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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 14 - Jahrgang 1929
1Kön 14,16 - „Die Sünde Jerobeams“1Kön 14,16 - „Die Sünde Jerobeams“
„Er (Jehova) wird Israel dahingeben um der Sünden Jerobeams willen, die er begangen und wodurch er Israel sündigen gemacht hat.“ (1Kön 14,16)
Immer wieder werden in den Büchern der Könige die Sünden Jerobeams erwähnt. Dürfen wir nicht daraus schließen, daß der Heilige Geist uns etwas Besonderes dadurch zu sagen hat, daß Er unsere Aufmerksamkeit so dringend darauf lenkt? Wir wollen nun zunächst feststellen, worin die Sünden Jerobeams lagen, und dann, was in unseren Tagen diesen besonderen Sünden entspricht.
Von Salomo steht geschrieben: „Und es geschah zur Zeit, als Salomo alt war, da neigten seine Weiber sein Herz anderen Göttern nach; und sein Herz war nicht ungeteilt mit Jehova, seinem Gott, wie das Herz seines Vaters David.“ (1Kön 11,4) Der König und sicher auch sein Volk mit ihm waren auf eine schiefe Bahn geraten, und nach seinem Tode, als das Königreich durch ein Gottesgericht geteilt wurde, waren viele in Israel bereit, auf den schlüpfrigen Wegen der Abgötterei zu wandeln, und Jerobeam fand es als ein leichtes Spiel, sie in dieser Hinsicht sündigen zu machen. -
Jerobeam handelte aus weltlicher Klugheit, denn nachdem er König über die zehn nördlichen Stämme geworden war, bemerkte er, daß sein Volk doch nach Jerusalem hinauszog, um im Hause Jehovas Schlachtopfer zu opfern. Das mußte verhindert werden, denn sonst könnte einmal das Volk zu der alten Treue des Hauses Davids zurückehren und er seinen Thron verlieren! Deshalb ersann er in seinem Herzen einen Gottesdienst, um das Volk von dem Wege nach dem Hause Jehovas in Jerusalem abzulenken; dadurch meinte er, seinen Thron zu befestigen. Doch gerade auf diese Weise verscherzte er alles, und das Ende war schließlich, daß das Volk aus dem guten Lande gefangen hinweggeführt wurde.
Jerobeam beriet sich und machte zwei goldene Kälber; damit führte er nicht gerade einen ausländischen Abgott ein, denn er sagte zum Volke: „Es ist zu viel für euch, nach Jerusalem hinaufzuziehen; siehe da, Israel, deine Götter, die dich aus dem Lande Ägypten herausgeführt haben.“ (1Kön 12,28) Vom weltlichen Standpunkte aus war alles klug erdacht; er konnte sagen, daß das Volk Israel mit Aaron in der Wüste etwas Ähnliches getan hatte, denn damals hieß es auch: „Das ist dein Gott, Israel, der dich aus dem Lande Ägypten heraufgeführt hat.“ (2. Mose 32,4) Jerobeam konnte auch das Volk daran erinnern, daß ihr Erzvater Jakob gerade dort in Bethel einen Stein als Denkmal gestellt und Öl auf seine Spitze gegossen und gesagt habe, daß der Stein ein Haus Gottes sein solle. (1. Mose 28,18-22)
Jerobeam erdichtete aus vermeintlich klugen politischen Gründen eine Staatsreligion; sie war bequem, denn man brauchte sich nicht nach Jerusalem hinaufzubemühen; sie hatte durch feine Verdrehungen des Wortes einen biblischen Schein an sich, und sie gefiel dem Fleische, denn Jerobeam machte dem Volke in der Mitte des achten Monats ein Fest, in dem Monate, den er sorgfältig in seinem Herzen erdacht hatte; dazu war diese Religion auch noch einträglich, denn aus dem sämtlichen Volke wurden Priester gemacht, die auf Staatskosten in den neugebauten Höhenhäusern als geistliche Herren behaglich wohnen konnten!
Doch wie weltlich klug und wie scheinbar fromm das alles war, so war es doch nur eine schreckliche Sünde, durch welche der Gott Israels gereizt wurde und die zur Vertilgung des Hauses Jerobeams und zur Gefangenschaft des Volkes Israels aus dem guten Lande führte.
Andere Männer sind dann als Könige auf den Thron Israels gekommen, doch es schien, als ob sie sich von dieser verkehrten Staatsreligion nicht trennen konnten. Wie eine mißtönende Melodie mit Variationen oder wie eine gesprungene Glocke kommen immer wieder die verhängnisvollen Worte vor: „daß er in den Sünden Jerobeams wandelte!“ Von Ahab aber steht sogar geschrieben: „Und es geschah - war es zu wenig, daß er in den Sünden Jerobeams, des Sohnes Nebats, wandelte? -, daß er Isebel, die Tochter Ethbaals, des Königs der Zidonier, zum Weibe nahm; und er ging hin und diente dem Baal und beugte sich vor ihm nieder. Und er errichtete dem Baal einen Altar im Hause des Baal, das er zu Samaria gebaut hatte; ... Und Ahab tat mehr, um Jehova, den Gott Israels, zu reizen, als alle Könige von Israel, die vor ihm gewesen waren.“ (1Kön 16,31-33)
Die falsche Staatsreligion Jerobeams hatte einen Schein an sich, daß sie richtig wäre, denn man verehrte angeblich die Götter, die das Volk Israel aus Ägypten herausgeführt hatten; aber Ahab führte einen ganz anderen Greuelgott ein, nämlich den Baal, und damit wurde der Höhepunkt des Abfalles von dem lebendigen Gott erreicht.
Später wurde ein Oberster des Heeres Israels namens Jehu König, und er übte Gericht an dem Hause Ahabs, indem er alle Glieder erschlug. Er lud einen gewissen Jonadab ein, mit ihm zu fahren, und sagte: „Komm mit mir und siehe meinen Eifer an für Jehova!“ (2Kön 10,16) Also begab sich Jehu ans Werk; er ließ alle Priester Baals im ganzen Lande im Hause Baals zusammenkommen, und dort wurden sie alle umgebracht; dann brachten seine Knechte die Bildsäulen aus dem Hause Baals und verbrannten sie, „und sie rissen das Haus des Baal nieder und machten Kotstätten daraus bis auf diesen Tag.“ (2Kön 10,27) Dann kommen aber die merkwürdigen Worte vor: „Also vertilgte Jehu den Baal aus Israel. Nur von den Sünden Jerobeams, des Sohnes Nebats, wodurch er Israel sündigen gemacht hatte, von denen wich Jehu nicht ab: von den goldenen Kälbern, die zu Bethel und zu Dan waren.“ (2Kön 10,28.29) Auch von dem Joahas, dem Sohne Jehus, steht es geschrieben: „Er tat, was böse war in den Augen Jehovas; und er wandelte den Sünden Jerobeams nach, des Sohnes Nebats, wodurch er Israel sündigen gemacht hatte: er wich nicht davon.“ (2Kön 13,2)
Ob wir nun in unserem christlichen Zeitalter unsere Finger auf Sünden legen können, welche den Sünden Jerobeams entsprechen oder wenigstens ähnlich sind, Sünden, von welchen die religiösen Führer nicht weichen wollen?
Es ist Brüdern, die im Worte forschen, aufgefallen, daß man in der Geschichte Israels in gewisser Hinsicht die äußere Geschichte der Christenheit vorbildlich wiederfinden kann, wie auch die Geschichte der Christenheit vom göttlichen Standpunkt aus in den sieben Sendschreiben der Offenbarung vor unseren Augen aufgerollt wird. Wohl können wir jetzt das alles eingehend nicht betrachten, doch einen kurzen Umriß können wir geben.
Salomo am Anfang seiner Regierung ist ein Vorbild des Zustandes der Gemeinde in ihrer ersten Liebe, und in dem Sendschreiben an die Gemeinde zu Ephesus wird gesagt, wie sie dieselbe verließ. In Rehabeam, dem Sohne Salomos, finden wir ein Schattenbild von Smyrna. Jerobeam wird in Pergamus dargestellt. Ahab und Isebel finden ihr Gegenbild in Thyatira. Jehu bemerken wir in Sardis. Der Charakter der Gemeinde in Philadelphia kommt sinnbildlich zum Vorschein in Hiskia und Josia. Und endlich wird Laodicäa vorbildlich gesehen in den Königen Manasse und Zedekia.
In der Geschichte der Christenheit aber finden wir den Jerobeam-Zustand, als die heftigen Verfolgungen der Gemeinde vorüber waren und die Lehre Balaams in ihr Eingang fand (Off 2,14). Die Welt und die schon verweltlichte Gemeinde geben einander die Hand, und das Christentum wird eine begünstigte Staatsreligion, denn der Kaiser Konstantin ist aus politischen Gründen Christ geworden! Wahre Bekehrung ist nicht mehr nötig, Glaubens-Verbindung mit Gott ist unbekannt, ein Anbeten im Geiste und in der Wahrheit wird vollständig ignoriert. Eine äußere Zugehörigkeit zum bekennenden Staats-Christentum ist alles, was notwendig ist. Aus der einfachen Gemeinde ist ein Kirchentum geworden. Zum wahrhaftigen Heiligtum nach Heb 10 soll man nicht mehr hinaufgehen, man kann leichter und ohne Herzens-Übung goldene Kälber in Bethel und in Dan finden. Eine neue Priesterklasse wird eingeführt, und das geistliche Priestertum aller wahren Gläubigen wird verleugnet. Als so Konstantin der Große das Christentum zur Staatsreligion erhob, wurde er von derselben weltlichen Klugheit beseelt, welche wir bei Jerobeam gefunden haben.
Ja, ein Namenchristentum, eine Staats- oder Volkskirche ist die Sünde Jerobeams in diesem Zeitalter, und von dieser Sünde will man nicht weichen.
Die volle Blüte dieser Sünde finden wir bei Ahab und, auf den Zustand der Christenheit übertragen, in der römisch-katholischen Kirche dargestellt, besonders im Mittelalter; es ist Baalsdienst geworden, obwohl auch in jenen dunklen Tagen Jehova 7000 in Israel hatte, die ihre Knie vor dem Baal nicht gebeugt hatten.
Dann kommt Jehu mit seinem Eifer für Jehova; sicher finden wir das in der Reformation; doch, obwohl er das Haus Baals niederriß und alle Priester Baals umbringen ließ, wich er selber nicht von den Sünden Jerobeams! Ja, man blieb bei einem Namenchristentum, man kehrte nicht völlig zum Worte zurück, und Der, Der die sieben Geister Gottes und die sieben Sterne hat, sagte unter anderem: „Ich habe deine Werke nicht völlig erfunden vor Meinem Gott.“ (Off 3,2) Bis zum heutigen Tage wandelt man nach den geistlichen Sünden Jerobeams, und wie viele Gläubige lassen sich in dieser Sache verblenden und betrügen! Man unterstützt eine Mischung von Licht und Finsternis, man will nicht das Alte oder, wie man es nennt, „das geschichtlich Gewordene“ wegräumen, man hat Achtung vor den „goldenen Kälbern“. Man macht aus unwiedergeborenen Menschen Kirchenmitglieder, man besprengt Säuglinge, und sie werden Namenchristen; man bildet mit weltlicher Weisheit Pfarrer und Prediger aus in Bethel und Dan, die kirchlichen Handlungen zu vollziehen; man bringt das Christentum unter ein Joch mit der Politik dieses Zeitlaufes; mit einem Wort, man weicht nicht von den Sünden Jerobeams, obwohl man mit großem Eifer den Baalsdienst vernichtet hat! Und solche, die sich gern von den Sünden Jerobeams trennen möchten, beschimpft man als Sektierer. Es wurde sogar dem Manne Gottes aus Juda verboten, Brot zu essen oder Wasser zu trinken in Bethel (1Kön 13,8), denn
Essen und Trinken sind Zeichen der Gemeinschaft, und Gott wollte nicht, daß er mit den Sünden Jerobeams Gemeinschaft haben sollte. Leider ließ er sich betrügen und verlor sein Leben.
Endlich aber ist ein junger, gottesfürchtiger König von Juda, namens Josia, kühn genug geworden, mehr aufzurichten: „Und auch den Altar, der zu Bethel war, die Höhe, welche Jerobeam, der Sohn Nebats, gemacht halte, der Israel sündigen machte, auch diesen Altar und die Höhe riß er nieder; und er verbrannte die Höhe, zermalmte sie zu Staub und verbrannte die Aschera.“ (2Kön 23,15) Ja, die Gemeinde Philadelphia mit ihrer kleinen Kraft will sich gründlich abwenden von den Sünden Jerobeams und sich nach dem Worte des Herrn richten, und so sagt Er: „Du ... hast Mein Wort bewahrt und hast Meinen Namen nicht verleugnet.“ (Off 3,8)
Wie ernst ist doch der Gedanke, daß man eifrig für den Herrn sein und zu gleicher Zeit bei den Sünden Jerobeams bleiben kann wie Jehu! Wie sonderbar, daß man sich gern mit Gläubigen versammelt, weil das Herz sich nach der Gemeinschaft mit Gottes Kindern sehnt; doch wenn es sich um die klaren Befehle und Anordnungen des Herrn handelt, läuft man straks nach Bethel oder sogar nach Dan und nimmt den amtlichen Dienst derer in Anspruch, die nicht von der echten Priesterfamilie sind, um vielleicht eine kirchliche Handlung zu vollziehen, die nicht einmal in der Schrift steht! Was ist das anderes als ein Festhalten an den Sünden Jerobeams! Man steckt in Bethel und will nicht nach Jerusalem hinauf, denn man kann ja auch selig werden, wenn man bei dem „Geschichtlichgewordenen“ bleibt, und vielleicht hat man dort einen größeren Wirkungskreis! Ist denn die eigene Seligkeit und der größere Wirkungskreis wichtiger als die Ehre des Herrn und die Unterwürfigkeit unter Sein Wort? Durch die Sünden Jerobeams wurde Israel aus dem guten Lande hinweggeführt; und durch die entsprechenden Sünden auf dem christlichen Gebiet in diesem Zeitalter wird schließlich das bekennende Christentum aus dem Munde „des Amen, des treuen und wahrhaftigen Zeugen“, hinausgespien. (Off 3,16)
Laßt uns in aller Demut von den Sünden Jerobeams abstehen! Wir brauchen ja nicht im Fleische angesehen zu sein (Gal 6,12), denn unser Herr war nichts in dieser Welt, und wir wollen auch nichts sein.
F. Btch.