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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 12 -Jahrgang 1927
Pred 11,1 - „Nach vielen Tagen ...“Pred 11,1 - „Nach vielen Tagen ...“
„Wirf dein Brot hin auf die Fläche des Wassers, denn nach vielen Tagen wirst du es finden!“
Durch dieses schöne Verheißungswort sind wohl schon manche Gläubige ermuntert worden zum Geben, etwa sowohl was äußere irdische Gaben anbelangt, als auch was das Ausstreuen des teuren Wortes Gottes betrifft, z. B. in der Bibel- und Blätterverbreitung oder in der Verkündigung des Evangeliums. Ja, wie oft geschieht dies wie jenes oder auch das Hingeben irdischer Güter, ohne daß schnell sichtbare Frucht die gesegnete Folge ist! Aber einst, „nach vielen Tagen“, werden wir „ernten, wenn wir nicht ermatten“ - worin? „im Gutestun“ (Gal 6,9; beachte V. 10)!.
Aber wenn dies auch die wohl allgemein bekannte und bewährte Auslegung obiger Schriftstelle ist - haben wir auch einmal daran gedacht, daß dies Wort eine viel tiefere Bedeutung haben kann, nämlich wenn wir es beziehen dürfen auf unsern Gott und Vater und Seinen geliebten Sohn? In dieser Hinsicht wurde es mir vor nicht langer Zeit innerlich ganz plötzlich neu geschenkt und köstlich, und da die Christenheit in den Wintertagen der sogenannten „Weihnacht“ besonders an die Liebe Gottes in der Sendung Seines geliebten Sohnes gemahnt wird, so möchte ich einige Worte darüber hier niederlegen mit der Bitte an den Herrn, daß Er dieselben den Seinen zur Erquickung dienen lassen wolle.
Er, unser Gott und Vater, warf Sein Brot hin auf die Fläche des Wassers!
Wir sehen die ganze Anschaulichkeit des Bildes: Brot, auf's Wasser geworfen, ist in kurzem zerweicht, löst sich auf, verschwindet und ist nicht mehr zu finden. Soll es nach langem Harren etwa wiedergefunden werden, dies wertvolle Gut, so muß schon eine Wunderkraft dazwischen treten! Wir können uns vorstellen, wie einer traurigen Herzens dasteht und sein ausgestreutes Brot zergehen sieht; wie er bedauert, daß es nicht einmal von den Fischen als willkommene Beute erhascht worden ist.
Nun sieh dir die Liebestat unseres Gottes und Vaters an! Sein Brot, „das Brot vom Himmel“, „gab Er ihnen zu essen“ - vorbildlich einst in der Wüste durch die Hand Moses (Joh 6,31; vgl. Nehem. 9,15)!, und wo blieb es? Es war gleichsam auf die Fläche des Wassers geworfen und - verbraucht, ungenützt, unverwertet, ungeschützt, und doch - einst wird Gott in Seinem eigenen erneuerten Volke wiederfinden, was Er zuvor scheinbar vergeblich in Gnaden an dasselbe gewandt hat! Wenn es Ihn auch oftmals geschmerzt und erbittert hat, dies Volk zu Seinem Volke erkoren zu haben (vgl. 5. Mose 32 und anderswo, bes. im 4. Buche Mose)!, so wird dieses dereinst doch zum Lobe Seiner herrlichen Gnade dienen, wenn Röm 11,26-29 erfüllt wird.
Das ist, wie gesagt, ein Vorbild, und wie kostbar ist schon dieses! Aber in wieviel herrlicherem Maße hat Er Sein Brot auf die Fläche des Wassers hingeworfen, als Er Ihn - „das wahrhaftige Brot vom Himmel“ (Joh 6,32.33.48.51) (vgl. Jahrb. 6, S. 13)! gab, Seinen geliebten Sohn, den Er als Ausdruck Seiner Liebe zu einer verlorenen Menschheit herniedersandte (Joh 3,16) geradeswegs auf das Wasser des Völkermeeres, um diesem dadurch einen unberechenbaren Segen zuteil werden zu lassen, umso unberechenbarer, als man „mit bloßem Auge“ dieses wahren Brotes Wirken nicht sehen kann: es geht unter in dem Wasser! Aber es ist dennoch da, Er hat es gegeben, und „nach vielen Tagen“ werden die Segnungen gefunden. Unerhörte Segnungen, wie sie nur das lebendige Brot wirken kann: Leben aus dem Tode! Wie das Weizenkorn vergehen muß im Tode, um Leben zu wirken (Joh 12,24), so muß das Brot vergehen, unbeobachtet gleichsam dahinschwinden und dennoch, „nach vielen Tagen“ wird es gefunden von Dem, Der es einst dahingab. Das wird dann sein, wenn der Christus in Herrlichkeit erscheinen wird in der Mitte Seiner Erlösten, die Er verherrlicht dem Vater darstellen wird (Jud 24 u. a). Dann wird Er dem Vater die Kinder als „die Frucht der Mühsal Seiner Seele“ (Jes 53,11) vorstellen: „Siehe, Ich und die Kinder, die Mir Gott gegeben hat!“ (Heb 2,13), und der Vater wird Sich freuen an dem, was das einst auf die Fläche des Wassers geworfene Brot gewirkt hat an Leben aus dem Tode!
Staunen und Anbetung wird unsere Herzen erfüllen, die wir als Gegenstände der Liebe Gottes in Christo Jesu, dem wahrhaftigen Brote, „in der prachtvollen Herrlichkeit“ unser Erbteil mit Ihm empfangen! Er aber, unser Gott und Vater, genießt dann die Freude an denen, die durch das einst auf's Wasser geworfene Brot geworben und gewonnen sind. Wie wird das sein!
Aber noch eine Bedeutung sehe ich in jenem Wort! Einst gab Gott Seinen geliebten Sohn, Sein Brot, „das Brot Gottes“, mitten aufs Wasser der sündenzerpeitschten Menschenwelt, und sofort hat diese versucht, das Brot zu verderben, zu vernichten, zu zerstören. Es tauchte unter in den Wogen, als Er, unser teurer Herr, als Kindlein in der Krippe (Lk 2,7) lag, unbekannt, unerkannt von der Völkerwelt; nur wenige Auserwählte nährten sich von diesem lebendigen Brot, doch „der Geber dieser guten, vollkommenen Gabe“ mußte gleichsam trauernd zusehen, wie mißachtet Sein Brot in der Welt war und wie es verworfen ward von denen, die zu erquicken, zu beleben es gekommen, es gegeben war! Aber im Sich-Opfern lag der Sieg, lag das Leben! Als „dies Brot vom Himmel“ die tiefste Erniedrigung durchmachte, da war die herrliche Aussicht, es bald wiederzufinden, für den Vater nicht mehr fern! Bald durfte Er Ihn „begrüßen“, nachdem Er „für alle, die Ihm gehorchen, der Urheber ewigen Heiles geworden war“ (Heb 5,9.10). Wie herrlich!
Aber es waren doch „viele Tage“! Über 33 Jahre mußte Gott zusehen, wie der Sohn täglich verzehrt ward von dem schweren Dienst auf den Wegen „in großen Wassern“ (Ps 77,19); über 33 Jahre mußte Er es ertragen, Ihn „sich entäußern“, „zu Nichts machen“ und „leiden zu lassen“ seitens der Menschen, und schließlich ließ Er Selber die tiefsten Proben des Gerichts über Ihn, den „Sohn Seiner Liebe“, kommen, und zwar am Kreuz, am Holz des Fluches! Da ward das kostbare Brot so gut wie völlig „verzehrt“, als der Heiland Seinen Leib dahingab in das Todesleiden und das heilige Gericht! Aber wie zu allem anderen auch noch Ps 42,7 (vgl. 69,2 u. a). an Ihm erfüllt war: „Tiefe ruft der Tiefe beim Brausen Deiner Wasserströme, alle Deine Wogen und Wellen sind über Mich hingegangen“ - da rückte der glückselige Tag der Wiedervereinigung mit dem Vater für den Sohn herbei, hatten doch auch die tiefsten
Prüfungen nur die Unzerstörbarkeit dieses „Brotes vom Himmel“ erweisen können. Da fand Er, der Vater, Ihn wieder, den Er einst als Kindlein mitten in die „feindliche Welt“ gegeben hatte. „Nach vielen Tagen“ - schwer waren diese Tage, schwer für den Sohn, schwer für den Vater - ich rede menschlich; aber möge keiner denken, daß das Erlösungswerk Spielerei für den Vater und den Sohn gewesen sei! Wenn je auf Erden ein Vater seinen abwesenden und leidenden Sohn geliebt und entbehrt hat, so deshalb, weil der ewige Gott bereit war, dieses Urverhältnis der Liebe zwischen Vater und Sohn Selbst den Menschen hienieden vor Augen zu führen in Seiner uns geoffenbarten Liebe zu Seinem Sohn, und Er hat es getan, Er hat schwerer daran zu tragen gehabt, als sündige Menschen sich vorstellen können; wir, die wir Ihm und dem Sohn „zu schaffen gemacht haben mit unseren Sünden“ (Jes 43,24b)! Ja, die vielen Tage waren schwer und - menschlich gesprochen - das Warten entbehrungsreich, wenn Er Seinen Sohn auch innerlich nie „allein ließ“ (Joh 8,29), aber sie wurden abgelöst durch die Freude, die einst hindurchklang durch die Worte unseres teuren Herrn: „Ich bin von dem Vater ausgegangen und in die Welt gekommen, wiederum verlasse Ich die Welt und gehe zum Vater“ (Joh 16,28; vgl. Joh 17,11)!. Hierfür hoffte Er bei den Seinen Mitgefühl zu finden (vgl. Joh 14,28) - doch vergeblich, ihre Herzen waren zu sehr mit Traurigkeit erfüllt (Joh 16,5.6); aber heute verstehen wir durch den „Geist der Wahrheit“, der in allem den Sohn verherrlicht (Joh 16,12-15), diese göttlichen Dinge (1Kor 2,12), verstehen in etwa auch Seine damals noch „vor Ihm liegende Freude“ (Heb 12,2) und freuen uns mit Ihm und auch darauf, Seine Freude bald mit Ihm teilen zu dürfen.
O, was muß es für Seinen Gott und Vater einst gewesen sein, als Er Sein Brot hinwarf „auf die Fläche des Wassers“ und als für dasselbe, ja für Ihn, Seinen geliebten Sohn, „kein Raum in der Herberge“ zu finden war! (Lk 2,7). Was müssen für Ihn, den Vater, die vielen Tage des ausharrenden Wartens gewesen sein, was auch für Ihn, „das Brot des Lebens“ Selbst. Und was muß es für den Vater gewesen sein und noch sein, als Er Sein Brot fand nach vielen Tagen, als der
Sohn droben als Sieger einzog, nachdem Er hienieden sich verzehrt und geopfert hatte im Dienst in dem brausenden Völkermeere! O, Dank sei Ihm, daß Er uns vergönnt, das „Wunder ohne Gleichen“ zu schauen, wie Er Sein Brot aufs Wasser warf (Mt 1; Lk 2)!, und zu betrachten, zu bestaunen, wie Er Selber die herrlichste Erfüllung gibt (und uns vor Augen stellt) von Pred 11,1!
Gepriesen und im Geist angebetet sei unser Gott und Vater und Sein geliebter Sohn, unser Herr und Heiland, Jesus Christus, „das Brot Gottes“!
F. K.