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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 6 -Jahrgang 1918/19
Lk 23 Apg 7-8 - „Beschäftigt mit dem Herrn“Lk 23 Apg 7-8 - „Beschäftigt mit dem Herrn“
Die natürlichen Neigungen unserer Herzen gehen beständig hin zu den Dingen des Fleisches und nicht zu Christo. Wir alle fühlen, wie diesen entgegen der Heilige Geist in uns wirkt, uns von solchen Dingen wegzuleiten und mit Christo zu beschäftigen, und zwar nicht nur in dem persönlichen Leben des Einzelnen, sondern auch in den Zusammenkünften der Gläubigen. Dort insonderheit soll es sichtbar sein, daß wir nicht nach Menschenweise, sondern als Gottes Gemeinde versammelt sind, in deren Mitte der Heilige Geist herrscht und nicht der Mensch. Christus muß vor unseren Augen stehen und Herz und Seele füllen; dann hat der Mensch, und was von ihm ist, keinen Wert und keine Anziehungskraft mehr für uns. Einige Schriftstellen mögen uns dieses zeigen.
In Lk 23 finden wir einen Menschen, dessen Leben so schlecht war, daß es auf dem Richtplatz endete. Was uns aber auffällt, ist, daß der Haß und der Abscheu der Menschen sich nicht gegen ihn richtet, sondern gegen den an seiner Seite. Das Geschrei dort galt nicht dem Mörder, sondern Christus. Alle Verachtung und aller Hohn wurde über den geschüttet, der in der Mitte hing, der ihnen aber nur Liebe erwiesen und wohlgetan hatte. Niemand trat für Ihn ein. Er war der Allerverachtetste und Unwerteste. Pilatus, die Hohenpriester, das Volk - alle standen wider Christus. Auch der Übeltäter gehörte (wie uns Matthäus berichtet) im Anfang zu Seinen Lästerern. Aber da kam ein Augenblick, wo seine Seele von Ihm ergriffen wurd,. der an seiner Seite hing. Ein Werk Gottes geht in ihm vor. Der, gegen den alle waren, für den niemand eintrat, der fesselt seinen Sinn, und Ihm wendet sich sein Herz zu. Seine Gedanken beschäftigen sich mit Ihm. Er denkt an Sein Leben, und er spricht: „Dieser hat nichts Ungeziemendes getan!“ Er denkt an das, was nach dem Tode sein Teil sein wird, und er, der Übeltäter, wünscht bei Ihm zu sein, und er bittet: „Gedenke meiner, Herr, wenn Du in Dein Reich kommst!“ Und viel mehr, als er erbeten und erdacht hatte, gibt der Herr ihm.
Wir wenden uns zu einer anderen Schriftstelle: Stephanus in Apg 7. Hier ist wieder ein Mann, der zum Tode verurteilt ist; aber aus ganz anderen Ursachen. Er ist kein Übeltäter - er ist ein Märtyrer um Jesu willen. Er hatte den Herrn bekannt, und die Welt macht mit ihm, was sie mit Dem machte, den er bekannt hatte. Es war eine gewaltige Stunde! Denken wir nicht manchmal: Was würden wir tun, wenn wir in solcher Lage wären? Sieh hier einen Mann, in dessen Herzen Christus ist, der in Ihm, Seinem Herrn, aufgeht. So wie der sterbende Übeltäter auf nichts mehr achtete, was um ihn herum vorging, so war es auch mit Stephanus. Wer vermag zu sagen, was es für das Herz des Übeltäters war, als der Herr zu ihm sagte: „Heute wirst du mit Mir im Paradiese sein!“ Und wer kann sagen, was es für Stephanus war, als er in die geöffneten Himmel schaute und die Herrlichkeit Gottes sah und Jesus stehend zu seiner Rechten! Welch ein Kontrast zu dem, was um ihn herum verging. Er blickt unverwandt gen Himmel. Er ist ein Verworfener, wie sein Meister es war. Sie konnten ihm nicht mehr tun, als sie Ihm getan hatten. Seine Augen aber sehen nicht die ausgestreckten Arme, sehen nicht die Wut der Feinde, sondern Den, der zur Rechten Gottes ist. In der Kraft des Heiligen Geistes sieht er Ihn im Himmel, und alles, was Menschen sind und tun, entschwindet seinem Blick. Er schaut die Herrlichkeit des Herrn und wird verwandelt in das Bild Jesu (2Kor 3,18). Er betet: „Herr Jesu, nimm meinen Geist auf!“, kniet nieder und ruft mit lauter Stimme: „HErr, rechne ihnen diese Sünde nicht zu!“ Da war keine Beschäftigung mit dem ersten Menschen. Christus erfüllte seine Seele, und Christus wurde sichtbar.
Wir wenden uns einer anderen Schriftstelle zu (Apg 8). Der Kämmerer kam aus fernen Landen. Er sitzt in seinem Wagen und liest den Propheten Jesaja. Er versteht nicht, was er liest, aber der Geist Gottes wirkt in ihm. Seine Seele ist beschäftigt mit Dem, der in dieser Welt nichts für Sich in Anspruch nahm, Seine Rechte nicht behauptete, sondern wie ein Schaf Sich zur Schlachtung führen ließ und Seinen Mund nicht auftat vor Seinen Scheren. - „Sein Leben wird von der Erde weggenommen“, bis hierher hatte er gelesen, als Philippus sich ihm anschloß. Der eine Gedanke, der seine Seele erfüllt, kommt über seine Lippen: Wer ist das? „Von wem sagt der Prophet dieses?“ Philippus kann ihm Antwort geben. „Von dieser Schriftstelle anfangend, verkündigte er ihm das Evangelium von Jesu.“ Mehr wird uns nicht gesagt. Aber das erste Wort, das uns hierauf von dem Kämmerer mitgeteilt wird, ist sehr bezeichnend: „Siehe, da ist Wasser, was hindert mich, getauft zu werden?“ Im Glauben hat er die frohe Botschaft angenommen und es erfaßt: „Ist Sein Leben von der Erde weggenommen, so ist auch mein Leben als Mensch im Fleische von der Erde weggenommen.“
Er ist ein Mensch in Christo. Christi Tod ist sein Tod. Er ist „mit Ihm gestorben“. - Wohl war er einst tot in Sünden - (wie alle übrigen gestorben und im Tode liegend) aber er war nicht „mit Christo gestorben“ -, und wie konnte er, ohne mit Christo gestorben zu sein, „mit Ihm begraben“ werden? Jetzt war es anders. Kein Hindernis war mehr da. „Was hindert mich, getauft zu werden?“ Er wußte sich durch den Glauben „mit Christo gestorben“ und wünschte jetzt auch „mit Christo begraben“ zu werden „durch die Taufe“ (Röm 6,4). Sein Leben war nicht mehr das des Menschen im Fleische, das Leben hatte sein Ende gefunden. Sein Leben von nun an war das Leben jenseits des Grabes - Christus! Er ist ihm alles - Er füllte sein Herz und sein Leben aus, und er zieht „seinen Weg mit Freuden“.
Laßt uns noch kurz auf Saulus blicken (Apg 9). Er wandelt mit einem guten Gewissen vor Gott, in bitterer Feindschaft gegen Christus, und er glaubt, damit Gott einen Dienst zu tun (Apg 23,1; 26,9). So geht er nach Damaskus, um die Heiligen zu verfolgen. Da umstrahlt ihn plötzlich das Licht vom Himmel, das den Glanz der Sonne überstrahlt, und streckt ihn zu Boden. Es ist das Licht der Herrlichkeit Gottes im Angesichte Christi (2Kor 4,6). Diesem Lichte kann er nicht ausweichen. Der Kämmerer wurde überwältigt durch den Anblick Jesu in Niedrigkeit, Saulus dagegen durch den Glanz Seiner Herrlichkeit, aber die gleiche Frage kommt über seine Lippen: „Wer bist Du, Herr?“ Und er empfängt die gleiche Antwort: Jesus. „Ich bin Jesus!“ Er, der wunderbare Heiland, erfüllt sein
Herz. Alles, was ihm zuvor Gewinn war, achtet er jetzt als Verlust - als Kot, nur um Christus zu gewinnen. So geht sein Herz in Ihm auf, daß nur ein Ton in seiner Seele klingt: Christus! „Nicht mehr lebe ich ... Christus ...!“ (Gal 2,20). Diese Wirkung wird auch heute noch sichtbar! Wenn der Lichtglanz der Herrlichkeit Gottes im Angesichte Christi in ein Herz leuchtet, so strahlt er von dort wieder heraus. Das Gefäß, welches diesen Schatz trägt, ist irden (2Kor 4,7). Ein solches Gefäß war Paulus, ein Gefäß, allenthalben bedrängt, aber durch Gottes Kraft aufrecht erhalten. Sie versuchten Paulus zu steinigen, so wie sie Stephanus steinigten, aber der Herr bewahrte das Gefäß. Er wollte uns durch dieses Gefäß den Schatz übermitteln. Ein Stein hätte das Gefäß zertrümmern können, aber sie konnten es nicht, weil Gott es noch gebrauchen wollte. Und nicht nur einzeln sind die Heiligen solche Gefäße, sondern auch die Gemeinde ist das Gefäß des Lichtes der Herrlichkeit Gottes.
Möchten diese Beispiele uns ermutigen, uns mehr mit Ihm zu beschäftigen, Fleisch und Welt werden dann unseren Blicken entschwinden, Christus aber wird unser Herz füllen, und Strahlen Seines Bildes werden auch aus uns hervorleuchten.
R. - v. d. K.