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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 10 -Jahrgang 1925
Der Gerechte wird aus Glauben leben
Heb 11,15-19 - „Der Gerechte aber wird aus Glauben leben“ (4)Heb 11,15-19 - „Der Gerechte aber wird aus Glauben leben“ (4)
Der 15. Vers unseres Kapitels enthält das ernste Wort „zurückkehren“. Es führt uns vor Augen, daß es eine Möglichkeit gibt, zurückzugehen. Von jedem neuen Licht, von jedem neuen Segensweg, den Gott uns zeigt, können wir, wenn wir es wollen, uns zurückziehen. Man verstehe mich nicht falsch, ich meine nicht, daß ein Gläubiger verloren gehen kann, sondern daß, wenn Gott den Gläubigen durch das Wort der Wahrheit weiteres Licht gibt, es an dem Gläubigen ist, durch seinen Gehorsam zu beweisen, daß Gottes Gnade ihn frei gemacht hat von allem eigenen Willen, um dem Herrn zu folgen. Wir sind ein für allemal errettet, aber dann überläßt Er es sozusagen uns, ob wir Ihm von Herzen folgen wollen. Er zwingt uns nicht, Ihm zu folgen, wir können es tun und auch lassen.
So sehen wir es bei dem blinden Bartimäus; als der Herr Jesus ihm die Augen geöffnet hatte, zwingt Er ihn nicht, Ihm zu folgen. Er sagt: „Gehe hin“. Aber was tut Bartimäus? Wir lesen, er folgte Ihm nach auf dem Wege. Er hätte mit der Volksmenge gehen können, aber er ging mit Jesus. Jesus hatte ihm sein Augenlicht gegeben, und er wollte jetzt Ihm folgen. (Mk 10,46-52).
So war es auch bei den Heiligen des Alten Testamentes. Sie kehrten nicht zurück, sondern sie gingen hin, ein besseres Vaterland zu suchen. Heute aber können wir Christen sehen, die, obgleich sie Christum als ihren Heiland angenommen haben, wieder zur Welt zurückkehren. Weil ihr Herz dorthin zurückgekehrt ist, deshalb wandeln sie wieder mit der Welt, als gehörten sie zu ihr, obgleich sie niemals wieder zur Welt gehören können. Das Kreuz, das uns von dem ewigen Verderben befreit hat, hat uns auch für immer von der Welt frei gemacht. Zwischen uns und der Welt steht das Kreuz Christi. Ich muß, wenn ich zur Welt umkehren will, gleichsam über das Kreuz Christi hinwegschreiten. Dies ist ein sehr ernster Gedanke.
Wenn die Heiligen des Alten Testamentes im Glauben die Verheißungen festhielten, wieviel mehr sollten wir, die wir einen lebendigen Heiland haben, der für uns bittet, dieses tun. Sie begehrten ein besseres Vaterland, und deshalb schämte Sich Gott nicht, ihr Gott genannt zu werden. Wie köstlich und gesegnet ist dieses! Abraham vertraute Gott in bezug auf eine Stadt, und Gott schämte Sich nicht, sein Gott genannt zu werden, denn Er hatte ihm eine Stadt bereitet.
Wenn nicht Seine unumschränkte Gnade über uns waltete, ich denke, Gott müßte Sich sehr oft Seines Volkes schämen, Sich schämen, von ihnen als ihr Gott angerufen zu werden. Nicht, weil Er sie nicht als Seine Kinder anerkennen möchte, das tut Er um Seines Sohnes willen, sondern weil Er Sich um ihrer Wege willen schämen muß, ihr Gott genannt zu werden. Wir wissen, was es ist, wenn wir uns des schlechten Wandels wegen eines Bruders oder einer Schwester schämen. Wenn wir mit jemand beisammen sind, an dessen guter Meinung uns viel liegt, und wir dann jenen Bruder oder jene Schwester treffen, wie gern möchten wir dann an solchen vorübergehen, als hätten wir keine Beziehungen zu ihnen, und werden wir dann zur Rede gestellt, wie möchten wir dann so wenig wie möglich sagen von dem, was wir wissen!
Schämte Sich Gott Lots, als Er nicht in sein Haus gehen wollte? Die Engel wollten nicht in sein Haus hineingehen, als schämten sie sich seiner und seines Hauses. Und als sie hineingingen, taten sie es, um Lot zu schirmen und ihn dann so schnell wie möglich herauszuführen. „Gehet heraus,“ war ihr Wort zu Lot, „gehet heraus aus diesem Ort usw.“ Und sobald sie es konnten, verließen sie ihn. Wie ganz anders war es bei Abraham. Er wird „Freund Gottes“ genannt (Jak 2,23). Gott sagt: „Soll Ich vor Abraham verbergen, was Ich tun will? Wie wenige mag es heute geben, die Gott so nennen und anerkennen kann. Wir jagen oft so unseren eigenen Dingen nach, daß wir Gott gar nicht soviel Raum lassen, daß Er mit uns wandeln und uns zu Seinen Freunden machen kann. Ist das nicht beschämend und demütigend?! Und andererseits wieder, wie gesegnet ist es, daß, obgleich Gott Sich oft Seines Volkes schämen mußte, Er doch niemals etwas von dem zurücknahm, was Er ihnen einmal gegeben hatte. Wen Er errettet, den errettet Er völlig. Sehen wir auf Petrus; er fehlte und er fehlte schrecklich. Nahm der Herr ihm die anvertrauten Schlüssel des Reiches weg? Nein, Er führte ihn zurück, Er stellte seine Seele wieder her und gab ihm noch Größeres, Herrlicheres, als das Reich war, hinzu, nämlich die Sorge für Seine Lämmer und Seine Schafe.
In den Versen 17, 18 und 19 sehen wir den Glauben als die treibende Kraft der Hingabe an Gott. Diese drei Verse enthalten etwas ganz anderes, als was wir bisher betrachtet haben. In den anderen Versen haben wir gesehen, was Gott Abraham gab. In diesen drei Versen finden wir, wie Abraham Gott etwas zurückgab von dem, was Gottes Liebe ihm gegeben hatte. Abraham hatte einen Sohn, einen, der ganz verschieden war von seinen anderen Söhnen. Dieser eine Sohn war ihm nicht auf dem bloß natürlichen Wege gegeben worden, sondern einzig und allein als eine Antwort auf seinen Glauben an Gottes Verheißung. Gott hatte ihm gesagt, daß in Isaak sein Same gefunden werden solle, so daß mit Isaak alles stand und fiel. Abraham glaubte dies, und er empfing diesen Sohn, als er hochbetagt und Sarah nicht mehr in dem Alter war, nach der Naturordnung ihm einen Sohn zu schenken. Nun stellte Gott Abraham auf die Probe.
Wir wollen hier beachten, daß Gott den Glauben Abrahams nicht im Anfang prüfte, als Er ihn berief. Er rief ihn zuerst heraus aus Ur in Chaldäa, dann führte Er ihn Schritt für Schritt, bis Er seinen Glauben gestärkt hatte. Dann gibt Er ihm das große Geschenk, den verheißenen Sohn, und alsdann tritt er an Abraham heran und fordert ihn gleichsam auf, Ihm den Sohn wieder zurückzugeben. Und trotzdem alle Segensverheißungen in diesem Sohne ihm gegeben waren, findet Gott Abraham bereit und willig, Ihm Isaak wieder zurückzugeben. Wie wenig wissen wir von solcher Bereitwilligkeit! Wir sind wohl bereit und froh, Ihm unsere Sünden zu bringen, weil wir wissen, daß sie uns in die Verdammnis führen, aber wie wenig sind wir bereit, Ihm etwas von den Segnungen, die Er uns gegeben hat, zurückzugeben!
Gott hatte Abraham in Hülle und Fülle gesegnet; Er konnte ihm nicht mehr geben, als Er ihm gab. Abraham wandelte mit Gott in der Vertrautheit eines Freundes, und Gott prüft jetzt Abraham, ob er bereit sei, Ihm von dem, was Er ihm gegeben, etwas zurückzugeben (1Mo 22). Er ruft: „Abraham!“, und Abraham antwortet sofort: „Hier bin ich!“ Es ist ihm keine Frage, ob Gott auch wirklich ihn meine oder ihn riefe, sondern er erwidert sofort, so wie es einer tut, der im freundschaftlichen Verkehr mit dem anderen steht. Wie einfach spricht er: „Hier bin ich!“ Wie oft hören wir Gläubige miteinander im natürlichen Tone sprechen, sobald wir sie aber mit Gott reden hören, verändern sie ganz den Ton ihrer Stimme und die Weise ihres Sprechens. Warum das? Es mangelt ihnen an der Einfachheit. Sollten wir nicht alle in solcher Vertrautheit mit Gott wandeln, daß wir sagen können: Da ist keiner, mit dem ich so offen reden kann wie mit Gott? Ich meine, es sei niemand da, mit dem wir so einfach, so sachlich, so offen und so ungekünstelt reden könnten, als wie mit Gott.
Man sieht die Leute, wenn sie in die sogenannten Stätten des Gottesdienstes gehen mit geneigtem Haupte und verhaltenem Atem. Was beweist das? Sie wandeln in ihrem täglichen Leben nicht mit Bewußtsein und aus Gewohnheit vor Gottes Angesicht. Gott steht nicht auf ein geneigtes Haupt; Er sieht auf ein geneigtes Herz. Sicher geziemt es uns, demütig zu sein. „Er ist der Hohe und Erhabene“, der, welcher „bei dem, der zerschlagenen und gebeugten Geistes ist“, wohnt, wie wir lesen in Jesaja 57,15. Wir können gewiß sein, daß Abraham demütig und zerschlagenen und gebeugten Geistes war, aber er war dabei einfach. Und, Geliebte, je mehr und je vertrauter der Verkehr mit Gott ist, desto einfacher werden wir sein. Antwortete Gott dem Pharisäer, der im Tempel, umgeben von den frommen Dingen der Religion, lange Gebete sprach? Wie wirklich sprach Gott aber dagegen mit dem Sünder, als er sich einfach und aufrichtig an Ihn wandte. Sieh den Herrn Jesus an, den niedrig gesinnten Jesus von Nazareth, wie Er mit dem Fischer Petrus redet oder mit Jakobus oder mit Johannes. Sieh, wie Er in Bethanien mit allerlei Leuten beim Mahle sitzt, Martha dient, Maria sitzt zu Seinen Füßen; schau auf Abraham, er bittet Gott, bei ihm zu essen, und Er tut es! Dies zeigt uns, wie einfach Gott mit Seinen Kindern verkehrt. In Jesus, wie Er mit Petrus redet und verkehrt, können wir Gott sehen im Verkehr mit Arbeitsleuten, denn Jesus ist Gott.
Wenn Menschen Abrahams Geschichte geschrieben hätten, so würden sie Einzelheiten und Ausschmückungen für die Bewunderung Abrahams hinzugefügt haben; wie einfach aber ist Gottes Bericht. Es heißt nur: „Abraham!“ und dann folgt Abrahams einfache Antwort: „Hier bin ich“. Gott fährt fort: „Nimm deinen Sohn!“ (Ismael betrachtet Er gar nicht als seinen Sohn). „Nimm deinen Sohn, deinen einzigen“ - wie mußte das Abrahams Herz prüfen! diesen: „einzigen Sohn, den du lieb hast“ - „und opfere ihn“. Abraham sagt kein Wort; er fragt auch nicht, wie Gott dann Seine Verheißungen zu erfüllen gedenke; er sagt nicht einmal: „Warum?“, sondern ganz einfach und ohne jede Frage gibt er ihn hin. Sofort geht er ans Werk. Er weiß, er hat zu der Stätte zu gehen, die Gott ihm sagen wird, und so macht er sich bereit für die Reise von drei Tagen. Früh am Morgen steht er auf, dann sattelt er den Esel, nimmt zwei von seinen jungen Leuten und seinen Sohn Isaak mit, nimmt Messer und Holz, und ruhig und still bricht er auf. Der Glaube konnte Abraham dies alles tun lassen, die Natur hatte keinen Anteil daran.
In dieser dreitägigen Reise liegt mehr als allein, daß Abraham im Glauben seinen Sohn Isaak an die Opferstätte führt. Ich glaube, wir erblicken in dieser ein Vorbild von Gott Selbst, der Seinen eigenen vielgeliebten Sohn zur Opferstätte führt, um Ihn „für uns alle“ dahinzugeben. Aber doch sehen wir einen großen Unterschied: Er, der Seinen eigenen Sohn nicht verschonte, verschonte den Sohn Abrahams. Was mußte Gottes Herz empfinden während jener drei Jahre, in denen Er Seinen Sohn auf Erden als Opferlamm dem Kreuze auf Golgatha zuführte.
Am dritten Tage hob Abraham seine Augen auf und sah die Stätte in der Ferne. Er spricht mit den beiden jungen Leuten und bittet sie, daselbst zu verweilen, während er dorthin geht, um anzubeten. Isaak und er gehen jetzt allein weiter. Von diesem Augenblick an dürfen wir wohl sagen, treten wir in das Wesen und das Geheimnis des ganzen Vorganges ein. Alles ist jetzt Anbetung. Die wahrhaftigste Anbetung, möchte ich sagen, ist die, die kein Auge sieht und kein anderes Ohr vernimmt als Gottes Ohr. Nichts muß so widerwärtig für Gott sein wie Anbetung, die dargebracht wird, um von Menschen gehört und gesehen zu werden.
Den Gang Abrahams und Isaaks auf dem Wege zum Berge Morija möchte ich mit Gethsemane vergleichen. Dann, angekommen an dem Opferplatze, nimmt Abraham das Holz und legt Isaak darauf. Er ergreift das Messer, um seinen Sohn zu schlachten - er vollführt den Willen Gottes, und Gott sieht es als geschehen an, daß Abraham Ihm gegeben, was Er von ihm verlangt hatte, und Er gibt ihm seinen Sohn wieder.
Wie steht es mit uns? Gehen wir in Abrahams Fußstapfen? Hat Gottes Gnade nicht auch uns manch köstlichen Besitz anvertraut? Er gab ihn uns in Seiner Liebe, und wenn Er jetzt von uns fordert, Ihm denselben zurückzugeben, geben wir ihn bereitwillig und freudig wieder hin? Es mag der teuerste, süßeste, geliebteste Gegenstand unseres Herzens sein, wenn wir durch Gnade ihn dem Herrn hingeben, welch ein Zeugnis ist es für die Kraft des Glaubens! Dies ist etwas, was wir im Himmel nicht haben werden, nur hier auf Erden haben wir Glauben, und Gott versucht und prüft ihn zu Seiner Herrlichkeit und zu unserem Segen. Er prüft unseren Glauben, um zu erproben, ob wir Ihm vertrauen, und wenn Er sieht, daß wir Ihm vertrauen, dann gibt Er uns viel mehr zurück, als Er von uns genommen hat.
Gottes Schatz wird dauernd vermehrt durch den Glauben Seines Volkes. Er führt uns durch mancherlei Versuchungen, wie Petrus sagt: „Auf daß die Bewährung unseres Glaubens viel köstlicher als die des Goldes, das vergeht, aber durch Feuer erprobt wird, erfunden werde zu Lob und Herrlichkeit und Ehre in der Offenbarung Jesu Christi.“ (1Pet 1,7).
Der Herr gebe, daß wir alle mehr von dem Glauben haben möchten, der mit offenem Herzen den Segen, den Gott uns geben kann, aufnimmt und mit offener Hand Ihm im Geiste der Anbetung zurückgibt, was auch immer Er von uns fordern mag!
W. - v. d. K.