verschiedene Autoren
Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 21 - Jahrgang 1936
Stärkungen für den Herrn auf Seinem Leidensweg nach GolgathaStärkungen für den Herrn auf Seinem Leidensweg nach Golgatha
(Wiedergabe aus dem Gedächtnis der letzten Ansprache von Br. Fritz Koch beim Mahl des Herrn in Dresden).
In den schweren Leiden, die der Herr um unsertwillen auf Seinem Weg nach Golgatha erlitt, ließ Sein Gott Ihn nicht ohne Stärkungen. Er litt als der vollkommene Mensch unsagbar unter dem Gericht Gottes, denn Er war ohne Sünde. Kein Mensch auf dieser Erde wird je auch nur annähernd verstehen können, was der Herr auf Seinem Wege nach Golgatha litt. Seine Seele war bestürzt - betrübt bis zum Tode, doch unter den Seinigen, der kleinen Schar, die Er liebte und bis ans Ende liebte, waren einige, die Ihm Erquickung und Stärkung auf diesem Wege zum Tode - der Sühnung unserer Sünden - waren.
Maria von Bethanien, deren ganzes Herz dem Herrn hingegeben war und die sich sehnte, dem geliebten Meister ihre Liebe zu erweisen, kam und salbte den Herrn mit der sehr kostbaren Narde. Vielleicht hatte sie lange Zeit gebraucht, diese köstliche Narde, die nur tropfenweise mit vieler Mühe gewonnen werden konnte, für ihren geliebten Herrn zu sammeln. Sie kannte nicht die Tragweite ihres Tuns, sie liebte den Herrn und gab Ihm das Köstlichste, was sie besaß. Doch der Herr verstand die Größe ihrer Tat und enthüllte das darin verborgene Symbol, indem Er sagte: „Sie hat es zu Meinem Begräbnis getan.“ (Mt 26,12) Er tadelte die Jünger, die verständnislos ihr Liebeswerk herunterzogen und ihr dadurch Mühe machten, als habe sie nicht recht gehandelt, indem Er für sie eintrat und sagte: „Was machet ihr dem Weibe Mühe? denn sie hat ein gutes Werk an Mir getan.“ Sie hatte Den gesalbt, der König und Priester war, auf Erden aber von den Menschen weder Anerkennung noch Salbung empfing, da Er nicht aus dem Stamme Levi war. Nach der Vollendung Seines Werkes aber ging Er als der große Hohepriester mit Seinem eigenen Blut ins Heiligtum. Der Herr krönte diese köstliche Tat Marias mit den Worten: „Wahrlich, Ich sage euch: Wo irgend dieses Evangelium gepredigt werden wird in der ganzen Welt, wird auch von dem geredet werden, was diese getan hat, zu ihrem Gedächtnis.“ (Mt 26,1-13) Was muß diese Liebestat für des Heilandes Herz gewesen sein, dessen Angesicht nach Golgatha gerichtet war, um für unsere Sünden zu sterben! Wie mag es Sein Herz erfreut haben, daß Seine Liebe in dem Herzen eines schwachen Weibes einen solchen Widerhall gefunden hatte und hervortrat gerade zur Zeit der grausigen Tat Judas', dem der Meister für dreißig Silberlinge (den dritten Teil des Geldwertes jener Narde) feil war!
Als das Passah nahte und die Jünger Ihn fragten: „Wo willst Du, daß wir es bereiten“, da zeigte der Herr ihnen den Weg zu dem großen, mit Polstern belegten und zur Festfeier fertigen Obersaal (Lk 22,7ff.; Mk 14,12ff). In der Stadt war ein Mann, dessen Herz für den Herrn schlug, der aber vielleicht wie Nikodemus nicht den Mut fand, frei und offen auf die Seite des Herrn zu treten, der aber in seinem Herzen den Wunsch hatte: Möchte doch der Herr, der nicht hat, wo Er Sein Haupt hinlegt, in dein Haus kommen und dort mit Seinen Jüngern das Passah feiern. Im Vertrauen, daß der Herr, der die Herzen der Menschen kennt, auch sein Verlangen sehen werde, bereitete er seinen Obersaal zu, damit, wenn der Herr seinen Wunsch erfüllen und das Passah bei ihm halten wolle, alles für Ihn fertig sei. Und der Herr enttäuschte ihn nicht. Erquickend aber muß es für den Herrn gewesen sein, ein Herz in der Stadt zu wissen, das in dieser Zeit, als Er schon steckbrieflich gesucht wurde (Joh 11,57) und alle Türen sich vor Ihm schlossen, sein Haus Ihm öffnete und Sorge für Ihn und für die Passahfeier trug.
Doch auch die kleine Schar der Zwölfe war des Herrn Stärkung und Trost. Er blickte auf sie und sagte: „Ihr aber seid es, die mit Mir ausgeharrt haben in Meinen Versuchungen.“ (Lk 22,28) Was liegt in diesen Worten für ein tiefes Empfinden von dem, was durch des Heilandes
Seele ging, wenn Er auf die kleine Schar Seiner Jünger schaute, die dreieinhalb Jahre mit Ihm gewandelt und mit Ihm ausgeharrt hatten! Wir dürfen nie vergessen, Er war ein wahrer Mensch, der Leid und Schmerz empfand und ebenso auch die Liebe Seiner Jünger, die Seinem Herzen wohltat, obgleich Er wußte, daß jetzt in der Stunde der Gewalt der Finsternis alle Ihn verlassen und fliehen würden. Seine Langmut trug sie, denn sie waren ja noch nicht angetan mit der Kraft aus der Höhe, aber sie waren Seines Herzens Freude. „An ihnen“, so heißt es in Psalm 16,3, „ist alle Meine Lust.“
Nun aber kam die Gethsemane-Stunde, und von ihr sagt der HErr: „Siehe, es kommt die Stunde und ist gekommen, daß ihr zerstreut sein werdet, ein jeder in das Seinige, und Mich allein lassen werdet; und Ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei Mir.“ (Joh 16,32) In Gethsemane konnte keiner von den Seinigen Ihn stärken, aber der Vater war bei Ihm, und zu Ihm erhebt Er Seine Stimme: „Mein Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an Mir vorüber; doch nicht wie Ich will, sondern wie Du willst.“ Die schwachen Jünger schliefen ein. Sie erfaßten nicht die Klage des Herrn: „Also nicht eine Stunde vermochtet ihr mit Mir zu wachen?“ (Mt 26,39.40) Für die Leiden des Herrn in Gethsemane, als Sein Schweiß wie große Blutstropfen auf die Erde herabfiel, gab es keine Stärkung für Ihn von seiten eines Menschen, aber der Vater ließ den geliebten Sohn, als Er in ringendem Kampfe war, nicht ohne Stärkung. Ein Engel, ein Bote jener himmlischen Welt, wo der Vater war, kam hernieder und stärkte Ihn. Das ist wunderbar, und wir beugen uns und beten an.
Man hatte den Herrn ergriffen, verspottet, angespien, geschlagen und schließlich vor Pilatus geschleppt. Die Menge um Ihn her schrie und tobte: „Hinweg mit Ihm!“ Die Seinen hatten Ihn verlassen, verleugnet und waren geflohen. In dieser Verlassenheit des Herrn, preisgegeben der Wut der Juden, erscheint plötzlich ein Bote aus dem Hause des Pilatus. Er drängt sich durch die Volksmenge, seine Botschaft dem Landpfleger zu überbringen. Pilatus sitzt schon auf dem Richterstuhl. Nun empfängt er die Nachricht seines Weibes: „Habe du nichts zu schaffen mit jenem Gerechten!“ (Mt 27,19) Hörte der Herr, der vor dem Richterstuhl stand, diese Worte? Auch wenn Er sie nicht hörte, Er, der alles wußte und Selbst die Herzen kannte, Er wußte um diese Botschaft, mit der ein heidnisches Weib in dem Augenblick für Ihn eintrat, als Er verlassen von Seinen Jüngern unter der wilden Wut der Juden litt. Diese Worte mögen gleich lindem Balsam Seinem Herz gewesen sein und Ihn gestärkt haben. Ein Weib, das Weib Seines „Richters“, trat für Ihn ein, als kein Mund sich zu einem Worte der Liebe oder Verteidigung für Ihn öffnete und nur der Schrei: „Er werde gekreuzigt!“ an Sein Ohr drang. Werden wir das Weib des Pilatus einst beim Herrn sehen? Ich bin davon überzeugt.
Auf dem Wege nach Golgatha trug ein Mensch, Simon von Kyrene, Sein Kreuz mit Ihm. Nicht ganz allein mußte der Herr die Kreuzeslast von Jerusalem nach Golgatha tragen. Wird nicht auch das Erquickung für Ihn gewesen sein? Glücklicher Simon, du durftest dies tun, wenn du auch in der Stunde das hohe Vorrecht noch nicht verstanden haben magst, das dir zuteil wurde.
Dann wird uns die rührende Szene unter dem Kreuze des Herrn geschildert. Johannes hatte sich unter dem Kreuze seines geliebten Herrn eingefunden, und mit ihm standen dort Maria, die Mutter des Herrn, und einige andere Weiber. Auch durch Marias Herz drang jetzt das Schwert. Wie erquickend und tröstend mußte es dem Herrn gewesen sein, die teuren Angesichter derer, die auf Seinem Erdenwege mit Ihm gewandelt waren, unter Seinem Kreuz, inmitten der rohen, haßerfüllten Menge zu schauen! Sicher waren sie eine Stärkung und Freude für Ihn. Aber selbst noch in dieser Stunde umgab Er Seine Mutter mit liebender Sorge. Er kannte das Schwert, das durch ihre Seele ging. Er vertraute sie Seinem Jünger an.
Aus dem Stimmengewirr der Spötter und Lästerer dringt die Stimme des Schächers an des Heilandes Ohr: „Dieser hat nichts Ungeziemendes getan.“ Zuvor hatte auch er in die Schmähungen der anderen mit eingestimmt (Mt 27,44). Hingenommen und überwältigt von der vergebenden Liebe dessen, der neben ihm hängt, wendet sein Herz sich Ihm zu, und er fleht: „Gedenke meiner, Herr, wenn Du in Deinem Reiche kommst.“ Wie mochte diese Bitte das Herz des Herrn bewegen! Er fand eine Frucht „von der Mühsal Seiner Seele“ (Jes 53), die mit Ihm ins Paradies einging, in der Stunde, als Gott Sein Gericht über die Sünde an Ihm vollziehen wollte. Konnte es eine größere Erquickung in dieser Stunde der tiefsten Leiden und Erniedrigung für den Herrn geben?
Und noch eine letzte leibliche Labe wurde dem Herrn am Kreuze zuteil, die auch Seine Seele erquickt haben wird. Ein Kriegsknecht nahm einen Schwamm, füllte ihn mit Essig und tränkte Ihn; und der Herr nahm diese Wohltat, die Ihm aus dem Herzen des Mitgefühls eines römischen Soldaten dargebracht wurde, an (Mt 27,48; Joh 19,28.29). Solche Erquickung war für einen als Staats-Verbrecher Hingerichteten nicht vorgesehen. Auch diese Tat des Erbarmens und Mitgefühls wird nicht vergessen werden. Der Herr, der nicht einen Trunk kalten Wassers, dem Geringsten dargereicht, vergißt (Mt 10,42), wie wird Er diese Linderung Seines Durstes am Kreuze vergessen am Tage des Lohnes? „Es ist vollbracht!“ hören wir nun den Herrn rufen, vollbracht das schwere Werk! Er übergibt Seinen Geist in die Hände Seines Vaters. Der römische Hauptmann bestätigt das Zeugnis des Weibes des Pilatus: „Fürwahr, dieser Mensch war gerecht“, und bekennt Ihn vor seinen Kriegsleuten als den Sohn Gottes. (Lk 23,47; Mt 27,54)
Dann finden wir die liebende Sorge der Seinigen nach Seinem Tode. Joseph von Arimathia, der verborgene Jünger, tritt jetzt offen hervor und weiht dem Herrn sein eigenes Grab. Und Nikodemus, der einst bei Nacht zu Jesus kam, bringt eine Mischung von Myrrhe und Aloe, bei hundert
Pfund. Und die Weiber, die Spezereien und Salben für Ihn bereiteten und früh am Morgen zu Seiner Gruft kamen - nichts wird der Herr vergessen! Droben werden wir einst sehen, wie köstlich dem Herrn alles das gewesen ist, was Liebe für Ihn tat.
Und Er sieht auch unsere Liebe zu Ihm, die uns zusammengeführt hat, Sein Wort zu halten: „Dies tut zu Meinem Gedächtnis!“
E. K.