Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 18 - Jahrgang 1933
Heb 11,39-40 - Glaubensproben in der WartezeitHeb 11,39-40 - Glaubensproben in der Wartezeit
In der Welt, die unseren Herrn verworfen hat, haben wir nichts als Leiden jeder Art zu erwarten. Der Herr Selbst sagte dies Seinen Jüngern zuvor: „Ein Knecht ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie Mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen.“ (Joh 15,20) „Es kommt aber die Stunde, daß jeder, der euch tötet, meinen wird, Gott einen Dienst darzubringen.“ (Joh 16,2) Bekennen wir mit dem verworfenen Christus einsgemacht zu sein, so werden wir von seiten der Welt auch dieselbe Behandlung erfahren, die Ihm zuteil wurde. „Alle aber auch, die gottselig leben wollen in Christo Jesu, werden verfolgt werden.“ (2Tim 3,12)
Dieses mußten auch die gläubig gewordenen Hebräer erfahren. Sie hatten sich bekehrt und den gekreuzigten Jesus von Nazareth als den Messias Gottes erkannt und als ihren Heiland angenommen. Damit hatten sie die Scheidung zwischen sich und den Christus verwerfenden Juden vollzogen. Die Folge war, daß sie von ihren Landsleuten als Abtrünnige angesehen und auf das bitterste verfolgt wurden (1Thes 2,14.15). Der Apostel konnte sie an die Tage erinnern, in welchen sie viel Kampf der Leiden erduldet hatten, indem sie einerseits sowohl durch Schmähungen als Drangsale zur Schau gestellt wurden und andererseits Genossen derer wurden, welche also einhergingen. Selbst den Raub ihrer Güter hatten sie mit Freuden aufgenommen, da sie wußten, daß sie für sich selbst eine bessere und bleibende Habe besaßen. (Heb 10,32.34)
Die Länge der Leiden und Verfolgungen stellte aber ihr Ausharren auf eine schwere Probe. Sie waren daran, zu ermatten und im Glauben schwach zu werden. Der Apostel sucht deshalb ihren Glauben zu stärken und richtet ihren Blick auf den Kommenden, der über ein gar Kleines kommen und nicht verziehen werde. Er ermahnt und ermuntert sie: „Werfet nun eure Zuversicht nicht weg, die eine große Belohnung hat. Denn ihr bedürfet des Ausharrens, auf daß ihr, nachdem ihr den Willen Gottes getan habt, die Verheißung davontraget.“ (Heb 10,35.36) „Darum richtet auf die erschlafften Hände und die gelähmten Kniee und machet gerade Bahn für eure Füße.“ (Heb 12,12)
Um diese armen, so schwer bedrängten Heiligen zu ermutigen, in Geduld und im Glauben auszuharren, führt er ihnen im 11. Kapitel eine Wolke von Zeugen vor Augen, die im Glaubenskampfe und im Ausharren Königreiche bezwangen, über Löwen, Feuer und Schwert triumphierten, in Stunden der Schwachheit Kraft gewannen, im Kampfe stark wurden, die sich martern, steinigen und zersägen ließen. Mit dem Glaubensblick auf die zukünftige Welt gingen sie umher in Ziegenfellen, hatten Mangel, Drangsal, Ungemach, irrten umher in Wüsten und Gebirgen und in den Klüften und Höhlen der Erde (deren die Welt nicht wert war).
Wenn der Glaubenspfad uns dahinführte, statt in Kammgarn-Anzügen in Ziegenfelle gehüllt zu gehen und in Höhlen und Klüften der Erde statt in Betten zu schlafen, würden wir bereit sein, einen solchen Weg zu gehen? Würden wir durch Glauben Entbehrungen, Bedrängnisse, Mißhandlungen, Ketten und Kerker als uns von Gott gewordene Würden mit Freuden aufnehmen? (Apg 5,41) Der Glaube ist keine Einbildung. Dem Glauben sind Gottes Aussprüche Wirklichkeiten. Diese treue Schar ließ sich durch nichts von der Welt verlocken, und kein Haß und kein Leid vermochte sie zu überwinden. Führen wir ein solches Siegesleben? Ist unser Weg durch Treue und Selbstverleugnung gekennzeichnet? Was geben wir für den Herrn auf?
Nachdem der Apostel eine solche Schar von Menschen Gottes, die durch Glauben ein Zeugnis erlangten, an ihrem Auge hatte vorüberziehen lassen, schließt er das Kapitel mit dem bedeutungsvollen Wort: „Und diese alle ... haben die Verheißung nicht empfangen, da Gott für uns etwas Besseres vorgesehen hat, auf daß sie nicht ohne uns vollkommen gemacht würden.“ (Heb 11,39.40)
Welch ein wunderbarer Ausspruch! Durch dieses „für uns“ vorgesehene „Bessere“ werden wir hier deutlich von den alttestamentlich Gläubigen und von ihrem Segenslose unterschieden. Was sind das nun für „bessere“ Dinge, die wir vor ihnen voraushaben? Es sind die Dinge der himmlischen Berufung. Ihre Segnungen lagen diesseits - unsere sind in den himmlischen Örtern in Christo (Eph 1,3). Dort sind alle unsere Quellen. Verbunden mit Christo in Herrlichkeit, hat Gott den Geist Seines Sohnes in unser Herz gesandt, der da ruft: „Abba, Vater!“ (Gal 4,6) Damit haben wir die Sohnschaft empfangen, sind Kinder Gottes und Miterben Christi geworden und haben den Zugang durch einen Geist zu dem Vater (Röm 8,17; Eph 2,18). Dies war nie das Teil eines Heiligen des Alten Testamentes. Abraham, Daniel und andere mehr werden Freunde und Vielgeliebte Gottes genannt, aber nie erlangten sie die Sohnschaft, nie konnten sie mit Freimütigkeit ins Heiligtum gehen und „Abba, Vater!“ rufen.
Obwohl diese Gläubigen des Alten Testamentes durch den Heiligen Geist ein Zeugnis erlangten, so empfingen sie damit doch nicht „die Verheißung“ (beachte hier die Einzahl). Dies will natürlich nicht sagen, daß sie Verheißungen, die den einzelnen Gläubigen gegeben wurden, nicht erlangt hätten, aber die eine Verheißung, die des Sohnes, des Kommenden, in dem alle Verheißungen ihre Grundlage, ihr Ja und Amen haben und ohne die sie nicht zur Vollendung gelangen konnten, diese Verheißung empfingen sie nicht. Und weshalb konnten sie „die Verheißung“ nicht empfangen? Weil Gott noch Herrlicheres mit uns vor hatte und Sein Plan nicht zur Ausführung kommen konnte, wenn sie schon ohne uns vollkommen gemacht waren. Hier öffnet sich uns ein Blick in das Geheimnis Seines Willens. Der Reichtum Seiner Liebe und Gnade, nämlich, daß die aus den Nationen Miterben sein sollten und Miteinverleibte und Mitteilhaber Seiner Verheißung in Christo Jesu durch das Evangelium - kurz das Geheimnis: „Christus und Seine Gemeinde“, das in den Zeiten der Zeitalter verborgen war - sollte noch vor ihrer Vollendung offenbart werden. (Röm 16,25; Eph 3,6)
Gott ordnete deshalb für die Gläubigen des Alten Testamentes zwischen ihrem Glauben und dem Erlangen dessen, was ihr Glaube erfaßt hatte, eine Wartezeit an. So, wie einst diese, stehen jetzt auch wir in einer Wartezeit. Wie sie wartend nach dem Kommenden ausschauten, so schauen wir gleich ihnen jetzt nach der Ankunft des Herrn aus, der uns unser Erbe und auch ihnen ihr Segenslos bringen wird, in dessen Vollgenuß sie nicht eher gelangen werden, bis auch wir das für uns vorgesehene „Bessere“ empfangen, da sie nicht ohne uns vollkommen gemacht werden sollten.
Stehen wir nun auch in einem „besseren“ Segenslose als die alttestamentlichen Gläubigen, so stehen wir doch gleich ihnen in der Wartezeit und in der Laufbahn des Glaubenslebens. Um uns in diesem Lauf zu stärken, hat uns der Apostel eine so große Wolke von Zeugen der Kraft des Glaubens aus dem Alten Testament vor Augen geführt. Wenn wir diese anschauen, dann drängt sich uns die Frage auf: „Wie weit stehen wir heute im Einklang mit der Treue dieser?“ Die Drangsale und Prüfungen, durch welche wir jetzt zu gehen haben, sind bei weitem nicht so schwer wie die, durch welche sie hindurchgingen. Und wir haben mehr und Besseres als sie empfangen; wir haben den Heiligen Geist wohnend in uns; und um so mehr sollte unser Wandel, abgesondert von der Welt, ein Zeugnis für den Herrn sein!
A. v. d. K.