Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 15 - Jahrgang 1930
1Sam 18.23.31 - „Jonathan“1Sam 18.23.31 - „Jonathan“
In dem Artikel „Wessen Sohn ist dieser Jüngling?“ in den „Handreichungen“ (Seite 145) betrachteten wir, wie Saul in David den Lautenspieler und Waffenträger, Jonathan in ihm aber seinen Retter sah.
Nach außen hin mochte es scheinen, als sei ein Wandel in Saul vorgegangen und er ein anderer geworden, aber es war nur ein Schein nach außen. Es genügte ihm völlig, zu wissen, daß der Feind geschlagen sei; David aber war ihm nicht mehr als früher; er war und blieb ihm wie zuvor der Lautenspieler; wir lesen: „David aber spielte mit seiner Hand, wie Tag für Tag.“ (1Sam 18,10b) Wohl nahm Saul an jenem Tage David zu sich ins Haus und ließ ihn nicht in das Haus seines Vaters zurückkehren. Geschah dies aus Liebe? Aus Liebe wohl, aber nicht aus Liebe zu David, sondern aus Selbstliebe; nicht, um David zu erhöhen, nahm er ihn ins Haus, sondern um sich in ein gutes Licht zu stellen, seine Großmut zu zeigen, daß er den Mann, der eine so große Tat vollbracht hatte, ehrenhalber in sein Haus aufnahm; aber Liebe zu David kannte sein Herz nicht. Im Gegenteil, dort sah es finsterer aus als je. Es war von bitterem Neid und Haß gegen David erfüllt. Und warum? Weil David größer war als er und Davids Werk seine Ohnmacht offenbarte und ihm die Ehre genommen hatte. Der Jubel des befreiten Volkes: „Saul hat seine Tausende und David seine Zehntausende erschlagen“ entfachte den Grimm Sauls zu heller Glut.
Für Jonathan war David der Gesandte vom Vater, der ihn von der Macht seines Widersachers, des starken Riesen, unter Einsetzung des eigenen Lebens befreit hatte. Und ihm öffnete er sein ganzes Herz: „Da verband sich die Seele Jonathans mit der Seele Davids; und Jonathan liebte ihn wie seine Seele ... Und Jonathan zog das Oberkleid aus, das er anhatte, und gab es David, und seinen Rock bis auf sein Schwert und seinen Bogen und seinen Gürtel.“ (1Sam 18,1.4) Zweierlei wird uns in diesen Worten von Jonathan gesagt: erstens, er liebte David wie seine Seele, und zweitens, er entäußerte sich selbst. Warum liebte er ihn so? Weil er gesehen hatte, wie David für ihn in den Kampf zog und sein eigenes Leben aufs Spiel setzte. Von dieser Stunde an gehörte sein Herz David.
Jonathan sah nicht nur das Werk, welches David vollbrachte und durch welches er gerettet war, sondern sein Auge und sein Herz ruhten auf dem, der das Werk getan hatte. Es genügte ihm nicht, zu wissen, der Riese ist tot, wir sind nun frei und können wieder in Ruhe leben und uns erfreuen; sein ganzes Innere neigte sich der Person zu, die ihn befreit hatte. Nicht, als ob er den Sieg gering achtete, aber der Sieger war ihm mehr als der Sieg. Es war ihm ein Drang und eine Freude des Herzens, sein Oberkleid, seinen Waffenrock, Schwert, Bogen und Gürtel, alles, was ihm früher wertvoll war, abzulegen und zur Erhöhung Davids hinzugeben.
Wie stehen wir zu unserem Erretter? Sollten nicht auch wir unser Herz ganz Dem öffnen, Der uns so teuer erkauft hat? Warum sind unsere Herzen oft so kalt dem Heiland gegenüber? Ist es nicht, weil Er und Sein Werk so wenig vor unserem Auge stehen? Der Herr sagte einst zu Seinen Jüngern: „Sehet Meine Hände und Meine Füße“. Sehen wir sie? Was sagen uns die Hände und Füße unseres Retters? Sagen sie uns nicht, daß Er für uns am Kreuze hing und unser Gericht trug? Kann es dann bei uns anders als wie bei Jonathan sein?
Welch ein liebliches Bild ist Jonathan von der Liebe, die sich selbst aufgibt, um den Geliebten zu erheben! Warum zog er sein Oberkleid, das er anhatte, aus und gab es David, dazu auch seinen Waffenrock, sein Schwert, seinen Bogen und Gürtel? Eben, weil seine Seele ganz in David aufging. David war ihm alles. Diese Selbsthingabe zeigt uns nicht nur, wie groß die Person Davids ihm war, sondern auch, wie völlig er in den Sieg Davids eintrat. Was sollten ihm jetzt nach Davids Sieg noch seine Waffen, die seine Ehre, Würde und Macht ausdrückten? Dieser Kriegsrüstung bedurfte er nicht mehr, nachdem David den Feind geschlagen hatte. Diese Dinge mochten ihm früher wertvoll gewesen sein, aber was sollten sie ihm jetzt, wo er mit David verbunden war? Alle Ehre und Macht gebührte allein David. So finden wir es auch bei Paulus. So wertvoll ihm einst auch die eigene Gerechtigkeit war - als er aber Christus als seinen Retter und Heiland erkannt hatte, da sagte er: „Was irgend mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Verlust geachtet; ja, wahrlich, ich achte auch alles für Verlust wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn.“ (Phil 3,7.8)
Wie mußte Davids Herz durch solche Hingabe Jonathans erfreut werden! Und wie ist es mit uns? Erfreuen wir das Herz unseres Herrn durch eine solche Hingabe? Wie leicht sind wir mit unserer Errettung zufrieden, und Er, der sie vollbracht hat, der Erretter Selbst, steht daneben. Gewiß, wir sollen uns unserer Errettung freuen, und es kann gar nicht anders sein, als daß wir uns darüber freuen, aber soll unser Herz bei der Errettung stehen bleiben? Sollte es bei uns nicht auch so sein wie bei Jonathan und Paulus? Sollten nicht auch wir alles, was uns ehrt und wertvoll ist, Ihm weihen, um Ihn damit zu erhöhen, der für uns in den Tod ging?
David forderte solches nicht von Jonathan, und der Herr fordert es nicht von uns. Es muß eine Tat sein, die einzig und allein aus der Quelle der Liebe hervorgeht. Jonathan vergaß sich selbst; er dachte nur an David. Und so wird es mit uns sein, wenn Christus in unserem Herzen wohnt. Dann ist es so, wie Paulus den Korinthern schreibt: „Die Liebe des Christus drängt uns“ (2Kor 5,14) oder den Philippern: „Was irgend mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Verlust geachtet; ja, wahrlich, ich achte auch alles für Verlust wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn , um derentwillen ich alles eingebüßt habe und es für Dreck achte, auf daß ich Christum gewinne.“ (Phil 3,7.8)
Diese beiden köstlichen Züge der Liebe und Hingabe, wie wir sie im Alten Testament bei Jonathan und im Neuen Testament in besonderer Weise in Pauli Leben finden, werden auch heute noch bei denen sichtbar, deren Herzen ungeteilt dem Herrn anhangen. Diese Verherrlichung des Herrn , die schon hier unten unser Vorrecht ist, wird in vollkommener Weise im Himmel geschaut: Von den 24 Ältesten, die auf Thronen sitzen, bekleidet mit weißen Kleidern und goldenen Kronen auf ihren Häuptern, wird uns gesagt, daß sie ihre Kronen niederwerfen vor den Thron und sagen: „Du bist würdig, o, unser Herr und unser Gott, zu nehmen die Herrlichkeit und die Ehre und die Macht.“ (Off 4,10.11)
Alles dieses ist niedergeschrieben worden, damit auch unsere Herzen in brennender Liebe Ihm entgegenschlagen möchten. Mangelt es aber an dieser Liebe, dann sind wir nicht bereit, Ihm unseren Rock, Schwert und Gürtel hinzugeben; wir werden vielmehr geneigt sein, durch diese Dinge unser Ansehen und unsere eigene Gerechtigkeit zu erhöhen. Möchten wir mehr die wunderbare Herrlichkeit des Herrn erkennen, um uns von allem zu lösen, was noch Ruhm für das Fleisch ist! Wieviel können wir aus Jonathans Verhalten lernen! Welch ein leuchtendes Vorbild ist er für uns in seiner Hingabe und Liebe zu David! Und diese Liebe bewahrte er ihm sein ganzes Leben hindurch.
Wie aber kam es, daß Jonathans Ende ein so überaus trauriges, ja schreckliches war? Um hierauf eine Antwort zu finden, müssen wir die weitere Geschichte Jonathans betrachten.
In 1. Samuel 30 finden wir den erschütternden Bericht über das Ende Sauls und seiner drei Söhne Jonathan, Abinadab und Malkischua. Jonathan fiel im Kampfe wider die Feinde des Volkes Gottes. Aber hatte David diese nicht besiegt? Gewiß, aber Jonathan kämpfte an der Seite des Mannes, der in den Sieg Davids nicht eintrat, sondern mit seiner eigenen Kraft den Feind besiegen wollte - Davids Sieg und Werk aber nicht anerkannte -, und an der Seite dieses Mannes kam er mit demselben um.
Nun wollen wir etwas näher auf Jonathans Geschichte eingehen, die so viele ernste Belehrungen für uns enthält. Wir lesen 1Sam 19,1: „... Jonathan aber, der Sohn Sauls, hatte großes Wohlgefallen an David.“ Großes Wohlgefallen! Wenn wir Christus wirklich erkannt haben, so wird unser Herz nicht mit einer vorübergehenden Zuneigung, sondern mit wahrer tiefer Liebe zu Christo und Glauben an Sein vollbrachtes Werk erfüllt, und diese wachsen und erstarken und treiben zum Bekenntnis Seines Namens. So war es auch bei Jonathan.
Wohl herrschte zu jener Stunde noch das Haus Sauls, Gott aber hatte Saul und sein Haus verworfen und David durch Samuel zum König salben lassen. Und wer geöffnete Augen hatte, wußte, daß David der Gesalbte Gottes war. Und so wie damals, so weiß jeder, der dem Zeugnis des
Wortes glaubt, daß die Reiche dieser Welt gerichtet und dem Gesalbten Gottes einst unterworfen werden.
Überall in dieser Geschichte sehen wir deutlich das Bild unserer Tage. So wie Saul David und die wenigen Männer, die mit ihm waren, haßte, so haßt die Welt heute Christus und Seine Nachfolger. Laßt uns dies nicht vergessen und uns ständig bewußt sein, daß der Haß gegen Christus auch unser Herz prüft! Auch Jonathan wurde hierdurch auf die Probe gestellt. „Saul redete zu seinem Sohne Jonathan und zu allen seinen Knechten, daß er David töten wolle.“ (1Sam 19,1) Jonathan aber sagte es David und trat für ihn ein. O, daß wir überall, wo sich Feindschaft gegen Christus offenbart, das Gleiche tun möchten! Und wie oft fanden wir Haß, wo wir ihn am allerwenigsten erwarteten! Vielleicht wurden wir zu einigen Freunden eingeladen, die als gute Christen galten. Aber wir fanden bald, daß von allen möglichen Dingen und Personen geredet werden konnte, aber nur nicht von Dem, Den unsere Seele liebt. O, stehe auf, gehe und sage es Jesus, und dann sprich für den Herrn , so wie Jonathan für David sprach! Tust du es nicht, so bedenke wohl, daß du mit deinem Schweigen deinen Herrn verleugnest! „Jonathan redete zu seinem Vater Saul Gutes von David und sprach zu ihm: Der König versündige sich nicht an seinem Knechte, an David; denn er hat nicht gegen dich gesündigt, und seine Taten sind dir sehr nützlich. Und er hat sein Leben aufs Spiel gesetzt und den Philister erschlagen, und Jehova hat dem ganzen Israel eine große Rettung geschafft. Du hast es gesehen und dich gefreut; und warum willst du dich an unschuldigem Blute versündigen, indem du David tötest ohne Ursache?“ (V. 4 u. 5)
Das war ein gutes Bekenntnis von seiten Jonathans; der Herr Jesus sagt: „Wer irgend sich Meiner und Meiner Worte schämt unter diesem ehebrecherischen und sündigen Geschlecht, dessen wird Sich auch der Sohn des Menschen schämen, wenn Er kommen wird in der Herrlichkeit Seines Vaters mit den heiligen Engeln.“ (Mk 8,38) Wenn Jonathan schon gut von David reden konnte, können wir dann nicht noch viel mehr Gutes von dem Herrn Jesus reden? Hat Er uns nicht eine große Errettung bereitet? Gibt es überhaupt etwas Gutes ohne Ihn? O, wieviel
Gutes können wir von Ihm berichten! Hat irgend jemand in bezug auf die Sünde Gott verherrlicht, so wie Er es am Kreuze getan hat? Kann jemand ewiges Leben haben anders als durch den auferstandenen Heiland? Kann unser schuldiges Gewissen gereinigt werden ohne das kostbare Blut Jesu Christi? Kennst du in der Geschichte und dem Wesen der Welt etwas, was einen Menschen befähigt, angesichts des Todes mit gutem Mute in die Ewigkeit zu schauen? „Wir sind aber guten Mutes und möchten lieber ausheimisch von dem Leibe und einheimisch bei dem Herrn sein.“ (2Kor 5,8) Und noch mehr - hat nicht Er - der von Ewigkeit war und durch den alle Dinge geschaffen - durch Seinen Tod uns einen neuen Platz jenseits der Sünde und des Todes bereitet? Sollen wir nicht, wenn dies Sterbliche Unsterblichkeit anziehen wird, umgestaltet werden zur Gleichförmigkeit mit Seinem Leibe der Herrlichkeit? Und ist der Tag Seines Kommens, an dem wir Ihn sehen und unser Herz und Mund voll Anbetung und Jubel sein wird, nicht ganz nahe gekommen? Wollen wir dann in diesen wenigen Tagen uns unseres verworfenen Herrn schämen - uns Jesu schämen? Nein, wie Jonathan David in dem gerichteten Hause Sauls bekannte, so und noch viel mehr laßt uns in dieser gerichteten Welt den Herrn bekennen!
Wir lesen nun die Geschichte Jonathans weiter in 1Sam 20. Saul trachtete mit wachsendem Haß nach Davids Leben. - „So wie damals der nach dem Fleische Geborene den nach dem Geiste Geborenen verfolgte, also auch jetzt.“ (Gal 4,29) Verfolgung ist das Los aller wahren Jünger Jesu. „Alle aber auch, die gottselig leben wollen in Christo Jesu, werden verfolgt werden.“ (2Tim 3,12) Auch der Mund des Herrn Jesus sagte einst zu Seinen Jüngern: „Wenn sie Mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen,“ (Joh 15,20) und wiederum: „Ihr aber seid es, die mit Mir ausgeharrt haben in Meinen Versuchungen.“ (Lk 22,28) Dieses Wort zeigt uns, wie hoch Sein Herz die treue Nachfolge Seiner Jünger wertete und schätzte. Wie schwach sie auch waren, wie erfreute aber ihr Ausharren Seine Seele! Und wie kostbar mußte David die Teilnahme und das Eintreten Jonathans gewesen sein und ihm den bitteren Kelch, den er zu trinken hatte, versüßt haben! Der Herr achtet auch auf jedes Werk der
Liebe, aber auch des Hasses, welches Ihm oder Seinen Getreuen getan wird. Das beweisen uns Seine Worte vom Himmel: „Saul, Saul, was verfolgst du Mich?“ Was diesen Verfolgten getan wurde, das sah Er an als Ihm Selbst getan. Laßt uns auch beachten, daß wir immer nur nach dem Maß unserer Treue den Haß der Welt tragen werden. Ist es nicht so? Wer sind die, die in unseren Tagen von der großen Masse wirklich gehaßt werden? Sind es nicht gerade die Wenigen, die wirklich in den Fußtapfen des Herrn wandeln? Werden andere, die nicht in Treue wandeln, ebenso verachtet, verspottet und gehaßt wie diese? Welche Hingabe liegt in den Worten Jonathans: „Was deine Seele spricht, das will ich für dich tun.“ (1Sam 20,4) Dieser willige Herzensgehorsam ist die Frucht des Glaubens. Überall finden wir Gleiches im Neuen Testament: „Herr, was willst Du, das ich tun soll?“ (Apg 9,6, Luth)., oder: „Was soll ich tun, Herr?“ (Apg 22,10) ist der erste Impuls des neuen Lebens in der Seele des bekehrten Saulus; es drückt das vom Heiligen Geist ins Herz gegebene Verlangen aus, den Willen des Herrn zu tun, was Er auch immer begehren mag. Jonathan war bereit, im Hause seines Vaters für David einzutreten und ihm jede Anordnung seines Vaters, sei sie gut oder böse, zu berichten. Er war gleichsam in Sauls Haus Davids Mann.
Aus dem weiteren Bericht des 20. Kapitels sehen wir, wie Jonathan mehr und mehr zu der Erkenntnis kam, daß Saul in seiner Feindschaft den Tod Davids beschlossen hatte, aber völlig gewiß und ohne jeden Zweifel wußte er, daß „Jehova die Feinde Davids (Saul) ausrotten wird, einen jeden vom Erdboden hinweg.“ (V. 15) O, daß diese Erkenntnis ihn von dem Manne, den Gott „vom Erdboden hinweg“ „ausrotten“ würde, geschieden hätte, wieviel Leid würde ihm erspart geblieben sein - doch davon später. Noch eine Probe soll gemacht werden, um Sauls Gesinnung zu erfahren, und diese Probe kostete ihn fast das Leben.
Als es Neumond war und Saul sich zum Mahle setzte, blieb Davids Platz leer. Mit dem warmen Herzen der Liebe tritt nun Jonathan für David ein und entschuldigt ihn bei seinem Vater. Die Folge war, daß nun der ganze Haß und Zorn Sauls über Jonathan entbrannte. Er sprach zu ihm: „Sohn einer widerspenstigen Verkehrten! weiß ich nicht, daß du den Sohn Isais auserkoren hast zu deiner Schande und zur Schande der Blöße deiner Mutter? Denn alle die Tage, die der Sohn Isais auf Erden lebt, wirst du nicht feststehen, weder du noch dein Königtum; und nun sende hin und laß ihn zu mir holen, denn er ist ein Kind des Todes!“ Kühn aber antwortete Jonathan seinem Vater Saul: „Warum soll er getötet werden? was hat er getan? Da warf Saul den Speer nach ihm, um ihn zu treffen; und Jonathan erkannte, daß es von seiten seines Vaters beschlossen sei, David zu töten.“ (V. 30-33) Was mußte Jonathans Herz empfinden, als der Speer seines Vaters an ihm vorbeisauste?! Seine Gefühle finden wir in den Worten: „Und Jonathan stand vom Tische auf in glühendem Zorn, und er aß am zweiten Tage des Neumondes keine Speise; denn er war betrübt um David, weil sein Vater ihn geschmäht hatte.“ (V. 34) Wie herzbewegend ist diese treue Liebe Jonathans und welch ein Vorbild für uns! Am Morgen ging Jonathan aufs Feld, um David in der verabredeten Weise von dem Stand der Dinge zu berichten (V. 35-40). Als der Knabe sich entfernt hatte, machte sich David von der Südseite auf „und fiel auf sein Antlitz zur Erde und beugte sich dreimal nieder; und sie küßten einander und weinten miteinander, bis David über die Maßen weinte. Und Jonathan sprach zu David: Gehe hin in Frieden! Es sei, wie wir beide im Namen Jehovas geschworen haben, als wir sagten: Jehova sei zwischen mir und dir und zwischen meinem Samen und deinem Samen auf ewig! - Und David machte sich auf und ging hinweg; Jonathan aber kam in die Stadt.“ (V. 41-43)
Können wir nicht nachfühlen, welch ein Schmerz durch Davids Seele ging? Er weinte vor Schmerz über die Maßen. Wie konnte Jonathan den weinenden Freund in dieser Stunde verlassen? So möchten wir fragen, wenn wir unser eigenes Herz nicht kennten. Und doch ist der Schmerz Davids nur ein Schatten von den viel tieferen Leiden und Schmerzen des von der Welt verworfenen, eingeborenen Sohnes Gottes. An Davide Schmerz können wir ein wenig verstehen von dem, was der Herr litt, als die Menschen schrien: „Hinweg mit diesem, kreuzige Ihn!“ und die Jünger Ihn verließen. Und erfüllt dieser
Ruf nicht heute noch die Welt, und sind die Jünger Jesu heute treuer?
Wir sind jetzt zu einem entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte Jonathans gekommen. Es ist ein sehr ernster Punkt. Um den vollen Ernst zu verstehen, müssen wir uns klar vor Augen halten, daß wir in David ein Vorbild von dem verworfenen Christus und in dem Hause Sauls ein Bild von der Welt und in Jonathan und in den Männern um David ein Bild von den Gläubigen finden, die den verworfenen Christus als ihren Herrn und Heiland angenommen haben. So wie Saul damals David haßte und verfolgte, so und noch viel mehr haßt und verwirft heute die Welt Christus, den Gesalbten Gottes.
Gott trägt heute noch die Welt in Langmut, so wie Gott das Haus Sauls die ganze Zeit der Verwerfung Davids hindurch in Langmut trug. Jedermann konnte sehen und wissen, daß David der Erwählte und Gesalbte Gottes war. Auch Jonathan wußte dies. Wir sehen dies aus seinen eigenen Worten bei seiner letzten Begegnung mit David (1Sam 23,17). Und nun muß ich, so schwer es mir ist, auf die Sache zu sprechen kommen, in der Jonathan fehlte. Es ist wirklich schmerzlich, dies tun zu müssen. Warum? Ach, weil so manche Jonathans in unseren Tagen sind. Ist es nicht traurig, den Gesalbten Gottes zu kennen, Ihn zu lieben, Ihn zu bekennen, sich Seiner zu erfreuen, den Wunsch im Herzen zu tragen, Ihm in dieser Welt zu dienen und doch in Einem zu fehlen? Weißt du, was dies eine ist?
Vielleicht sagst du: „Alles, was bisher von Jonathan gesagt ist, trifft durch Gottes Gnade auch bei mir zu. Auch ich kenne eine Zeit, wo ich mir meiner Sündenschuld bewußt wurde und wo ich mit Furcht in das Tal des Todes schaute und keine Rettung und keinen Frieden fand, bis der Heilige Geist mir Jesus, den Gesandten Gottes, offenbarte und ich Ihn glaubend als meinen Heiland annahm.“ Nicht wahr, da verband sich deine Seele mit dem Herrn , wie sich einst Jonathans Seele mit David verband? Mancher Fehltritt mag seit dieser Zeit getan sein; aber kannst du mit Petrus sagen: „Herr, Du weißt alle Dinge, Du weißt, daß ich Dich lieb habe“? Ist Er dir alles? Bist du wie Jonathan im Hause Sauls ein Zeuge für deinen Herrn in deiner
Stadt, in deinem Hause, im Angesicht derer, die Ihn hassen? Wenn es so ist, ist es dann nicht schmerzlich, wenn bei allem diesen doch wie bei Jonathan eins dir fehlt?
Hast du die letzten wenigen Worte über Jonathan beachtet? (1Sam 20,43): „Und David machte sich auf und ging hinweg; Jonathan aber kam in die Stadt.“ Wohin ging David? Im 22. Kapitel finden wir ihn in der Höhle Adullam. „Als seine Brüder und das ganze Haus seines Vaters es hörten, kamen sie dorthin zu ihm hinab ... und es waren bei ihm an vierhundert Mann.“ (1Sam 22,1.2) Aber unter diesen vierhundert Mannen, die bei David waren, fehlte einer, und dieser eine war - Jonathan. Vielleicht sagt jemand: „Wie ist es möglich, daß Jonathan nicht zu David in die Höhle Adullam ging? Wußte er denn nicht. daß David König werden würde?“ Nun, wir brauchen nur die letzte Unterredung Jonathans mit David zu lesen, um eine klare Antwort auf diese Frage zu finden. Wir lesen in 1Sam 23,16-18: „Da machte sich Jonathan, der Sohn Sauls, auf und ging zu David in den Wald und stärkte seine Hand in Gott. Und er sprach zu ihm: Fürchte dich nicht! denn die Hand meines Vaters Saul wird dich nicht finden; und du wirst König werden über Israel, ... Und David blieb im Walde, und Jonathan ging nach seinem Hause.“ Und dieses Haus war das Haus des von Gott verworfenen Sauls, von dem er wußte, daß Jehova es vom Erdboden hinweg ausrotten würde. Hier ist kein Irrtum möglich. Wir sehen somit aus seinen eigenen Worten, daß Jonathan bestimmt wußte, daß David König über Israel sein werde und daß das Haus Sauls verworfen war. Und doch ging er nicht aus diesem Hause heraus und nahm nicht seinen Stand, den wahren Platz des Glaubens, mit dem noch verworfenen, aber bald regierenden König ein!
Lieber Leser, weißt du das Ende des gegenwärtigen Zeitlaufs? Weißt du, daß, wenn sie sagen: „Friede und Sicherheit!“, dann ein plötzliches Verderben über sie kommt? Weißt du, daß das Gericht am Hause Gottes beginnt? Weißt du, daß so, wie das abtrünnige Haus Sauls verworfen wurde, die abgefallene Christenheit aus Seinem Munde ausgespien werden wird? Siehst du Laodicäa nicht um dich? Der Herr zeichnet uns ihren Zustand mit den
Worten: „Ich bin reich und bin reich geworden und bedarf nichts.“ (Off 3,17) Und welch ein Ausposaunen und Rühmen von Werken und Taten! Welche Vergötterung großer Männer und Namen in unseren Tagen! So groß wie Laodicäa, so groß stand Saul auch einst in den Augen der Welt dem verworfenen David mit seinen 400 Mannen gegenüber, aber wie erschütternd war das Ende! Und nun, lieber Leser, weißt du, daß der verworfene Jesus zur Rechten der Majestät in der Höhe ist und daß Gott beschlossen hat, alle Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße zu legen? Bald kommt der Herr mit gebietendem Zuruf, um alle die Seinigen in der Luft mit Sich zu vereinigen, um dann mit ihnen herniederzukommen und alle die zu richten, die dem Evangelium nicht gehorchten. Ich bin überzeugt, du weißt, daß dieses alles sicher geschehen wird. Nun, laß mich dich fragen: Weißt du auch, daß jetzt am Tage Seiner Verwerfung durch das Wirken des Heiligen Geistes viele das Lager der religiösen Welt verlassen und Seine Schmach tragen und sich um den verachteten Christus versammeln, so wie sich einst jene 400 um David in der Höhle Adullam versammelten? Bist du unter diesen? Jene 400 waren keine glänzende Schar, aber sie waren um den gesalbten David versammelt. Ach, daß doch Jonathan auch in ihrer Mitte gewesen wäre! Sein Leib würde dann nie an der Mauer von Beth-Schan gehangen haben. Ist es nicht eine ernste Frage an dich: Wo bist du? Baust du Holz, Heu, Stroh, Stoppeln mit an dem gerichteten Hause Sauls - an der großen Namenchristenheit, die da bekennt, Gottes Gemeinde zu sein und doch in Wirklichkeit nichts weiter ist als ein System dieser Welt? O, laß mich dich fragen: Hast du deinen Platz außerhalb des Lagers mit dem verworfenen, aber wiederkommenden Herrn Jesus eingenommen? Vielleicht sagst du: „Ach, diese abgesondert stehenden Gläubigen sind gar komische Leute.“ So hätte auch Jonathan von den 400 Männern, die bei David waren, sagen können. Aber die Frage ist: Was ist dir Jesus? Ist Er es nicht wert, um Seinetwillen alles zu verlassen und dich eins mit Ihm zu machen? Gehörst du nicht Ihm an? Wenn du diesen Weg der Hingabe an deinen Herrn gehst, so wirst du bald andere finden, (und wenn es auch nur wenige sein sollten), die durch Gottes Gnade alles aufgegeben haben, um diesen gesegneten Weg der Nachfolge ihres Herrn zu gehen, obwohl die Welt von solchen, (wie in den Tagen Pauli) sagen mag, daß sie eine Sekte seien - „eine Sekte, der allenthalben widersprochen wird.“ (Apg 24,5.14; 28,22)
Laßt uns ganz offen und klar die Dinge in ihrer Wirklichkeit anschauen! Ist es nicht so, wie damals das Haus Saul dominierte, daß so heute das große Haus des Namenchristentums vorherrscht, und wie sich damals 400 Männer absonderten, um Davids Verwerfung zu teilen, sich auch heute Gläubige absondern, um die Schmach und Verwerfung ihres Herrn zu tragen? Und wenn du, lieber Leser, ein Gläubiger bist, so wirst du entweder auf dieser oder auf jener Seite stehen.
Vielleicht sagst du: „Ich habe mein Brot in diesem religiösen System.“ Das ist gewiß keine leichte Sache. Bei Jonathan war es ebenso, aber siehe, das Ende seines Weges war an der Mauer von Beth-Schan! Vielleicht sagst du: „Du mußt doch auch den Einfluß in Betracht ziehen, den ich ausübe und ausüben kann, wenn ich dableibe, wo ich bin. Bedenke die große Gemeinde und die vielen Gelegenheiten, für den Herrn zu sprechen! Wenn ich meinen Platz dort aufgebe, so ist doch gar nicht daran zu denken, bei den Wenigen, die sich im Namen Jesu versammeln, wieder solche Gelegenheit zu haben. Und meine ganze Familie würde gegen mich sein, und auch mein Einfluß in dem Zeugnis für den Herrn würde bei ihnen gehindert sein.“ Mein teurer Freund, hätte nicht Jonathan genau so reden können wie du jetzt? Sag, warum verlor er seinen Lohn für die Liebe und Dienste, die er einst David getan hatte? Wie kam er zu der Schande, an der Mauer von Beth-Schan zu hängen? Geschah es nicht, weil er nach denselben Grundsätzen tat, nach denen so viele in unseren Tagen handeln? Er hing noch am Äußeren, er hing noch an dem Hause, welches Gott verworfen hatte, und er zögerte, seinen Platz mit den armen und verachteten Nachfolgern des Gesalbten Gottes einzunehmen. Du weißt so gut wie ich, daß der Name des Herrn mit all den weltlichen Dingen und menschlichen Einrichtungen, die mit Seinem Worte in Widerspruch stehen, nicht verbunden werden kann. Können wir dann damit verbunden sein? Wenn du den Herrn Jesus lieb hast - wenn es dein Wunsch ist, zu tun, was Ihm wohlgefällig, dann wirst du Seine Stimme auch in dieser alttestamentlichen Schriftstelle verstehen, die von Ihm zeugt. Ist es nicht eine traurige Sache, unsere Zeit, unsere Kraft für etwas aufzuwenden, das, wenn der Herr kommt, dem Feuer übergeben wird? Christus und die Welt, auch die fromme Welt, können nie miteinander verbunden werden.
Wie inhaltsschwer sind doch die Worte: „David machte sich auf und ging hinweg; Jonathan aber kam in die Stadt“; und wiederum: „David blieb im Walde, und Jonathan ging nach seinem Hause.“ (1Sam 20,43; 23,18) Einzelne Besuche und gelegentliche Gemeinschaft und dann wieder zurück ins Haus Saul genügen nicht. Du magst die vier Charakterzüge, die wir in Jonathans Geschichte finden, als Kennzeichen einer wahren Bekehrung tragen und doch deinen Lohn verlieren! Gleich Jonathan mag 1. deine Seele in wahrer Liebe an dem Herrn hangen, weil du in Ihm das Lamm Gottes erkannt hast, das die Strafe deiner Sünden trug (1Sam 18,1), 2. magst du dich selber entäußert haben um Jesu willen (V. 4), du magst auch 3. den Herrn Jesus bekennen und dein Wohlgefallen an Ihm finden (Kap. 19,1-5), und 4. magst du wünschen, alles zu tun, was der Herr Jesus von dir wünscht (Kap. 20,4); aber wie ist es mit dem letzten Schritt, den Rebekka tat, die alles verließ, um zu Isaak zu kommen? Bist du willig, alles zu verlassen und aufzugeben, um in voller Hingabe und Einsmachung an der Seite deines verworfenen Heilandes mit denen gefunden zu werden, die sich in Seinem Namen versammeln?
Das letzte Mal, wo Jonathan David aufsuchte, war im Walde der Wüste Siph. Von diesem traurigen Augenblick an, wo er David im Wald ließ und er nach „seinem“ Hause ging, hören wir nichts wieder von Jonathan, bis wir zu dem letzten Kapitel seiner Geschichte kommen. (1Sam 31)
Und, lieber Leser, einmal wird auch ein letztes Kapitel deiner und meiner Geschichte kommen, Es handelt sich hier nicht um die Frage unserer ewigen Errettung. Der Herr sagt von Seinen Schafen: „Und sie gehen nicht verloren ewiglich, und niemand wird sie aus Meiner Hand rauben.“ (Joh 10,28) Aber wir lesen von solchen, die „gerettet werden, doch so, wie durchs Feuer“ (1Kor 3,15). Es handelt sich in unserer Geschichte um die Erlangung oder um den Verlust des Lohnes. Verlor Jonathan nicht den Lohn für seine einstige hingebende Liebe? Ach, er wurde erschlagen auf dem Gebirge Gilboa und fand sein Ende dort zusammen mit dem gottlosen Saul, und sein Leichnam hing neben dessen Leichnam an der Mauer von Beth-Schan. Dieselben Philister, die David überwunden hatte, konnten jetzt seinen Leib dem Spott und Hohn preisgeben. Davids herzbewegende Klage über Jonathan zeigt uns, wie groß Jonathans Verlust war. (2Sam 1,20-26)
Dies sind nur einige wenige Gedanken über diese ernste Geschichte. Doch erwäge sie recht, lieber Leser! Bald wird unser Herr in Herrlichkeit offenbart werden. Möchtest du einen reichlichen Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus haben? (2Pet 1,11) Dann mache es nicht wie Jonathan, lasse Ihn nicht im Walde in der Wüste, indem du nach „deinem Hause“ gehst. Wie köstlich ist die Gemeinschaft mit dem Herrn !
O, laßt uns zu Ihm hinausgehen außerhalb des Lagers (des religiösen Systems), Seine Schmach tragend. (Heb 13,13)
Es war ein Tag der Probe für Jonathan, und auch wir haben unseren Tag, wo wir auf die Probe gestellt werden, ob wir Vater oder Mutter mehr lieben als Ihn und ob wir bereit sind, einen verworfenen und geschmähten Christus allen natürlichen Banden und jeder Stellung in der Welt vorzuziehen. Die Losung: „David oder Saul“ besteht heute noch. Es handelt sich um ein vollständiges Abgesondert- und Ihm-unterworfen-Sein. „Wenn wir mitleiden, werden wir auch mitverherrlicht werden“ (Röm 8,17). Wir können nicht zwei Herren dienen, wir können nicht aus dem Hause Sauls herausgehen und zugleich in demselben leben. Wenn du mit Christo gestorben und mit Ihm auferweckt worden bist, dann bist du berufen wie jene Vierhundert, die zu David hinab in die Höhle Adullam gingen, ein Zeuge des Todes und der Auferstehung Christi zu sein. Sind wir durch Sein Blut gewaschen und durch Sein vollendetes Werk gerettet, dann gebe Er dir und mir Gnade, Ihm anzuhangen mit einem ungeteilten Herzen und Ihm zu folgen, wohin Er uns durch das Licht Seines Wortes führt!
S. - A. v. d. K.