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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 19 - Jahrgang 1934
4Mo 22 - Das Fragen nach den bekannten Wegen4Mo 22 - Das Fragen nach den bekannten Wegen
Die Geschichte Bileams enthält so gewichtige Unterweisungen für unser tägliches Leben, daß es wohl der Mühe wert ist, einige Augenblicke dabei zu verweilen. Die Ursachen und die Folgen eines Wandels in Ungehorsam gegen die Gebote des Herrn werden uns deutlich darin vor Augen gestellt. „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nütze zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit.“ (2Tim 3,16) Mit dem Blick auf dieses Wort wollen wir Bileams Geschichte lesen und erwägen, und sie wird uns sicher zum reichen Segen dienen.
Die Kinder Israel waren bis an die Grenze des gelobten Landes gekommen und hatten sich gelagert in den Ebenen Moabs. Als Balak, der König der Moabiter, das große Volk sah, fürchtete er sich vor dem Volke und sandte deshalb Boten zu Bileam und ließ diesem sagen: „Siehe, ein Volk ist herausgezogen aus Ägypten; siehe, es bedeckt die Fläche des Landes, und es liegt mir gegenüber. Und nun komme doch, verfluche mir dieses Volk, denn es ist stärker als ich. Vielleicht gelingt es mir, daß wir es schlagen und ich es aus dem Lande vertreibe, denn ich weiß, wen du segnest, der ist gesegnet, und wen du verfluchst, der ist verflucht.“
Hinter diesen Worten, kann man mit Recht sagen, stand der Teufel, der als ein Feind des Volkes Gottes Balak gebrauchte und Bileam gebrauchen wollte, Gottes Volk zu verderben. Aus der ganzen Geschichte sehen wir klar, daß Bileam den Gott Israels kannte. Er wußte genau, mit welch mächtigem Arm Gott Sein Volk Israel aus Ägypten erlöst und durch das Schilfmeer geführt. Wenn die Furcht Gottes in seinem Herzen gewesen wäre, würde er Balaks Boten sofort abgewiesen haben. Er hätte sofort gewußt, Gott würde niemals zulassen, daß dieses Volk, welches Er so wunderbar geführt und geleitet hatte, verflucht und vertilgt werde. Aber diese wahre Furcht Gottes war nicht in Bileams Herzen. Seine Antwort zeigt uns dies, denn er sagte: „Über11 nachtet hier diese Nacht, und ich werde euch Antwort bringen, so wie Jehova zu mir reden wird.“
Wie viele gleichen hierin Bileam! Weil man nicht in Gemeinschaft mit dem Herrn lebt, kennt man nicht die Listen des Feindes. Wandeln wir mit dem Herrn, dann wandeln wir im Licht, und das Licht offenbart die Dinge der Finsternis, und wir erkennen die Absichten des Satans, so daß wir nicht erst zu fragen brauchen, ob eine Sache vom Satan oder vom Herrn ist. Ist unser Auge einfältig, dann wird unser ganzer Leib licht sein.
Gott kommt zu Bileam und fragt nach seinem Besuch, um sein Herz zu prüfen. Bileam sagt Gott, was Balaks Boten von ihm wollen. Gott antwortet ihm: „Du sollst nicht mit ihnen gehen, du sollst das Volk nicht verfluchen, denn es ist gesegnet.“ Dies war eine deutliche Sprache, die nicht mißverstanden werden konnte. Sie enthielt für Bileam ein klares Verbot, und das hätte ihm genug sein müssen. Er geht infolgedessen auch nicht mit den Männern Balaks, er unterwirft sich dem Willen des Herrn. Geschah es aus einem guten Beweggrunde? Brachte ihn die Furcht Gottes dazu? O nein, der weitere Verlauf seiner Geschichte zeigt uns dies deutlich. Schon die Worte, die er an die Boten Balaks richtete, zeigen uns den Zustand seines Herzens: „Gehet in euer Land, denn Jehova hat Sich geweigert, mir zu gestatten, mit euch zu gehen.“ Man fühlt diesen Worten die Mißstimmung seines Herzens ab, nicht mit ihnen gehen zu können: „Jehova hat Sich geweigert, mir zu gestatten.“ Er würde gern mit ihnen gegangen sein, aber er durfte nicht. Er fürchtete sich vor den Folgen, vor dem Zorn Jehovas. Sein Herz zog ihn nach Moab und den Geschenken Balaks, aber die Furcht vor Strafe hielt ihn zurück. Ein Herz, welches dem Herrn gehört, spricht solches nicht. Es sagt mit Joseph: „Wie sollte ich dieses große Übel tun und wider Gott sündigen.“ (1Mo 39,9)
Der Satan wußte dies recht gut; er wußte, daß Bileams Herz „den Lohn der Ungerechtigkeit“ liebte, und deshalb kommt er zum zweiten Male in angeseheneren Männern, in Fürsten, zu ihm mit derselben Botschaft. Er hatte Bileams Worte gut verstanden, „der Herr hat Sich geweigert, mir zu gestatten“. Er hatte gut herausgefühlt, daß er lieber gegangen wäre, und darum läßt er ihm sagen: „Laß dich doch nicht abhalten, zu mir zu kommen.“ Wie listig ist doch der Teufel, und wie genau kennt er den Zustand unseres Herzens und weiß davon Gebrauch zu machen! Wie ernst ist dies für uns alle! Wir können versichert sein, wenn er sieht, daß wir nicht auf seine Einflüsterung achten und entschieden sind, dem Willen des Herrn gehorsam zu sein, daß er von uns abläßt. Wenn er aber sieht, daß wohl unser Mund die Versuchung abweist, das Herz ihr aber folgen möchte, dann kommt er immer wieder mit seiner Versuchung an uns heran, und so lange, bis wir ihr unterliegen. Wieviel hängt davon ab, daß wir mit einem wahrhaftigen Herzen vor dem Herrn stehen! Dann werden wir mit Freuden und nicht gezwungen die Versuchungen des Satans abweisen.
Als die Boten Balaks nun zum zweiten Male zu Bileam kamen, antwortete Bileam: „Wenn mir Balak sein Haus voll Silber und Gold gäbe, so vermöchte ich nicht den Befehl Jehovas, meines Gottes, zu übertreten, Kleines oder Großes zu tun.“ Mancher wird sagen: „Das war wirklich fein gesprochen.“ O ja, aber es war nichts weiter als Schein. Der Mund kann oft so gute und fromme Worte reden, wogegen das Herz mit ganz anderen Dingen erfüllt ist. Wäre Bileams Herz mit seinen Worten in Übereinstimmung gewesen, dann hätte er die Boten Balaks sofort zurückgeschickt. Doch, was tut er jetzt? Hören wir die Worte, die jetzt seinen ersten folgen: „Und nun bleibet doch hier, auch ihr, diese Nacht, und ich werde erfahren, was Jehova ferner mit mir reden wird.“ Was sollte der Herr noch anderes mit ihm reden? Hatte Er nicht deutlich gesagt: „Du sollst nicht mit ihnen gehen, du sollst das Volk nicht verfluchen, denn es ist gesegnet?“ Kannte Bileam den Willen Gottes nicht? Ganz gewiß! Warum aber sandte er die Boten nicht zurück? Warum hielt er nicht einfach aufrecht, was der Herr ihm gesagt hatte? Warum läßt er die Boten noch eine Nacht warten? Ach, sein Herz zog ihn nach Moab. Die Geschenke Balaks hatten es ihm angetan. Die Welt und ihre Dinge hatten zu großen Wert für sein Herz. Mit einem Worte, er hatte den Lohn der Ungerechtigkeit lieb, wie Petrus in seinem Briefe schreibt (2. Petr. 2,15). Sein Mund sprach fromme Worte, aber sein Herz war vom Herrn weit entfernt. Er begehrte das Silber und das Gold, obgleich es seinen Worten nach schien, als hätte es keinen Wert für ihn. Aus diesem Grunde ließ er die Boten noch eine Nacht warten in der Hoffnung, daß der Herr ihm doch gestatten möchte, nach Moab zu gehen. Obwohl er den Willen Gottes genau kannte, wollte er doch wiederum danach fragen. Dies ist das Fragen nach dem bekannten Weg. Ein solches Fragen offenbart immer die Unwilligkeit des Herzens, den Weg zu gehen, von dem der Herr will, daß wir ihn gehen sollen.
Wie oft geschieht dieses von Gläubigen in unseren Tagen! Wie oft wird nach dem bekannten Wege gefragt! Man kennt den Willen des Herrn sehr gut, aber man hat keine Lust, ihn zu tun, weil das Herz nach den Dingen der Welt, und sei es auch der frommen Welt, verlangt. Was tut man nun? Es würde natürlich einen zu schlechten Eindruck machen, rundweg zu erklären: „Ich habe keine Lust, den Willen des Herrn zu tun.“ Das arglistige Herz findet deshalb andere Worte. Vielleicht sagt man: Um keinen Preis der Welt werde ich den Herrn aufgeben, wenn ich nur wüßte, was des Herrn Wille ist, so würde ich ihn sicher tun.“ Solche Worte klingen so gut und fromm, aber ach, sie verbergen oft doch nur die Unwilligkeit des Herzens. Man redet sich selbst vor, daß man den Willen des Herrn tun möchte, und doch beweist solches immer wieder neue Fragen und Rateinholen, daß man tatsächlich keine Lust hat, den Weg, den der Herr will, zu gehen.
Laßt uns einige Beispiele aus dem Leben nehmen! Da ist ein Gläubiger; er hat Zuneigung zu einer unbekehrten Person. Er weiß wohl, daß es gegen den Willen des Herrn ist, mit einer Unbekehrten die Ehe zu schließen. Das Wort des Herrn sagt: „Seid nicht in einem ungleichen Joche mit Ungläubigen.“ (2Kor 6,14) Dieses Wort ist klar und läßt keine Mißdeutung zu. Wohnt die Furcht Gottes im Herzen des Gläubigen und ist es ihm Freude, den Willen des Herrn zu tun, so wird er seine Zuneigung unter den Willen des Herrn stellen. Doch dieses tut er nicht, im Gegenteil, er versucht auf allerlei Weise, sein Vorhaben zu rechtfertigen. Er fragt beständig um Rat, und wenn ihm ein solcher nach der Schrift gegeben wird, ist er nicht damit zufrieden. Vielleicht bittet er Gott, daß Er die Ehe verhindern möge, wenn sie nicht nach Seinem Willen sein solle. Dies alles geschieht jedoch, so gut es auch scheinen mag, um das Gewissen zum Schweigen zu bringen und dem Begehren des Herzens folgen zu können.
Nehmen wir ein anderes Beispiel: Ein Christ will irgendeine Sache anfangen oder vornehmen. Sein Gewissen sagt ihm, daß die Beweggründe, die ihn hierin leiten, nicht nach dem Geiste des Herrn sind. Vielleicht sind Hochmut, Weltlichkeit, Geldliebe, Neid, Rachsucht, Unzufriedenheit mit seinem Lose oder dergleichen die Triebkraft seines Vorhabens. Er weiß wohl, daß das Wort Gottes solche Beweggründe verurteilt, aber sein Herz ist so davon erfüllt, daß er es nicht überwindet, davon abzustehen. Was tut er nun? Er geht zu den Brüdern und fragt um Rat. Er sagt, die Sache sei ihm nicht klar, er wisse nicht, was er tun solle und er frage deshalb, was sie darüber denken. Sie raten ihm ab. Ist er nun fertig damit? O nein, er wünscht die Sache zu tun und doch wagt er es nicht, bis daß er solche gefunden, die sie gutheißen. Nun geht er zu solchen, von denen er annimmt, daß sie ihm in seinem Sinne raten werden. Gelingt ihm dies, so ist er hocherfreut und redet sich vor, daß nun alles in Ordnung sei. Armer Mensch! Er kennt den Willen des Herrn und fragt doch um Rat. Ist solches nicht ein Fragen nach dem bekannten Weg, und verrät ein solches Fragen nicht die Unwilligkeit des Herzens, das Ihm Wohlgefällige zu tun? Man gebraucht schöne und fromme Worte und versteckt dahinter seinen eigenen Willen und seine Halsstarrigkeit. Wie traurig ist der Zustand eines solchen Herzens! Möchten wir doch mehr lernen, solches vor dem Herrn zu verurteilen, damit wir vor den traurigen Folgen eines solchen Weges bewahrt bleiben!
Die traurigen Folgen eines solchen Zustandes und Weges sehen wir bei Bileam. Sein Herz wollte nach Moab, und darum ging er nochmals zu Gott und fragte nach dem bekannten Wege. Und was sagt der Herr jetzt? „Wenn die Männer gekommen sind, dich zu rufen, so mache dich auf, gehe mit ihnen; aber nur dasjenige, was Ich zu dir reden werde, das sollst du tun.“ Im ersten Augenblick möchte uns diese Antwort befremden. Zuerst sagte Gott: „Du sollst nicht mit ihnen gehen“, und nun sagte Er: „Gehe mit ihnen.“ Wenn wir jedoch bedenken, was in dieser Zwischenzeit offenbar geworden war, dann wird uns Gottes Handlungsweise nicht mehr befremden. Bileams Worte und Tun hatten deutlich bewiesen, daß er nur gezwungen zu Hause blieb; sein Herz verlangte nach dem Golde Balaks. Er ließ zum zweiten Male die Boten bei sich übernachten, um nochmals den Herrn zu fragen, trotzdem der Herr ausdrücklich zu ihm gesagt hatte, daß er nicht gehen solle. Daraufhin sagt jetzt der Herr: „Gehe!“ War ein anderer Weg noch möglich? Nein, Gott will keinen gezwungenen Dienst, Er will ein ungeteiltes Herz. Der Herr sagt gleichsam: „Wenn du durchaus gehen willst, dann gehe, du wirst früh genug die Folgen dann empfinden.“
So ist es auch mit uns. Haben wir keine Lust, den Weisungen des Geistes Gottes zu folgen, gehen wir nur aus Furcht vor Strafe den geraden Weg, und kommen wir immer wieder zum Herrn, um gemäß dem Begehren unseres törichten Herzens zu fragen, dann sagt der Herr gewissermaßen: „Tue, was du willst, gehe deinen eigenen Weg, tritt mit der Unbekehrten in die Ehe.“ Du weißt, daß dieses gegen Gottes Willen ist, doch du hast allerlei Entschuldigungen. Du sagst, es könne doch das Mittel zur Bekehrung sein. Nun, Gott läßt es zu. Aber die traurigen Folgen lassen dich bald die Torheit deines Weges erkennen. Oder, nach unserem zweiten Beispiel, du tust dein eigenes Vornehmen. Treue Brüder rieten ab; dein eigenes Gewissen sagte still in der Tiefe deines Herzens: „Stehe ab davon!“ Aber dein Herz ist damit verbunden, du willst nicht. Und der Herr läßt nun die Umstände sich so zusammenfügen, daß man dann meint, Seine Zustimmung sehen zu können. Aber bald wird der Irrtum sichtbar. So ist das Fragen nach dem bekannten Wege nur der Beweis der Unlust, Gottes Weisungen zu folgen. Wenn der Herr sieht, daß unsere Füße wohl noch auf dem rechten Wege sind, unser Herz aber weit davon entfernt ist, dann läßt Er es oft zu, daß unsere Füße dorthin kommen, wo unser Herz bereits ist. Ist unser Herz in der Welt und sind nur unsere Füße bei den Gläubigen, dann kann es bald geschehen, daß auch unsere Füße in der Welt sind. Welchen Wert hat es auch, nur noch äußerlich mit Gott und mit dem Herzen in der Welt zu sein!
Wenn der Herr solches zuläßt, dann ist es Sein Gericht über uns. Wir haben auf Seine Stimme nicht gehört, wir haben unseren eigenen Willen durchgedrückt. Wer nicht hören will, muß fühlen. Da ist kein anderer Weg, uns zur Besinnung zu bringen, als uns die traurigen Folgen unserer Torheit fühlen zu lassen.
In der Freude seines Herzens, sein Begehr erlangt zu haben, sattelte Bileam seine Eselin und machte sich auf den Weg in Gesellschaft der Fürsten, nach Moab zu ziehen. Doch kaum ist er auf dem Wege, da entbrennt der Zorn Gottes über ihn. Ein Engel des Herrn stellt sich als sein Widersacher ihm in den Weg. So geht es auch uns auf verkehrten Wegen! Seine Hand ist uns entgegen. Allerlei Schwierigkeiten stellen sich uns in den Weg. Die Sache geht nicht gut, und so wie bei Bileam werden die Schwierigkeiten immer größer. Zuerst stellte der Engel des Herrn sich in den Weg; dann trat er ihm entgegen zwischen zwei Mauern, so daß Bileams Fuß an die Mauer gedrückt wurde. Und dann trat der Engel des Herrn ihm nochmals in einem ganz engen Weg entgegen, wo kein Raum war zum Ausbiegen, weder zur Rechten noch zur Linken.
Vielleicht fragt jemand: „Warum aber dieses alles?“ Der Herr will unsere Augen öffnen. Er will, daß wir erkennen, wie verkehrt und töricht wir gehandelt haben - wie wir nur unseren eigenen Willen getan und unseren eigenen Gedanken gefolgt sind. Aber ach, wieviel Mühe kostet es oft den Herrn, bis wir dies erkennen! Wir sind ja oft so blind über uns selbst. Haben wir unseren eigenen Willen und unser Ziel erreicht, dann sind wir in der Freude darüber oftmals wie benebelt, daß wir die Schwierigkeiten, die sich uns entgegenstellen, gar nicht als von der Hand des Herrn kommend ansehen, sondern sie allerlei Umständen zuschreiben. Bileam dachte nicht daran, daß der Zorn Jehovas über ihn entbrannt sei; er war zu erfreut, nach Moab ziehen zu können, daß jedes Hindernis daran auf dem Wege ihn in Zorn versetzte. Ach, wie manches Mal handeln wir genau so! Wir geben die Schuld den Menschen - der Mann der Frau - die Frau dem Manne - die im Beruf Stehenden den mißlichen Zeitumständen und den Betrügereien der Menschen -, doch an der Hand des Herrn sieht man vorbei. Und so wie Bileam seine Eselin schlug, schlägt man auf die Umstände. Und wie er sich in seinem brennenden Zorn ein Schwert wünschte, um seine Eselin erschlagen zu können, so wollen auch wir die Umstände, die Menschen, oft sogar Brüder uns aus dem Wege räumen. Ach, wie blind ist doch unser Auge und verkehrt unser Herz!
Aber der Herr läßt uns nicht, Er hat ein Ziel mit uns, und dieses Sein Ziel muß mit uns erreicht werden. Wollen wir auf die sanfte Stimme Seines Geistes nicht hören, dann redet Er in schärferer Weise zu uns. Bringen kleine Nöte uns nicht zur Einsicht, dann folgen schwerere. Der Herr läßt uns nicht. Welche Gnade! Er hat uns lieb, und wenn wir noch so verkehrt und halsstarrig sind, Er bringt uns dahin, wohin Er uns haben will. Aber es ist traurig, daß dazu oft erst ein langer und schwerer Weg nötig ist. Wandeln wir in der Einfalt des Herzens mit Ihm und überlassen wir uns Seiner Leitung, dann werden solche Wege nicht für uns nötig sein. Laßt uns niemals denken, daß wir allein durch solche schweren Wege geheiligt werden. O nein, es ist Gott keine Freude, solche Wege mit uns gehen zu müssen. Wandeln wir im Glaubensgehorsam und in der Abhängigkeit von Ihm, Er würde uns ganz andere Dinge offenbaren. Er würde dann mit uns wie mit Abraham sprechen, uns wie ein Freund seinem Freunde Seine Gedanken mitteilen. Dies alles verlieren wir jedoch durch unsere Verkehrtheit und Eigenwilligkeit. Die Zeit, die wir in einem solchen Zustand verbringen, ist verlorene Zeit - eine Zeit, aus der wir in der Ewigkeit keine Frucht finden werden.
Wohl ist es höchst traurig, wenn wir Gott nötigen, solche Wege mit uns zu gehen - und doch ist es ein Beweis Seiner Liebe, daß Er uns auch dann nicht uns selbst überläßt. Er will uns dahin bringen, wohin Er Bileam brachte, der am Schlusse ausrief: „Ich habe gesündigt!“ Ja, der Herr läßt es so weit kommen, daß wir schließlich keinen Rat mehr wissen, daß die Schwierigkeiten so groß und ihrer so viele werden, daß wir weder zur Rechten noch zur Linken ausweichen können und uns kein Ausweg mehr bleibt. Dann fangen die Umstände an, zu uns zu reden, und wir werden dahin gebracht, nicht länger die Hand der Menschen, sondern die Hand des Herrn in allem zu sehen. Wir fangen an, zu erkennen, daß das Gericht des Herrn über unseren Hochmut, unsere Weltlichkeit, Eigenliebe oder was es sonst sein mag, gekommen ist und daß darum alles verkehrt ging, dann beugen wir unser Haupt und bekennen Ihm: „Ich habe gesündigt.“ Dahin muß es kommen! Als der verlorene Sohn „zu sich selbst kam“, da fing er an, sich seines Vaters zu erinnern. Gott will, daß auch wir „zu uns selbst“ kommen, unsere Sünden Ihm bekennen und uns selbst verurteilen, und wenn wir gegen einen Menschen gesündigt, es auch diesem bekennen. O möchte der Herr mit uns allen zu Seinem Ziel kommen!
Diese ernste Geschichte ist uns zur Ermahnung und Belehrung durch den Heiligen Geist mitgeteilt. Möchte sie durch Gottes Gnade uns allen zum Segen sein! Bist du auf einem verkehrten Wege, hast du deinen eigenen Willen getan und bist du nun in allerlei Schwierigkeiten, laß mich dich bitten, komme zu dir selbst, lege nicht den Menschen oder den Umständen oder gar Brüdern die Schuld zur Last, sondern siehe, daß des Herrn Hand wider dich ist, um dich zu lösen und zu entbinden von den Dingen, die Ihm mißfällig sind. Komm zur Einsicht, zur Beugung, wirf dich nieder vor dem Herrn und bekenne Ihm: „Ich habe gesündigt!“ Wohl war Bileam ein Gottloser und das Bekenntnis: „Ich habe gesündigt!“ nicht aufrichtig, denn er fügte wieder ein „Wenn“ seinem Bekenntnis und Verhalten hinzu: „Wenn es übel ist in Deinen Augen.“ Wenn das Bekenntnis: „Ich habe gesündigt!“ rechter Art, wirklich von Herzen kommt, dann wird mit der Sünde gebrochen und nicht noch mit einem „Wenn“ geliebäugelt.
Vielleicht fragst du: „Und dann?“ Dann wird der Herr dich weisen, welchen Weg du zu gehen hast. Vielleicht will Er, daß du den Weg, den du gegangen, verlassen, vielleicht aber auch, daß du auf demselben bleiben sollst. Beides ist möglich. Elia floh aus Unglauben vor Isebel; er ging 40 Tage und 40 Nächte durch die Wüste, bis er an den Berg Horeb kam; als ihm Gott dort den Irrtum seines Weges gezeigt hatte, mußte er den langen Weg der 40 Tage und Nächte zurückgehen, um nach Samaria zu kommen (1. Kön. 19,15). Bileam jedoch wurde nicht zurückgeschickt; ihm sagte der Herr: „Gehe mit den Männern, aber nur dasjenige, was Ich zu dir reden werde, das sollst du reden.“ Der Herr wollte Bileam gebrauchen, den heidnischen Königen Seine Gedanken über Sein Volk Israel mitzuteilen und die köstliche Weissagung über den Messias - daß ein Stern aus Jakob hervortreten würde - kundzutun.
Bileam wurde nun zur VerHerrlichung Gottes doch nach Moab gesandt. So kann es auch mit uns sein. Zuweilen läßt der Herr uns den verkehrten Weg, den wir gegangen sind, zurückkehren. Wir müssen die Sache, mit der wir verbunden waren, aufgeben. Doch manchmal gebietet Er uns, auf dem schweren Wege inmitten der Schwierigkeiten Ihn nun zu verHerrlichen. Wie nötig ist es deshalb, uns in völliger Abhängigkeit vom Herrn zu halten und zu fragen: „Was willst Du, Herr, das ich tun soll!“
Meistens denken wir, daß wir den verkehrten Weg, den wir gegangen sind, verlassen müssen. Dies ist auch oft viel leichter, als auf dem, auf dem wir sind, zu bleiben. Doch unsere Gedanken sind nicht Seine Gedanken; Er weiß besser, was gut und nützlich für uns ist, und steht unser Herz wirklich in der Abhängigkeit von Ihm, dann wird Er uns auch den rechten Weg weisen. Es ist deshalb nicht allein nötig, daß wir uns über unsere Verkehrtheiten beugen, sondern uns Ihm ganz überlassen, uns nach Seinen Gedanken zu führen. Der Herr gebe uns hierzu Gnade und bewahre uns vor Eigenwilligkeit und vor Fragen nach dem bekannten Weg, damit Er nicht genötigt sei, uns durch schwere Wege dahin zu bringen, wohin Er uns haben will.
Möchte diese Geschichte uns zur Warnung dienen und uns anspornen, mit ungeteiltem Herzen dem Herrn zu folgen und in Seiner Gemeinschaft zu wandeln! Dann wird der Herr uns wie einst Abraham Seine Gedanken offenbaren, und wir werden die geistlichen Segnungen in den himmlischen Örtern genießen, mit denen Er uns in Christo gesegnet hat.
11 In einer alten, vor 66 Jahren erschienenen holländischen Zeitschrift fanden wir die nachstehende Betrachtung über Bileam, die wir übersetzen in der Gewißheit, daß dieselbe heute noch den Lesern einen inneren Gewinn bringen wird. A. v. d. K.↩︎