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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 15 - Jahrgang 1930
1Sa 16,14-18 - „Wessen Sohn ist dieser Jüngling“
1Sam 16,14-18 - Wessen Sohn ist dieser Jüngling? (2)1Sam 16,14-18 - Wessen Sohn ist dieser Jüngling? (2)
Vielleicht sagst du: „Ich will Ihn bitten, mir zu helfen, meine Seele zu erretten.“ Möchtest du den Unglauben erkennen, der in diesen Worten liegt! Konnte Saul David bitten, ihm zu helfen, den Riesen zu überwinden, als David ihn schon getötet und das Haupt desselben in seiner Hand hielt? Unmöglich! Das wäre eine glatte Verneinung des wunderbaren Sieges des Erretters David gewesen. Hier liegt der große Irrtum aller Sauls und Abners unserer Tage. Sie würden gern bereit sein, Christum als Helfer zu haben, wenn sie nur Christus und das durch Ihn vollendete Werk nicht als den einzigen Weg für ihre Errettung anzuerkennen brauchten. Aber das letzte Wort des Siegers am Kreuze war: „Es ist vollbracht!“ Durch dieses Werk ist Gottes Heiligkeit und Gerechtigkeit vollkommen befriedigt, und Er hat dies aufs Sicherste bezeugt dadurch, daß Er Ihn aus den Toten auferweckte. Vierzig Tage hindurch wurde der auferstandene Sieger von Seinen Jüngern geschaut. Alsdann sahen sie Ihn gen Himmel fahren.
Wir müssen lernen, daß der Riese geschlagen und das Werk zu unserer Errettung vollbracht ist; wir kommen zu spät, es mit unserer Kraft und unseren Werken vollbringen zu wollen. Christus zu bitten, uns Beistand und Mithelfer zu sein in dem Bewirken unserer Errettung, ist eine Verleugnung Seines Werkes.
Pauli Wort: „Bewirket eure eigene Seligkeit mit Furcht und Zittern“ (Phil 2,12) wird oft ganz falsch aufgefaßt. Man beachtet nicht, daß die Schrift in sehr verschiedener Weise von der Errettung spricht. Sie spricht davon in Beziehung zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und auch als vollendet und wiederum als unvollendet. Wenn wir diese Schriftstelle im Zusammenhang prüfen, dann finden wir, daß es sich in diesem Wort an die Philipper nicht um die Errettung ihrer Seele handelt, die sie selbst bewirken sollten; diese können wir nie bewirken noch erlangen durch Werke, „die, in Gerechtigkeit vollbracht, wir getan hatten.“ (Tit 3,5) Diese Errettung ihrer Seele hatten die Philipper ja bereits, denn Paulus redet sie ja an als „Heilige in
Christo Jesu“ (Phil 1,1). Was sie tun sollten, war, durch ihren Gehorsam ihre eigene Seligkeit mit Furcht und Zittern zu bewirken. Die Errettung, die bereits ihr Teil war, sollte sich praktisch in ihrem Leben durch ihren Gehorsam auswirken zu ihrer eigenen Seligkeit. Satan ist ein Meister im Verdrehen der Schrift, um uns glauben zu machen, wir könnten die Errettung unserer Seele selbst bewirken. Kein Gottesdienst, kein Gesang, keine Musik, kein Ritus (und sei es Taufe oder Abendmahl), kein eigenes Ringen in guten Werken und kein Aus- und Nothelfer reicht hin, unsere Seele zu erretten. Mit einem Christus als dem Lautenspieler und dem Waffenträger betrügt Satan heute die große Masse der christuslosen Bekenner des Christentums. Möge Gott jeden die furchtbare Gefahr erkennen lassen, in Christo nur einen „Harfenspieler“ und „Waffenträger“ zu sehen. Wer an dem Herrn Jesus als Heiland vorübergeht, der lasse sich nicht täuschen, ihm wird im finsteren Tal des Todes kein Harfenspiel und kein Aushelfer Erleichterung bringen!
Doch nun laßt uns auch den großen Gegensatz und den reichen Segen betrachten, den wir bei einem anderen finden, dessen Auge geöffnet wurde, David nicht bloß als einen Erleichterer und Waffenträger, sondern als seinen siegreichen Erretter und Heiland zu erkennen!
II.
In Jonathan finden wir das gerade Gegenteil von Saul. Saul kannte David nur als seinen Lautenspieler, der ihn beruhigte, und als seinen Waffenträger, der ihm half. Jonathan aber kannte David als den siegreichen Retter. Welche Erfahrungen hatte er in den schrecklichen vierzig Tagen im Terebinthental gemacht, als er sich in seinem gänzlich verlorenen und hoffnungslosen Zustand erkannte! Er wußte, daß er seinem Widersacher gegenüber ein verlorener Mann sei. Furcht und Bestürzung erfaßten ihn gleich einem Menschen, der den Tod und das Gericht vor Augen sieht und nicht zu entfliehen vermag.
Wie die Philister ihr Heer in Schlachtordnung aufstellten, so stellt Satan, der Verkläger, das Heer der Sünden wider den Sünder auf. Dieser kann sie nicht leugnen, er ist schuldig, er fühlt es, er gesteht es, aber er findet keine Hilfe noch Erleichterung. Vierzig Tage hatte Jonathan unter diesem Druck seines Verlorenseins geseufzt, denn niemand vermochte den Riesen zu überwinden. Sag, lieber Leser, hat jemals der Tod und das Gericht vor deinen Augen gestanden? Kennst du etwas von der Bitterkeit und Angst, die mit der Entdeckung des verlorenen Zustandes verbunden sind? Hast du diese „vierzig Tage“ einmal erlebt?
Kein eigenes Ringen kann erretten. Die sanften, beruhigenden Klänge der geistlichen Lieder können das erwachte Gewissen nicht stillen, aber vom Vater gesandt, kommt ein Mann von den Bergen herab, bereit, dem Widersacher zu begegnen. Wie gespannt hängen Jonathans Augen an David! Er sieht, wie er dem Philister entgegengeht, wie er fünf glatte Steine aus dem Bache aufhebt und die Schleuder nimmt, er hört die Worte des Glaubens aus seinem Munde; er sieht, wie David mit der Hand in die Tasche fährt, einen Stein herausnimmt und den Arm zum Schleudern erhebt. Der Stein fliegt - der Riese fällt. „Der Stein drang in seine Stirn, und er fiel auf sein Angesicht zur Erde.“ Und Jonathan sah mehr - er sah ihn das Schwert des Riesen nehmen und mit dessen eigenem Schwerte ihm das Haupt abschlagen. Konnte noch ein Zweifel an Davids Sieg in Jonathans Herzen sein, als jener das Haupt des Riesen in seiner Hand hielt?
So wie Jonathan David hinabsteigen sah in das Tal, das große Siegeswerk zu vollbringen - hast du so im Glauben den Sohn Gottes von der Herrlichkeit, die Er beim Vater hatte, herabsteigen sehen in das Tal der Sünde und des Todes? Hast du Ihn auf Seinem Wege bis zum Kreuz begleitet und den Sieg erringen sehen? Dort trug Er ganz allein den Zorn, der unser Teil war. Ganz allein stand Er dort für uns. Niemand half Ihm. Allein vollbrachte Er das Werk unserer Errettung. Höre Seinen Siegesruf: „Es ist vollbracht!“, so völlig vollbracht, wie damals, als David dem Goliath das Haupt abschlug. So wie es keinen Zweifel über den Sieg Davids gab, so gibt es keinen Zweifel über den Sieg und das vollendete Erlösungswerk Dessen, Den Gott aus den Toten auferweckt und zu Seiner Rechten gesetzt hat.
Konnte Jonathan David bitten, ihm zu helfen, damit er sein Leben rette? Kannst du Christum bitten, daß Er dir helfe, deine Seele zu erretten? Es ist zu spät, dich durch deine Kraft erretten zu wollen, das Werk ist vollbracht, und in dem Augenblick, wo du an den Herrn Jesus glaubst, ist alles dein, dein in Ewigkeit.
Als Jonathan in David seinen Retter sah, welche Wirkung hatte dieses nun auf ihn? Wir lesen: „Da verband sich die Seele Jonathans mit der Seele Davids; und Jonathan liebte ihn wie seine Seele.“ (1Sam 18,1) Und wie wird die Wirkung bei dir sein, wenn du den Herrn Jesus als deinen Heiland und Retter erkennst und erfaßt? Auch deine Seele wird sich mit dem Herrn Jesus so verbinden, daß du freudig bekennst: „Er hat mich geliebt und Sich Selbst für mich dahingegen.“ Und glücklich stimmst du in den Gesang der Erlösten mit ein: „Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in Seinem Blute und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern Seinem Gott und Vater; Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht in die Zeitalter der Zeitalter! Amen.“ (Off 1,5.6)
Seine Verherrlichung ist dann dein höchster Wunsch, der alle deine Handlungen kennzeichnen wird. So finden wir es auch bei Jonathan. Er denkt nicht an sich; er, der ein Anrecht auf den Thron hatte, zieht sein Oberkleid aus und gibt es David; und nicht nur sein Oberkleid, auch seinen Waffenrock, sein Schwert, seinen Bogen, seinen Gürtel, alles übergibt er David. Kennst du etwas derartiges in der Geschichte deiner Seele? Wenn deine Augen geöffnet sind und du den auferstandenen und verherrlichten Herrn als deinen Heiland erkannt und erfaßt hast, dann wirst auch du das Kleid deiner eigenen Ehre und Gerechtigkeit und all die Dinge, die dich nicht erretten konnten, zu Jesu Füßen legen und bekennen: „Du, Herr Jesus, Du allein bist würdig!“ Nichts vermag uns so von der eigenen Ehre, der eigenen Kraft und Selbstgerechtigkeit zu entbinden als die Erkenntnis Jesu Christi, unseres Herrn und Heilandes. Glücklich ruh'n wir in dem ein für allemal von Ihm vollbrachten Werke, und Friede mit Gott ist unser köstliches und ewiges Teil.
Bei Saul, dem Nachahmer des Glaubens, finden wir, statt Frieden und Freude, Grimm und Zorn. Warum erzürnte der alte Mann sich so über David? Er konnte den Gesang nicht ertragen: „Saul hat seine Tausende erschlagen, und David seine Zehntausende. Und Saul ergrimmte sehr, und dieses Wort war übel in seinen Augen. Und Saul sah scheel auf David von selbigem Tage an und hinfort.“ (1Sam 18,7-9) Und so finden wir es noch bei den armen Sauls unserer Tage. Sie können es nicht ertragen, daß alle, die an den Herrn Jesus und Sein vollbrachtes Werk glauben, ewiges Leben und Frieden mit Gott haben sollen, und das alles allein durch das vollbrachte Werk Christi. Ja, die Sauls sind sehr ergrimmt darüber, und solche Worte sind „übel in ihren Augen“, und sie „sehen scheel“ auf die, die ein solch herrliches Evangelium verkündigen und glauben, „vom selbigen Tage an und hinfort.“ Und in ihrem Hasse werfen sie den Speer auf den Gesandten des Vaters, denn was sie den Gliedern Christi tun, das tun sie Ihm Selbst. So bezeugt es der Herr, als Er rief: „Saul, Saul, was verfolgst du Mich?“ In ihrem Grimme sagen sie: „Wie, ewiges Leben soll denen zuteil werden, die nur an Christus glauben?!“ Und sie entrüsten sich, daß allein Christus und nicht auch ihnen Ehre gebühren soll und daß ihre Sakramente und Priester, ihre Musik und Gottesdienste, ihr Ringen und Kämpfen ihnen nichts nützen sollen. Die Verkündigung des allgenugsamen Werkes Christi als die Grundlage der Vergebung unserer Sünden und aller Segnungen der Gnade Gottes wollen sie nicht annehmen; sie meinen, das Höchste, was ein Mensch erlangen könne, sei eine Hoffnung auf die zukünftige Seligkeit.
Jemand möchte sagen: „Ist die Lehre von der vollbrachten Erlösung durch das vollendete Werk Christi nicht eine gefährliche Lehre, und wird sie nicht zur Gleichgültigkeit und Sorglosigkeit im Wandet führen?“ Wir wollen das inspirierte Bild weiter betrachten, ob es uns eine Antwort auf solche Einwände gibt. Saul erkannte David nicht als den alleinigen Retter an; er wollte ihn nur zu seiner Ermunterung und Hilfe haben, und sein Sieg löste nur Haß gegen ihn aus. Wir lesen: „David spielte mit seiner Hand, wie Tag für Tag, und der Speer war in der Hand Sauls, und Saul warf den Speer und dachte: ich will David an die Wand spießen.“ Und dieser Haß Sauls gegen David wuchs bis zu dem schrecklichen Ende Sauls zu Gilboa. So war es, und so ist es, und so wird es sein bei allen denen, die die völlige und ewige Errettung in Christo verwerfen. Sie hassen Christus, so wie Saul David haßte und auch alle, die mit ihm verbunden waren. Aber auch das Weitere, das von Saul gesagt wird: „Saul fürchtete sich noch mehr vor David, und Saul ward David feind alle Tage“ (1Sam 18,29), ist wahr von allen Nachfolgern Sauls. Bange Furcht erfüllt die Herzen dieser Christus-Verwerfer. Möchte der Herr jeden Leser dieser Zeilen vor solchem schrecklichen Zustande bewahren!
Jonathan dagegen erkannte das vollendete Werk Davids an; sein ganzes Herz wandte sich seinem Retter zu. Er wußte, daß er durch ihn gerettet war und nicht durch seine eigene Kraft. Er gab seinen Rock, seine Waffen, alle Dinge, die ihn nicht hatten erretten können, an David ab; er konnte sie nicht mehr gebrauchen; er war gerettet. Machte ihn das nun gleichgültig gegen David? Keineswegs! Sein Vater Saul gebot allen, David zu töten. Tat Jonathan dieses? Im Gegenteil, er, der Sohn Sauls, hatte großes Wohlgefallen an David, und er trat für ihn ein. So ist es mit jedem Gläubigen. Je mehr wir Ihn erkennen als den vollkommenen Heiland, je mehr wird unser Wohlgefallen an Ihm wachsen, und Er wird unsere Freude, unsere Krone, unser alles sein.
Einen großen Irrtum begeht Jonathan; er blieb in dem Hause seines Vaters, der David, den wahren und zukünftigen König, haßte. Wohl bekannte er sich offen zu David, aber er blieb im Hause seines Vaters, und dieser Irrtum wurde in bezug auf den Lohn sehr verhängnisvoll für Jonathan. So der Herr will, gedenken wir, hierauf etwas später einzugehen, für jetzt mag es genügen, zu sehen, daß der, der Christum im Glauben als seinen alleinigen Heiland annimmt, großes Wohlgefallen an Ihm findet, während der andere, dem Christus als Lautenspieler und Waffenträger genügt, nach der Gesinnung des Fleisches in Feindschaft gegen Gott ist (Röm 8,7). Das Wohlgefallen an dem Herrn ist die treibende Kraft in dem Wandel der Gläubigen, und diese Kraft haben nur die, welche Ihn als ihren vollkommenen Heiland erfaßt haben.
In zwei besonderen Charakterzügen tritt Christus in der Geschichte Jonathans und in der Geschichte Mephiboseths (des Sohnes Jonathans) hervor. In Jonathans Geschichte sehen wir das vollbrachte Werk Christi und in der Geschichte Mephiboseths die überströmende Gnade Gottes. Mephiboseth trug die Verwerfung Davids, Jonathan dagegen blieb in seines Vaters Haus. Wie genau wiegt die Waage des Heiligtums. Möchten wir nicht in den Irrtum Jonathans fallen, sondern das Haus Sauls (die Welt, die Christus haßt) verlassen und, mit dem verworfenen Christus verbunden, Seine Schmach tragen!
Laßt es uns tief ins Herz fassen, daß die Erlösung vollendet ist und ebenso das Wort Davids an Mephiboseth: „Fürchte dich nicht; denn ich will gewißlich Güte an dir erweisen um Jonathans, deines Vaters, willen.“ (2Sam 9,7) Wie köstlich ist die Gnade, die Gott uns erweist um Christi willen! „Ihm sei die Herrlichkeit in der Gemeinde in Christo Jesu, auf alle Geschlechter des Zeitalters der Zeitalter! Amen.“ (Eph 3,21) Niemals aber wird die Gewißheit unserer Errettung uns gleichgültig machen gegen Den, Der uns erlöst hat.
S. - v. d. K.