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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
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Handreichungen Band 22 - Jahrgang 1937
3Mo 19,9-13 – Gottes Sorge für die Armen3Mo 19,9-13 – Gottes Sorge für die Armen
„Wenn ihr die Ernte eures Landes erntet, so sollst du den Rand deines Feldes nicht gänzlich abernten und sollst keine Nachlese deiner Ernte halten ... für den Armen und für den Fremdling sollst du sie lassen ... Der Lohn des Tagelöhners soll nicht bei dir über Nacht bleiben bis an den Morgen.“ (3Mo 19,9-13)
Die obige Schriftstelle zeigt uns die Sorge Gottes für den Armen und für den Fremdling. Wenn die Ernte eingeholt wurde, sollten das Land oder die Weinberge nicht völlig abgeerntet werden; es sollte etwas übriggelassen werden für den Armen und für den Fremdling. Die von Gott mit Besitz Gesegneten sollten diesen Geist der Sorge für die Armen in ihrem Herzen tragen. Kein Geist der Habsucht und der Härte sollte durch ein völliges Abernten des Feldes oder des Weinberges sichtbar werden. Ein schönes Bild der Barmherzigkeit und Sorge für den Armen finden wir in der Geschichte Ruths. Der reiche Boas gestattete ihr, nicht nur auf seinem Felde aufzulesen, er ließ sie auch an den Mahlzeiten seiner Schnitter teilnehmen. Er hatte ein Gefühl für die arme Ruth, die keinen Ernährer, keine feste Arbeitsgelegenheit hatte und nun durch fleißiges Ährenlesen ihren Lebensunterhalt zu erwerben suchte. Boas hatte aber auch ein Verständnis für die Gefühle der Armen, die sich den Härten des Lebens schutzlos ausgesetzt sehen und denen gegenüber andere es oft an der passenden Rücksichtnahme und Zartheit fehlen lassen. Er gebot deshalb seinen Knechten, die arme Frau am Ährenlesen nicht zu hindern, zu belästigen oder anzutasten, sondern ihr vielmehr hilfreich zu sein. Auch sollten sie sie nicht bei ihrer Arbeit, die von ihrer Armut zeugte, beschämen oder sie gar schelten. Welch ein tiefes Verständnis hatte Boas für die Empfindungen des Armen! Dieses Verhalten Boas' war in Gottes Augen so köstlich, daß Er es in Seinem Worte aufbewahrt hat, damit wir davon lernen sollen. Denn alles, was zuvor geschrieben ist, ist zu unserer Belehrung und Ermahnung geschrieben.
Das, was Boas tat, war die Ausführung der Anordnungen, die Gott Seinem Volke gegeben hatte. Gott hatte Boas das Feld gegeben, und Boas gab von seinem Felde wieder die Nachlese den Armen. Gott hat uns unser Durchkommen gegeben, und wir geben von unserem Durchkommen wieder eine Nachlese den Armen. Gott ist der große Geber aller. Er ist gütig über alle; Er läßt jeden Morgen Seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und läßt regnen über Gerechte und Ungerechte. Er tränkt die Erde und befruchtet sie und macht sie sprossen und gibt Samen dem Säemann und Brot dem Essenden (Mt 5,45; Jes 55,10). Unser Gott ist ein gebender Gott, und uns wird gesagt: „Seid nun Nachahmer Gottes, als geliebte Kinder.“ (Eph 5,1.2) Wenn wir diesem Bilde Gottes nachahmen sollen, wo ist da die Grenze des Gebens für uns? Nicht die Forderung des Gesetzes ist unser Maß, sondern der Maßstab ist kein Geringerer als Er
Selbst. In dem Kinde soll der Vater gesehen werden, und erst recht in einem geliebten Kinde, in dem Kinde, das sich vom Vater geliebt weiß. Wie viele Unterweisungen für das praktische Leben bietet uns doch die Schrift!
Aber nicht nur für den Armen sorgt Gott, auch um den Lohn des Tagelöhners kümmert Er Sich. Er gebietet: „Der Lohn des Tagelöhners soll nicht bei dir über Nacht bleiben bis an den Morgen.“ (3Mo 19,13) Wie groß ist unser Gott! Ich lasse hier die Gedanken eines anderen folgen11: „Der Hohe und Erhabene, der in Ewigkeit wohnt“, beugt Sich herab und nimmt Kenntnis von den Gedanken und Gefühlen, die in dem Herzen eines armen Tagelöhners aufsteigen. Er weiß, wie dieser auf den Empfang seines Lohnes rechnet. Der Lebensunterhalt seiner Familie hängt davon ab. Und Gott sagt gewissermaßen: „Enthalte ihm seinen Lohn nicht vor.“ Laß ihn nicht mit einem schweren Herzen nach Hause gehen und das Herz seines Weibes und seiner Kinder schwer machen. Auf jeden Fall gib ihm den Lohn, den er verdient und auf den er ein Recht hat und den er braucht. Er ist Gatte und Vater und hat die Hitze und die Last des Tages getragen, damit sein Weib und seine Kinder nicht hungrig zu Bett gehen. Enttäusche ihn nicht, gib ihm, was ihm zukommt!
So nimmt Gott Notiz von den Empfindungen eines Arbeiterherzens. Kann jemand solche Stellen lesen, ohne davon betroffen zu werden? Nichts kann für ein zartes Herz schmerzlicher sein als jene Rücksichtslosigkeit, die oft ein Reicher dem Armen gegenüber ausübt. Reiche denken oft nicht an die Kümmernis eines Tagelöhners, der in der Erwartung seines Lohnes getäuscht ist. Wenn wir wissen wollen, wie Gott über eine solche Handlungsweise denkt, so brauchen wir nur auf Seinen heiligen Unwillen achten, den Er in den Worten ausdrückt: „Siehe, der Lohn der Arbeiter, die eure Felder geschnitten haben, der von euch vorenthalten ist, schreit, und das Geschrei der Schnitter ist vor die Ohren des Herrn Zebaoth gekommen.“ (Jak 5,4) Der Herr hört den Schrei des bekümmerten und in seinen Erwartungen getäuschten Arbeiters. Die Armen stehen unter der besonderen Fürsorge Gottes. Immer und immer wieder gedenkt Er ihrer in Seinem Wort: „Denn erretten wird Er den Armen, der um Hilfe ruft, und den Elenden, der keinen Helfer hat.“ (Ps 72,12) In der Welt findet man viel Herzlosigkeit, und auch in unserem Herzen gibt es ein großes Maß von Selbstsucht. Laßt uns deshalb dieses alles wohl bedenken! Wenn schon die Juden durch das Gesetz belehrt wurden, eine freundliche Gesinnung den Armen gegenüber zu haben, wieviel mehr sollte bei uns, die wir durch das Evangelium Gott nahe gebracht sind und Seinen Geist empfangen haben, herzliches Mitgefühl und Hilfsbereitschaft gegenüber jedem menschlichen Elend gefunden werden!
Alb. v. d. Kammer.
11 C. H. Macintosh.↩︎
Erstellt: 24.05.2024 23:14, bearbeitet: 09.10.2024 03:26