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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 10 -Jahrgang 1925
Mk 9,14-16 - „Ein Wort über Streitigkeiten“Mk 9,14-16 - „Ein Wort über Streitigkeiten“
In dieser einfachen, aber sehr inhaltsreichen Stelle sehen wir die Jünger des Herrn angegriffen von der Volksmenge und den Schriftgelehrten wegen ihrer Unfähigkeit, einen Besessenen zu heilen. Die Folge dieses Angriffes war - wie es oft zuzugehen pflegt - ein Streit. Freilich steht nicht da, daß die Jünger sich mit jenen stritten, sondern jene stritten sich mit diesen. Aber wenn diese nichts erwidert hätten, sondern sich stille um ihrer Untauglichkeit willen gebeugt hätten, so wäre es nicht zum Streit gekommen, sintemalen zum Streiten immer zwei - Personen oder Parteien - gehören! Möchten wir alle dies doch mehr bedenken!
Aber dies nur nebenbei! Wichtiger ist doch wohl noch der Grund, weswegen die Jünger in diesen traurigen Streit verwickelt wurden. Ihre Unfähigkeit ist, scheint's, doch nur die Veranlassung zu jener Auseinandersetzung, die nach dem inspirierten Wort ein Streit war; der Grund aber liegt tiefer! Und wo?
Der Herr Jesus war abwesend! Er kam erst zurück, nämlich vom Berge der Verklärung - von Tabors Herrlichkeitshöhe kam Er wieder herab und mitten hinein in das tiefste Elend der Welt und der von Satans Macht gequälten Menschen! Welch ein Gegensatz! - Er kam zurück, als der Streit schon in vollstem Gange war. Wäre es zum Streit gekommen, wenn Er nicht fortgewesen wäre? Sicher nicht! Also ist Sein Fortsein schuld gewesen? O nein! Aber durch dasselbe wurden Seine armen Jünger offenbar in ihrem Mangel an praktischem Glauben, d. h. dem
Rechnen mit der allezeit vorhandenen Macht des Herrn. Daher mußten sie sich auch Seinen ernsten Tadel gefallen lassen, vergl. V. 29 mit Mt 17,20.21! Ihr Unglaube war also schuld, ihr Unglaube, der nach V. 32 sich sogar vor dem Fragen nach unverstandenen Dingen fürchtet, ihr Unglaube, der sie in vielleicht wenigen Stunden nach diesem Offenbarwerden ihres schmerzlichen Mangels schon wieder mit ihrer eigenen Größe sich beschäftigen läßt! (V. 33ff). Glauben heißt praktisch rechnen mit dem lebendigen Gott - Unglauben heißt mit sich selber rechnen! Wie oft muß es da Fehlschläge geben, und wie oft gab es solche bei den Jüngern!
Und solch ein Fehlschlag war jener Streit, zu dem es nicht hätte zu kommen brauchen, wenn die Jünger auf der Höhe des Glaubens gewesen wären! Ja, und wenn selbst das nicht - selbst wenn ihr Glaube für jene schwere Dämonenaustreibung nicht ausgereicht hätte - hätte er dann doch nur ausgereicht zum stillen, demütigen Sichbeugen! Auch dann wäre, wie oben schon gesagt, der Streit vermieden worden!
Lehren diese Jünger auch uns etwas? Sicher, viel! Sind wir doch vor allem mehr noch als jene auf Glauben angewiesen; „Wir wandeln durch Glauben, nicht durch Schauen!“ (2Kor 5,7). Der Herr Jesus ist nicht da! Wohl aber ist statt Seiner Sein Geist hienieden, und wir, die wir durch den Geist das Leben haben, können und sollen auch durch den Geist wandeln (Gal 5,25), also durch den Glauben und durch den Geist! Aber wenn wir das nicht tun, wenn wir unvorsichtig sind, den Geist betrüben, uns auf uns selber verlassen, uns selber trauen, uns für etwas hatten (vielleicht sogar für etwas „Großes“, vgl. Apg 8,9.10, wenn auch nur in den allerfeinsten Anfängen)!, dann werden sich für uns durch unsere Schuld ganz gewiß ähnliche Folgen der Abwesenheit des Herrn zeigen wie damals bei den Jüngern.
Sollte es nicht mit daher kommen, daß so oft unter uns Gläubigen Streitigkeiten sind? Streitigkeiten, vor denen wir so vielfach in der Schrift gewarnt werden? Laßt uns uns nur erinnern an 1Tim 6,3-5; 2Tim 2,14.23ff.; Tit 3,9; Jak 4,1! Welch ein Jammer, wenn Gläubige, die mit gleicher Liebe geliebt, durch das gleiche
Blut erkauft und erlöst sind von dem eitlen, von den Vätern überkommenen Wandel (1Pet 1,18), mit dem gleichen Geist erfüllt sind oder sein sollten und sein könnten (Eph 5,18) - wenn solche hochbegnadigten Menschen sich streiten, wie sich die Kinder der Welt, die Kinder des Ungehorsams, streiten und zanken! Welch ein demütigendes Bild vor eben dieser Welt, wenn Gläubige, die dem Wesen der Welt gestorben sind und sich praktisch der Welt und Sünde für tot halten dürfen, sich soweit vergessen, daß sie mit fleischlichen Waffen kämpfen und sich bekriegen, ja womöglich in besonderen Fällen mit dem Ruf und Gang zum irdischen Gericht liebäugeln oder drohen! (1Kor 6,1ff.; vgl. Apg 7,26)! Welch ein beschämendes Schauspiel! Ist keiner unserer Leser in Gefahr, solches zu bieten? Betrifft uns diese Gefahr gar nicht?
Und nun, wie wäre es, wenn der Herr Jesus leiblich unter uns wäre? Wäre es da anders? Sicher für die, bei denen Er gerade leiblich wäre, die Ihn bei sich sähen! Aber die, welche Ihn nicht sehen, die wären eben doch in der gleichen Gefahr, der jene Jünger erlegen sind. Daher müssen wir doch sagen: Wie unendlich viel besser sind wir jetzt nach des Herrn Jesus Auferstehung und nach der Geistausgießung daran, da der Herr jetzt im Geist allezeit bei uns ist, so daß wir wandeln können Augenblick für Augenblick so, als sähen wir Ihn (Heb 11,27, nach Luther)! Sähen wir Ihn im Glauben wirklich immer, wo blieben da die Streitereien? Wo blieben da die bösen, traurigen Zungensünden, die so viel Zwietracht anrichten, wo die Lieblosigkeiten in Wort und Werk, durch die ganze Gemeinden zerrissen werden, wo das viele auf seinem eigenen Recht Bestehen und sonstige Fleischlichkeiten?! Aber Geschwister - warum denn sehen wir Ihn nicht so wie wir sollten und könnten? Warum handeln wir nicht völliger nach 2Kor 3,18, warum handeln wir so oft so, als seien wir von Ihm allein gelassen in der Welt, warum wandeln wir nicht mehr im Geist, wozu wir doch das Recht und die Gnade haben?! Möchten wir die reichlich vorhandene Gnade nehmen und demütig genug sein, sie uns schenken zu lassen! (1Pet 5,5; Jak 4,6). Wie köstlich, wenn wir an unserem Teile ein wenig davon verwirklichen würden, was Ps 133 steht! In der Nähe unseres Hohenpriesters - wird der Duft
Seiner Salbung uns so gefangen nehmen und einhüllen, daß wir das Streiten vergessen, frühe benetzt vom Tau des Hermon, vom göttlichen Tau - und der Tau fällt stets morgens! -, werden wir fähig, den Tag über die Gesinnung Christi zu offenbaren und werden so Segenskanäle für andere werden! Ach, möchte es so sein! Möchten wir, jeder Leser an seinem Teile, durch Seine Gnade ein Ende machen mit dem Streiten, sowohl mit den Veranlassungen und dem Veranlassunggeben dazu als auch mit dem Streiten, d. h. dem sein-vermeintliches-Rechtsuchen selbst! (Röm 12,16ff.; vergl. auch Jahrb. 9, Seite 228, „Ratschläge“ Nr. 1)! Möchten wir uns über das viele Zukurzkommen beugen!
Zum Schluß noch eins: Wie schön ist es, zu sehen, daß unser geliebter Herr, dem die armen, unvollkommenen Jünger hienieden so viel Mühe machten, Sich bei diesem Angriff des durch sie enttäuschten Volkes auf die Seite der Seinen stellt! Dem Feind gegenüber deckt Er die Seinen stets (Mk 9,16), sogar hier, wo ihr Unglaube solche beschämenden Folgen hat. So hebt auch im Großen der Unglaube Israels Gottes Treue und Berufungen nicht auf (Röm 9-11)!. Und so steht der treue Herr, unser großer Hoherpriester, auch heute für die Seinen ein, wenn sie von der Welt angegriffen werden und leiden müssen, weil sie Sein eigen sind. (Apg 9,4). Aber wenn Er die Seinen beiseite nimmt, wenn sie geistlicherweise mit Ihm allein sind, dann werden sie durch Zucht unterwiesen! Denn Er läßt uns, den Seinen, nie etwas durchgehen, dazu hat Er uns viel zu lieb. Er reinigt uns z. B. durch Leiden oder durch Sein Wort, damit wir mehr Frucht bringen! Gepriesen sei Sein herrlicher Name und bewundert sei Seine Liebe!
F. K.