verschiedene Autoren
Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 22 - Jahrgang 1937
Gal 2,2 - Eine freiwillige PrüfungGal 2,2 - Eine freiwillige Prüfung
„Damit ich nicht etwa vergeblich laufe oder gelaufen wäre.“ (Gal 2,2)
Die große und endgültige Prüfung oder Bewährung unseres Dienstes als Knechte des Herrn findet vor dem Richterstuhl an dem kommenden Tage statt, wie geschrieben steht: „So wird das Werk eines jeden offenbar werden, denn der Tag (Gerichtstag) wird es klarmachen, weil er in Feuer geoffenbart wird, und welcherlei das Werk eines jeden ist, wird das Feuer bewähren.“ (1Kor 3,13) Oder: „Denn wir müssen alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden, auf daß ein jeder empfange, was er in dem Leibe getan, nach dem er gehandelt hat, es sei Gutes oder Böses.“ (2Kor 5,10)
Paulus überprüfte schon vor dem großen Tage des Offenbarwerdens sich und sein Werk im Lichte des Richterstuhles. Er wollte dort nicht erfunden werden als einer, der vergeblich gelaufen wäre. Einer solchen Prüfung unterzog er sich noch, als er schon Jahrzehnte im Dienst des Herrn gestanden hatte.
Als Gottes Gnade ihn berief, Seinen Sohn unter den Nationen zu verkündigen, da handelte es sich für ihn um einen einfachen Gehorsamsschritt. Fest entschlossen, zu tun, was Gott von Ihm verlangte, ging er nicht mit Fleisch und Blut zu Rate. Hier aber, in Gal 2, handelt es sich um die Frage des gemeinsamen Dienstes an ein und demselben Werke mit anderen zusammen. Obschon Paulus sich gewiß war, nach göttlichem Wollen zu dienen, ging er doch nach Jerusalem hinauf, einer Offenbarung zufolge, um in der Frage seines Dienstes auch die anderen zu hören und ihre Übereinstimmung mit Ihm zu suchen.
Freiwillig stellte er sich einem kleinen Kreis angesehener Bruder. Er erzählt und erklärt ihnen seine Arbeit, wie er das Wort verkündige, wie er Seelen zuerst aus dem Volke Israel und dann hauptsächlich aus den Nationen für den Herrn zu gewinnen suche, wie er als ein weiser Baumeister Gemeinden gründe, in denen der Heilige Geist die Leitung habe, und daß er die Gläubigen aus den Nationen nicht unter das Gesetz Moses stelle.
Mit feinem Takt, bescheiden und vertrauensvoll unterstellt er sich und seine Arbeit der Beurteilung der Brüder. Er behauptet nichts; er legt in Demut alles den Brüdern vor. Sie selbst sollen urteilen über das, was er tut und lehrt. Er will Verständigung im Interesse des Friedens und der Förderung des Werkes.
Wir sehen hieraus, wie sorgfältig Paulus über seine Arbeit an dem ihm anvertrauten Evangelium wachte und daß ihm nichts an seiner Person, aber alles an dem Werke des Herrn lag.
Er hätte sich einer solchen Überprüfung und Aussprache entziehen können mit leichten Ausreden wie z. B.: daß er direkt vom Herrn ausgesandt sei, daß er seinen Weg vor Gott verantworten könne und daß der Herr seinen Dienst auch völlig legitimiert habe, denn überall seien durch seine aufopfernde Arbeit blühende Gemeinden entstanden. Aber er suchte mit Fleiß diesen Austausch mit den Brüdern, um der vollen Gemeinschaft der Apostel in bezug auf seine Arbeit sicher zu sein, damit er nicht etwa vergeblich laufe oder gelaufen wäre.
So sehr er die Übereinstimmung seiner Mitarbeiter schätzte und suchte, überschätzte er sie doch nicht, als sei er dadurch gerechtfertigt. Schreibt er doch selbst: „Mir aber ist es das Geringste, daß ich von euch oder von einem menschlichen Gerichtstage beurteilt werde; ich beurteile mich aber auch selbst nicht. Denn ich bin mir selbst nichts bewußt, aber dadurch bin ich nicht gerechtfertigt.“ (1Kor 4,3.4)
Wenn wir dies alles in Betracht ziehen, so bewundern wir noch mehr, daß er als ein alter und erfahrener Diener des Herrn sich freiwillig einer Überprüfung unterstellte, obgleich er für sich selbst überzeugt war, dem Willen des Herrn gemäß seinen Dienst getan zu haben.
Können wir nicht alle, welcher Art auch unsere Aufgaben und Arbeiten im Werke des Herrn sein mögen, hierin etwas von Paulus lernen? Vielleicht vollführen wir unsere Aufgaben und Dienste jahraus, jahrein, und wir denken, daß nichts darin zu verändern oder zu verbessern sei; wir sind uns auch selbst nichts bewußt, aber sind wir deshalb gerechtfertigt? Ältere und geistlich gesinnte Brüder und Schwestern aber bemerken Angewohnheiten, Mängel, Fehler und Hinderndes genug an uns, aber sie sind zu schüchtern, uns etwas darüber zu sagen. Vielleicht haben sie auch schon eine traurige Erfahrung von unserer Empfindlichkeit gemacht, oder sie fühlen, daß ihr treuer Rat nur höflich angehört, aber im eigenen Dünkel von vornherein von uns abgelehnt wird. Sie schweigen deshalb lieber, seufzen weiter und sagen es im Gebet dem Herrn.
Haben wir nicht alle - nicht nur die am Worte oder sonstwie dienenden Brüder - hierin etwas von Paulus zu lernen? Besteht für uns keine Gefahr, vergeblich zu laufen? Paulus will nicht vergeblich laufen oder gelaufen sein. Freiwillig überprüft er mit geistlich gerichteten, angesehenen Brüdern die die Herzen bewegenden Fragen seines Dienstes. Wenn er uns auffordert, seine Nachahmer zu sein - ist dies, was er hier tut, davon ausgeschlossen? Gibt es über unsere Arbeit oder die Art und Weise unserer Dienste nichts zu prüfen, nichts zu sagen, nichts zu beraten, um diese wirkungsvoller und mehr zur Ehre des Herrn zu gestalten?
Wenn wir auch hierin dem Vorbilde und der Gesinnung Pauli folgen, werden wir sicher keine ungeistliche, scharfe Kritik finden, sondern Brüder, die uns in Liebe und in dem Geiste Christi zu dienen, zu helfen und nicht zu demütigen wünschen.
Meinst du, daß Jakobus, Kephas und Johannes nicht ernst und mitfühlend den Darlegungen Pauli zuhörten? Sie fanden nichts auszusetzen noch einzuwenden, sondern erkannten vielmehr die Gnade, die Paulus gegeben war, und sie gaben ihm und Barnabas die Rechte der Gemeinschaft. Alles, was diese drei Säulen der Gemeinde in Jerusalem Paulus und Barnabas zu empfehlen hatten, war, daß sie der Armen eingedenk wären, was Paulus auch mit Eifer tat.
Paulus schätzte das Urteil und den Rat seiner Brüder. Haben wir soviel Selbstvertrauen in unsere Fähigkeiten, daß wir den Rat unserer Brüder nicht brauchen? Wenn wir uns im Herzen für klüger, tüchtiger, begabter, charaktervoller als andere halten und mit unseren Leistungen und unserer Tüchtigkeit liebäugeln, dann ist es kein Wunder, wenn wir einen solchen Weg der freiwilligen Überprüfung nicht lieben und uns empören, wenn uns die nackte Wahrheit gesagt wird, daß nämlich andere von unseren vermeinten Vorzügen, in denen wir uns so gern beschauen, nichts bemerken, sondern vielmehr über uns seufzen und uns in Geduld tragen, bis der Herr uns die Augen über uns selbst öffnet.
Wie schon gesagt, alles, was die drei Brüder in dieser Stunde der freiwilligen Überprüfung Paulus zu sagen hatten, war, daß er der Armen eingedenk sein solle. Vielleicht würden auch unsere Brüder uns nur auf persönliche Fehler, Unbeholfenes, Linkisches in der Art des Dienstes aufmerksam machen oder uns den Rat geben, uns nach einer Verkündigung des Wortes des leichtfertigen Redens und Wesens zu enthalten oder uns nach der Versammlung zu bemühen, taktvoll mit Fremden einige liebe Worte zu wechseln. Oder sie sagen uns vielleicht, daß unser Dienst gesegneter wäre und als Gold, Silber und köstliche Steine am Tage des Herrn erfunden werden könnte, wenn wir mehr Eifer und Wert auf das Gebet im Kämmerlein legen möchten als darauf, eine schwungvolle Rede zu halten, oder daß wir das vollendete Werk des Herrn am Kreuze mehr ins rechte Licht stellen und betonen möchten als das, was der Sünder zu tun hat.
Sicher wird eine freiwillige Überprüfung im Lichte des Richterstuhles Christi vor dem großen Tage der Offenbarwerdung uns davor bewahren, daß wir vergeblich laufen oder gelaufen wären. Ein Austausch mit geistlich gerichteten Geschwistern kann uns nur zum Segen sein; denn Brüder und Schwestern sehen besser als wir selbst unsere Mängel und Fehler, die uns oft verborgen bleiben. Schade wäre es, an jenem Tage etwas von unserem Lohne einbüßen zu müssen, weil wir vielleicht einem solchen Überprüfen aus dem Wege gehen.
F. Buttcher.