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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 22 - Jahrgang 1937
1Kön 19,8 - Elia am Horeb1Kön 19,8 - Elia am Horeb
Gott hatte mit Seinem Knecht Elia zu reden. Auch mit uns hat Er zu reden. Elia trug falsche Gedanken über seinen Gott und Dessen Weg in seinem Herzen. Unzufrieden mit dem Lauf der Dinge, will er den Prophetendienst aufgeben. Er möchte sterben und bittet Gott, seine Seele von ihm zu nehmen.
Gott aber ist nicht fertig mit Seinem Knecht. Er will ihn wieder zurechtbringen und ihn noch weiter in Seinem Dienst gebrauchen. Welch wunderbare Langmut und Gnade Gottes! Am Horeb will Er mit ihm reden, aber zuvor soll er Seine Güte und Seine Macht schauen: Durch einen Engel läßt Er ihm Himmelsbrot darreichen.
In der Kraft dieser Speise kommt Elia nach einer Wanderung von 40 Tagen und 40 Nächten an den Berg Gottes. Berührte diese treue Sorge Gottes sein Herz? Wir wissen es nicht. So wie er sich nach der Tagereise in der Wüste unter den Ginsterstrauch setzte, so geht er jetzt in die Höhle des Horeb. Hatte er unter dem Ginsterstrauch nicht sterben können, so will er nun in der Höhle bleiben. Der Arbeit und des Dienstes müde, sucht er die Einsamkeit und Verlassenheit, um seinen trüben Gedanken nachzuhängen.
Sehen wir nicht in Elia unser Bild? Wie leicht sind auch wir verzagt, wenn unsere Arbeit ohne Erfolg ist, sie abgelehnt, ihr widerstanden wird, oder es sonst nicht nach unserem Sinne geht. Unser Auge sieht dann nur Schwierigkeiten und niederdrückende Umstände, aber nicht die Treue und Liebe unseres Gottes. Was sind wir doch für verzagte Gebilde, wenn der Glaube nicht mehr mit dem lebendigen Gott und Dessen Treue rechnet!
In der Kraft des Glaubens vermochte David dem Riesen Goliath entgegenzutreten, und doch konnte er nach einem solchen Erleben der Treue Gottes an einem späteren Tage sagen: „Nun werde ich eines Tages durch die Hand Sauls umkommen.“ (1Sam 27,1) Der Unglaube der Kundschafter sprach: „Wir waren in unseren Augen wie Heuschrecken, und also waren wir auch in ihren Augen.“ Kalebs Glaube aber sprach: „Wir werden es gewißlich überwältigen.“ (4Mo 13,30.33)
Wunderbar ist Gottes Güte! Er will Elia von seinem Irren zurechtbringen und in das Licht Seines Wesens und Seiner Gnade führen. Er liebt uns zu sehr, um uns in unserer Verzagtheit eigene Wege gehen zu lassen. Das Wort des Herrn geschah zu Elia: „Was tust du hier, Elia?“ Auch in den früheren Tagen seines Glaubenswandels geschah das Wort des Herrn zu Elia, sowohl bei seinem Hintreten vor Ahab als auch am Bache Krith, in Zarpath usw. Nie zuvor aber wurde ihm die ernste und prüfende Frage vorgelegt: „Was tust du hier, Elia?“ Am Krith, in Zarpath usw. brauchte der Herr danach nicht zu fragen, denn Sein Knecht befand sich dort, wo Er ihn haben wollte.
Wollen wir diese erforschende Frage des Herrn nicht auch an uns gerichtet sein lassen? „Was tust du hier?“ Und wiederum: „Was tust du hier?“ Die Höhle war nicht der Platz, an dem der Herr Elia haben wollte. Es war ein Platz seiner eigenen Wahl. Wo sind wir? Sind wir an dem Platze, an dem der Herr uns haben will? Und was tun wir? Sind wir nur hier, um für unser irdisches Leben zu wirken? Elia tat nichts. Und wir? Braucht der Herr keine Arbeiter für Sein Erntefeld? Gibt es für uns nichts zu tun? Elia hatte die Arbeit für den Herrn aufgegeben. Sie schien ihm vergeblich zu sein. Vielleicht bist auch du durch scheinbare Mißerfolge müde geworden und stehst enttäuscht, verzagt oder gar verärgert, nutzlos zur Seite; und nicht nur das, durch dein Verhalten bist du auch noch deinen Brüdern ein Hindernis. Möchte die Frage des Herrn: „Was tust du hier?“ jeden, der müde geworden, wieder aufrichten. Die Ankunft des Herrn ist nahe!
Die Antwort, die Elia auf die Frage des Herrn gibt, zeigt uns, wie es in der Seele des Propheten aussah: „Ich habe sehr geeifert für Jehova, den Gott der Heerscharen; denn die Kinder Israel haben Deinen Bund verlassen, Deine Altäre haben sie niedergerissen und Deine Propheten mit dem Schwerte getötet; und ich allein bin übrig geblieben, und sie trachten nach meinem Leben, es mir zu nehmen.“ Das ist die Antwort, die er Gott aus der Höhle heraus gibt.
Welche Veränderung muß in der Seele des Propheten vorgegangen sein?! Wir sehen dieses besonders, wenn wir sein jetziges Auftreten mit dem auf dem Berge Karmel vergleichen. Dort war sein ganzes Bemühen darauf gerichtet, seine Brüder zum Herrn zurückzuführen, jetzt aber tritt er wider sie vor Gott auf (Röm 11,2.3). Er rechtfertigt sich, und ihre Sünden zählt und deckt er auf.
So ist es, wenn wir uns nicht mehr in der Gegenwart des Herrn befinden. Dann fangen wir an, uns selbst zu erheben und zu rechtfertigen, unsere Brüder aber anzuklagen. Das ist die natürliche Folge einer solchen Herzensstellung.
Elia sieht sich als den einzigen an, der für Jehova geeifert und gewirkt hatte. Was sollte er noch weiter für den Herrn eifern, da das Volk den Bund verlassen, die Altäre niedergerissen hatte und ihm nach dem Leben trachtete? Er will deshalb in der Höhle bleiben. Läßt der Herr ihn in der Höhle? Nein! Er ruft ihn heraus: „Gehe heraus und stelle dich auf den Berg vor Jehova.“ Er soll wieder wie ehedem seinen Stand vor dem Herrn einnehmen (1Kön 17,1). In Seiner Gegenwart soll er lernen, daß die wahre Ursache seiner Verzagtheit nicht die Erfolglosigkeit seines Eifers, nicht der Zustand des Volkes, nicht das Trachten nach seinem Leben sei - das war schon alles zuvor da - sondern der wirkliche Grund war, daß er nicht mehr vor dem Herrn stand. Vor seinem Auge standen die Schwierigkeiten, aber nicht mehr der Herr. Wäre sein Blick auf den Herrn gerichtet gewesen, so würde er keine Schwierigketten gesehen haben. Das allein war die wahre Ursache seines Zukurzkommens.
Elia geht nicht sofort aus der Höhle. Ein gewaltiger Wind
(der die Berge zerriß), ein Erdbeben, ein Feuer gehen vor Jehova her. Elia hatte das Feuer Jehovas herabfallen, den Himmel schwarz von Wolken und Wind gesehen und sie als mächtige Boten des lebendigen Gottes erkannt. Würde Gott jetzt eingreifen? Dem Herzen Elias hätte es gewiß entsprochen, wenn Gott mit diesen Gerichtsboten das treulose Volk heimgesucht und die gottlose Isebel mitsamt den Propheten der Aschera zerschmettert hätte. Nun aber ging es den Gottlosen wohl, und so glaubte er Grund zum Unmut und zur Unzufriedenheit zu haben. Hier sehen wir wieder unser eigenes Herz. Haben wir nicht auch zuweilen gemeint, jetzt sei es Zeit, jetzt müsse der Herr mit Seinem Gericht dareinfahren?
Elia sah die Furchtbarkeit dieser Gewalten, aber er spürte, daß Gott nicht im Sturm, nicht im Erdbeben, nicht im Feuer war. Warum war Gott nicht darin? Weil Er jetzt wieder in Gnade mit Seinem Volke handeln wollte. Er hatte dies Elia schon angezeigt, als Er ihm sagte: „Ich will Regen geben auf den Erdboden.“ (1Kön 18,1) Sturm, Erdbeben, Feuer offenbaren nicht Sein Herz, sie mögen Zeugen Seiner Macht und Seiner Gerichte sein, aber das, was Er ist, Sein wahres Wesen, offenbaren sie nicht.
Alsdann vernimmt Elia die Stimme eines leisen Säuselns - die leise zarte Stimme der Liebe und Gnade. Sie entspricht dem Wesen Dessen, der Sich dem Sünder in Liebe und Gnade offenbart.
Als das leise Säuseln Elias Ohr berührt, erkennt er Gottes Stimme, erkennt er den Gott, der, wenn Er auch züchtigt und betrübt, Sich doch nach der Größe Seiner Gnade wieder erbarmt (Klgl 3,32.33). Sturm, Erdbeben und Feuer müssen oft erst ihr Werk an uns ausrichten und uns von unserer Höhe herunterbringen, damit unser Herz für die leise, zarte Stimme der Gnade geöffnet ist. Wir verstehen oft die Unterweisungen des Herrn nicht, weil unser Herz nicht in der rechten Stellung zu Ihm steht. Nur in Seiner Gegenwart lernen wir uns selbst erkennen. Nur dort werden wir gelöst von uns und von unserer Selbstwichtigkeit. Auch Elia mußte dieses lernen.
Elia ist aus der Höhle herausgetreten und steht am Eingang derselben, das Angesicht verhüllt mit seinem Mantel. Zum zweiten Male legt der Herr ihm die prüfende Frage vor: „Was tust du hier, Elia?“ Er soll sie jetzt im Lichte Seiner Gegenwart prüfen und beantworten. Elia hatte Zeit gehabt, nachzudenken. Schlägt er in sich? Erkennt er seinen eigenwilligen Weg? Kommt das kleine Wort: „Vergib, HErr!“ über seine Lippen? Er ist noch nicht frei von Unmut. Gottes Handeln in Gnade mit dem Volke entsprach seinem Herzen nicht. Und so wiederholt er seine Antwort, die er zuvor aus der Höhle heraus Gott gegeben hatte.
Was Elia sagte, entsprach gewiß den Tatsachen, aber nicht dem Geiste, in dem Gott jetzt Seinem Volke dargestellt werden wollte.
Nachdem Elia wiederum gegen Gottes Volk vor dem Gott, der Gnade üben wollte, aufgetreten war (Röm 11,2), vernimmt er Gottes Urteil: „Gehe, kehre zurück deines Weges nach der Wüste.“ Der Herr sagt: „deines Weges“. Es war nicht Sein Weg. Elia muß zum Anfang seines Weges zurückkehren. Gott übersieht aber auch das Böse nicht. Hasael, der König von Syrien, soll die Zuchtrute für Israels Sünden und Jehu für Isebels Sünden sein; Elisa aber soll zum Propheten an Elias Statt gerufen werden. Gott gibt nichts von Seinem Plane auf; Er will Seinen Knecht Elia noch weiter gebrauchen, aber für den Dienst der Gnade, in der Gott Sich jetzt Seinem Volke offenbaren wollte, da sollte ein anderer an seiner Statt eintreten.
Hier, am Horeb, muß Elia lernen, daß der Herr für die Ausführung Seines Willens nicht um Werkzeuge verlegen ist. Siebentausend waren da, die dem Herrn zur Verfügung standen. Er war nur einer von siebentausend, die ihre Knie nicht vor dem Baal gebeugt hatten.
Elia ist still geworden; demütig, gehorsam geht er, Elisa, seinen Nachfolger, aufzusuchen und den Prophetenmantel über dessen Schulter zu legen. Welche Gefühle mochten auf diesem Wege durch seine Seele gehen? Was er hier am Horeb lernen mußte, das konnte er nicht am Bache Krith noch in Zarpath, noch auf dem Karmel lernen.
Alle, die der Herr als Seine Werkzeuge in Seine Hand nimmt, bedürfen der besonderen und bewahrenden Gnade, nicht auf sich noch auf Erfolg, sondern auf den Herrn zu schauen. Seine Fußtapfen zeigen uns den Weg, den wir oft nicht verstehen.
Alles, was Elia in Klage vor Gott brachte, finden wir in Vollkommenheit bei unserem Herrn. Auch Er konnte vom Eifer reden und sagen: „Der Eifer um Dein Haus hat Mich verzehrt.“ (Ps 69,9) Und nie war der Zustand des Volkes Israel tiefer gesunken als in den Tagen, da der Herr in ihrer Mitte wirkte. Und so, wie sie Elia nach dem Leben trachteten, so konnte auch der Herr sagen: „Ihr suchet Mich zu töten.“ (Joh 8,37.40) Aber nie verließ Er auch nur für einen Augenblick den Weg des Gehorsams und der Abhängigkeit von Seinem Vater. Er konnte sagen: „Ich habe Jehova stets vor Mich gestellt ... Fülle von Freuden ist vor Deinem Angesicht.“ (Ps 16,8-11)
In der Wüste, wo wir gehen,
Ist ein Fußpfad nur zu sehen:
Deiner Füße Spur im Sand.
A. v. d. Kammer