Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 17 - Jahrgang 1932
Heb 11,1-40 - Der Gerechte aber wird aus Glauben leben. Kurze Gedanken über Hebräer 11Heb 11,1-40 - Der Gerechte aber wird aus Glauben leben. Kurze Gedanken über Hebräer 11
„Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben.“ (Habakuk 2,4) Dieser Ausspruch des Propheten stellt eine Antwort Gottes dar. Habakuk hatte angesichts des Bösen im Lande sein Herz voller Klagen vor Jehova ausgeschüttet. Der Gesetzlose umzingelte den Gerechten, und darum kam das Recht verdreht hervor (Kap. 1,4). Aber Gott wies den Propheten auf die herrliche Zuversicht der Gerechten hin, auf das Leben durch Glauben.
Im Alten Testament mochte diese köstliche Verheißung in erster Linie auf das irdische Leben Bezug nehmen. Im Neuen Testament richtet sie das gläubige Herz auf die himmlischen Güter hin. Die Stelle wird dreimal angeführt, in Röm 1,17, in Gal 3,11 und in Heb 10,38: „Der Gerechte aber wird aus Glauben leben.“
Die Verheißung Gottes gilt uns persönlich. In einer Welt der Ungerechtigkeit sind wir vom Bösen umgeben. In den gegenwärtigen letzten und schweren Zeiten erhebt es immer kühner das Haupt. Mord und Gewalttat, Eigensucht und Sittenlosigkeit, Abkehr von dem lebendigen Gott kennzeichnen unsere Tage. Ist es da nicht ein friedereiches, lebendiges Bewußtsein, daß wir im Glauben aufwärts schauen dürfen, der himmlischen Zukunft entgegen, als Gerechte durch Gnade, Gerechtfertigte in unserem Herrn Jesus Christus?
In Römer 1,17 liegt dem Zusammenhang gemäß der Nachdruck auf den Worten „Der Gerechte“. Der Apostel spricht hier von der Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Evangelium und entwickelt in den folgenden Kapiteln göttliche Gedanken über diese wunderbare Gerechtigkeit, die uns in Christo Jesu zum ewigen Heil geworden ist.
In der Stelle Galater 3,11 wird das Wort „Glauben“ in besonderem Maße betont. Gesetz und Glauben stehen in schroffem Gegensatz zueinander. An dem Beispiel Abrahams belehrt uns der Heilige Geist, daß nicht Gesetzeswerke, sondern allein Glauben zur Rechtfertigung dienen. Christus hat uns losgekauft von dem Fluch des Gesetzes, indem Er ein Fluch für uns geworden ist. Im Glauben ergreifen wir das Heil, und nur durch Glauben haben wir die Verheißung des Geistes empfangen. (V. 13.14)
Der Hebräerbrief spricht am Schlusse des 10. Kapitels (V. 37) von dem Kommenden, der nicht verziehen würde. Damit aber lenkt der Geist Gottes die Blicke nach oben, auf das Kommen unseres Herrn und Heilandes und auf unser Teil mit Ihm in ewiger Herrlichkeit und zu ewigem Lebens; daraus dürfen wir schließen, daß im folgenden Verse der Nachdruck auf dem Worte „leben“ liegt; „Der Gerechte aber wird aus Glauben leben“ - in der Tat ein herrlicher Ausblick aus trüben Zeiten in die Zukunft bei Ihm. So zeigen die drei dem Alten Testament entnommenen Stellen mit den gleichen Worten verschiedene Gedanken. In Gottes Wort gibt es keine einfachen Wiederholungen. Mag es uns auch manchmal so scheinen - wir dürfen versichert sein, daß dann zum mindesten die Gesichtspunkte von göttlicher Mannigfaltigkeit und tiefer, verschiedenseitiger Belehrung sind.
Wenn uns nun im 11. Kapitel des Hebräerbriefes die Getreuen des Alten Testamentes als Vorbilder ausharrenden und energischen Glaubens auf dem Wege vor Augen gestellt werden, so handelt es sich nicht allein darum, den Glaubensweg dieser Zeugen Gottes zu verfolgen. Vielmehr zieht sich gleich einem roten Faden der Gedanke durch das Kapitel, daß diese Gerechten aus Glauben leben würden, daß ihre Herzen ein Ziel hatten, daß sie ein Vaterland suchten, das nicht auf dieser Erde war. (V. 13-16) Denn auch der Glaube ist eine Verwirklichung dessen, was man hofft (V. 1); unsere Hoffnung aber ist droben im Himmel.38 Und die Dinge, die man nicht sieht, gehen sie nicht über das Leben auf Erden hinaus, sind es nicht die zukünftigen Güter, die noch der tiefen Ewigkeit des Himmels angehören? Wir dürfen sie heute im Glauben genießen; aber wir werden sie bald in Herrlichkeit schauen. (2Kor 5,7)
In der Kraft solchen Glaubens haben die Alten Zeugnis erlangt, ohne noch eine so glückliche Hoffnung, ein so hohes Erbteil wie wir zu besitzen (V. 40). Ihre Gedanken waren auf Leben gerichtet, Leben in Auferstehung. Ein Abel mochte durch Mörderhand gefallen sein - sein Opfer redet heute noch eine eindringliche Sprache. Gott gab Zeugnis zu seinen Gaben. „Und durch diesen, obgleich er gestorben ist, redet Er noch.“ (V. 4) Ist nicht auch dies ein Erinnern daran, daß der leibliche Tod keineswegs Ziel und Ende bedeutet? Ein Henoch glaubte, daß Gott denen, die Ihn suchen, ein Belohner ist, und er wurde entrückt, damit er den Tod nicht sehen sollte (V. 5 und 6). Ein Noah verurteilte durch den Bau der Arche die Welt und wurde ein Erbe der Gerechtigkeit, die nach dem Glauben ist (V. 7). Er ererbte Leben als ein Gerechter durch Glauben39.
In ausgeprägterer Weise noch tritt uns der Gedanke der Auferstehung und des Lebens in Abraham entgegen (V. 8-19), und zwar in dreifacher Hinsicht: In seiner Fremdlingsschaft, in der Geburt Isaaks und in der Opferung des von Gott geschenkten Sohnes. Abraham wohnte in Zelten; denn er erwartete die Stadt, welche Grundlagen hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist. Das himmlische Teil stand vor seinem Auge. Ferner sind von ihm als einem Gestorbenen geboren worden gleichwie die Sterne des Himmels an Menge. Und endlich urteilte Abraham, daß Gott auch aus den Toten zu erwecken vermöge. Wahrlich, drei wunderbare Zeugnisse! In mannigfachen Lebenslagen offenbarte sich ein Glaube, der nicht auf diese Erde blickte, sondern nach oben, nach dem himmlischen Vaterlande (V. 16), nach jenen Stätten, wo der einsame Pilger ewige Ruhe, ewige Heimat fand. Auch unser unverwelkliches Erbteil liegt dort oben bereit.
Die einzige Glaubenstat, die von Joseph berichtet wird, bestand in dem Gedenken an den Auszug der Söhne Israels und dem Befehl wegen seiner Gebeine (V. 22). Joseph wollte nicht in Ägypten, sondern im Lande der Verheißung begraben sein (1. Mose 50,25; Josua 24,32). Warum war ihm wie den Patriarchen allen die Grabstätte ein so bedeutsames Anliegen? War es nicht das Bewußtsein, daß ihre Gebeine nicht für immer im Staub der Erde ruhen würden, sondern daß die Leiber auferweckt würden an dem Tage, den Gott dafür gesetzt hat? Der Glaube jener Männer schaute weiter als auf die begrenzten Tage ihres Erdenwallens - sie waren überzeugt von den Dingen, die man nicht sieht. So schaute auch ein Mose auf die Belohnung (V. 26), so erlangten jene ungenannten Glaubenshelden eine bessere Auferstehung (V. 35). Ach, die Welt war ihrer nicht wert (V. 38). Sie wollte nichts von den höheren Dingen verstehen, im Haß verfolgte sie die Knechte des lebendigen Gottes. Hat sie sich bis heute darin gewandelt? Gewiß nicht. Von jeher wurden keinem Eckpfeiler unseres Glaubens mehr Haß, Spott und Zweifel entgegengebracht als der Wahrheit von der Auferstehung der Toten. (Lk 20,27; Apg 17,32; 23,6-8; 1Kor 15)
Die Schlußkapitel des Hebräerbriefes klingen gleichsam noch nach von den herrlichen Gedanken, die der Geist Gottes in unserem Abschnitt hatte niederlegen lassen. Unsere Blicke werden jetzt wiederum auf den Herrn Jesus Selbst gelenkt, den Anfänger und Vollender des Glaubens. Für die vor Ihm liegende Freude erduldete Er das Kreuz und setzte Sich zur Rechten des Thrones Gottes (Kap. 12,2). Nun sind wir, die Erdenpilger, im Geiste schon dahin versetzt, wo wir Ihn bald schauen werden in ewiger Herrlichkeit (Vgl. auch Kap. 12,22-24). Die folgenden Ermahnungen werden im Hinblick auf diese herrliche Zukunft gegeben. Das Erbteil selbst ist uns sichergestellt. Er, der aus den Toten wiederbrachte unseren Herrn Jesus, den großen Hirten der Schafe (Kap. 13,20), Gott Selbst wird uns zum Ziele führen. Alles ist bereitet, wir haben die beste Bürgschaft dafür; denn Jesus Christus ist Derselbe gestern und heute und in Ewigkeit (Kap. 13,8). So unveränderlich Er Selbst ist, so unveränderlich, ewig und sicher ist das, was Er uns verheißen hat. Ihm sei Lob und Dank dafür!
Th. Bu.
38 Zum Unterschied von den Schriften des Johannes, wo uns das ewige Leben als schon gegenwärtiges Teil geschenkt ist, betrachten es die Briefe des Apostels Paulus und der Hebräerbrief als zukünftig in Herrlichkeit (Vgl. Röm 2,7; 6,22; Gal 6,8; 1Tim 6,12; Tit 3,7 u. a. Stellen).↩︎
39 Vergleiche in diesem Zusammenhang auch 2Pet 2,5 und 1Pet 3,20-22, wo von Noah, dem Prediger der Gerechtigkeit, die Rede ist und die Auferstehung Jesu Christi in Verbindung mit dem Vorbild aus alten Tagen gebracht wird. Der Prediger der Gerechtigkeit (bezüglich der Regierungswege Gottes) wurde zum Erben der Gerechtigkeit aus Glauben.↩︎