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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Themen Artikel
Handreichungen Band 10 -Jahrgang 1925
Mt 27,54 - „Wahrhaftig, dieser war Gottes Sohn“Mt 27,54 - „Wahrhaftig, dieser war Gottes Sohn“
Dies waren die Worte des Hauptmannes, der Jesus am Kreuze bewachte. Die Dinge, die sich in jenen Stunden zutrugen, bekundeten, daß Der, der zwischen den beiden Übeltätern hing, kein anderer als der Sohn Gottes war.
Dieser Ausspruch des Hauptmanns führt unsere Gedanken zu anderen Beispielen und Ereignissen in dem Leben des Herrn hienieden, die uns das Gleiche bekunden. Wohl war die Herrlichkeit Seiner Person in der Gleichgestalt des Fleisches der Sünde verhüllt, aber doch leuchtete aus der Knechtsgestalt und bei an sich unscheinbaren Ereignissen oft so viel von dem Glanze Seiner persönlichen Herrlichkeit hervor, daß solche, deren Augen durch Gottes Gnade geöffnet waren, in Lob und Anbetung ihre Stimme erheben mußten. Von einigen solchen Beispielen möchte ich hier berichten.
Zu der Zeit der Geburt des Herrn wurden viele Kinder in Palästina geboren, möglicherweise auch in Bethlehem. Aber obgleich der Ort Seiner Geburt der allergeringste war und Seine Geburt selbst unter allen Zeichen der Nichtachtung stattfand, öffneten sich doch über Ihn und nur über Ihn allein die Himmel, aus dem die Herrlichkeit Gottes herableuchtete. Ein Engel verkündigte den verwunderten Hirten, daß in der königlichen Stadt Davids ein Kind geboren sei - der Heiland, Christus der Herr -, und zugleich sahen sie eine Menge der himmlischen Heerscharen, die über jenes Kindlein ihre Stimme zum Lobe und zur Herrlichkeit Gottes erhoben und „Friede auf Erden und an den Menschen ein Wohlgefallen“ verkündigten.
Weiter, viele Kinder wurden der Anordnung des Gesetzes gemäß in den Tempel gebracht, aber nur zu einem wurde der alte Simeon von dem Heiligen Geiste in den Tempel geführt, es zu sehen. Dieser gottesfürchtige alte Mann hatte lange auf den Trost Israels gewartet. Nun wurde der Wunsch seines Herzens erfüllt. Er nimmt das heilige Kind in seine Arme, und in der Kraft des Heiligen Geistes preist er Gott: „Herrscher, nun entlässest Du Deinen Knecht nach Deinem Worte in Frieden; denn meine Augen haben Dein Heil gesehen, welches Du bereitet hast vor dem Angesicht aller Völker: ein Licht zur Offenbarung der Nationen und zur Herrlichkeit Deines Volkes Israel“. (Lk 2,29-32).
Wie herrlich war dieser Tag für Simeon! Ihn zu erleben hatte Gott ihn so alt werden lassen. In diesem kleinen Kindlein, welches er in heiliger Scheu in seinen Armen hielt, schaute er Christus - den Sohn Gottes -, der als der Mensch des Wohlgefallens Gottes der Erstling eines neuen Geschlechtes sein würde.
Laßt uns nun weiter zu den Zeiten Johannes des Täufers gehen (Lk 3,21.22). Viele wurden in jenen Tagen getauft, die durch nichts besonderes von den anderen unterschieden wurden, aber als Jesus kam (damit Er alle Gerechtigkeit erfülle), um von Johannes getauft zu werden, da öffnete sich, als Er aus dem Wasser herauf kam, der Himmel über Ihm, und der Heilige Geist stieg in der leiblichen Gestalt wie eine Taube auf Ihn herab, und die Stimme des Vaters erklärte von der prachtvollen Herrlichkeit aus: „Du bist Mein geliebter Sohn, an Dir habe Ich Wohlgefallen gefunden.“
Wieder wechselt die Szene. Auf dem trügerischen Meere von Galiläa mit seinen plötzlichen Stürmen liegt dichte Nacht. Ein Boot versucht das andere Ufer zu erreichen, wird aber auf den Wellen von einem widrigen Winde umhergeschleudert. Die kleine Besatzung ist in Lebensgefahr. Um die vierte Nachtwache, als sie fast keine Hoffnung mehr hatte, sehen ihre entsetzten Blicke in der Dunkelheit die Erscheinung eines auf dem ausgepeitschten Meere wandelnden Mannes hervortauchen. Über jede
Gefahr von Wind und Wogen erhaben, geht Er auf den Wassern, wie es kein Mensch dieser Welt vermag. Es ist der Mensch himmlischer Herkunft - Jesus Christus, der Herr. Auf Sein Wort hört der Sturm zu wüten auf, und die ruhelosen Wogen glätten sich. Voller Gnade steigt Er zu den Jüngern in das Schiff, überwältigt fallen sie zu Seinen Füßen nieder, und in der Stille, die dem Wüten von Wind und Wellen folgte, rufen sie aus: „Wahrhaftig, Du bist Gottes Sohn“ (Mt 14,22-33).
In Nain finden wir eine zahlreiche Volksmenge, welche die Witwe, die ihren einzigen Sohn verloren hat, auf dem schweren Gange zum Grabe begleiten. Als der Leichenzug sich dem Tore der Stadt nähert, tritt ein Mitfühlender heran, der nicht nur ein Herz für das Weh der Witwe hat, sondern der auch imstande ist, ihren Kummer zu heilen. In göttlicher Liebe und Kraft tritt Er an den Sarg und bringt Leben und Freude in eine Umgebung von Betrübnis und Tod. Mit Händen der Liebe berührt Er die Totenbahre, mit Worten der Macht ruft Er den Jüngling zum Leben zurück, und in göttlicher Gnade gibt Er das einzige Kind und die einzige Stütze der trauernden Witwe wieder. Das dabei stehende Volk, von heiligem Schauer erfüllt, lobpreist, daß „Gott Sein Volk besucht hat“. (Lk 7,11-17).
Ein selbstgerechter Pharisäer ladet herablassend den Herrn zum Essen ein (Lk 7,36-50). Die gewöhnlichen Höflichkeiten nach Sitte und Brauch im Orient werden Ihm nicht zuteil. Ihm wird kein Wasser zum Waschen der Füße angeboten - kein Zeichen von Aufmerksamkeit; kein Begrüßungskuß wird Ihm geschenkt - kein Zeichen von Zuneigung; kein wohlriechendes Öl ist für Ihn da, Sein Haupt zu salben - kein Zeichen der Ehrung. Der Pharisäer übergeht diese Zeichen des Anstandes bei seinem Gast.
Ein elendes Weib aus der Stadt, die in Sünde tief gesunken ist, kommt in dieses Haus. Mit unwiderstehlicher Gewalt wird ihr Herz hingezogen zu dem verachteten Fremden, dem Freund der Zöllner und Sünder, an der Tafel des selbstgerechten Pharisäers. Die verächtlichen Blicke der Gesellschaft können sie nicht zurückhalten noch ihre Freude hindern, Den zu sehen, nach dem ihre Seele dürstet. Hinter Ihm stehend fällt sie zu Seinen Füßen nieder; die Füße, denen man das erfrischende Wasser nicht gegeben hatte, badet sie in ihren Tränen und trocknet sie mit den Haaren ihres Hauptes, ihrem einzigen Schmuck. Diesen Füßen gibt sie wieder und wieder den Kuß, den man Ihm nicht gegeben hatte, und salbt sie mit dem Wohlgeruch ihrer Salbe, die der Pharisäer nicht für Ihn hatte. Gott sah die Nichtachtung Seines Sohnes, und in Seiner Unumschränktheit zieht Er jenes tiefgesunkene Weib in dieses Haus, um die Herrlichkeit Seines geliebten Sohnes in der Vergebung ihrer Sünden inmitten Seiner Verachtung zu offenbaren, so daß die Tischgesellschaft sagen muß: „Wer ist dieser, der auch Sünden vergibt?“(V. 49).
Ferner, zwei geliebte Jünger sind auf dem Wege nach Emmaus. Der Eine, den sie so liebten, war ihnen genommen und von bösen Menschen geschlagen und ans Kreuz genagelt worden. Niedergeschlagenen Herzens unterhielten sie sich von allen diesen Dingen. Während sie noch so redeten, gesellt sich ein Fremder zu ihnen; Er kennt ihre Herzen. In wunderbar zarter Weise bringt Er sie dazu, Ihm ihr Herz auszuschütten, und indem Er ihnen die Schriften öffnet, gewinnt Er ihr Vertrauen und ihre Liebe, und sie bitten Ihn, bei ihnen zu bleiben. Am Brechen des Brotes, das Er segnete, brach und ihnen gab, erkennen sie voll Freude den auferstandenen Christus, den Sohn Gottes. (Lk 24,18-32).
Zum Schluß laßt uns noch auf die kleine Schar sehen, die nach Bethanien hinausgeht (Lk 24,50). Sie haben Ihn in ihrer Mitte; wie lauschen sie auf die letzten Worte dessen, der nun von ihnen hinauf zur Herrlichkeit genommen wird! Segnend breitet Er Seine Hände über sie aus, und so sehen sie Ihn, in dessen Angesicht die Liebe Gottes strahlte, emporgehoben und hinaufgetragen in den Himmel, wo Er, nachdem Er ein Schlachtopfer für die Sünden dargebracht, Sich auf immerdar gesetzt hat zur Rechten Gottes - als Verwalter aller Ratschläge Gottes -, der eingeborene Sohn Gottes.
S. - v. d. K.