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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 19 - Jahrgang 1934
Wie kam es? (9)Wie kam es? (9)
(Fortsetzung).
Wer diese Aufsatzreihe aufmerksam gelesen und ihren Inhalt auf sich gewirkt haben ließ, der muß, denke ich, innerlich berührt und bewegt worden sein davon, daß es oft nur scheinbar kleiner Ursachen oder Gründe bedurft hat, um Menschen, auch und gerade Gotteskinder, zu Fall zu bringen oder sie an einer hohen Berufung vorbeigleiten bzw. sie ihr eigentliches Ziel, das Gott Sich mit ihnen steckte, nicht erreichen zu lassen. „Wer da stehe, der sehe wohl zu, daß er nicht falle!“ Dies Wort - 1Kor 10,12 -, das immer aufs neue an unserem geistlichen Auge vorüberzog in allen möglichen Beziehungen, zeigt uns, daß es sehr leicht geschehen kann, Vorrechte unbeachtet zu lassen und Aufgaben zu verfehlen, wenn man nicht auf der Hut ist oder leichtfertig ist, wie Simon Petrus, mit dem wir uns in vor. Lief. beschäftigten (und nach ihm mit Festus, Agrippa und Bernice). Aus allen Fällen, auch denen
Ungläubiger, haben wir zu lernen, denn gar leicht kann in irgendeiner Form sich auch bei uns „ein böses Herz des Unglaubens“ (Heb 3,12) zeigen, das Verkehrtheiten in sich birgt, wie sie bei Weltkindern gang und gäbe sind, aber bei uns, als unserer nicht wert, nicht gefunden werden sollten. Aber wie leicht täuschen wir uns über uns selbst (wie die Welt es so gern tut), vertrauen uns selbst und - werden zuschanden dann, wenn's drauf ankommt! (Petrus)! Ja, „wie kam es?“
Heute glaube ich, wenn auch mit Zittern, aber doch getreu meiner Aufgabe, an eines Mannes Fehlen (ausführlich) herangehen zu sollen, der wirklich sonst und in allem vollkommen zu sein scheint, soweit wir dies von Menschen sagen dürfen: Wenigstens spricht die Schrift von ihm in einer überwältigenden Weise und zeigt uns ein Vorbild schier ohnegleichen in ihm. Wer ist's? Moses! Und, nicht wahr, ihm an die Seite zu stellen ist doch wohl nur einer, und diesen einen werde ich nicht unter den Gesichtspunkt „Wie kam es?“ zu stellen wagen: Paulus! Denn wenn auch er „nur ein Mensch“ ist, so, glaube ich, steht es uns nicht frei - obwohl sich arme Menschen schon vor Kritik ()! an Paulus in seinem Wege nach Jerusalem usw. nicht gescheut haben (und das trotz solcher Worte wie Apg 20,24; 21,13 und 23,11)! - also ich glaube, es steht uns nicht frei, den Apostel, der „Christi Nachahmer“ war wie sonst keiner (Vgl. 1Kor 11,1 u. a)., in seinem Verhalten unter unsere leicht verzerrende Lupe zu nehmen. Dies sein Verhalten mag uns „kleinen Geistern“ vielleicht nicht immer ganz verständlich sein - und dann ist es nötig für uns, „die Hand auf den Mund zu legen“, aber - bei aller erlaubten Beurteilung, die Paulus bezüglich seiner Worte sogar einmal den Korinthern ermöglicht (1Kor 10,15) - zum Kritisieren haben wir kein Recht! (Die „Handr.“ haben einmal in einem der ersten Jahrgänge solcher „Kritik“, wenn sie auch ehrerbietig gemeint war, Raum gegeben - und wie habe ich mich später dessen geschämt! Das hier zu bekennen, halte ich für nützlich).
Nein, Paulus und sein Tun werde ich nicht unter die Frage „Wie kam es?“ stellen; ich kann von ihm besser lernen, wenn ich mich vor seinem Verhalten demütig beuge, mögen andere es anders machen, wenn sie es verantworten zu können meinen, ich könnte es nimmer! Aber mit Moses, diesem gewiß nicht minder großen, ja gewaltigen Manne und Charakter, ist es doch etwas anderes. Das Fehlen, das auf seinem Lebenswege liegt, wird von der Schrift deutlich als ein solches gekennzeichnet, gerügt, ja, herbe gestraft. Und so dürfen auch wir uns, uns beugend, fragen: „Wie kam es“, daß Mose, der Mann Gottes, er, der höchster Gnaden teilhaftig geworden ist: in der Gegenwart Gottes 2 x 40 Tage zu weilen (vgl. 5. Mose 9,9 u.18)! und Ihn mit sich reden zu hören „von Mund zu Mund“, also sogar zu Ihm persönlich oft reden zu dürfen (vgl. Jehovas Worte über ihn in 4. Mose 12,7.8)! - wie kam es, daß er des Vorrechts, mit in das Gelobte Land gehen zu können, verlustig ging und verlustig blieb, wenngleich er es vom Berge Pisga aus gleichsam in einem „Gesicht des Allmächtigen“ (vgl. Bileam in 4. Mose 24,4)! zu sehen bekam (5. Mose 3,27; 34,1-4) - wie kam es, daß er, der sich 40 Jahre nach diesem „Lande, das von Milch und Honig fließt“, gesehnt hatte, es schließlich doch nicht betreten durfte? Ja, und wie kam es, daß überhaupt jenes Ereignis eintrat, welches die Schuld trug an diesem Entbehrenmüssen einer Segnung, die jahrzehntelang vor seinen Augen als die schönste stand, die er sich hätte erbitten können? Wie mag er, der große Führer, sich gefreut haben, das Volk hineinzuführen in das Erbland, und nun mußte er den Jüngeren bestimmen, Josua (5. Mose 3,28; vgl. 1,37.38), der diesen erhabensten Führerdienst tun sollte! Wahrlich, ein harter Schlag und trotz aller Güte Gottes in seinem Leben völlig unabwendbar. Ähnlich Paulus nach 2Kor 12, aber aus anderem Grunde, hat auch Mose gefleht um Nachlaß dieser Folge seines Verhaltens, aber vergeblich. Und was in des Paulus Fall Gnade, Erziehergnade und Weisheit des Herrn war, das war bei Moses doch unleugbar eine Art von Strafe, die nur durch das nachträglich zugebilligte Sehendürfen des Landes (und zwar in Gottes Gemeinschaft)! gemildert wurde (5. Mose 34), die aber im wesentlichen bestehen blieb. - Wieviel hat dies doch auch uns zu sagen! Unser Gott ist ein heiliger Gott, der zu Seinem Worte steht, laßt uns niemals denken, „es sei nicht so schlimm“! - Vgl. noch 5. Mose 4,21.22 u. 32,48-52!
Nun - die Geschichte, die einem Mose den Weg verbaute zu den letzten, höchsten, göttlichen Segnungen, denen im Lande, die er erwartete, ist die von 4. Mose 20,6-13. Wahrlich, eine ernste Sache! Einst hatte Mose den Felsen schlagen müssen, den gleichsam „geistlichen Felsen, der sie begleitete: Christus“ (1Kor 10,4). Das war in 2. Mose 17, zu Anfang der Wüstenreise des Volkes Israel, gewesen. Und da war es mit Recht, weil auf den Befehl Jehovas, geschehen, und es war ein Vorbild dafür, wie einst der geistliche Felsen in Wahrheit geschlagen werden würde am Kreuz und wie aus diesem Geschlagensein Ströme von Segen sich ergießen würden auf das Volk und auch auf die Welt. Aber hier, viel später, als das Volk längst von den immerfließenden Segnungen des Christus genoß, hier durfte der Felsen nicht geschlagen werden - nie wieder wird Er geschlagen werden so wie damals am Kreuz! Köstlich ist das! -, hier sollten Mose und Aaron „zu ihm reden“, und dann würde er sein Wasser ihnen geben (V. 8)!. Aber Mose schlug ihn, und das zweimal, und zwar mit jenem Stabe, den er einst hatte anwenden müssen, den er jetzt aber nur sozusagen als Zeugen jener Begebenheit mitnehmen sollte zu dem Felsen. Uns mag dies Ereignis bei oberflächlicher Betrachtung „nicht so schlimm“ vorkommen, aber es war schlimm, erstlich eben aus dieser tiefen vorbildlichen Bedeutung heraus, daß der Felsen (d. i. Christus) nicht noch einmal geschlagen werden durfte - daß ein Mose das nicht bedachte! Ja, „was ist der Mensch!“ -, zweitens aber, weil Jehova Gott es anders befohlen hatte: Er hatte gesagt: „rede vor ihren Augen (denen des Volkes, für die alles, was Mose tat, Offenbarung Gottes und unbedingt gut war)! zu dem Felsen, so wird er sein Wasser geben“, aber Mose - mit tiefer Bewegung schreibe ich es nieder, und so auch lies du es! - gehorchte nicht! Aaron (der Hohepriester)! auch nicht, aber so ernst das auch war, daß Mose im Ungehorsam seinen Bruder als Genossen hatte, so kam es hier um seiner Hauptführerschaft willen doch in erster Linie auf ihn an, wenngleich Gott nachher sagt: „Weil ihr - deswegen sollt ihr nicht ...!“ (V. 12) Er war nun einmal bei weitem der Größere, der Führer, und Aaron, was ihn (Mose) betraf, nur „sein Mund“ und sein Gehilfe (Vgl. 2. Mose 4,15.16.17)!. Mose also in erster Linie war nicht gehorsam - zitternd sagen wir es und lesen wir es! -, d. h. er (und Aaron mit) glaubte Jehova nicht, so sagt der Herr: „Weil ihr Mir nicht geglaubt habt ...!“ Glaube ist Vertrauen und Gehorsam; ein Vertrauen ohne Gehorsam gegen den, dem wir zu vertrauen vorgeben, ist ein leeres Wort, wie ein Gehorsam ohne Vertrauen Gesetz ist. Mose kannte doch Jehova seit so vielen Jahren - und hier vertraute er Ihm und Seinem Worte mit einem Male nicht?! Nein, tatsächlich nicht, das zeigte sich in seinem nicht Gehorchen, nicht buchstäblich Gehorchen! - O meine Brüder und Schwestern, glauben wir Gott stets? Gehorchen wir Ihm? Wenn nicht, so laßt uns nicht von unserem Glauben sprechen! - Und noch eins: Reden wir zu dem geschlagenen Felsen? Wir dürfen es täglich, Dank sei Gott! - Und dieser Mangel an praktischem Glauben hatte zur traurigen Folge, daß dadurch die Kinder Israel einen falschen Begriff von Jehova bekamen (Er ward „nicht in ihren Augen geheiligt“, abgesondert, so hingestellt, wie Er wirklich war)!, und eine neue köstliche Offenbarung von Jehova, die Er ihnen hätte zuteil werden lassen können, ging ihnen verloren und wurde Ihm unmöglich gemacht. Ich rede menschlich, aber, meine Geliebten, nichts kann unserem Gott eine größere Freude und Erquickung sein, als wenn Er den Seinen zeigen kann, wer Er ist, welche Liebe in Ihm für uns wohnt, welche Herrlichkeiten Er für uns bereit hält, wenn Er Glauben bei uns findet! Und wir enttäuschen Ihn so oft, und hier enttäuscht Ihn sogar ein Mose! Wie gut, an Seinem Sohne ist Er nie enttäuscht worden (und wir auch nicht) und wird's nie sein - und „wie sollte Er uns mit Ihm nicht auch alles schenken“?! (Röm 8,32) Und obwohl Mose Ihn enttäuscht und Aaron mit - dennoch: in Seiner Gnade, in Seinem Erbarmen gibt der Felsen gleichwohl sein Wasser, wenn Ihn diese Schläge, gleichsam „im Hause derer, die Ihn lieben“ (Sach 13,6), auch bitter geschmerzt haben müssen um des in ihnen liegenden Mißtrauens des Mose (und des Aaron) willen. Aber das Volk sollte unter diesem Fehler bei seinen Führern nicht leiden, sein Durst wird gestillt! Das alles ist wunderbar und wahrhaft groß. Aber wer leiden muß - das ist Moses (und Aaron)! Und er hat darunter tief und schwer gelitten, das zeigen die schon erwähnten Stellen aus dem 5. Buche Mose! Wie schmerzlich muß es ihm gewesen sein, unter der Inspiration des Geistes Gottes schreiben zu müssen: „Auch wider mich erzürnte Jehova eurethalben und sprach: Auch du sollst nicht hineinkommen!“ (5. Mose 1,37) Wenn man die Verse vorher liest, so fühlt man folglich den Schmerz des Gegensatzes (siehe V. 36 am Schluß)!; oder in Kap. 3,26: „Aber Jehova war über mich erzürnt und hörte nicht auf mich.“ Gewiß - darüber brauchen wir keine Sorgen haben, daß ihm etwa sein Vergehen nicht vergeben worden sei - sicher! Das zeigt doch der weitere Weg und zuletzt Kap. 34 deutlich, aber wenn wir z. B., wenn auch in anderem Zusammenhang, lesen: „In denen, die Mir nahen, will Ich geheiligt und vor dem ganzen Volke will Ich verHerrlicht werden“ (3. Mose 10,3)!, so sehen wir, daß Er in den Wegen Seines heiligen Waltens Sein Wort aufrechthalten muß um Seiner Selbst willen, und „wem viel anvertraut ist, von dem wird viel verlangt“ ist einer Seiner ehernen Grundsätze. Bei David finden wir das gleiche: Persönliche Vergebung seiner Schuld, aber ein Aufrechthalten des Wortes des Herrn, so daß viel Leid auf seinem ferneren Wege lag!
Also, wie kam es, daß ein Mose sein Vorrecht, das Volk ins Gelobte Land einzuführen und selbst die Segnungen des Landes zu genießen, verscherzte? Weil er in einem entscheidenden Augenblicke seines Lebens und Dienstes nicht im Glaubensgehorsam handelte! Das ist ernst und redet ernst zu uns! O wieviel kommt doch auch auf manchen Augenblick unseres Lebens an! Wie manchmal hängen Segnungen und verscherzte Segnungen von einem Augenblick und von unserem gläubigen oder ungläubigen Verhalten in demselben ab! Wie kam es? Haben wir Glauben? Gehorchen wir Gott?
Und noch ein ganz kurzes Wort über die zweite Frage: „Wie kam es“, daß es für Mose überhaupt solch trauriges Ereignis des Unglaubens wie 4. Mose 20,6-13 gab? Die Antwort ist auch nicht schwer, wenngleich angesichts von Kap. 12,3: „Der Mann Mose aber war sehr sanftmütig, mehr als alle Menschen, die auf dem Erdboden waren“ doch auch tiefbewegend: Das beständige Widerstreben des Volkes wurde ihm schließlich doch einmal zuviel, „nur“ einmal, aber das war von entscheidender Bedeutung! Hier nun nach tieferen Gründen zu suchen steht uns gewiß nicht zu, aber wohl geziemt es sich für uns, uns zu fragen, „wie es kam“, daß wir manchmal schon anderen gegenüber ungeduldig wurden und die „Sanftmut des Geistes“, nach der wir streben sollen (1Tim 6,11), vermissen ließen, so daß schmerzliche Entgleisungen die Folge waren. - Doch ich muß und will für heute schließen: Diese ganze Geschichte spricht ernstlichst zu unserem Herzen und Gewissen und stellt uns alle vor manche tiefe Fragen, zusammengefaßt in unserer einen: „Wie kam es?“ - Der Herr aber segne uns Sein köstliches Wort! 1Pet 1,25.
F. K.
(Fortsetzung folgt, s. G. w).