selbstverständlichkeit sein? Nein, tausendmal nein! Daß die Schrift in diesem einen Satz mit solcher Genauigkeit und knappen Kürze das größte Wunder aller Zeiten und Ewigkeiten festlegt: „Sein Sohn - geboren von einem Weibe“ - das ist anbetungswürdig herrlich. Dieser Ausdruck ist an Kürze und Inhalt dem von 1Tim 3.16 gleich: „Gott geoffenbart im Fleisch“. Was bei uns allen selbstverständlich ist, das ist bei Ihm der Inbegriff aller Kostbarkeiten. Denn Er, „der Sohn des Menschen“, blieb stets Gottes Sohn, „Sein Sohn!“ Stets Gott, stets Jehova, der Ewige, stets „der Eingeborene, der in des Vaters Schoß ist“ (Joh 1,18). Ob als Säugling in der Krippe oder als gekreuzigter „Herr der Herrlichkeit“ (1Kor 2,8) oder als Auferstandener oder als Richter der Lebendigen und der Toten usw. - stets ist Er und bleibt Er der Sohn! Nimm hiervon ein Atom hinweg, laß dir einen Gedanken streitig machen, und du zerstörst die Grundlage nicht nur deines Heils, sondern des Heils überhaupt, die Grundlagen der Wahrheit und der Heiligen Schrift! Alles steht und fällt mit der Ewigkeit Dessen, der „das Wort“ ist, das nach Joh 1,1 sowohl ewiges Sein als auch ewiges Dasein neben Gott hat, als auch selbst ewig Gott ist!
Wenn Menschen geboren werden, freut sich ein winziger Teil der Welt mit den Eltern über die Geburt des kleinen Erdenbürgers, aber nach einigen Ausdrücken der Mitfreude geht man wieder zur Tagesordnung über. Kaum daß in einem größeren Mietshause viele von dem Ereignis in einer der Wohnungen wissen noch Notiz nehmen. Und nach einigen Tagen ist's vergessen. Als der Sohn geboren war von einem Weibe, da nahmen in der Welt auch nur wenige davon Notiz, einige arme Hirten waren die einzigen Vertreter der Menschheit()!, die zu erlösen das Kindlein geboren war, die unmittelbar nach der geschehenen Geburt mit suchenden Herzen „diese Sache“ sahen (Lk 2,15). Aber war die törichte, in ihren Sünden schlafende Welt auch teilnahmlos - die Himmel waren in Bewegung, und das genügt, um uns zu zeigen, wie unsagbar außergewöhnlich „diese Sache“ war, daß Gott Seinen Sohn gesandt hatte, geboren von einem Weibe.
In 2Kor 8,9 ist uns gesagt, daß „Er, da Er reich war, um unsertwillen arm wurde ... (Vgl. Jahrb. 6, S. 137ff).! Können wir den Reichtum ermessen, den Er drangab um unsertwillen? gewiß niemals! Nun wohl - ebensowenig können wir die Armut nachempfinden, die Er durchmachte, als Er, „das Wort, Fleisch wurde“ (Joh 1,14), als Er, der Sohn Gottes, als Mensch geboren ward von einem Weibe. Alles Vergleichen mit Säuglingen, wie wir alle einst waren, mit unserer Armseligkeit, der Abhängigkeit von der Mutter, den schweren Bedingungen der Auferziehung usw. läßt uns bei Ihm im Stich, weil wir nie ausdenken können, was Er aufgab, um solcher zu sein, wie wir waren! Welch Wunder! Große Teile der Christenheit beschäftigen sich mehr mit der, die die „Begnadigte“ genannt wird von Gabriel (Lk 1,28), die die „gesegnete unter den Weibern ist“ (Lk 1,42), und sicher liegen in Lk 1 auch in dieser Beziehung hin kostbare, beachtenswerte Linien für die Schriftforschung. Aber wodurch kostbar? Weil es der Sohn ist, der geboren wird - weil „das Heilige, das geboren wird, „Sohn Gottes“ genannt wird“ (V. 35). Dadurch gewinnt das begnadete Leben der Maria solch wunderbare, gesegnete Seite. Ist es da nicht besser, vor allem Ihn zu betrachten, der geboren wurde von einem Weibe, statt das Weib? Ist es nicht köstlicher, Ihn Selber bewundernd anzubeten, der sich ein so armes Gefäß aussuchte hienieden, um aus unendlich reicher Liebe heraus Seine Armut offenbaren zu können?! (Ganz abgesehen davon, daß es natürlich durchaus schriftwidrig ist, Menschen anzubeten)! Was wäre Lk 1 uns wert, wenn es nicht Sein Armgewordensein in solch überirdisch klares Licht rückte?! Seine Armut! O, gepriesen seist Du, geliebter, teurer Herr! Aber Seine Armut in der Menschwerdung, die oft Gegenstand der Betrachtung von verschiedenen Seiten aus gewesen ist, hat je und dann auch einzelne Ausleger soweit gebracht, Ihn hienieden uns Menschen in Seinem Wesen gleichzustellen. Sie kamen dann zu den ungeheuerlichsten Aussagen, Aussagen, die dem Erzfeind des Herrn sicher die größte Freude machen, die aber für Ihn, „das Heilige“, eine unausdenkbare Verunglimpfung darstellen.
So, wenn man davon spricht, daß Er als Mensch hätte sündigen können und ähnliches (So der Herr will, hoffe ich mich in späteren Aufsätzen mit dieser Sache zu beschäftigen2. - für jetzt genüge der erneute Hinweis, daß es der Sohn war, der arm wurde, aber der dennoch auch in der Zeit Seiner Armut stets der Sohn blieb, und so auch stets von dem Vater geehrt ward. Ein kleiner Vergleich mag vielleicht manchem dienen: Ein reicher Fürst möchte den Ärmsten der Hauptstadt seines Reiches eine Freude machen. Da er aber mit Recht fürchtet, in seiner vornehmen Kleidung und umgeben von seinen Großen in jenem Armenviertel nur Furcht und Schrecken zu verbreiten, keinesfalls aber Vertrauen zu finden, so begibt er sich „inkognito“, nämlich in einfachster Kleidung und ohne Begleitung, in jene Gegend und sucht mit den Ärmsten der Armen in Fühlung zu kommen, um sie dann beschenken zu können. - Du verstehst ohne weiteres das Bild, das sicher öfter gebraucht wird! Hat der Fürst mit der Kleidung und den sonstigen Äußerlichkeiten etwa sein Wesen drangegeben? Im Gegenteil, um dieses offenbaren zu können, gab er jene Dinge ja gerade dran! Und Christus Jesus? Gott geoffenbart im Fleisch? Gott, in Seinem Wesen Licht und Liebe, sollte irgend etwas, was Sein Wesen kennzeichnet, drangeben, wenn Er Sich der Attribute Seiner Herrlichkeit entkleidet, um uns, den Ärmsten der Armen, dienen zu können?! Welche Torheit, aber auch welches Unrecht gegen Ihn, solches auch nur in Erwägung zu ziehen! Damit werden die Fundamente des Evangeliums in Frage gestellt, denn damit wird Er Selbst angetastet, der in Person das Leben ist und der in Ewigkeit Derselbe ist! Genug davon für jetzt! Hüten wir uns, das Geheimnis Seines heiligen Menschseins unheilig zu behandeln!
Aber das ja gerade macht Sein Geborensein von einem Weibe so abgrundtief wunderbar, zeigt uns Seine Armut so unendlich kostbar und groß, daß Er eben nicht unseres Wesens war und doch unserer Gestalt und Lebensbedingung! Wie ganz anders hat Er das Armgewordensein empfunden als wir unser Armsein empfinden (vgl. Hiob 14,1ff). Wir, deren Wesen, nicht nur Gestalt, den Lebensverhältnissen der Welt entspricht, weil wir in Sünden empfangen und geboren sind! (Ps 51,5). Er blieb stets „das Heilige“ (Lk 1,35), umgeben von uns, den Unheiligen! Ist es nicht so: je reiner einer ist, desto mehr empfindet er jede Art und Spur von Schmutz?! So war Sein Leben eine einzige Kette von Armut und Leiden; bis hin in die Tiefen der Gottverlassenheit am Kreuz, die Seine größte Armut zeigt. Seine Augen sahen die Welt anders, als wir sie sehen, Seine Ohren hörten feiner, Sein Herz fühlte tiefer das Erdenleid mit als unseres, und Sein heiliges Wort berichtet uns nicht, daß Er gelacht habe so, wie wir lachen zu können dankbar sein dürfen!
Wie sollten wir doch Seine Armut anbetend betrachten! Welch kostbarer Gegenstand: „Geboren von einem Weibe“, geboren in tiefster Armut und Niedrigkeit, dazu aber noch „geboren unter Gesetz“ sandte Gott Seinen Sohn! Ihm sei Dank und Preis!
F. K.
Fortsetzung und Schluß folgt, s. G. w.!
2 Vor rund 15 Jahren habe ich ein inzwischen längst vergriffenes Schriftchen „War Jesus versuchlich?“ herausgegeben, das noch oft verlangt wird. So der Herr Gnade gibt, werde ich dasselbe völlig neubearbeiten und verkürzen und es womöglich im Laufe dieses Jahres in den „Handr.“ bringen. - Später würde es, will's Gott, auch wieder im Buchhandel zu haben sein! (Der Verf. F. K).↩︎