Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 8 -Jahrgang 1921/22
1Kor 16,2 - „Das Vorrecht und der Segen des Gebens“1Kor 16,2 - „Das Vorrecht und der Segen des Gebens“
(Ein Wort von Georg Müller, dem bekannten Glaubensmann und
Gründer der großen Waisenhäuser in Bristol).
Viele Kinder Gottes gehen des köstlichen Segens für ihre Seelen verlustig, der in dem Vorrecht liegt, am Werke des Herrn und „an den Bedürfnissen der Heiligen“ (Röm 12,13) teilzunehmen, weil sie nicht gewöhnt sind, regelmäßig zu geben. Sie mögen nicht geizig sein, sie mögen auch nicht die gegenwärtige böse Welt liebgewonnen haben, und doch handeln sie durchaus nicht als Verwalter des Herrn, sondern als ob sie bereits Eigentümer wären, weil sie nur nach Gefühlsantrieben oder unter dem Einfluß besonderer Umstände geben. Und so geht das Leben vorbei, ehe sie des gewahr sind und ohne daß sie das eine kurze Leben hier auf Erden gut dazu ausgenützt haben, ihre Mittel für den Herrn zu gebrauchen, wie sie es hätten tun können.
Wie soll ich es denn machen, mag ein Christ fragen, um meine Mittel am besten für den Herrn zu gebrauchen? Meine Antwort darauf ist:
1. Suche dir vor Augen zu halten, daß der Herr Jesus uns erlöst hat und daß wir infolgedessen nicht unser eigen sind, denn wir sind um einen Preis erkauft, nämlich durch das kostbare Blut Christi. Alles, was wir sind, und alles, was wir haben, gehört also Ihm, und wir haben unsere Besitztümer so anzusehen, wie es ein treuer Verwalter tun würde, dem Güter oder Geld von einem reichen Eigentümer anvertraut worden sind.
2. Als nächstes ist zu beachten, daß wir unsere Mittel gewohnheitsmäßig gebrauchen und regelmäßig mitteilen, so wie der Herr uns Gedeihen gibt. Wir sollten dies wöchentlich tun, wenn es irgendwie ausführbar ist, entsprechend dem Worte: „An jedem ersten Wochentage lege ein jeder von euch bei sich zurück und sammle auf, je nachdem er Gedeihen hat.“ ( 1Kor 16,2).
Das ist ein Punkt, der für jeden Christen der ernstesten Erwägung in der Furcht Gottes wert ist. Es ist ein Grundsatz Gottes, der in Seinem Worte aufs klarste ausgesprochen ist. Wenn aber durch ganz besondere Umstände dieses regelmäßige Geben im Verhältnis zum Einkommen undurchführbar ist, dann sollten wir jedesmal, sobald wir feststellen können, wie unser Geschäft steht, wieviel unser Beruf uns einbringt usw., vor Gott festsetzen, wieviel wir dementsprechend für das Werk des Herrn oder für die Armen geben können.
3. Es ist auch zu beachten, daß diese Aufforderung des Heiligen Geistes durch den Mund des Apostels Paulus nicht nur sagt, daß dieser oder jener so handeln, sondern daß jeder danach verfahren sollte, die Reichen, die Angehörigen der mittleren Stände und ebenso die Armen.
4. Bezüglich des Betrages, den der Einzelne geben soll, kann keine feste Regel aufgestellt werden, weil alles, was wir tun, nicht in einem gesetzlichen Geiste geschehen sollte, sondern aus Liebe und Dankbarkeit für den Gesegneten, der für uns starb. Gott will, daß wir in dem Geiste der Sohnschaft handeln und als solche, die von der Liebe Christi gedrungen werden. Denen, die Er erlöst und denen Er vergeben hat und die Er zu Seinen Kindern, Seinen Erben und Miterben Christi gemacht hat, gibt Er daher kein Gebot hinsichtlich dieses Punktes.
Aber sieh wohl zu, lieber christlicher Leser, daß du nicht den Segen verlierst, weil dir nicht gesagt ist, daß du von dem, was Gott dir gibt, den zehnten Teil oder den fünften oder den dritten Teil oder die Hälfte oder drei Viertel geben mußt. Ich habe für meine Person mir nichts geringeres als dies eine vorgesetzt: mit allem, was ich habe, ständig vor Gott zu stehen als Sein Verwalter und zu sagen: „Herr, alles, was ich habe, ist Dein: Gebrauche es, wie es Dir gefällt!“ Gott hat mir Gnade gegeben, 44 Jahre lang nach diesem Grundsatz zu handeln; und ich bin nicht imstande, das unaussprechliche Glück und den Segen zu schildern, die die Folge dieses Handelns waren.
Wenn aber der Leser sagt: „das kann ich nicht tun“, so ist die Antwort: Dann tue so viel du kannst, und laß dir Gnade dazu schenken. Gib den Zehnten oder ein Fünftel oder ein Drittel oder die Hälfte von dem, was Gott dir gibt, nach dem Maße, wie du gerade jetzt Licht und Gnade in dieser Frage hast. Nur setze einen, wenn auch noch so geringen Betrag deines Einkommens fest, den du geben willst, und gib ihn regelmäßig; und in dem Maße, wie es Gott gefällt, dir Licht und Gnade zu mehren - und in dem Maße, wie Er dir Gedeihen gibt, im gleichen Maße gib mehr! Wenn du das gewohnheitsmäßige, regelmäßige - das grundsätzliche und schriftgemäße Geben vernachlässigst und es nur dem Gefühl, dem Impuls oder besonderen sich ergebenden Umständen überläßt, so wirst du sicherlich selbst Schaden leiden. Der kleinste festgesetzte Betrag mag ständig überschritten werden; aber es ist trotzdem besser, diesen kleinsten Betrag festzusetzen, als daß du nichts oder so gut wie nichts tust.
In Verbindung mit diesem Gegenstand laßt uns folgendes bedenken:
1. Es gibt ein „Säen“ und ein „Ernten“ nach 2Kor 9,6. - Kinder in den Wegen des Herrn unterweisen, Hausbesuche machen, um Menschen leiblich oder geistig wohlzutun, Brot, Geld, Kleider und anderes den Armen geben, unser Geld und Gut für den Herrn und zu Seiner Ehre verwenden, das heißt nach dieser Stelle „Säen“. Der Lohn, den der Herr in der Zeit und in der Ewigkeit dem zur Vergeltung gibt, der da säet, wird „Ernten“ genannt. Dieser Lohn mag uns mehr oder weniger schon in diesem Leben zuteil werden. Zehnfach, ja hundertfach vergilt der Herr oft in zeitlichen Dingen, indem Er uns Freunde erweckt oder Seinen offenbaren Segen auf unseren irdischen Beruf legt usw. Aber gesetzt, der Herr ließe aus einer bestimmten Absicht solch ein Ernten hier auf Erden nicht eintreten, so wird ganz sicherlich die Ernte in der zukünftigen Welt sein. Das leitet mich zu dem zweiten Punkt in diesem Vers.
2. „Dies aber sage ich: Wer sparsam säet, wird auch sparsam ernten, und wer reichlich säet, wird auch reichlich ernten.“ Das sind Worte des Heiligen Geistes, durch den Mund des Apostels Paulus. Das hier gebrauchte Bild ist für jedermann leicht verständlich. Der Landmann, der sparsam säet, erntet sparsam. Das eine bedingt das andere. So werden alle, die nach dem Maße ihrer Zeit, Fähigkeit, Gelegenheit und Mittel nur wenig tun (zeitlich oder geistlich), auch nur wenig ernten, sei es in diesem oder in dem zukünftigen Leben. Das sagt Gott, und das glaube ich. In tiefster Seele glaube ich's! Wohlan, laßt uns nicht sparsam, sondern reichlich säen! Wer das tut, der wird auch reichlich ernten, jetzt sowohl wie auch in der zukünftigen Welt; das heißt, wenn das Säen für den Herrn geschieht und nicht aus irdischen Beweggründen, wie etwa aus dem Wunsche nach Menschenlob und anderem.
Das ist sicher, wir werden nichts verlieren in diesem Leben, wenn wir als treue Verwalter des Herrn handeln, was sollen wir aber sagen, wenn wir auf den „Tag Christi“ sehen, da selbst der Trunk frischen Wassers vergolten werden wird, der einem Jünger in eines Jüngers Namen gegeben ist. Wenn wir mehr gewohnt wären, die Tatsache uns vor Augen zu halten, wie kurz dieses Leben ist im Vergleich zur Ewigkeit und wie herrlich und unaussprechlich kostbar die Segnungen sind, die den Gläubigen am Tage Christi erwarten, wie gerne würden wir danach streben zu geben, ja mehr, auch selbst für Ihn hingegeben zu werden! Vergegenwärtigen wir uns nur einmal recht die Eitelkeit der irdischen Dinge und die Kostbarkeit der himmlischen Schätze, so werden wir danach ringen, für die Ewigkeit zu leben, und es wird uns eine Wonne sein, „Schätze im Himmel zu sammeln“.
Manche Kinder Gottes möchten nicht, wenn der Herr es fordern sollte, daß alles, was sie haben, dem Herrn gehören soll. Sie sind oft noch nicht einmal zu dem Standpunkt Jakobs gelangt, der im Alten Bunde lebte und der doch, als geistiges Licht in ihm zu tagen begann, zu Gott sagte: „Von allem, was Du mir geben wirst, werde ich Dir gewißlich den Zehnten geben“ (1Mo 28,22).
Sie geben nicht einmal wie Jakob von allem, was Gott ihnen gibt, den Zehnten zurück. Sie sind schnell bereit, große Summen zum Kauf eines Hauses und Tausende jährlich für die Erziehung jedes ihrer Kinder hinzugeben, auch reichliche Dienerschaft zu haben, und in jeder Beziehung ihrem Einkommen entsprechend zu leben, und geben dabei tatsächlich kaum einige Tausend für das Werk des Herrn oder für die Bedürfnisse der Heiligen usw. Was ist die Folge? Da sie mehr für sich selbst und für ihre Kinder als für Gott leben, sind sie nicht wahrhaft glücklich in Gott, und der eine klare Zweck, für den Gott sie hier auf Erden läßt, wird verfehlt.7
Das gilt aber nicht nur für die Reichen oder die mäßig begüterten Klassen, sondern auch für die Armen unter den Kindern Gottes. Der Christ mit einem kleinen Gehalt oder mit einem kleinen Geschäft oder der Reisende, der nur seinen Lohn erhält, sagt vielleicht: „Ich habe so wenig, ich kann nichts davon sparen; oder wenn ich etwas spare, so kann es nur eine ganz unbedeutende Kleinigkeit sein“. Und was ist das Resultat? Alles, oder fast alles gibt er für sich selbst aus, oder was nicht gebraucht wird, wird für die Zukunft beiseite gelegt. Die Folge davon ist, daß solche Leute nicht geistlich glücklich sind und auch zeitlich oft nicht voran kommen. Es kann nicht anders sein! Wenn sie über das wenige, welches Gott ihnen anvertraute, nicht treu sind, wie kann Gott ihnen mehr geben! es sei denn, daß Er es, wie einst bei Israel (Ps 106,15), zu ihrer Züchtigung tut und Magerkeit in ihre Seelen sendet, um sie zur Erkenntnis der Eitelkeit solcher Dinge zu führen. Oft muß Gott auch (sowohl bei Reichen wie bei Armen) Krankheit, schwere Verluste, Verlust des ganzen Geschäftes usw. senden, um Seinen Kindern das zu nehmen, was sie nicht freiwillig, gedrungen durch die Liebe Christi, Ihm zu Füßen legen wollten.
Ich habe viele Jahre im Dienste des Herrn gestanden. In dieser Zeit, namentlich während der letzten vierzig Jahre, bin ich mit vielen tausend Gläubigen bekannt geworden, von denen ich viele hundert genau gekannt habe, und ebenso auch ihre Verhältnisse. Mehr noch; viele, sehr viele haben meinen Rat in ihren privaten Angelegenheiten verlangt. Und was habe ich (neben anderen Dingen) dabei gelernt? Dieses: „Da ist einer der ausstreut, und er bekommt noch mehr; und einer der mehr spart, als recht ist, und es ist nur zum Mangel. Die segnende Seele wird reichlich gesättigt, und der Tränkende wird auch selbst getränkt“ (Spr 11,24.25). Viele Beispiele habe ich gesehen, daß Kinder Gottes „ausstreuten“, und doch mehr bekamen - ja, viel ausstreuten, und doch überfließend mehr bekamen. Aber viel häufiger habe ich gesehen, daß sie mehr sparten als recht war, aber es war nur zum Mangel.
Beachte hier die Worte „mehr als recht“. Es wird nicht gesagt: „der alles spart“, wohl aber: „mehr als recht ist“. Das heißt, Er gibt zwar, aber es ist so wenig im Vergleich mit dem, was es sein könnte und sein sollte, daß es nur zum Mangel ist. Bei dem Begehren, vorwärts zu kommen, und weil sie nur für sich selbst lebten, sparten sie mehr als recht ist, und so war es nur zum Mangel und diente dazu, sie arm zu halten. Säumige Schuldner, unerwartete und unerklärliche Verluste, schwere Nöte in der Familie usw., nahmen das Geld fort, das sie für sich selbst behalten wollten, entgegen dem Willen Gottes.
Andererseits habe ich viele Christen gekannt, die, nachdem sie anfänglich 10 % gegeben hatten, auf 15 und 20 % hinaufgingen, ja auf 25 und 33 1/3, und ich weiß selbst von Fällen, in denen 60 und 75 % des ganzen Einkommens gegeben wurden, weil diese Christen „Schätze im Himmel“ und nicht auf Erden zu sammeln begehrten. Wenn wir auch niemals geben sollten, um vom Herrn wieder zu erhalten, so wird dies dennoch geschehen, wenn wir aus richtigen Beweggründen geben. Gott hat Selbst erklärt, daß es so sein wird. Das geht klar aus folgenden Stellen hervor: „Ehre Jehova von deinem Vermögen und von den Erstlingen all deines Ertrages; so werden deine Speicher sich füllen mit Überfluß und deine Kufen von Most überfließen“ (Spr 3,9.10). „Gebet, und es wird euch gegeben werden. Ein gutes, gedrücktes und gerütteltes und überlaufendes Maß wird man in euren Schoß geben“ (Lk 6,38). „Wer des Armen sich erbarmt, leiht Jehova; und Er wird ihm seine Wohltaten vergelten“ (Spr 19,17).
Wenn dieses im Verhältnis zum Einkommen wöchentliche Geben von dir übersehen wurde, willst du es nicht jetzt ernstlich beachten? Diese Blätter wollen dich hinweisen auf den Willen des Herrn, so wie Er ihn in der Schrift offenbart hat. Möchtest du Gnade erlangen, Seinen Willen von Herzen zu tun, und daran gedenken, daß Gott einen fröhlichen Geber lieb hat! (2Kor 9,7).
Erlöst durch das kostbare Blut Christi gehörst du nicht mehr dir selbst an, sondern du und alles, was du hast, gehört dem Herrn. Du bist nur Verwalter, nicht Besitzer von dem, was dir anvertraut ist. Bist du ein treuer Verwalter? Verwendest du dein Geld so, daß es dich mit Freude erfüllen wird, wenn du dein Haupt aufs Sterbekissen legst?
Das Bewußtsein und der Genuß der Liebe Gottes bewahre dich vor dem Übel und mache dich zu einem solchen Erben der Herrlichkeit, dem es Lust und Wonne ist, alles zu Jesu Füßen zu legen! Am Richterstuhl Christi, wo wir Rechenschaft von unserer Verwaltung zu geben haben, werden wir dann die frohen Worte hören: „Ei, du guter und getreuer Knecht, über weniges warst du treu, über vieles werde Ich dich setzen; gehe ein in die Freude deines Herrn“ (Mt 25,21)!
(Übersetzt von E. L).
7 Manche andere, die nicht verschwenderische Ausgaben machen, sind in den Fallstrick des „Anhäufens“ gefallen. Solche, deren Gewissen nicht erwachte und die nicht zum Bewußtsein ihres Unglaubens und zur Umkehr kamen, haben den oft mit vielen Sorgen aufgehäuften Reichtum auf ihrem Totenbett als eine fast unerträgliche Bürde empfinden müssen.↩︎