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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 18 - Jahrgang 1933
2Pet 1,1-11 (3)2Pet 1,1-11 (3)
Während das Ausharren mehr der aktive Ausdruck einer wirkenden Kraft ist, ist die passive Seite dieser Kraft die Geduld, das Ertragen der widrigsten Umstände, der Trübsale, der leiblichen und irdischen Bedürfnisse und Schwachheiten,
- 253 die uns niederziehen und niederhalten wollen, damit unsere Glaubensflügel sich nicht wieder erheben. Alle diese Dinge treffen unser „Ich“, das sich dagegen aufbäumen will. Wird es jedoch im Zaum gehalten, so ist das Herz frei, das geistliche Leben wird dann durch nichts gefesselt, es kann genießen, was wahrhaft Freude und Herrlichkeit ist: Christus Selbst, unsere Stellung in Ihm, die Vaterliebe, die Kindschaft usw. Dies ist von hoher und grundlegender Bedeutung im christlichen Leben, besonders für die Gottseligkeit. (Siehe Punkt 5).
Wenn aber das Fleisch auf irgendeine Weise wirkt, so daß eine Verfehlung entsteht, so muß das Gewissen in Tätigkeit treten; dann kann die Seele nicht im Licht und in der Gemeinschaft mit Gott stehen, weil das Licht dann die Wirkung hat, den Fehler aufzudecken. Das Gewissen kommt nicht eher zur Ruhe, bis das gerichtet und hinweggetan ist, was die Beunruhigung verursachte.
5. Wenn aber das Gewissen nichts hat, was nicht schon im Lichte Gottes gerichtet ist, so kann der neue Mensch ganz in Tätigkeit sein, sei es in Verwirklichung der Freude über die Gegenwart Gottes, sei es durch ein Leben, das Ihn verherrlicht. Dann sind wir in einem Zustand der Gemeinschaft mit Gott, wandeln mit Ihm, stehen im Genuß der Segnungen, die Sein Geist uns vermittelt, mit einem Wort: Es ist der Zustand der Gottseligkeit. Auch bei der Gottseligkeit ist festzuhalten, daß die Grundhaltung der Seele das Gestorbensein des „Ich“ sein muß und daß der Weg zur Gottseligkeit durch Proben, Übungen, Ausharren, Bewährung geht.
6. Die Bruderliebe. Ist das „Ich“ tot und der Wille gebrochen, so erträgt man die anderen mit Geduld. Man wird fähig, sich in sie, in ihren Herzenszustand, in ihre Prüfungen, in ihre Lagen und Umstände, in ihre Schwächen hineinzuversetzen, mit ihnen zu leiden und zu tragen, für sie zu beten. Unsere Zuneigungen zu ihnen, die von Gott mit gleicher Liebe geliebt und von Christo ebenfalls errettet sind, fließen ungehindert hervor; denn es sind solche, die mit uns an der göttlichen Natur teilhaben. So wird sich naturgemäß die Bruderliebe entfalten. Jeder, der den liebt, welcher geboren hat (Gott), liebt auch den, der aus Ihm geboren ist (die Kinder Gottes) (1Joh 5,1). Von Natur lieben wir nur die, die uns durch irgendeinen Vorzug angenehm und sympathisch sind, solche, die uns verstehen oder die wir verstehen. Die echte Bruderliebe liebt auch die Unsympathischen, die Schwachen, die Zurückgebliebenen, sie liebt trotz Nichtverstandenwerdens, ja, trotz Haß und Verfolgung. Ihre Weise ist Vergeben, Ertragen, wohlmeinende, versöhnliche Gesinnung. Die echte Bruderliebe schaut auf das, was Gott in den Brüdern gewirkt hat. Gerade ihre Fehler sind Anlässe zur Fürbitte.
7. Die Liebe. Sie ist das Wesen und die Natur Gottes. Aus ihr fließen alle anderen Betätigungen des neuen Lebens hervor. Sie ist aber nicht nur Quelle derselben, sondern durch die Liebe werden sie vollendet. Die Liebe ist das Band der Vollkommenheit (Kol 3,14). Nach 1Kor 13,1-3 können große Gaben, ja, sogar sogenannte Liebeswerke (V. 3) vorhanden sein, und doch kann die wahre Liebe fehlen. Erst die Liebe gibt allem Kraft und Inhalt und Wert vor Gott.
Kann solche Liebe von uns dargereicht werden? Sie ist doch göttlich und nicht in uns gewachsen. Gott sei Dank, daß Er es auch an diesem wichtigen Stück nicht hat fehlen lassen! „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, welcher uns gegeben worden ist.“ (Röm 5,5) Wir können sie empfangen, genießen, in ihr bleiben (Joh 15,9.10), sie zurückstrahlen lassen (1Joh 4,19.11), sie in uns und mit uns vollenden lassen (1Joh 4,12.17). Und in jedem Fall wird sie mächtige und kostbare Wirkungen in uns hervorbringen.
Was ist das Verhältnis der Liebe zur Bruderliebe? Die Liebe ist die Quelle der Bruderliebe. Die letztere ist in der ersteren enthalten. Die Bruderliebe kann mit rein menschlichen Gefühlen vermengt werden, z. B. mit persönlicher Zuneigung oder damit, daß ein Bruder anziehende Charaktereigenschaften, Gaben, hat; sie kann ausarten, so inbrünstig und wahr sie sein soll, sie kann auch erkalten, vielleicht aus Anlaß einer Empfindlichkeit oder unbeabsichtigter Nichtbeachtung. Die Liebe muß den ersten Platz behalten. Die Bruderliebe darf die Liebe nicht einschränken; wenn sie echt ist, kennt sie keine Parteilichkeit. Die Bruderliebe darf die Liebe nicht beiseite setzen oder gar ausschließen, so daß, wenn ich die Brüder liebe, sonst nichts in meinem Herzen Raum hat. Die Liebe Gottes als die göttliche Natur leitet, beherrscht, charakterisiert die brüderliche Liebe. Wenn sie das nicht tut, so beherrscht uns das, was uns angenehm ist, - also unser eigenes Herz. Leitet die göttliche Liebe mich, so liebe ich alle Brüder, und zwar, weil sie Christo angehören, weil Christus sie liebt. An einem geistlichen Bruder werde ich mehr Genuß haben, aber einen schwachen Bruder werde ich mit zarter Rücksichtnahme behandeln, wenn nötig, ihm die Füße waschen, um ihn von einem Fall wiederherzustellen. Auf alle Fälle wird die Bruderliebe nicht mit Ungehorsam gegen Gott verbunden sein können, so daß ich einem Bruder zuliebe etwas tue, was nicht mit Gottes Wort übereinstimmt. Das gilt namentlich für den gemeinschaftlichen Dienst mit solchen Brüdern, die sich nicht auf dem Boden der Wahrheit, d. h. nur im Namen Jesu versammeln und nur die Leitung des Heiligen Geistes anerkennen. Denn „wer Mich liebt, der wird Mein Wort halten“, und Sein Wort sagt uns: „Von aller Art des Bösen (von moralisch und religiös Bösem) haltet euch fern!“ (1Thes 5,22), auch wenn es einen guten Schein hat.
Die Liebe Gottes wird in allen meinen Verhältnissen ihren Platz haben, den ganzen Wandel regieren und kennzeichnen, alle aufsteigenden Regungen meines Herzens beherrschen. Wenn sie das nicht tut, sei es, daß ich sie nicht zur Geltung kommen lasse (ignoriere aus Nachlässigkeit oder Übereilung oder sei es aus sonst einem Grunde), so werde ich sicher meinen eigenen Willen tun.
Alle sieben Stücke fließen aus der Erkenntnis Gottes und Jesu Christi hervor und haben als Triebkraft die Liebe Gottes, die als das Band der Vollkommenheit alle umschließt. Sie bilden zusammen eine Geistesfrucht. Gott erwartet diese Frucht von uns, denn es heißt V. 8: „Wenn diese Dinge bei euch sind, so stellen sie euch nicht fruchtleer hin in bezug auf die Erkenntnis unseres Herrn Jesus Christus. Sie sollen aber nicht bloß bei uns sein, sondern „reichlich vorhanden“ sein, d. h. wir sollen sie wissen, besitzen und betätigen, wir sollen davon überströmen und sie überströmend darreichen. Sie sollten ein selbstverständliches Ergebnis unserer Erkenntnis und unseres Glaubenslebens sein, so wie man von einer Pflanze natürlicherweise eine Frucht erwartet.
Das Nichtvorhandensein der Frucht läßt auf einen schlechten Herzenszustand schließen. Trägheit ist ein Beharrungszustand im alten Wesen, in alten Gewohnheiten, im Wandel nach väterlicher Weise, in geläufigen Formen ohne bewußtes Leben, ohne Bedürfnis nach Fortschritt und Wachstum, ein Zustand der Selbstzufriedenheit: ich bin ja errettet, ich besitze Vergebung, ich wünsche nur ein kleines Plätzchen im Himmel. Solche Christen gleichen Pflanzen, die eine Saftstockung erlitten haben und dann im Wachstum zurückgeblieben sind; solche bringen entweder gar keine oder wenige und geringe und verkrüppelte Früchte.
Wenn die Heilige Schrift solche Personen als blind bezeichnet, so nennt sie damit die Ursache der Unfruchtbarkeit. Ein Blinder kann kein Licht aufnehmen. Es ist aber bekannt, daß Pflanzen ohne Licht nicht gedeihen. Blindheit ist Unempfänglichkeit für das göttliche Licht, ein geschlossenes Herzensauge für die Wahrheit, wobei der Grund des Geschlossenseins im menschlichen Willen liegt. Kurzsichtigkeit ist eine Einengung und Begrenzung im Blickfeld, in der Blickweite und in der Blickschärfe, die vom Eigenwillen und vom Beherrschtsein durch seine Begierden hervorgerufen wird. In solchen Zuständen wird dann nicht mehr das neue Leben, sondern das Eigenleben gelebt. Deshalb kann es leicht so weit kommen, daß man die Reinigung seiner vorigen Sünden vergißt. Es handelt sich nicht dabei um das Errettetsein (denn Petrus schreibt ja an Gläubige, V. 1), sondern um das Bewußtsein der Errettung, um den Verlust der Stellung als Christ, um die Reinheit im Gegensatz zu den Wegen der Welt und des Fleisches. Denn „vergessen“ ist nicht „verlieren“, sondern „ein sich dessen nicht mehr bewußt sein“. Das Herz ist in einen Zustand zurückgesunken, wie er zu der Zeit war, als es noch nicht von Sünden gereinigt war. Wenn der Mensch aus solch einem Zustand aufwacht, so hat er das Gefühl, als müßte er sich nochmals bekehren.
V. 10: „Darum, Brüder, befleißiget euch um so mehr, eure Berufung und Erwählung festzumachen; denn wenn ihr diese Dinge tut, so werdet ihr niemals straucheln.“ „Darum“, weil die Folgen der Unentschiedenheit und Trägheit so schwer sind. Welches sind die Folgen? Unfruchtbarkeit, Verfinsterung, Rückfall, und jetzt kommt noch
- 257 das Straucheln dazu. Straucheln ist noch kein Sturz, aber es ist der Anfang dazu. Die Veranlassung ist irgendein Stein des Anstoßes, der in unserem Wege liegt. Wer strauchelt, hat ihn nicht beachtet. Straucheln ist demnach nicht naturnotwendig; die Unachtsamkeit, Gleichgültigkeit, Leichtfertigkeit ist sein Verschulden. Ein Kurzsichtiger und Blinder stolpert und stößt leicht an. Gottes Wort bezeugt, daß uns zu einem gottseligen Leben alles geschenkt ist, also auch geistliche Augen zum Sehen der Anstöße. Wenn ich nun trotz des scheinenden Lichtes der göttlichen Wahrheit und trotz der mir geschenkten Erkenntnis die Anstöße nicht beachte und strauchele, so liegt die Schuld an mir, an meinem Nichtsehenwollen. Durch Wachen und Beten, Energie und Fleiß kann ich der Gefahr entgehen. Gnade und Kraft liegen uns bereit. „Darum“ die Ermahnung: „Befleißiget euch um so mehr! Von Gottes Seite steht unsere Berufung und Erwählung unerschütterlich fest.“ (Röm 11,29) „Die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar.“
Wie können nun wir sie auch festmachen? Antwort: Nicht durch Wissen dieser Dinge, sondern durch Tun. „Wenn ihr diese Dinge tut“, d. h. sie im praktischen Leben als Berufene und Erwählte darstellet. Es geschieht, wenn wir das Bewußtsein unseres Errettet- und Erwähltseins stets fest und frisch erhalten und uns nach mehr Erkenntnis, nach mehr Gnade ausstrecken. Stillstand ist Rückschritt. Die Jünger haben das verstanden, als sie baten: „Herr, vermehre uns den Glauben!“ Einen Fingerzeig gibt uns auch Jakobus in Kapitel 3,1-3, wo er sagt, wie Selbstbeherrschung in bezug auf unsere Zunge uns vor dem Straucheln zu bewahren vermag.
(Schluß folgt, s. G. w.)!
B.