Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 11 -Jahrgang 1926
Mt 16,25 - „Glaubensproben“Mt 16,25 - „Glaubensproben“
„Denn wer irgend sein Leben erretten will, wird es verlieren; wer aber irgend sein Leben verliert um Meinetwillen, wird es finden.“ (Mt 16,25).
Die Wahrheit dieses Wortes hat schon manches Gotteskind in seinem Leben erfahren. Unzählige Heilige, besonders in der ersten Christenheit, haben ihr Leben für nichts geachtet und es freudig dahingegehen, um ein besseres Leben dafür einzutauschen, wie es zuerst dem Schächer am Kreuz zugesagt wurde: „Heute wirst du mit Mir im Paradiese sein“ (Lk 23,43). Aber auch im Alten Testament treten uns schon Männer entgegen, welche die Wahrheit dieses Wortes in ihrem Leben erfuhren.
Denken wir an Abraham. Es ist sehr kostbar, sein Leben zu betrachten. Im 12. Kapitel des 1. Buches Mose wird uns berichtet, wie Abram den von Jehova erhaltenen Auftrag ausführt: „Gehe aus deinem Lande und aus deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause, in das Land, das Ich dir zeigen werde. Und Abram nahm Sarai, sein Weib, und Lot, seines Bruders Sohn, und alle ihre Habe, die sie erworben, und die Seelen, die sie in Haran gewonnen hatten, und sie zogen aus, um in das Land Kanaan zu gehen“ (V. 1 und 5). Abram glaubte Jehova und vertraute Seinem Worte, daß Er ihn in das verheißene Land bringen werde. Und sein Vertrauen wurde nicht beschämt. Er kam in das Land Kanaan und erhielt die Zusage: „Deinem Samen will Ich dieses Land geben“ (V. 7). „Und daselbst baute er Jehova einen Altar und rief den Namen Jehovas an“ (V. 8b).
Wie gleicht dieser Weg Abrams unserem Glaubenswege! Sind nicht auch wir herausgerufen aus dieser bösen Welt? Haben nicht auch wir Vater und Mutter zu verlassen und auch unsere Verwandtschaft, um dem Herrn Jesus nachzufolgen? Mit Ihm verbunden, gehören wir einem anderen Lande, einer anderen Welt an. „Unser Bürgertum ist in den Himmeln, von woher wir den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten“ (Phil 3,20). So stimmen die Glaubenswege aller Zeiten und aller Gläubigen wunderbar überein. Auf solchen Wegen des Glaubens werden unsere Herzen mit dem Frieden Gottes und der völligen Freude im
Herrn erfüllt. Wir sehen dieses bei Abram, als er in Freude und Dankbarkeit über die ihm gewordenen Verheißungen Jehova einen Altar baute und den Namen Jehovas anrief.
Weiter lesen wir: „Und Abram zog fort, immer weiter ziehend, nach dem Süden. Es entstand aber eine Hungersnot im Lande; und Äbram zog nach Ägypten hinab, um sich daselbst aufzuhalten, denn die Hungersnot war schwer im Lande“ (V. 9.10). Warum zog Abram fort? Hatte er Auftrag von Jehova, nach Ägypten zu ziehen? Nein! Er sorgte um sein Leben und suchte der Hungersnot zu entgehen. Sein Auge blickte nicht mehr auf den Gott der Herrlichkeit, der ihm erschienen war, sondern auf die Hungersnot. Und um sein Leben zu erhalten, zog er nach Ägypten. Es kam ihm vielleicht nicht einmal zum Bewußtsein, daß er damit den festen Untergrund des Glaubens verlassen, daß er schwach im Glauben geworden und nicht mehr Gott vertraute, ihn in den Tagen der Hungersnot erhalten zu können. So konnte es nicht ausbleiben, daß Abram fiel. Auf dem selbstgewählten Wege nach Ägypten lief er Jehova aus der Schule, und nun mußte er die schmerzliche Erfahrung machen, daß er in die Gefahr, sein Leben zu verlieren (die er fliehen wollte), erst recht hineingeraten war.
Er wußte, daß sein Weib Sara von großer Schönheit war; dies hatte ihn bis dahin nicht beunruhigt, aber nun, auf dem Wege nach Ägypten, wurde er mit Furcht erfüllt, daß sie ihn um ihrer Schönheit willen töten möchten, um sie zu besitzen. Eben erst auf dem Wege, dem vermeintlichen Hungertode zu entrinnen, tauchte eine neue Gefahr auf, durch welche er sein Leben bedroht sah. Ehe er das Land Ägypten betrat, erfuhr er schon auf dem Wege etwas von der Wahrheit des Wortes: „Wer sein Leben erretten will, wird es verlieren“. Und dieselben Erfahrungen machen wir, wenn wir uns auf Abwegen von Gott in der Welt befinden.
Kehrte nun Abram um, um sich in Buße wieder unter den Schutz des allmächtigen Gottes zu stellen? Im Gegenteil, er suchte, ehe er das Land Ägypten betrat, einen Ausweg, und er meinte, dieser Gefahr mit einer Lüge begegnen zu können. Wie töricht ist doch das Menschenherz! Der Gefahr der Hungersnot konnte er nicht mit einer Lüge entgegentreten, da war er allein auf die allmächtigen Hände seines Gottes angewiesen, aber in der Gefahr der Gewalttätigkeit der Menschen glaubte er sich mit einer Lüge helfen zu können. Wenn wir einmal die abschüssige Bahn betreten haben, wie schnell geht es dann doch bergab! Gott deckt das vertraute Gespräch der Ehegatten auf. Wie traurig war diese Abmachung mit seinem Weibe. Lag nicht darin, daß sie sich gefaßt machten, voneinander getrennt zu werden? Und so geschah es. Sein Weib wurde in das Haus des Pharao geholt (V. 15).
Jehova aber gab Sarai nicht preis, Er trat ins Mittel. Bis soweit hatte Er Seinen Knecht gehen lassen. Er sollte erkennen, wohin ihn seine eigenen Wege und die Sorge um sein Leben führen würden. In Seiner Gnade befreite Er ihn samt seinem Weibe aus dieser sich selbst geschaffen habenden bösen Lage und brachte ihn nach Bethel zu dem Ausgangspunkt (wo er Jehova verlassen hatte) zurück. In dieser Rückkehr nach Bethel, dem Ausgangspunkte seines verkehrten Weges, liegt ein göttlicher Grundsatz, der für alle Abgeirrten eine Wegweisung enthält. Wie groß ist die Güte Jehovas! In Seiner Treue wacht Er über alle unsere Fehler, Mängel und Schwachheiten, und „wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist Er treu und gerecht, daß Er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit“ (1Joh 1,9). Und „Er ist Derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit“ (Heb 13,8).
Auch die Irrwege der Gläubigen von heute gleichen oft denen Abrahams. Von Stufe zu Stufe geht es oft abwärts bis nach Ägypten - zur Welt zurück. Der Pharao dieser Welt hat viele Helfershelfer, und er erweist seine Macht oft erschreckend an denen, die vom Glauben abirren und ihr Leben erretten wollen.
Auch Jakob ging einen ähnlichen Weg der Selbsthilfe, um das Erstgeburtsrecht zu erlangen. Wir wissen, der Name Jakob bedeutet „Ränkeschmied, Überlister“, und solch einer war er sowohl seinem alten Vater als auch Esau und später Laban gegenüber, und schließlich war er selbst der Überlistete, als Laban ihm die Lea statt der Rahel gab.
Solche Jakobswege und Enttäuschungen gehen und erfahren heute noch manche. Jahre des Lebens wenden sie daran, um nach Menschenweise ihr Ziel zu erreichen, und Enttäuschung ist das Ergebnis. Ihr Lohn ist eine Lea. Aber wieder geben sie sich daran, um ihr Ziel zu erreichen und die Rahel zu verdienen, und finden schließlich bei ihr Götzen, Trübsal und Schmerz.
Eins aber finden wir bei Jakob: er rang mit Gott und ließ nicht los, bis er, in sich selbst zerbrochen, gesegnet wurde und einen anderen Namen empfing. Aus dem Jakob wurde ein Israel.
Auch Abram kehrte um, zwar ausgewiesen von Pharao, doch unter dem ehrenvollen Geleite seiner Männer.
Vielleicht liest ein abgeirrtes Gotteskind diese Zeilen, welches Gottes Schule entlaufen und den Boden des Glaubens verlassen hat, um sein Leben zu retten oder bessere Tage zu sehen. Lerne von Jakob und von Abraham, die Bedenken des Unglaubens aufzugeben, und stelle dich wieder unter den Schutz deines Gottes im Wandel nach Seinem Wort!
Wir wissen, Abraham fiel später noch einmal in denselben Fehler. Wir lesen im 20. Kapitel: „Und Abraham brach auf von dannen nach dem Lande des Südens ... und hielt sich auf zu Gerar. Und Abraham sagte von Sara, seinem Weibe: Sie ist meine Schwester. Da sandte Abimelech, der König von Gerar, und ließ Sara holen.“
Aber Gottes Güte trat auch in dem Lande der Philister für Seinen Knecht ein. Welch ein Gott! „Ja, barmherzig und gnädig ist Er und von großer Güte! Ihm sei Lob, Preis und Ehre bis in Ewigkeit!“
Auch Abimelech mußte Abraham sein Weib unversehrt zurückgeben. Aber was mußten Abraham und sein Weib von ihm hören? Wie beschämend waren seine Worte für Abraham: „Was habe ich wider dich gesündigt, daß du über mich und mein Reich eine große Sünde gebracht hast? Dinge, die nicht getan werden sollten, hast du mir angetan“ (V. 9). Und zu Sara sprach er: „Siehe, ich habe deinem Bruder 1000 Silbersekel gegeben; siehe, das sei dir eine Augendecke vor allen“ (V. 16). Das war eine tiefe Demütigung, die Abraham vor diesen Heiden empfing. Was mußten sowohl Abrahams wie Saras Herz bei diesen Worten eines Heiden empfinden!
Aller Erkenntnis geht ein Kennenlernen voraus. So schmerzlich solche Wege auch sind, aber auf denselben lernen wir Gott kennen. Abraham erfuhr, daß er es mit einem
Gott der Errettung und der Erbarmungen zu tun hatte, bei dem viel Güte und viel Vergeben war. Auf diesen Wegen der Glaubensprüfungen wuchs und erstarkte sein Glaube bis zum Bestehen der letzten großen Glaubensprobe, seinen einzigen Sohn, den er lieb hatte, Jehova zu opfern. Gott hatte Sein Ziel an Abraham erreicht: „Abraham glaubte Gott, und es wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet, und er wurde Freund Gottes genannt“ (Jak 2,23).
Gleicht nicht unsere Lebensgeschichte oft denen der Gläubigen des Alten Bundes? Müssen nicht auch wir bekennen, daß wir so langsam sind, nach Bethel zurückzukehren? Ja, machen wir den Weg von Pharao zu Abimelech nicht oftmals, den Abraham nur einmal ging? Solche schmerzlichen Wege müssen auch zum Guten mitwirken. Sie sind oft vorbereitend, uns bereitwillig zu machen, im Glaubens-Gehorsam den Weg nach Morija zu gehen. Alle Gläubigen, die den Weg des Glaubens betreten, haben auch solche Glaubensproben zu bestehen.
Wie steht es mit uns? Sind auch unsere Herzen von Menschenfurcht und Leidensscheu erfüllt? Haben auch wir etwa zur Lüge unsere Zuflucht genommen? Lassen wir uns doch zurecht- und nach Bethel zurückbringen! Glaube, vertraue deinem Gott! Er wartet darauf, dir helfen zu können! Bitte Ihn, wie es auch David tat: „Sende Dein Licht und Deine Wahrheit; sie sollen mich leiten, mich bringen zu Deinem heiligen Berge und zu Deinen Wohnungen! So werde ich kommen zu dem Gott, der meine Jubelfreude ist, und werde Dich preisen mit der Laute, Gott, mein Gott!“ (Ps 43,3.4). Und hast du Unrecht getan, Er wird dir auch die Wurzel desselben aufdecken, damit du diese richtest, um völlig geheilt zu werden.
Der Herr Jesus sprach einst zu Seinem Jünger: „Simon, Simon! siehe, der Satan hat euer begehret, euch zu sichten wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebetet, auf daß dein Glaube nicht aufhöre; und du, bist du einst zurückgekehrt, so stärke deine Brüder“ (Lk 22,31.32). Jakobus aber schreibt in seinem Briefe: „Achtet es für lauter Freude, meine Brüder, wenn ihr in mancherlei Versuchungen fallet, da ihr wisset, daß die Bewährung eures Glaubens Ausharren bewirkt“. (Jak 1,2.3). „Denn wer irgend sein Leben erretten will, wird es verlieren; wer aber irgend sein Leben verliert um Meinetwillen, wird es finden“ (Mt 16,25).
E. M.