Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 20 - Jahrgang 1935
1Kön 18,21 - Elia auf dem Berge Karmel1Kön 18,21 - Elia auf dem Berge Karmel
Elia hatte Ahab seine Sünde und die des Hauses seines Vaters vorgehalten und als die Ursache des göttlichen Gerichtes der Hungersnot bezeichnet. Alsdann beauftragt er ihn: „Und nun sende hin, versammle ganz Israel zu mir nach dem Berge Karmel, und die vierhundertundfünfzig Propheten des Baal und die vierhundert Propheten der Aschera, die am Tische Isebels essen.“ (V. 19) Ob dieses „Und nun“ den König ahnen ließ, daß Gott nun zu dem Abfall des Volkes nicht mehr schweigen, sondern mit mächtiger Hand eingreifen würde? Wir wissen es nicht. Aber so völlig stand er unter dem Zwang der göttlichen Macht, daß er wider seinen Willen den Willen und Vorsatz Gottes ausführte und alle Kinder Israel und die heidnischen Propheten - die Verführten und die Verführer - nach dem Berge Karmel bestellte. Auf den Ruf des Elia wären sicher die Baalspriester nicht nach dem Karmel gekommen; auch das Volk hätte wohl kaum gewagt, dem Rufe des dem Königshause so verhaßten Elia zu folgen.
Ob die vierhundert Propheten der Aschera dem Befehle Ahabs folgten und nach dem Karmel kamen, ist aus dem Schriftworte nicht klar zu ersehen. Sie standen unter dem Schutz und Befehl Isebels, an deren Tisch sie aßen. Vielleicht witterte sie Gefahr für ihre Schützlinge, wenn diese dem Propheten Gottes gegenübertreten würden, dem überirdische Kräfte zur Verfügung standen, und erlaubte ihnen nicht, dem Befehle Ahabs zu folgen.
Wie gesagt, den Ruf Elias hätte wohl kaum jemand beachtet, nun aber der König rief - wenn auch mit innerem Widerstreben -, kamen alle. Wie bewahrheitet sich doch auch hier das Wort Asaphs: „Ja, verherrlichen muß Dich des Menschen Grimm.“ (Ps 76,11, Wiese)
Welche Bewegung mußte dieser Versammlungsbefehl bei dem Volke auslösen! Wir haben keinen Schriftgrund, anzunehmen, daß irgend jemand wußte, was dort geschehen würde, alle aber mußten ahnen, daß große Dinge bevorstanden. Aus allen Richtungen des Landes strömte das Volk nach dem
Berge Karmel. Dann kam der Tag, an dem Gott Sich Seinem Volke als der lebendige Gott offenbaren wollte.
Wenige mochten es sein, die Elia von Angesicht kannten. Jetzt stand der Mann, dessen Name in aller Munde, der jahrelang wie vom Erdboden verschwunden, der im ganzen Lande und in den angrenzenden Ländern gesucht worden war, einsam, schutzlos, vor ihnen in der Gegenwart seiner Todfeinde. Niemand stand an seiner Seite; ihm gegenüber sah das Volk die große Schar der Propheten des Baal und den König bei ihnen. Eine feierliche Spannung liegt über der Menge. Als erster tut Elia seinen Mund auf. Er eröffnet gleichsam die Versammlung. Er wendet sich nicht an den König, er wendet sich an das Volk und ruft diesem zu: „Wie lange hinket ihr auf beiden Seiten? Wenn Jehova Gott ist, so wandelt Ihm nach; wenn aber der Baal, so wandelt ihm nach!“ Er fordert von dem Volke Entscheidung und Entschiedenheit. Welche Kraft lag in diesem Zuruf!
Ist eine solche Aufforderung zur klaren Stellungnahme für den Herrn nicht auch heute am Platz? Wieviel Wankelmut, wieviel Hinken auf beiden Seiten ist unter dem Volke Gottes! Wird denn heute keine Entschiedenheit mehr von uns gefordert? Höre, was Er, der größer ist als Elia, sagt: „Niemand kann zwei Herren dienen; denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird einem anhangen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“ (Mt 6,24) Und Jakobus richtet an die Untreuen mit dem geteilten Herzen die Frage: „Ihr Ehebrecherinnen, wisset ihr nicht, daß die Freundschaft der Welt Feindschaft wider Gott ist? Wer nun irgendein Freund der Welt sein will, stellt sich als Feind Gottes dar.“ (Jak 4,4) Der Herr will ein ganzes Herz, Er sagt: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als Mich, ist Meiner nicht würdig; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als Mich, ist Meiner nicht würdig; und wer nicht sein Kreuz aufnimmt und Mir nachfolgt, ist Meiner nicht würdig.“ (Mt 10,37.38) Das Tragen auf beiden Schultern ist Ihm ein Greuel, Er klagt über Laodizäa: „Ach, daß du kalt oder warm wärest! Also, weil du lau bist und weder kalt oder warm, so werde Ich dich ausspeien aus Meinem Munde.“ (Off 3,15.16)
Ja, der Herr fordert Entschiedenheit. Wohl sagt Er, wenn es sich um uns oder um unseren kleinen Kreis handelt, das milde Wort: „Wer nicht wider euch ist, ist für euch.“ (Lk 9,50) Wenn es sich aber um die Stellungnahme für Ihn oder den Feind - für Christus oder Belial - für das Wort der Wahrheit oder Menschenlehre handelt, dann fordert der Herr ganze und offene Entschiedenheit: „Wer nicht mit Mir ist, ist wider Mich; und wer nicht mit Mir sammelt, zerstreut.“ (Lk 11,23)
Aber es ist heute noch so, wie jemand vor bald hundert Jahren schrieb: „In unseren Tagen gilt jeder, der ganz und gar zum Herrn hält, für einseitig; man gibt es für besondere Weisheit aus, über den Parteien zu stehen und es unentschieden zu lassen, ob der Herr bloß Mensch oder der eingeborene Sohn Gottes sei, so daß am Ende das Hinken auf beiden Seiten als das wahre Christentum gelobt wird.“ Und ebenso unentschieden möchten heute manche darüber hinweggehen, ob die Schrift das inspirierte Wort Gottes oder nur Gottes Wort in der Schrift enthalten sei, ob es richtig sei, daß die einen in die ewige Pein und die anderen in das ewige Leben eingehen oder ob alle Menschen mitsamt dem Teufel und seinen Engeln selig werden. Wieviel Hin- und Herschwanken, wieviel Tragen auf beiden Schultern findet man in diesen und vielen anderen Stücken, wo ganze Entschiedenheit von uns gefordert wird!
Von den Worten Elias im Gewissen getroffen, antwortet ihm das Volk kein Wort. Unter dem ganzen Volke ist auch nicht einer, der es wagt, in einem offenen Bekenntnis sich auf die Seite Jehovas und Seines treuen Knechts zu stellen. Wohl wissen wir aus dem Worte, daß siebentausend in Israel waren, die ihre Knie nicht vor Baal gebeugt hatten. Was mochte durch die Seelen dieser Siebentausend gegangen sein, als sie die kühnen Worte Elias hörten?! Mußte ihr Herz nicht jubeln? Diese Siebentausend wußten, daß Jehova der lebendige Gott und Baal ein toter Götze sei, und viele andere, zu deren Herzen Gott durch die Trübsale geredet hatte, wußten das gleiche. Aber keiner fand den Glaubensmut, dem Herrn zu vertrauen und sich zu Ihm zu bekennen.
Und wie ist es mit uns? Trifft das Wort Elias: „Wie lange hinket ihr auf beiden Seiten?“ auch uns? Fühlst du, daß dein Gewissen auch von dieser Frage berührt wird? Die Frage Elias ist: „Wie lange?“ Beantworte sie; sage, wie lange willst du in dem unentschiedenen und doppelherzigen Wesen verharren? Brich damit! Du kannst darin nicht glücklich sein, und kein Segen kann von dir ausgehen. Du täuschst dich und andere. Ja, die Frage: „Wie lange?“ ist ernst und prüfend für unser Herz. Bald kommt der Herr, und die Gefahr ist groß, Seinen Lohn zu verlieren. (Off 22,12)
Stumpf hatte das Volk den Zuruf Elias hingenommen; kein Mund hatte sich zu einer Antwort - zu einem Bekenntnis zu Jehova geöffnet. Ihre Untreue war erwiesen. Jetzt zieht Elia das Resultat; er spricht zu dem Volke: „Ich bin allein übriggeblieben, ein Prophet Jehovas, und der Propheten des Baal sind vierhundertundfünfzig Mann.“ (V. 22) Welch ein Schmerz drückt sich in diesen Worten aus! Ein Bekenner Jehovas vierhundertundfünfzig Baalpropheten gegenüber! Dunkel war es in Israel geworden. Siebentausend hatten zwar ihre Knie nicht dem Baal gebeugt, aber ihren Mund zu einem Zeugnis für den Herrn hatten sie nicht aufgetan! Im Verborgenen mochten sie ihren Schmerz dem Herrn klagen, Menschenfurcht aber machte sie untauglich, dem Herrn nützlich zu sein.
O, daß Menschenfurcht unsere Lippen nicht schließen möchte, den Herrn zu bekennen! Daß die Gefahr für uns alle groß ist, sehen wir schon daraus, daß Paulus selbst einem Timotheus durch den Heiligen Geist schreiben mußte: „So schäme dich nun nicht des Zeugnisses unseres Herrn, noch meiner, Seines Gefangenen, sondern leide Trübsal mit dem Evangelium, nach der Kraft Gottes.“ (2Tim 1,8) Wieviel mehr haben wir dieses Wort der Ermahnung in diesen dunklen und letzten Tagen zu beachten!
A. v. d. K.