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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 19 - Jahrgang 1934
1Thes 4,18; 5,11; Heb 3,13; 10,25 - Ermuntert einander!1Thes 4,18; 5,11; Heb 3,13; 10,25 - Ermuntert einander!
Das alte Jahr liegt hinter uns. Und welch ein Jahr! Voll Dank beugt sich unser Herz beim Rückblick vor dem Herrn, dessen mächtige Hand uns so gnädig vor der verderblichen Flut des Umsturzes und der Gewalttat gerettet hat. Und nicht allein dieses, wir beugen uns auch in Dank über Seine gnadenvolle Durchhilfe in so vielen Nöten und Bedrängnissen, an denen dieses vergangene Jahr so reich war. Wie wichtig ist in einer solchen Zeit das Wort der Ermahnung: „Ermuntert einander!“
Als einer, der selbst durch das Wort der Ermunterung aufgerichtet wurde, möchte ich an der Schwelle des neuen Jahres dies Wort der Ermahnung weitergeben: „Ermuntert einander!“ Welch ein weites Gebiet gesegneten Dienstes öffnet dieses Wort allen Kindern Gottes! Hier ist kein Gläubiger ausgeschlossen; für diesen Dienst bedarf es keiner Gabe, keiner Fähigkeit, nur eines Herzens der Liebe. Und wie viele sind es, die gerade in diesen schweren Tagen durch ein Wort des Trostes, einen Dienst der Liebe der Ermunterung bedürfen, damit Herz und Blick Dem zugewandt werde, der auch heute noch Sein Erbteil, wenn es ermattet ist, wieder aufrichtet! (Ps 68,9) „Ermuntert einander!“ sagt das Wort. Sind wir aber nicht viel leichter bereit, uns einander zu entmutigen als zu ermuntern? Ach, der Dinge, die uns verzagt und mutlos machen, gibt es im Leben so viele, wir brauchen wirklich diesen nicht noch mehr hinzuzufügen. Ein herzliches Wort der Teilnahme, ein Druck der Hand, eine kleine Tat der Liebe, wie vermag sie aufzurichten! Laßt uns wachsam sein über uns selbst, über unsere Worte, über unser Benehmen, daß wir den Niedergebeugten das Herz und den Weg nicht noch schwerer machen, sondern solche vielmehr aufrichten! Der Herr ist nahe, und der Tag, an welchem wir Gelegenheit haben, Liebe zu erweisen, wird bald vorüber sein.
Ist es nicht bemerkenswert, daß die Ermahnung, uns einander zu ermutigen, in den oben angeführten Schriftstellen mit der Nähe des Tages des Herrn verbunden ist? Nachdem Paulus die Thessalonicher mit der Ankunft des Herrn getröstet hatte, schreibt er: „Ermuntert nun einander mit diesen Worten.“ Und wiederum sagt er dasselbe Wort im Anschluß an die Unterweisungen über den kommenden Tag des Herrn. (1Thes 4,18; 5,11) Und den Hebräern wird geschrieben: „Ermuntert einander, und das um so mehr, je mehr ihr den Tag herannahen sehet.“ (10,25) Und Heb 3,13 lesen wir: „Ermuntert einander jeden Tag, solange es heute heißt.“ Auch nicht ein Tag soll ohne eine Ermunterung dahingehen. Gott zeigt uns damit, wie wichtig diese ist. Müssen wir nicht bekennen, daß wir hierin oft gefehlt haben? Hat es nicht an dieser Sorge füreinander gar oft gemangelt? O möchten wir mehr darauf bedacht sein, daß kein Tag vergehe, an welchem nicht Ermunterung ausgegangen ist, sei es durch Wort oder Tat, durch Mitgefühl, Gebet, Anerkennung alles Guten, Dankbarkeit, oder worin wir irgendeine Ermunterung oder Stärkung geben können. Der Herr ist nahe. Laßt uns deshalb, solange es heute heißt, einander trösten und stärken!
Die Schrift kennzeichnet die letzten Tage als schwere Zeiten. Wie dunkel sie auch sein mögen, wir haben Ihn. Er bleibt in diesem Tale der Todesschatten bei uns. Ihn können wir in unserer Bedrängnis anrufen, und Er antwortet uns auch in der Hülle der Donnerwolke (Ps 81,7). Er hat Seine Hand und auch einen Segen für uns selbst im Wetter der Trübsal; dessen können wir sicher sein.
Haben wir nicht manchmal mit aufrichtigem Herzen den Herrn gebeten, Hindernisse in unserem geistlichen Wachstum hinwegzunehmen? Wollen wir nun hadern, wenn Er dies in einer von uns nicht erwarteten Weise tut, wenn Er uns gleich Hiob Wege gehen läßt, auf welchen Er es dem Satan erlaubt, unsere Gesundheit, unseren Besitz, unsere Familie zu nehmen? Und warum ließ Gott dieses alles bei Hiob geschehen? Damit er sich selbst und auch seinen Gott kennenlernen sollte.
Hiob war nicht los von sich und von seiner Gerechtigkeit: Gott mußte ihn in Seine Schule nehmen. In Petri Herzen wohnte Selbstvertrauen: Gott mußte dies in ihm zerbrechen. Und wie ist es mit uns? Bergen auch wir noch Dinge in unserem Herzen, von denen wir gelöst - die in uns zerbrochen werden müssen? Weltliebe, Eitelkeit, Lust, Habsucht, Unversöhnlichkeit, Hochmut, wie leicht finden sie Raum in unserem Herzen! Johannes ermahnt die Gläubigen am Schluß seines ersten Briefes: „Kinder, hütet euch vor den Götzen!“ Götzen sind alle die sichtbaren und unsichtbaren Dinge, die unser Herz gefangen nehmen und denen wir huldigen. Sehr, sehr oft ist dieser Götze das eigene Ich, und Selbstzufriedenheit, Eigendünkel, Rechthaberei, Hochmut begleiten ihn auch dann, wenn er im Demutsgewande paradiert. Gott aber muß ihn zerbrechen, um uns segnen zu können.
Solches Zerbrechen ist sehr schmerzlich, und das Fleisch liebt solche Wege Gottes nicht. Wenn der Herr das Messer der Reinigung an uns legt, dann wünscht unser stolzes Herz oft, daß andere es nicht sehen möchten, und sucht es zu verbergen. Da möchte man das Sacktuch der Beugung und Demütigung gleich dem Könige Israels auf bloßem Leibe tragen (2Kön 6,30). Dieser wollte das Gewand der Buße wohl dem allsehenden Auge Gottes zeigen, aber den Blicken der Menschen durch die königlichen Kleider verhüllen. Menschen zeigte er sich aufrecht und ging als König auf der Mauer einher - Gott zeigte er das Sacktuch der Beugung und Demütigung -, unter dem Sacktuch aber war ein ungebrochenes Herz. Gott aber führte diesen König in solche Tiefen, daß er die Oberkleider zerreißen und das Volk das Sacktuch sehen mußte. Gott kehrte das Innere nach außen.
Gott ist ein Gott der Wahrheit, und Er will Wahrheit. Hochmut - wie Gott sein zu wollen - führte zur ersten Sünde des Menschen; und das gefallene Geschlecht Adams trägt den Keim des Hochmuts seitdem in sich. Gott haßt das stolze Herz, und Er widerstehet dem Hochmütigen. Wie blind und töricht ist doch der Mensch, wenn er „meint, etwas zu sein, da er doch nichts ist“ (Gal 6,3). Ein solcher betrügt und täuscht sich nur selbst, aber nicht Gott. Gott hat Seine Kinder zu lieb, als daß Er sie nach der Torheit ihres Herzens gehen ließe; Er nimmt sie in Seine Erziehung, damit sie Seiner Heiligkeit teilhaftig werden.
Wie wahr und durchsichtig lebte und zeigte sich Paulus, wo er auch sein mochte! Die törichten Korinther, die auf das sahen, was vor Augen ist (2Kor 10,7), nötigten Paulus, von sich selbst zu reden; er tat es mit Widerwillen und nicht, ohne ihnen zu bezeugen, daß, wenn er auch in nichts den ausgezeichnetsten Aposteln nachstehe, er doch nichts sei (2. Kor. 12,11). Er war ein Nachahmer dessen, der Sich
Selbst zu Nichts machte; und als ein solcher fordert er uns auf, wiederum seine Nachahmer zu sein; nicht Nachahmer in Worten oder dem Fleische nach, sondern im Geist und in der Wahrheit. „Das Fleisch nützt nichts“, sagt der Herr, „die Worte, welche Ich zu euch geredet habe, sind Geist und sind Leben.“ (Joh 6,63) Der Herr machte Sich Selbst zu Nichts (Phil 2,7) - wir aber sind nichts, und dies muß, wo wir auch immer sein mögen, in unserem Verhalten sichtbar sein.
Wenn der Herr uns dazu auch im neuen Jahre in der Schule der Leiden zubereiten will, dann laßt uns einander ermuntern und nicht vergessen, daß wir, wie auch der Weg sei, Seine Zusage haben: „Ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters.“ (Mt 28,20) Uns will es manchmal scheinen, als ob der Herr uns in der Trübsal vergessen hätte. Gott aber war Hiob in den dunklen Tagen seiner Leiden nicht weniger nahe als in den guten, obgleich es ihm schien, als sei er von Gott völlig verlassen. Das gesegnete Ende in Hiobs Leben, als Gott sein Ziel mit Hiob erreicht hatte, beweist dieses. Darum wollen auch wir uns getrost Seiner Führung überlassen, da wir wissen, daß Er uns liebt und nur Gutes geben kann; dann wird Seine Liebe und Seine Macht die Quelle unserer Kraft und unseres Trostes sein.
A. v. d. K.