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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 20 - Jahrgang 1935
1Kön 18,1-16 - Elia und Obadja1Kön 18,1-16 - Elia und Obadja
Elia ist noch in Zarpath. Kein Wort Jehovas war ihm wieder geworden. Noch immer harrt er still verborgen im Hause einer Witwe an dem Platze aus, den Gott ihm angewiesen hatte. Solch ein stilles abhängiges Warten auf den Herrn und Seine Wegweisung will uns oft sehr schwer fallen und stellt unseren Glauben und unsere Treue und Abhängigkeit auf eine harte Probe. Jakobus sagt: „Das Ausharren aber habe ein vollkommenes Werk.“ (Jak 1,4) Elias Ausharren in Zarpath ist uns ein rechtes Beispiel hierfür. Möchten wir von ihm lernen!
Viele Tage, mehr als zwei Jahre, war er in Zarpath. Da, im dritten Jahre, geschah das Wort Jehovas zu ihm: „Gehe hin, zeige dich Ahab, und Ich will Regen geben auf den Erdboden.“ (Vers 1) Im Anfang, als Gott den Regen zurückhielt, war das Wort des HErrn: „Verbirg dich!“ Jetzt hieß es: „Zeige dich!“ „Alles hat seine bestimmte Zeit“, sagt Salomo; „Schweigen hat seine Zeit und Reden hat seine Zeit“ (Pred 3,1-8). Alles geschieht nach göttlicher Anordnung. Wohl uns, wenn wir Seinem Herzen so nahe sind, Seine Stunde zu kennen!
Die Zeit des Verbergens war vorüber. Welch ein Wechsel sollte jetzt in den Wegen Elias stattfinden! Gehorsam, ohne auch nur ein Wort einzuwenden, verläßt Elia das friedliche Haus der Witwe, um sich dem nach seinem Blute dürstenden Ahab zu zeigen. Wie köstlich ist das Bild eines demütigen, gehorsamen Knechtes! Möchten auch wir mehr dieses Bild tragen! Wußte Elia, als er sich aufmachte, Ahab zu begegnen, was seiner wartete? Wir wissen es nicht. Gott aber läßt ihn über nichts im Unklaren. Auf seinem Wege zu Ahab muß ihm Obadja begegnen, und durch diesen erfährt er, mit welch tödlichem Haß er von dem König gesucht wird, und weiter, daß die schreckliche Isebel die Propheten Jehovas bereits ausgerottet habe. Meinst du, daß diese Mitteilung keinen Eindruck auf Elias Herz machte? War er nicht „ein Mann von gleichen Gemütsbewegungen wie wir“? Jenem Manne sollte er sich jetzt zeigen. Mußte diese Nachricht nicht wiederum eine neue Probe für Elias Glaubensgehorsam sein? Aber die Jahre der Verborgenheit hatten ihn für die neuen und großen Aufgaben, die jetzt seiner warteten, zubereitet. Er hatte in Gottes Schule gelernt, sich der allmächtigen Hand seines Gottes zu überlassen, der das Leben erhalten und wiedergeben konnte; im Glauben ging er den dunklen ihm von Gott gewiesenen Weg.
Jemand möchte fragen: Wozu war es nötig, sich Ahab zu, zeigen? Gott konnte doch Regen geben, ohne Seinen Knecht der Gefahr auszusetzen, von Ahab getötet zu werden! Gewiß hätte Gott ohne Begegnung Elias mit Ahab Regen geben können, aber als Elia dem König anzeigte, daß weder Tau noch Regen sein werde, fügte er hinzu: „Es sei denn auf mein Wort!“ (1Kön 17,1) Dieser Ausspruch gibt uns die Erklärung für den Auftrag: „Gehe hin, zeige dich Ahab; und Ich will Regen geben auf den Erdboden.“ Auf das Wort Seines Knechtes an Ahab hatte Gott den Regen zurückgehalten, und wieder auf das Wort Seines Knechtes an Ahab sollte er wiederkehren. (Vgl. 1Kön 17,1 mit 1Kön 18,41) Elia mußte deshalb mit Ahab zusammenkommen. Hätte Gott Regen ohne die vorherige Ankündigung durch Elia gegeben, so hätte Sein Knecht als ein falscher Prophet und der Eintritt des Regens als ein Erfolg der Baalspriester und eine Tat Baals hingestellt werden können. Kein Durchschlupf sollte dem König gelassen werden, das ganze Volk sollte wissen, daß dieses Gericht von Jehova gekommen und von Jehova allein auch wieder aufgehoben wurde. Köstlich ist es auch, zu sehen, wie Gott hierin Elia anerkennt und das Wort Seines Knechtes rechtfertigt. Wenn der Herr uns eine Botschaft anvertraut und uns aussendet, so verbindet Er Sich in Seiner Gnade auch mit uns. Er sagt: „Wer aufnimmt, wen irgend Ich senden werde, der nimmt Mich auf. Wer aber Mich aufnimmt, nimmt den auf, der Mich gesandt hat.“ Welch ein köstliches und ermutigendes Wort für die Boten des HErrn!
Schrecklich müssen diese drei Jahre und sechs Monate der Dürre gewesen sein. Sie erinnern uns an die drei und ein halb Jahre der großen Trübsal im Buche Daniel und der Offenbarung. Der Himmel war verschlossen, als ob keine Gnade von dorther mehr zu erwarten sei, und der Prophet Gottes, auf dessen Wort der Himmel sich wieder öffnen und Tau und Regen spenden solle, war wie vom Erdboden verschwunden, und das ganze Volk diente dem Baal; und doch waren 7000 noch in Israel, die ihre Knie vor Baal nicht gebeugt hatten. Niemand wußte von ihnen, weil sie ihren Glauben an Jehova verbargen. Gott allein kannte sie, und Er allein vernahm ihr Seufzen in dieser schrecklichen Zeit der Not. Und Er, der barmherzig und gnädig ist und nicht immerdar rechtet, gedachte sicher auch dieser schwachen Gläubigen, die Ihn fürchteten; „denn so hoch die Himmel über der Erde sind, ist gewaltig Seine Güte über die, welche Ihn fürchten.“ (Ps 103,11) Er will wieder in Gnade Seines Volkes gedenken, und Er offenbart Elia Seinen Vorsatz, wieder Regen auf den Erdboden zu geben.
Unser Kapitel beginnt mit der Ankündigung des Regens und schließt mit dem Eintreten eines starken Regens. Was aber zwischen der Ankündigung des Regens und dem Eintritt desselben stattfand, ist von tiefster Bedeutung für uns. Ehe Er den Regen gab, hatte Er ein Wort mit den Menschen zu reden - mit Obadja - mit Ahab - mit dem Volke - mit den Propheten des Baal. Mit allen diesen wollte Gott reden, bevor Er den Regen gab. In allen Personen dieses Kapitels kann man gewisse Klassen von Menschen unterscheiden; in Elia sehen wir den Menschen Gottes - Gläubige, die in Entschiedenheit abgesondert vom Bösen treu für den Herrn stehen; in Obadja sehen wir die große Masse der Unentschiedenen, die vermischt mit der Welt kein Zeugnis für den Herrn sind; Ahab ist das traurige Bild des Götzendieners, der Jehova den Rücken gewandt hat, das Volk ist die urteilslose, von Würdenträgern beherrschte Masse; die Propheten des Baal sind die falschen Lehrer, die die „Lehren von Dämonen“ (1Tim 4,1) in Gottes Volk hineintragen. Wie gesagt, mit allen diesen wollte Gott reden und sollte gehandelt werden, ehe Er den Segen des Regens und den Regen des Segens gab.
Auch das Verhalten Elias ist reich an Unterweisung für uns. Wahr und ernst spricht er mit Obadja, in Strenge mit Ahab, Entschiedenheit fordert er vom Volk, und in Gerechtigkeit handelt er mit den Propheten des Baal. Nach dem Worte des HErrn: „... Jener Prophet ... soll getötet werden, denn er hat Abfall geredet wider Jehova ... um dich abzuleiten von dem Wege, auf welchem zu wandeln Jehova, dein Gott, dir geboten hat. Und du sollst das Böse aus deiner Mitte hinwegschaffen.“ (5Mo 13,5)
Auch heute schaut Gottes Volk nach dem Regen des Segens aus. Warum bleibt er aus? Wo sind die Hindernisse? Zwischen der Verheißung des Segens und dem Empfang desselben steht unsere Treue. Hat Gott auch mit uns ein Wort über Weltsinn, Götzendienst, Unentschiedenheit, falsche Lehren zu reden?
Nach diesem allgemeinen Überblick kommen wir zu den Einzelheiten unseres Kapitels. Gott hatte Elia Seinen Vorsatz, Regen zu geben, mitgeteilt. Nun unterbricht der Heilige Geist Seinen Bericht und macht uns mit der Person des Obadja und der Hungersnot, die über Samaria gekommen war, bekannt. Wie schwer die Hungersnot war, sehen wir daraus, daß der König selbst ging, an den Wasserquellen und Bächen Gras zu suchen, um, wenn möglich, seine Pferde und Maultiere am Leben zu erhalten. So schwer Jehovas Hand auch auf dem König und seinem Lande lag, keine Reue, keine Demütigung unter die gewaltige Hand Gottes kam in sein Herz, sondern seine Seele war mit Zorn und Haß gegen Gott erfüllt. Welch ein Bild der Feindschaft und Härte des menschlichen Herzens!
Ganz im Gegensatz zu Ahab berichtet uns der Heilige Geist von Obadja, daß er ein Mann war, der Jehova sehr fürchtete. In den Tagen, als die gottlose Isebel die Propheten Jehovas ausrottete, unternahm er das Wagnis, das ihn sein Leben hätte kosten können, hundert Propheten der Mordgier Isebels zu entziehen, indem er je fünfzig in einer Höhle verbarg und dort mit Brot und Wasser versorgte. Warum teilt uns der Heilige Geist dieses mit? Augenscheinlich, damit wir wissen sollen, daß Obadja wirklich ein gläubiger und Jehova fürchtender Mann war. Das Gleiche, was hier der Heilige Geist von ihm berichtet, sagt etwas später Obadja von sich selbst zu Elia (V. 13). Hätte der Heilige Geist uns dies aber nicht schon zuvor berichtet, wir würden es nicht für möglich gehalten haben, daß ein Mann, der Jehova sehr fürchtet, am Hofe eines Ahabs und einer Isebel den geehrten Stand eines Hofmeisters hätte haben können. Wir würden ihn höchstens für einen Scheingläubigen halten. Und ist es nicht ein schlechtes Zeichen, wenn wir, um andere von unserem Gläubigsein zu überzeugen, uns erst auf unsere Taten berufen müssen?!
Wie muß Obadja es verstanden haben, seinen Glauben und seine Gottesfurcht zu verbergen, daß selbst die scharfen
Augen einer Isebel ihn nicht zu entdecken vermochten, sondern daß ihm soviel Vertrauen und Wohlwollen zuteil wurde, daß er über das ganze Haus Ahabs gesetzt wurde!
In diesem Hause, dessen Versorgung durch seine Hand ging, aßen hunderte von Baalspropheten. Was mußte seine Seele darüber empfinden! Die, welche hier aßen, waren es, die das Volk zum Abfall und unter Gottes Gericht gebracht hatten. Sie aßen, und das Volk starb vor Hunger.
Lot quälte einst seine gerechte Seele durch das, was er in Sodom sah und hörte. Was sah und hörte Obadja im Hause Ahabs? Mußte es nicht in seiner Seele und in seinem Gewissen heißen: „Hier ist nicht dein Platz!“ Hier in diesem Hause, wo er die Anordnungen und Befehle der Isebel zur Tötung des Propheten Jehovas erlebte, hier, wo der Haß gegen Jehova auf Seine Propheten übertragen und von den 400 Götzenpriestern, die Tag für Tag am Tische der Isebel aßen, täglich neu geschürt wurde, da war er ein geehrter Mann. Sicherlich fühlte er den Haß gegen Jehova und empfand mit die Leiden seiner Brüder, der Propheten Jehovas, und es gelang ihm, hundert dieser Propheten der Mordgier Isebels zu entziehen. Die Schrift sagt uns nicht, wie er es vermochte, diese hundert Männer in der Zeit der Hungersnot und Dürre mit Brot und Wasser zu erhalten. Sein beunruhigtes Gewissen mochte sich damit erleichtern, daß er seine Stellung in Ahabs Hause, seine Verbindungen in der Beschaffung der Nahrungsmittel zum Nutzen und zur Rettung der hundert Propheten benutzt habe. Heimlich suchte er Jehova zu dienen, offenkundig vor den Blicken der Menschen aber diente er Ahab. Nehmen wir an, Elia oder Daniel hätten in diesem Hause gestanden, würden sie nicht für die Rechte Jehovas eingetreten sein und ihr Zeugnis mit ihrem Blute besiegelt haben?
Ach, Obadja ist ein Beispiel jener Klassen von Gläubigen, die, obwohl Kinder Gottes, doch mit der Welt verbunden sind. Gar manche betrügen sich mit dem Gedanken, in ihrer gottwidrigen Gemeinschaft mit der Welt bleiben zu können, weil sie durch ihre einflußreiche Stellung und ihr Ansehen glauben, dem Volke Gottes besser nützen zu können. Ach, solche haben noch nicht erkannt, daß zwischen Licht und Finsternis keine Gemeinschaft, zwischen Christus und Belial keine Übereinstimmung sein kann. Jede Gemeinschaft des Gläubigen mit der Welt bringt ihn unter ihren Einfluß und läßt ihn die Treue zum Herrn aufgeben. Die Gegensätze, die wir in dieser Hinsicht bei Elia und Obadja sahen, sehen wir z. B. auch bei Micha und Josaphat, bei David und Jonathan und a. m. Micha, der Prophet, wurde von Ahab ins Gefängnis geworfen, wogegen Josaphat zur gleichen Stunde von Ahab geehrt wurde. Der eine litt um seines treuen Zeugnisses willen, der andere saß am königlichen Festmahl. Diese Gemeinschaft mit Ahab kostete Josaphat aber fast das Leben. Was mochte Josaphat gefühlt haben, als er geehrt und sein Bruder mit Drangsal gespeist wurde?! David, verfolgt und verworfen, verbarg sich in der Höhle Adullam. Jonathan aber blieb in dem Hause seines gottlosen Vaters Saul, obwohl sein Herz mit David war, und er wußte, daß diesem der Königsthron werden würde. Wie kam es, daß Jonathan von den Philistern erschlagen wurde? Warum hing sein Leichnam an der Mauer von Beth-Schan? Weil er in seinem Leben nicht mit David, sondern mit Saul verbunden war. Wie groß war sein Verlust? Wie groß wird unser Verlust sein, wenn wir es an der Treue zum Herrn fehlen lassen! Der Tag ist nahe, wo der Herr kommt und Sein Lohn mit Ihm.
Gläubige, die für sich selbst diese Absonderung nach 2Kor 6,14-18 nicht verwirklichen, haben das Verbleiben Obadjas als ein Ausharren in Treue, unter schweren Umständen hingestellt und versucht, es durch die Treue Daniels im Hause des heidnischen Königs von Babel und anderer treuer Männer in ähnlichen Lagen zu begründen und zu rechtfertigen. Ein solcher Vergleich Daniels mit Obadja ist nicht nur unzulässig, sondern auch irreführend. Daniel war nicht freiwillig wie Obadja im Hause des Königs und ebenso nicht Nehemia in der Burg Susan, noch Joseph in dem Hause Potiphars. Diese Männer traten treu für ihren Gott ein. Wie kühn stand Daniel vor Belsazar und wie offen diente er „ohne Unterlaß“ seinem Gott, selbst angesichts der Löwengrube (Dan 6,11.17). Obadja dagegen wagte nicht, Ahab den Namen Elias, geschweige denn den Namen Jehovas zu nennen, aus Furcht, getötet zu werden. Obadjas Aufenthalt brachte dem Hause Ahabs keinen Segen. Welch ein Segen ging dagegen von Daniel, Nehemia und Joseph aus (1Mo 39,5), die treu ihren Gott bekannten!
Elia ist auf dem Wege in das Land Israels, sich Ahab zu zeigen. Bevor aber Elia mit Ahab zusammentrifft, muß Obadja seinen Weg kreuzen. Hier haben wir wieder ein Beispiel, wie Gott die Wege der Menschen führt und ihre Schritte leitet. Der eine geht auf das Wort Jehovas, den Regen, mit welchem Gott Sein Volk segnen will, einzuleiten, der andere geht auf das Wort Ahabs, um Gras für dessen Pferde zu suchen. Gott aber überwaltet die Schritte dieser Männer so, daß Ahab und Obadja getrennte Wege gehen mußten, damit Elia zuerst Obadja und danach Ahab begegnen und somit das Gewissen dieser beiden Männer einzeln berühren konnte. Wie wenig beachten wir oft die Wegführungen unseres Gottes! Salomo sagt: „Das Herz des Menschen erdenkt seinen Weg, aber Jehova lenkt seine Schritte.“ (Spr 16,9)
So war es auch bei Ahab. Jehova lenkte seine Schritte, Elia zu begegnen. Er dachte nur an seine Rosse und Maultiere und teilte das Land unter sich und Obadja, um an den Wasserquellen und Bächen Gras zu suchen. Ach, daß sie sich zu Jehova gewandt hätten, statt zu den Wasserquellen dieser Erde zu gehen, und Gnade für sich gesucht hätten, anstatt Gras für die Pferde! Gott aber war in den Gedanken Ahabs ausgeschlossen. Er trug Sorge für seine Rosse und Maultiere und keine Sorge für sein Volk. Obwohl er ein Israelit war, hatte er doch den Glauben an Jehova aufgegeben. Seine Gedanken waren nur auf das Irdische gerichtet. Möchten wir uns warnen lassen! Irdische Interessen können das innere Leben des Glaubens so völlig ersticken, daß die himmlischen Dinge nichts Anziehendes mehr für unser Herz haben. Prüfen wir uns! Worauf sind unsere Gedanken gerichtet, und wohin gehen die Neigungen unseres Herzens? Und was ist unser Ziel? Möchten wir mehr in das Heiligtum gehen, um das Ende zu sehen! (Ps 73,17) Denn „diese Welt vergeht und ihre Lust“. (1Joh 2,17)
Als Obadja auf dem Wege ist, Gras für die Pferde seines Herrn zu suchen, kommt ihm Elia entgegen. Der Heilige Geist teilt uns nun die Worte, die bei dieser kurzen Begegnung gesprochen wurden, wörtlich mit; sie sind deshalb auch bedeutungsvoll für uns. Obadja erkennt Elia sofort, er fällt auf sein Angesicht und spricht: „Bist du es, mein Herr Elia?“ Diese Worte verraten uns die Bestürzung und den Schreck, der durch seine Seele geht. Was hatte er von Elia zu erwarten? Schuldbewußtsein, Erwartung eines Tadels mochten sich mit seinem Schreck verbinden. Im Hause Ahabs war er der Angesehene, der Größere. Jetzt aber standen beide in Gottes Gegenwart, und hier spürt er die Größe des treuen Zeugen Jehovas, so daß er auf sein Angesicht fällt und fragt: „Bist du es, mein Herr Elia?“ Er kann es noch nicht fassen, daß es Elia wirklich ist. Vielleicht empfand er, daß jetzt mit dem Erscheinen Elias gewaltige Dinge geschehen würden. Elia beschränkte seine ganze Antwort auf die wenigen Worte: „Ich bin's; gehe hin, sage deinem Herrn: Siehe, Elia ist da!“ Er fügt nicht einmal den Namen „Ahab“ hinzu, als er von seinem Herrn spricht. Für Elia hatte Obadja keinen anderen Herrn mehr als nur noch Ahab; Obadja ist für ihn nur noch der Knecht des gottlosen Ahab und nicht mehr der Knecht Jehovas. - Er empfing seine Aufträge von Ahab - Elia die seinigen von Jehova. - Welch ein Gegensatz zwischen Obadja und Elia! Was hatte ein Mann, der Jehova von seiner Jugend an fürchtete, im Hause eines Königs zu tun, der ein offener Feind Jehovas war und der den treuen Propheten Jehovas mit tödlichem Haß verfolgte, wogegen Obadja seine Gunst genoß?
Wie befremdend, zurückhaltend, ja kalt ist die Begegnung Obadjas mit Elia! Kein Ausdruck der Freude, den treuen Knecht Jehovas zu sehen, kommt über Obadjas Lippen. Fürchteten nicht beide Jehova, den Gott Israels? Waren sie nicht wirkliche Brüder? Aber sie dienten in Wahrheit nicht einem gemeinsamen Herrn. Auch auf Elias Seite ist keine Freude über das Zusammentreffen mit dem Manne, der Jehova fürchtete, spürbar. Warum fehlte jede Herzlichkeit? Welche Gemeinschaft kann zwischen einem Knecht Jehovas und einem Diener Ahabs bestehen? Wie ganz anders war es, als sich einst zwei Brüder, Mose und Aaron, am Berge Gottes begegneten! Diese standen beide im Dienste eines Herrn. Und Aaron begrüßte seinen Bruder mit dem Kuß der Liebe. (2Mo 4,27)
Elia bestätigt Obadja nur kurz seine Frage, daß er es sei, und beauftragt ihn alsdann, dem gottlosen Ahab seine Gegenwart anzuzeigen. Obadja fühlte die Schwere dieses Auftrages; er sollte den Propheten Jehovas dem Ahab verraten und dem Tode ausliefern. Wir können verstehen, wie schwer das einem Manne sein mußte, der in seinem Herzen Jehova fürchtete. Dreimal versuchte er, von diesem Auftrag loszukommen. Die Antwort, die Obadja in den Versen 9 bis 14 auf diesen Auftrag Elias gibt, wirft ein helles Licht auf das Innenleben Obadjas. Wohl fürchtete er Jehova, aber das dreimalige Hinzufügen: „Er wird mich töten“ zeigt uns, wie groß die Furcht war, mit der er den Menschen Ahab fürchtete. (Spr 29,25a)